東京幻想 von abgemeldet (Tokyo Illusions (Kapitel 1 - 8 korrigiert)) ================================================================================ Kapitel 21: Treffen mit Rikuo ----------------------------- "Du bist spät dran!", ertönte eine Stimme aus den Schatten und die junge Frau, welche eben noch außer Atem die Treppe ins Untergeschoss gehetzt war, schrie kurz auf. "Mensch... Ail... bist du bescheuert? Du kannst mich doch nicht so erschrecken!", fauchte sie und stemmte die Hände in die Hüften. Ail Arke, der Besitzer des SlImE, stand an eine der Wände gelehnt und grinste breit. "Schlechtes Gewissen, was, Süße?" Er zündete sich eine Zigarette an und musterte die junge Frau verwirrt. "Sag mal, was soll denn der Aufzug?" Luca sah an sich herab. "Was ist denn? Ist doch alles normal." Der Grünhaarige hob eine Augenbraue und schüttelte leicht den Kopf. "Du siehst aus wie eine Barbie." "Ah... halt die Klappe", schimpfte sie, dann verschwand sie durch eine Tür zu den Umkleideräumen. Was dachte sich dieser Kerl überhaupt? Luca war eine junge Frau und sie konnte sich schließlich anziehen wie sie wollte, egal ob als 'Barbie' oder als 'Punk-Bitch'. Wütend zog sie ihr Top aus und pfefferte es in eine Ecke. "Kleines, das ist aber kein Benehmen für eine junge Dame", erklärte eine tiefe Stimme. Luca drehte sich wütend um. "Du bist so eine perverse Sau, Ail..." Doch als sie denjenigen sah, dem die Stimme gehörte, riss sie die Augen weit auf. "Vincent...?", fragte sie vorsichtig. Der Mann grinste breit, ging auf die Studentin zu und nahm sie in den Arm. "Leibhaftig, Schwesterchen." Er packte sie an den Schultern und musterte sie interessiert. "Du siehst gut aus... richtig weiblich... wo hast du denn die Oberweite her?" Er lachte frech. "Und zugenommen hast du auch. Na ja... die paar Pfundchen sind ja nicht schlecht, aber wer wird dich denn jetzt noch heiraten wollen?!" "Du bist doof", erklärte die junge Frau, machte sich von ihrem Bruder los und zog sich das Top wieder an. "Was machst du eigentlich hier?" Vincent setzte sich in einen Ledersessel und zündete sich eine Zigarette an. "In erster Linie Geschäfte und natürlich mal nach dir schauen", erwiderte er und beobachtete seine kleine Schwester. "Hast du Rikuo mal besucht?" Luca schaute verlegen zu Boden. "Also nicht...", meinte Vincent, stand auf und ging zur Tür. "Komm mit." Sie starrte ihn verwirrt an. "Vince, ich muss heute arbeiten!" Ihr Bruder sah sie streng an. "Musst du nicht! Ail hat dir für zwei Wochen freigegeben." Luca wusste, dass es keinen Sinn hatte, ihrem Bruder zu widersprechen und so folgte sie ihm. "Wo gehen wir hin?", fragte die Dunkelhaarige leise. "Einkaufen. Du brauchst neue Kleider für heute Abend." Die junge Frau schaute ihm verdattert nach, ging jedoch mit und setzte sich in ein schwarzes Auto, als ihr die Tür aufgehalten wurde. Vincent gab Anweisungen an den Chauffeur und zündete sich wieder eine Zigarette an. "Brüderchen... wieso brauche ich denn neue Kleider für heute?", fragte sie ihn vorsichtig und holte sich ebenfalls eine Zigarette aus ihrer Handtasche. Der Schwarzhaarige nahm ihr diese weg. "Du sollst doch nicht rauchen, das gehört sich nicht für eine junge Damie", erklärte er und schaute seine Schwester streng an. "Und um deine Frage