Drei Mädchen, zwei Jungs und eine WG von Khyre (Ein Käfig voller Chaoten) ================================================================================ Kapitel 9: Ikkus Eltern ----------------------- Kapitel neun - Ikkus Eltern Als Kenji nach einer Woche heimkam, war er kein Stück mit seiner Arbeit weiter gekommen. Panisch arbeitete bis spät in die Nacht hinein und kam früh morgens mit Augenringen aus dem Zimmer, um sich mit Kaffe zuzubechern. Am dritten Tag kam Ikku um 10.30 Uhr in Kenjis Zimmer. “Du arbeitest noch?” “Ja....” Gähnend lies er sich nach hinten sinken. Dann richtete er sich wieder auf. Seit Kopf schmerzte seit Tagen. ‘Ich glaub, ich bin gegen das Aspirin resistent geworden...schließlich schlucke ich das Zeug schon ununterbrochen...’ Missbilligend blickte Ikku auf Kenji herab, der immer wieder Sätze tippte, die dann aber verwarf und dann wieder auf’s Neue schrieb. Irgendwann war Ikku es zuviel, diesem Unsinn zu zu sehen und riss Kenji den Laptop vor der Nase weg. Sie klappte den Bildschirm zu und öffnete die Tür zum Gehen. “Hey! Das kannst du doch nicht machen!!!” “Ich schreibe für dich weiter. Und du - leg dich hin, klar?” “Nein. Ich...das kannst du doch gar nicht....lass mich weiter machen...” “Du kannst dich aber kein Stück konzentrieren.” “Doch, sicher.” “Ach so? Nennst du das konzentrieren?” Sie klappte den Bildschirm wieder auf und las Kenjis letzen Satz vor. “‘Man lege das Eprom auf die Plitane (->Platine) und löte anschließend das Eprom zusammen mit dem Lötzinn an den Schalter....’ ....Was für ein Gerät willst du damit denn bitte bauen?”, meinte Ikku billigend und mit hochgezogenen Augenbrauen. “Ach Shit...das sollte doch...Dingens heißen.....”, grummelte Kenji. “Also. Du legst dich jetzt hin und schläfst, bis nicht mehr...so ne Menge Scheiße aus deinem Mund quillt und ich kümmer mich um den kleinen Bericht. Klar? Schließlich bringt es nichts zu arbeiten, wenn man sich nicht konzentrieren kann!”, zitierte Ikku den Satz, den Kenji einst Ikku gelehrt hatte. Kenji grinste schwach, musste sich aber geschlagen geben und lies sich auf sein Bett fallen. Daraufhin ging Ikku zufrieden hinaus. In ihrem Zimmer schlug sie, um den Bericht schreiben zu können, in einigen Büchern über ähnliche Geräte nach und fing schließlich an, zu tippen. Nach dem Mittagessen am nächsten Tag, wollte Kenji Ikkus Rat, sich zu erholen folgen und schlug vor, einen Spaziergang zu machen. Ikku hatte den Bericht am nächsten Morgen auf Kenjis tisch geknallt und ihn wütend angeschnauzt: “Ich habe alle nochmal schreiben müssen, du Idiot. Du glaubst gar nicht, was das für ein Haufen zusammengeschriebener Müll war!!! Du arbeitest nie wieder so lang am Stück klar?! Nochmal mache ich das nämlich nicht mehr. Du bist der große Vollidiot den ich kenne.” Dann war sie, ohne Antwort abzuwarten aus dem Zimmer verschwunden. Da Kaori wieder einmal zu Besuch war, lief Sonoko mit dieser und unterhielt sich auch mit ihr eifrig. Wobei man nicht davon ausgehen kann, dass die beiden solch wichtige Gesprächsthemen hatten. Doch das ignorieren von Ikku und ihre höchste Konzentration gegenüber Kaoris worten dienten einem anderen Zweck - denn so war Ikku Gezwungen, mit Kenji zu laufen. Und diese war alles andere als glücklich darüber.... “Sag mal, Ikku, wie steht’s eigentlich mit deinen Eltern?”, fragte Kenji, während wie eine Allee entlang gingen. “Ich wüsste nicht, was dich das anginge.”, antwortete die ihm bissig. Doch nach einer Weile ratloser Stille rang sie sich doch zu einer kleinen Antwort durch. “Wenn es dich interessiert: Ich habe fünf Geschwister.” “Und wie alt sind die?” “Alle älter als ich.” “Ahja, und deine Eltern, welchen Beruf haben die?” “Angestellter irgendwo und Hausfrau.” “Ahja.” “Meine Geschwister sind alles besser als ich. Super in der Schule, studieren und sind selbständig.” “Aber das bist du doch auch.” “Bin ich nicht. Ich bin nur Durchschnitt.” “Finde ich nicht. Ein Durchschnittsmädchen wäre ein Mädchen mit Lehre, die halbtags irgendwo jobbt und später, sobald sie verheiratet ist zur Vollhausfrau wird und ihre Kinder hütet.” “Stimmt. Ich kriege ja nie Kinder.” “Du schaffst es doch immer, das Falsche aus einer Aussage heraus zu hören.” “Ich bin Pessimist.” “Glaube ich nicht.” “Dein blödes ‘Glaube ich nicht’, ‘finde ich nicht’, geht mir verdammt auf die NERVEN.” “Was soll ich denn sonst sagen? Ich finde die Sätze sehr passend.” “Aber sie nerven.” “So, so.” “Das ‘So, so’ nervt genauso!!!” Kenji seufzte. Dann lenkte er das Gespräch langsam einer vernünftigeren Thema zu: “Willst du denn später mal Kinder?” “Was? Wie kommst du denn jetzt auf so eine schwachsinnige Frage?!”, beschwerte sich Ikku und lief rosafarben an. “Naja, weil du vorhin gemeint hast, dass du keine Kinder bekommst.” “Ja, weil ich keinen mann kriegen werde.” “Sagt wer?” “Ich. Schau mich an, ich bin kratzbürstig, zickig, hässlich und dumm.” “Unsinn.” “Wie?” “Unsinn. Du bist weder äußerlich noch innerlich hässlich.” “Aber dumm.” “NEIN!” “Brüll mich nicht an!” Daraufhin musste Kenji kichern. “WAS?”, fuhr Ikku ihn empört an. Es behagte ihr nicht, von ihm ausgelacht zu werden. “Genau DAS. Es ist lustig, aus DEINEM Mund zu hören, dass ich nicht schreien soll.” “Idiot.” “Meine Eltern halten nicht viel von mir. Ich bin gegen ihren Willen mit 18 von Zuhause abgehauen. Sie kotzen mich an.” Kenji hörte Ikku mit ernstem Gesicht zu. “‘Ikku, du kannst dies nicht - Ikku du kannst das nicht’, ‘Ikku, warum kannst du nicht so wie deine Geschwister sein?’ ‘Ikku, fang kein Studium an, das brichst du sowieso ab.’ ‘ “So etwas sagen sie?” “Ja. Und irgendwann habe ich angefangen zu schreien. Weil ich es nicht mehr hören konnte. Ich schrie jeden Tag, ich schrie sie auch nur an, wenn sie mein Zimmer betraten, ich konnte sie nicht mehr sehen. Ich hab es so satt gehabt. Ich hasse sie alle! Aber was soll’s. Hast du jetzt genug von meiner Familie gehört?!” “Hm.” Kenji dachte nach. Und er erinnerte sich. Ikku, wie sie schrie. ‘‘ICH BIN DOCH NICHT BLÖD!!!’‘ICH SCHAFFE DAS ALLEINE!!!’‘LASS MICH IN RUHE!!!’ Sie hatte geschrieen, weil sie Angst hatte, wieder enttäuscht zu werden...sie hatte Angst, man würde ihr ihren Mut nehmen....’ Er fasste einen Entschluss. “Wo gehst du hin?”, fragte Ikku verwirrt und besorgt, was in Kenjis kranken Hirn wohl vorgehen könnte. “Mir ist eingefallen, dass ich noch was in der Stad einkaufen muss. Ihr könnt ja ohne mich weiter gehen.” Ikku blickte ihm misstrauisch hinterher - schlich ihm hinterher. Und sie behielt Recht. Kenji hatte einen Zettel ausgepackt und lief geradewegs auf Ikkus Haus zu. Gerade wollte sie wütend nach seinem Namen rufen und sprang aus ihrem Versteck - als sich plötzlich die Haustüre von Ikkus Haus öffnete. Ikku erstarrte nur wenige Meter vor dem Haus. Eine ältere Frau blickte überrascht von ihren Mülleimern auf. Kenjis Körper hatte einen Schatten über sie geworfen. Sie sah zuerst Kenji - und dann Ikku. “IKKU!!!”, schrie Frau Miyazaki ihrer Tochter entgegen. Ikku knurrte. “Und wer sind sie?” “Kenji Okamoto. Hallo, freut mich, sie kennen zu lernen.” “Hat Ikku ihnen Schwierigkeiten gemacht?” “Nein, gar - “ doch die Frau überhörte die Antwort und verbeugte sich tief. “Ich entschuldige mich vielmals für meine Tochter. Ikku, komm her!” Doch Ikku blieb stehen. “Ikku? Wo warst du?” Ich hätte deine Hilfe im Haushalt gebracht! Immer lässt du mich alleine arbeiten!”, fing Frau Miyazaki an, ihre Tochter zu tadeln. Kenji versuchte, sie ein wenig zu beruhigen: “Sie muss studieren. Da haben sie sicher Verständnis. Ein bisschen unter andere Leute - “ Doch Frau Miyazaki lies ihn wieder nicht ausreden: “Wie, du studierst?! Ikku, nein! Ich habe dir doch schon so oft gesagt, dass das nichts für dich ist! Du wirst nur enttäuscht werden! Komm. Komm wieder zurück. Ich habe zuhause eine solche Freude an der Hausarbeit und weißt du, du bist mir so ähnlich! Ich war auch nur durchschnittlich in der Schule. Das Studium ist nichts. Schau mich an, wenn du mit 20 glücklich heiraten kannst und versorgt wirst, ist das nicht toll? Du bist nun mal nicht so klug wie Momo-Chan oder Sa-Chan, keine Glanzschülerin, die für ein Studium geschaffen ist. Ich garantiere dir, dass du hjier glücklich werden wirst. Geh nicht studieren, du bist dafür nicht geschaffen!” Kenji hielt es nicht mehr aus. Er musste ihr ins Wort fallen: “aber verstehen sie denn nicht? Wenn sie das Studium abschließt, hat sie eine viel größere Berufschance. Und ob Glanzschülerin oder nicht...das hat doch überhaupt nichts mit dem Studium zu tun! Es gibt viele Glanzschüler, die nachher im richtigen Leben versagen! Warum schenken sie ihrer Tochter nicht ein wenig mehr Vertrauen?” “Glauben sie etwa, ich ließe mich von ihnen Belehren?! Ich will doch nur meiner wertlosen Tochter einen Platz in der Welt schaffen! Und nun lassen sie mich durch, ich gehe wieder an die Arbeit.” Ikku schwieg. Dann rannte sie wortlos zurück. Ihre Augen waren leer wie das Nichts.... Zuhause lag Kenji auf seinem Bett, die Arme über seinem Gesicht gekreuzt. ‘Warum hätte ich ihr nicht einfach glauben können? Was ist das denn nur für eine Mutter....’ Er drehte sich zur Seite. ‘Aber ich verstehe jetzt. Dieser Käfig, in dem sie gehalten wurde...Ich würde gerne zu ihr gehen und sie aufmuntern, aber schließlich war ich es, der sie da - ‘ Klirr. Kenji wurde aus seinen Gedanken gerissen ‘Was ist das gerade zerbrochen?!’ Gedanklich fiel ein blutverschmiertes Messer vor ihm zu Boden. Panisch stürmte Kenji in Ikkus Zimmer und riss die Tür zu ihrem Zimmer auf. Auf dem Boden waren lauter Glassplitter verteilt und inmitten des Chaos stand Ikku, die kurz davor war, sich einen riesigen Splitter in die Pulsader zu stechen. “IKKU!!!” Er sprang über die Glassplitter auf dem Boden und hielt sie von hinten am Arm fest. “Lass mich.”, flüsterte sie monoton. “Ikku, es tut mir Leid...”, flüsterte Kenji schwach zurück. Dann beugte er sich über sie und grub seinen Kopf in ihrer Schulter. “Ich war ein Idiot und hätte dir glauben sollen...” “Sie habe sowieso recht. Ich bin unfähig. Ich bin wie meine Mutter - sie muss es doch wissen.” “Nein! Du bist nicht unfähig! Und du bist auch nicht wie deine Mutter!” “Stimmt. Ich war so blöd, ein Studium anzufangen, obwohl es sinnlos ist.” “Genau das unterscheidet dich von ihr. Du kämpfst für deine Zukunft - sie hat es nicht einmal versucht; wie kann sie da wissen, ob sie es geschaffte hätte, geschweige denn dass du versagen wirst?” “Aber ich bin mies in der Schule.” “Stimmt gar nicht. Was war mit deiner Zwei in Mathe?” “DIE HABE ICH ABER NICHT ALLEINE GESCHAFFT!!!” “Na und? Geschafft ist geschafft. Außerdem habe ich dir schon einmal gesagt, dass man sowieso nicht alles im Leben alleine schafft und dass jeder einmal Hilfe braucht.” “Ein Studium will ich alleine schaffen....ich will nicht abhängig sein....aber ich bekomme es nicht auf die Reihe, weil ich blöd bin....ich....” Langsam sank der Splitter aus Ikku Hand und fiel klirrend zu Boden. Dann drehte sie sich um und lehnte sich an Kenji. “Aber ich will nicht so leben wie meine Eltern....” “Wenn du dir solche Gedanken darüber machst, kannst du nicht dumm sein.” “DOCH!!! ICH...ICH HABE SOGAR MEINEN KÖRPER VERKAUFT, NUR UM EIN BISSCHEN LOB ZU ERHALTEN!!!” Ikku krallte sich an Kenji und Tränen flossen ihr über das Gesicht. Schützend nahm Kenji sie in die Arme und sprach ihr gut zu. “Ikku...Masao ist doch nur eine einmalige Sache gewesen und so etwas passiert bestimmt nicht mehr...du musst dir keine Gedanken machen...das ist ja kein Stempel - gebraucht. Das ist passiert und jetzt nicht mehr wichtig. Und...naja. Es ist ja nicht dein Lebensinhalt, du wolltest ja etwas anderes. Und da hast du eben nur an der falschen Stelle gesucht. Mach weiter. Erinnerst du dich noch an die Fehler in meinem Model, die selbst ich nicht gefunden habe. Du hast sie gefunden.” “Das waren ja echt doofe Fehler.” “Siehst du? Jeder ist im Leben mal doof. Sogar ich.” “Du bist echt eingebildet.”, grinste sie. “Tja. Dank dir.”, antwortete er ihr lächelnd. “Hä?! Das blick ich jetzt nicht.” “Du solltest wissen, dass ich deine Schimpfwörter ein wenig anders deute als sie sind.” “Ahja.”, meinte sie. Verstand aber kein Wort von dem, was Kenji da für einen Unsinn laberte. “Da fällt mir ein! Wer hätte meinen Bericht denn so einfach fertig schreiben können?” “Ach das...” Ikku winkte es herabwürdigend ab. Musste aber dennoch grinsen. “Übrigens - morgen ist doch das Sommerfest! Wollen wir zusammen hingehen?” “Ich im Kimono?” Jetzt musste Kenji grinsen. “Wenn du nicht willst....dann eben ohne. Überleg es dir bis morgen.” Dann ging er aus dem Zimmer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)