東京幻想 von abgemeldet (Tokyo Illusions (Kapitel 1 - 8 korrigiert)) ================================================================================ Kapitel 6: Auf nach Hiratsuka ----------------------------- Naomi drehte sich vor dem Spiegel hin und her, zog eine Augenbraue hoch und betrachtete argwöhnisch ihr eigenes Abbild. "Steht mir das?", fragte sie Luca unsicher, welche gerade damit beschäftigt war, ihren Obi zu binden. Luca grinste. "Und wie! Ist ja auch auf dich zugeschnitten." Die Designstudentin richtete den Obi sorgfältig, band Naomi die vier dünnen Ledergürtel quer über den Obi, zog den Yukata etwas zurecht, so dass man die Schultern der Brünetten gut sehen konnte, und verzierte ihn mit einigen Kettchen. Die Ärmel waren halb zerfetzt und das ganze Outfit wirkte wie aus einem coolen japanischen Musikvideo oder der Gothic & Lolita Bible. "Ist das nicht etwas zu... aufreizend?", fragte Naomi zweifelnd. Die Dunkelhaarige schaute ihre Freundin an. "Okay, nur noch die Haare und die Strapse." Ruckartig drehte Naomi den Kopf zu Luca. "Strapse?!" "Ja, Strapse... und zwar zerrissene..." Sie wuselte gerade an Naomis Kopf herum und steckte ihr die Haare mit unzähligen Spangen und Geisha-Haarschmuck hoch. "Die Leute sollen doch meine Outfits sehen", sagte sie ernst. "Ah ja..." Die Studentin hüpfte von dem kleinen Hocker. "Dein Make-up." "Auch noch!" Die Brünette sah ihn den Spiegel und zog eine Grimasse. "Irgendwie sehe ich aus wie eine Geisha... meinst du nicht?" Luca verzog das Gesicht. "Wenn du meinst... ich ziehe es dir ja schon wieder aus." Naomi drehte sich noch einmal im Kreis und sah an sich herab. "Ich bin es halt nur nicht gewohnt, so viel Haut zu zeigen, das ist alles. Darf ich denn wenigstens etwas mitnehmen, das ich drüber ziehen kann?" "Nein, das macht alles kaputt." Naomi seufzte. "Hauptsache, man sieht nicht allzu viel von dem, was man eigentlich nicht sehen soll." "Tut man nicht... außerdem stehen japanische Männer auf genau das..." Sie begann, ein zartes Kettchen um Naomis Hals zu hängen, das ihren Nacken herunterfiel. Die junge Brünette rümpfte die Nase. "Na, dann bin ich ja mal gespannt, was die anderen davon halten..." "Entweder finden sie dich toll... oder sie bieten dir Geld für na ja... zwielichtige Leistungen..." Naomi blinzelte. "Ich glaube, ich will es lieber nicht so genau wissen." "Keine Sorge, meins ist auch nicht besser." Luca hielt ihrer Freundin einen hellblauen Yukata hin. "Hilfst du mir?" Mit einem Nicken nahm die Musikstudentin das Kleidungsstück an sich. "Ist der auch so kaputt?" Naomi begann ihrer Freundin beim Anziehen und Zurechtmachen zu helfen. "Nein...", entgegnete die Dunkelhaarige. "Deiner ist ja eher der Goth/Punk-Yukata... mit einem Spinnennetz-Muster und in Schwarz. Meiner hat eher ein anderes Motto... viele Tribals, Ketten und so." "Halt mal...", meinte Naomi zu Luca als sie den Obi binden wollte. "Du meinst also, ich falle mehr in die Goth- und Punk-Kategorie, ja?" Sie band eine elegante Schleife und trat zurück, um ihr Werk zu begutachten. "In welche fällst du dann?" "Mit dem Ding ja." Luca überlegte kurz. "Ich bin dann mehr der bitchy Hip-Hop-Typ." Naomi grinste breit. "Wenn man uns sonst sieht, sollte man das gar nicht meinen", sagte sie und legte den Kopf ein wenig schief. "Rollentausch, oder wie?" "So ungefähr." Luca grinste. "Machst