zu beantworten: Wir werden heute mit Rikuo essen gehen und dafür brauchst du neue Kleider." Schmollend drehte sich Luca um und schaute aus dem Fenster. Gegen einen Einkaufsbummel sprach ja nichts, aber Abendessen mit Rikuo... Sie hatte ihn völlig vergessen, und da er in den letzten paar Monaten keine Zeit gehabt hatte, ihn auch nicht besucht. Eigentlich seltsam. Sie kannte so viele Leute hier, aber besucht hatte sie noch keinen von denen. Nach einer Weile hielt der Wagen vor einem Geschäft an. Die Tür wurde geöffnet und die beiden Geschwister stiegen aus. Vincent ging vor und seine Schwester folgte ihm. "Kann ich Ihnen helfen?", fragte eine Verkäuferin, als Vincent sich auf einen Ledersessel setzte. Er schaute sich in dem Geschäft um. "Wir brauchen ein Kleid, Schuhe und Unterwäsche", erklärte er der Verkäuferin sofort. "Und Schmuck." Die junge Frau nickte knapp, ging auf Luca zu und führte sie zu einer der Umkleidekabinen. Die Verkäuferin wuselte eilig durch den Laden, brachte immer wieder neue Kleider, Schuhe und Accessoires und nahm diese genauso schnell wieder mit, wenn sie Vincent nicht gefielen. Als plötzlich etwas in der Tasche seiner kleinen Schwester zu vibrieren anfing, kramte er ihr Handy raus und schaute aufs Display. "Koi". Amüsiert zog er eine Augenbraue hoch und nahm ab. Das würde definitiv ein lustiger Spaß werden. Er meldete sich mit Namen, erklärte dem Anrufer, dass er Lucas Ehemann war und legte einfach auf. "So viel zum Thema 'meine Schwester angraben'", erklärte er dem ausgeschalteten Handy fröhlich grinsend und steckte es in die Innentasche seines Jacketts. Nach ungefähr zwei Stunden verließen die beiden Geschwister das Geschäft und stiegen wieder ins Auto. "Jetzt fahren wir zum Friseur", erklärte Vincent seiner Schwester und gab dem Chauffeur neue Anweisungen. "Mir gefallen meine Haare aber so", beschwerte sich Luca und zupfte an einer Strähne. "Das glaube ich dir gerne, aber so kannst du unmöglich rumlaufen. Vergiss nicht, wessen Verlobte du bist." Die junge Frau zuckte zusammen. "Ich bin nicht Rikuos Verlobte", wehrte sie ab. "Ich habe einen Freund, nur damit du das weißt! Und außerdem bin ich alt genug, selbst zu entscheiden, wen ich heiraten will und wen nicht!" Der dunkelhaarige Mann sah sie ernst und streng an. "Das sah aber vor einigen Monaten noch ganz anders aus." Luca starrte ihn mit offenem Mund an. "Du bist doch bescheuert", fauchte sie. Vincents blaue Augen bohrten sich in die seiner Schwester. "Luca... das ist doch schon seit Jahren beschlossen", erläuterte er sanft. Die Dunkelhaarige schnaubte verächtlich. "Rikuo ist ein netter und attraktiver Mann, er wird dich schon glücklich machen. Ich würde doch meine Schwester nicht verheiraten, wenn sie dadurch unglücklich werden würde." "Aber ich liebe ihn nicht!", schrie sie Vincent entgegen. "Das wird schon noch kommen", sagte er leise und strich ihr sanft über die Wange, dann wandte er sich von ihr ab und starrte aus dem Fenster. Gebäude und Autos zogen an ihnen vorbei. "Ich will doch nur, dass du in gute Hände kommst... du bist schließlich meine Schwester, aber..." Er verstummte und zündete sich eine Zigarette an. "Wie wirst du dich fühlen, wenn ich Rikuo heirate... was denkst du, wie es sein wird, mit anzusehen, wie deine Schwester einen Mann heiratet, den sie nicht liebt..." Vincent schloss die Augen und atmete tief ein. "Ich werde es schon überleben." "Du bist so ein Heuchler", schrie sie ihn an. "Redest davon, dass du mich glücklich sehen willst, aber verscherbelst mich an deinen Freund." Das war anscheinend zu viel für den Mann. Er packte seine Schwester am Arm und zog sie zu sich. "Okay, Vorschlag. Noch ist ja nichts beschlossen und offiziell seid ihr auch noch kein Paar." Luca schaute ihren Bruder missbilligend an. "Wir werden auch keines." "Wir gehen heute essen, du wirst lieb sein und wer weiß... vielleicht wird ja doch noch was aus euch beiden." "Vince, ich habe einen Freund!", seufzte die Studentin und verzog das Gesicht zu einer Schnute. "Außerdem stehe ich nicht auf Weiberhelden." Der junge Mann zog eine Augenbraue hoch. "Wie meinst du das?" Luca grinste hämisch. "Na ja, Rikuo hatte wohl noch mehr Frauen als du", erklärte sie, "und du willst doch deine unschuldige und jungfräuliche Schwester nicht so einem Monster vorwerfen, oder?" Vincent strich sich die langen schwarzen Haare aus dem Gesicht. "Ich bin dein Bruder und du tust, was ich sage." Mit diesem Satz war das Gespräch beendet, das wusste Luca. Sie drehte sich wieder zum Fenster und blieb die ganze Fahrt zum Friseur so sitzen, auch während sie ihre Haare gemacht bekam und danach sprach sie kein Wort mit Vincent, bis sie das Hotel erreicht hatten. "Ich sollte vielleicht Naomi anrufen", erklärte Luca, nachdem sie geduscht und sich umgezogen hatte. "Sie macht sich ansonsten nur unnötig Sorgen." Vincent begutachtete seine Schwester. Sie trug ein elegantes schwarzes Gucci-Kleid, schwarze High Heels mit Riemchen, dazu passenden Schmuck mit Diamanten und elegant hochgesteckte blonde Haare. Er war sehr zufrieden mit sich und nickte knapp zur Erlaubnis. Nachdem Luca ihre Freundin eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen hatte, zog sie sich eine leichte Stola über, verließ zusammen mit ihrem Bruder das Hotel und sie machten sich auf den Weg zum Restaurant. "Soll ich was Besonderes sagen oder tun, wenn wir da sind?", fragte sie ironisch. Vincent hielt seiner Schwester die Tür zum Restaurant auf und folgte, nachdem sie hineingegangen war. "Du solltest dich vielleicht wie ein nettes Mädchen benehmen." "Wie Ihr wünscht, Meister." Der Mann schüttelte resigniert den Kopf, knuffte sie leicht in die Seite und führte sie zu einem Tisch, an dem ein gut aussehender Mann Ende 20 mit langen schwarzen Haaren saß und beiden freundlich zulächelte. "Schön, euch beide zu sehen", erklärte er vergnügt, stand auf und rückte Lucas Stuhl zurecht, als sie sich setzte. "Vor allem dich." Er hauchte ihr einen leichten Kuss auf die Wange. Luca lächelte ihm freundlich zu und schaute ihren Bruder an. Als sich beide Männer gesetzt hatten, kam ein Kellner und nahm die Bestellung entgegen. Vincent bestellte für seine Schwester mit, ohne sie zu fragen. "Du siehst hübsch aus, Luca-chan", freute sich Rikuo und legte seine Hand auf ihre. "Noch schöner als sonst. Gefällt dir Tôkyô?" Er lächelte ihr zu. "Es tut mir Leid, dass ich in den letzten Monaten keine Zeit hatte, aber das können wir ja nachholen, nicht wahr?" Luca nickte höflich und nahm einen Schluck von ihrem Wasser. "Hast du wenigstens schon einige nette Leute kennen gelernt?", fragte der Japaner interessiert. Die Studentin grinste. "Klar... also, letzte Woche habe ich einen Yakuza-Boss kennen gelernt, der ist wirklich Spitze. Wir haben erst mal schön Drogen vertickt und Schutzgeld eingetrieben. Und vor einer Weile habe ich einen aufdringlichen Typen von der Uni krankenhausreif geschlagen." Vincent spuckte sein Wasser aus und starrte seine Schwester an. Rikuo hingegen lachte laut auf. "Genau das mag ich an ihr", erklärte er seinem Freund und reichte ihm eine Serviette. "Sie hat so einen tollen Humor." Luca sah die beiden Männer schmollend an. "Das mit dem Typen stimmt wirklich." Nachdem Vincent sich wieder gefasst hatte, starrte er sie an. "Du hast was?" "Der Typ hat Naomi belästigt und da bin ich... na ja... du weißt ja, wie ich bin, wenn mir jemand ins Gesicht lügt", antwortete Luca verlegen. "Ich habe gegen so einen Holzpfeiler geschlagen und da ist ihm anscheinend was ins Auge geflogen oder so, jedenfalls war der Typ danach erst einmal im Krankenhaus." Rikuo lachte immer noch. "Ganz schön wild für ein Mädchen." "Und wieso musstest du das machen?", fragte Vincent genervt. "Weil es Naomi ist?", entgegnete sie steif. "Hättest du anders gehandelt?" Rikuo sah die beiden Geschwister grinsend an. "Wer ist diese Naomi eigentlich?" "Meine Schwester", erklärte Luca. Der Japaner schien verwirrt. "Ich dachte, ihr habt keine weiteren Geschwister?!" Vincent nahm einen erneuten Schluck von seinem Wasser. "Luca hat sie adoptiert." "Du doch auch!", gab sie zurück. "Da fällt mir aber was ein... Rikuo...?" Der Schwarzhaarige sah sie lächelnd an. "Ja?" "Sag mal, du arbeitest doch bei so einem Label, oder?" Der Japaner grinste. "Stimmt. Ist nichts Großes oder so, aber ja. Wieso?" Vincent rollte mit den Augen und schüttelte den Kopf. "Das ist nicht dein Ernst, oder?" Seine Schwester warf ihm ein liebenswertes Lächeln zu. "Und ob!" Rikuo schaute die beiden fragend an. "Also...", begann die Blonde, "Naomi ist eine super Musikerin." Der Japaner hob eine Augenbraue, wartete jedoch ab, bis Luca fertig war. "Und... na ja... vielleicht könntest du sie unter Vertrag nehmen... oder so..." Vincent lehnte sich zurück und beobachtete das Schauspiel. Sein Freund tat ihm in diesem Moment wahnsinnig Leid; wenn sich Luca etwas in den Kopf gesetzt hatte, zog sie es für gewöhnlich auch durch, egal mit welchen Mitteln. Rikuo nickte knapp und hörte ihr weiter zu. "Sie macht Rockmusik. Ich weiß, sie ist keine Japanerin, aber..." "Hast du irgendetwas von ihr? Ein Demo oder so?", wollte er wissen. "Ein was?", fragte sie verwirrt. Rikuo grinste. "Ein Demotape... wo man sie drauf hören kann." Luca sah ihn glücklich an. "Also, ein Tape nicht, aber eine CD." "Jetzt hast du verloren...", erklärte Vincent seinem Freund, der ihn jedoch nicht weiter beachtete. "Luca-chan, sagst du das als Freundin, oder würdest du die Musik auch wirklich hören?" Die Studentin schaute ihn genervt an und Rikuo wehrte mit einer Handbewegung ab. "Okay, bring mir das Demo und ich werde sehen, was ich für sie tun kann." "Einverstanden", japste die Blonde. "Kriege ich deine Wagenschlüssel?" Der Japaner sah sie irritiert an. "Wieso?" "Na, damit ich die CD holen kann", erklärte sie. Rikuo holte vorsichtig seine Schlüssel heraus, er hatte ihr noch nie einen Wunsch abschlagen können, selbst damals bei dem Hund nicht. Er hatte ihr einen hübschen Akita-Ken gekauft gehabt, der dann leider überfahren worden war. Die junge Frau schnappte sich die Schlüssel, sprang auf und hetzte durch die Tür. "Bin in zehn Minuten wieder da." "Aber bis zu dir ist es eine halbe Stunde und das auch nur bei wenig Verkehr", entgegnete Rikuo leicht panisch. "Gib mir fünf", kam nur noch als Antwort und sie verschwand durch die Tür. Der Schwarzhaarige sah Vincent leicht verängstigt an. "Sag mal, hat deine Schwester eigentlich einen Führerschein?" Vincent grinste breit. "Ich habe keine Ahnung." Mit quietschenden Reifen hielt die Designstudentin vor dem Haus, in dem sie und ihre Freundin eine Wohnung gemietet hatten. Eiligst rannte sie die Metalltreppe hoch und schloss die Tür auf. "Naomi...", rief sie aufgeregt. "Naomi... wo steckst du?" Die Blonde rief durch die ganze Wohnung und lief ins Schlafzimmer. Ohne nachzudenken packte sie ihre Freundin von hinten und versuchte, sie in Richtung Tür zu ziehen. Die Musikstudentin zuckte erschrocken zusammen und zog den Kopfhörer aus den Ohren. "Nani? Was ist denn?", fragte sie irritiert. "Demo...", keuchte Luca. "Wo?" "Was willst du von mir?" "Demotape... deins...", rief die Blonde leicht gestresst. "Das liegt im Wohnzimmer im Regal", entgegnete die Brünette. "Warum?" Luca schnappte ihre Freundin am Handgelenk. "Schnapp dir deine Gitarre." Dann zog sie sie ins Wohnzimmer, krallte sich das CD-Etui und verließ mit der wehrlosen Naomi die Wohnung. Naomi schaffte es gerade mal, das Verstärkerkabel aus ihrer Gitarre zu ziehen und folgte der Designstudentin verwirrt. "Sag mal, was hast du mit deinen Haaren gemacht? Und warum um alles in der Welt hast du dich so aufgebrezelt?" "Vincent!", kam die knappe Antwort. Luca schleifte ihre Freundin die Treppe runter, drückte einen Knopf an dem Wagenschlüssel und öffnete die Beifahrertür. "Steig ein." "Was hat Vincent denn damit zu tun?", gab die Brünette irritiert zurück. "Das ist doch jetzt so was von egal", fauchte die Designstudentin. "Steig einfach ein, Rikuo wartet auf uns." Sie ging um die Kühlerhaube und setzte sich auf den Fahrersitz. Vollkommen verwirrt ließ sich Naomi auf den Beifahrersitz fallen und sah ihre Freundin merkwürdig an. "Wer zum Teufel ist Rikuo?" "Scout, bei so einem Musiklabel", antwortete die Blonde und gab Gas. "Irgendwas mit Universal oder so." "Du meinst Universal J?", fragte die Musikstudentin ungläubig und ihr klappte der Kiefer runter. "Dir ist schon klar, dass das ein Major Label ist? Was soll ich da als Anfänger?" Luca fluchte gerade herzhaft, weil ihr ein verwirrter Autofahrer die Vorfahrt nahm. "Du sollst einfach dein Demo da abgeben", erklärte sie gereizt. "Und wer weiß, wenn er dich sieht, macht es möglicherweise noch mehr Eindruck." Naomi sah ihre Freundin mit großen Augen an. "Das ist nicht dein Ernst, oder?", fiepte sie. "Eigentlich schon, aber wenn du willst, kann ich dich wieder nach Hause fahren." Die Brünette schüttelte heftig den Kopf. "Nein!", wehrte sie ab. "Es ist nur so, dass ich das noch nicht wirklich glauben kann... Ich bei einem Major Label..." Luca machte eine Vollbremsung und starrte ihre Freundin ernst an. "Langsam kriege ich einen Anfall bei deinem... 'womit habe ich das verdient'...", fauchte sie genervt. "Womit habe ich dieses verdient... womit jenes... kannst du nicht einmal zur Abwechslung einfach den Mund halten und es einfach passieren lassen?" Sie streckte den Mittelfinger durch das Fahrerfenster, als einige Wagen hinter ihr anfingen zu hupen. "Kein Wunder, dass selbst die Sache mit Kiri nicht richtig klappt, wenn du dauernd diese 'Ich bin es nicht wert'-Gedanken hast!" Geknickt ließ Naomi den Kopf sinken. "Aber... so war das jetzt gar nicht gemeint...", murmelte sie leise. "Außerdem kann ich doch nichts dafür." "Baka", erklärte ihre Freundin und wuselte ihr durch die Haare. Dann gab sie wieder Gas und fuhr bei Rot los. Die Musikstudentin kauerte sich auf ihrem Sitz zusammen. Sie wusste, dass Luca Recht hatte, aber es war gar nicht so einfach, etwas daran zu ändern. Sie beschloss jedoch, sich ein bisschen mehr Mühe zu geben, und wenn es nur für Luca war. Als die beiden Frauen vor dem Nobelrestaurant angekommen waren, warf Luca einem der Einparker die Wagenschlüssel zu und ging schnurstracks mit Naomi hinein. "Lebt mein Auto noch?", fragte Rikuo leicht panisch und stand halb auf. "Keine Ahnung...", antwortete Luca grinsend und setzte sich hin. "Das hier ist übrigens Naomi Crescent." Sie deutete auf die verunsicherte Musikstudentin. "Das da ist Rikuo Sakurai." Naomi verbeugte sich höflich vor ihm und umklammerte dabei den Hals ihrer Gitarre. "Douzo yoroshiku." "Lass mich raten, sie hat dich einfach entführt", meldete sich Vincent zu Wort und grinste die Brünette breit an. "Vincent", rief Naomi freudestrahlend aus. "Ich wusste doch gar nicht, dass du hier bist. Ich hab dich vermisst." Der Schwarzhaarige grinste noch breiter. "Ich weiß." Er strich sich durch die langen Haare. "So geht es allen Frauen." "Baka", gab sie ebenfalls grinsend zurück. "Wir sind ja mal gar nicht von uns überzeugt, hm?!" Sie stutzte. Irgendwie kam ihr das gerade ziemlich bekannt vor. "Ich weiß halt, dass ich gut bin." Vincent stand auf und nahm sie in den Arm. "Bist ja noch kleiner als sonst." "Gar nicht wahr." "Ah, hör nicht auf den Trottel", mischte sich Luca ein. "Er meinte auch schon zu mir, dass ich zugenommen hätte." Sie warf Rikuo einen bösen Blick zu, als dieser sich die Blonde nach dieser Aussahe näher ansah. "Wo hast du denn zugenommen?", fragte Naomi mit hochgezogener Augenbraue. "Also..." Rikuo zwickte Luca in die Seite. "Hier hat sie ja schon etwas angesetzt." "Willst du sterben?", zischte Luca. "Ich weiß, wo deine Autoschlüssel sind." Panisch zuckte der Japaner zusammen. "Ich habe gar nichts gesagt", meinte er unschuldig. "Schon klar", grinste Vince. "Wir können nur alle Gedanken lesen, was?!" Die Brünette lachte auf. "Zum Glück nicht. Ich möchte ehrlich gesagt nicht wissen, was alles in deinem Kopf vorgeht." Rikuo nickte zustimmend und sah dann ernst zu Luca und Naomi. "Kommen wir nun zum Geschäftlichen." Die Blonde übergab ihm das CD-Etui und einen Discman, den sie gerade noch so mit eingepackt hatte. "Da", meinte sie brüsk. "Zuhören und Klappe halten." Der Scout hob eine Augenbraue, nahm ihr die Sachen ab und begann sich jeden der Tracks anzuhören, ohne auch nur eine Regung zu zeigen. Nach circa vierzig Minuten schaltete er das Gerät ab und nahm die Kopfhörer aus den Ohren. "Also...", begann er. Naomi saß da, wrang ihre Hände und wartete nervös ab, was er dazu sagen würde. "Hast du das alles selbst gemacht?", fragte er schließlich und zündete sich eine Zigarette an. Sie nickte. "Habe ich." "Im Groben ist es ja..." Er suchte anscheinend nach dem richtigen Wort. "Ganz gut. Noch etwas ausbaufähig, aber gut." Luca warf ihm einen eisigen Blick zu, den er gekonnt ignorierte. Dies war etwas anderes... dies war Arbeit und da konnte sie gucken, wie sie wollte. Die Musikstudentin legte den Kopf schief. "Ich habe ja auch nicht behauptet, dass es perfekt ist." "Wenn du das getan hättest, hätte ich es mir auch nicht angehört", fiel er ihr ins Wort. "Ich hatte ohnehin noch vorgehabt, daran zu arbeiten", beendete sie schließlich ihren Satz und sah Rikuo ernst an. Der Scout erhob sich vom Tisch. "Ich muss jetzt leider los", entschuldigte er sich und glättete seinen Anzug, doch kurz bevor er durch die Tür ging, blieb er kurz stehen. "Komm morgend ins Studio", bemerkte er beiläufig. "Vincent und Luca haben ja meine Nummer und auch die Adresse." Nachdem er dies erklärt hatte, verließ er das Restaurant. "Arsch...", knurrte Luca und sah ihm böse nach. "Ich hoffe, ich habe ihm genug Krazter in den Lack gemacht." Dann wandte sie sich zu ihrem Bruder um. "Verstehst du mich jetzt?", fragte sie verärgert. Dieser zuckte nur mit den Schultern. Naomi sah irritiert von Luca zu Vincent und zurück. Sie hattekeinen blassen Schimmer, wovon die beiden gerade sprachen. "Ah ja", bemerkte der schwarzhaarige Mann plötzlich. "Hier, dein Handy." Luca hob eine Augenbraue. "Schau nicht so...", wehrte er ab. "Ich habe nur einen Anruf entgegengenommen und habe es versehentlich ausgemacht." Sie schaute ihn immer noch interessiert an. "Hey... es hat aber nur so ein komischer Typ angerufen." Er warf ihr das Handy zu und sie fing es gekonnt auf. "Der war aber auch ganz schön unverschämt." "Und was hast du ihm ausgerichtet?", wollte sie wissen und hätte beinahe ihr Telefon zerdrückt, wenn es möglich gewesen wäre. "Ach... nur, dass meine Frau gerade beschäftigt ist." Er grinste verschmitzt. "Du hast... was?", fragte sie kalt und schaltete ihr Handy an, um zu sehen, wer angerufen hatte. Die Blonde hob eine Augenbraue, stand auf und packte ihre Freundin am Handgelenk. "Naomi, wir gehen", erklärte sie immer noch ruhig. "Und du..." Sie sah ihren Bruder eisig an. "Komm mir die nächsten zwanzig Jahre nicht unter die Augen." Naomi folgte ihrer Freundin irritiert. "Was ist denn los?", wollte sie wissen. "Diese Ausgeburt der Hölle", fauchte sie, "hat Kohta erzählt, ich wäre seine Frau." "Bitte was?" Die Brünette traute ihren Ohren nicht. "Ich möchte nicht wissen, was Kohta jetzt wieder für einen Aufstand probt." "Ich hoffe, dass er es nicht tut." Die Musikstudentin schnaubte ungläubig. "Du kennst ihn doch." "Ja... leider...", antwortete Luca. "Aber man darf doch noch hoffen, oder?" "Natürlich", erwiderte die Brünette. "Vielleicht will er ja erst mal mit dir darüber reden, bevor er diesmal voreilige Schlüsse zieht." Die Blonde nickte und rief nach einem Taxi, das sie nach Hause bringen sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)