du bitte noch diese Kettchen an dem Obi fest?" "Klar." Die Dunkelhaarige überlegte einen Moment. "Obwohl... ich bin ja eigentlich nicht Goth... aber bitchy trifft schon auf dich zu." Sie streckte Naomi die Zunge raus. "Was willst du mir damit sagen?", murmelte die Musikstudentin, als sie gerade eine Kette an dem Obi befestigte. "Nöx", antwortete Luca grinsend. "Schon klar", brummte die Brünette, dann fiel ihr etwas ein. "Warte mal eben kurz, bitte." Schnell lief sie aus dem Raum. "Als ob ich mich gerade bewegen könnte", seufzte Luca und verdrehte die Augen. Nach wenigen Momenten kam die junge Musikstudentin zurück, beide Arme hinter dem Rücken, und stellte sich grinsend vor ihre Freundin. "Mach die Augen zu." Luca hob eine Augenbraue. "Okay... aber ich traue dir nicht." Sie schloss langsam die Augen und stand angespannt auf ihrem Hocker. Naomi achtete gar nicht auf den letzten Kommentar, sondern stellte sich einfach auf die Zehenspitzen, legte beide Arme um Lucas Hals und hakte den Verschluss einer Kette ein. Sie zupfte ein wenig daran, so dass sie richtig hing, dann trat sie einen Schritt zurück. "Jetzt darfst du die Augen wieder aufmachen." Luca schaute ihre Freundin verständnislos an und sah dann auf das Kettchen, an dem ein Anhänger mit dem Kanji für Freundschaft hing. "Womit habe ich das verdient?", fragte sie verwirrt. "Ist schon Weihnachten?" Naomi lachte auf. "Otanjoubi omedetou gozaimasu!", meinte sie dann und umarmte Luca vorsichtig, um ihr Outfit nicht direkt wieder zu ruinieren. "Nach dem ganzen Theater gestern und heute hätte ich das fast vergessen." Luca starrte nun verwirrt in die Luft. "Was vergessen?" Ihr schien tatsächlich etwas zu entgehen. Die Musikstudentin verdrehte die Augen und stupste ihre Freundin in die Seite. "Jetzt sag nicht, du hast deinen eigenen Geburtstag vergessen?", meinte sie ungläubig. "Geburtstag..." Luca überlegte und man konnte den Lärm in ihrem Kopf fast hören. "Ich habe Geburtstag?", fragte sie irritiert. Dann fiel endlich der Groschen. "Ich habe tatsächlich GEBURTSTAG!!!!!" Glücklich fiel sie ihrer Freundin um den Hals, so dass beide auf dem Boden landeten. "Arigatou!", fiepte Luca und begann Naomi zu knuffen. "Hai... doumo...", ächzte die Brünette, "aber erstens erwürgst du mich gleich, zweitens ruinierst du gerade unsere Outfits." Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Aber wenn du schon deinen Geburtstag heute vergessen hast, dann hättest du mich morgen sicher auch vergessen", schmollte sie. "Ah... die Outfits sind egal... und ich hätte dich nicht vergessen... mein Handy sollte mich heute um Mitternacht daran erinnern", erwiderte die Dunkelhaarige keck. "Also doch." Naomi schob ihre Unterlippe noch etwas weiter vor. "Komm, lass uns zusehen, dass wir fertig werden, damit Dai gleich nicht so lange auf uns warten muss." Gerade in diesem Augenblick klingelte es an der Tür. Naomi schnappte entsetzt nach Luft und stieß Luca von sich herunter. "Verdammt!", fluchte sie. "So viel dazu." Sie versuchte ihren Yukata flüchtig wieder zurechtzurücken und lief schnell zur Wohnungstür. Die junge Brünette öffnete die Tür einen Spalt und sah Daisuke davor stehen. "Hey...", meinte sie. "Du bist früh dran." Dai schaute auf die Uhr. "Ich bin pünktlich", antwortete er verwirrt. "Seid ihr fertig?" "Noch nicht ganz", gab Naomi zu und ließ Dai hereinkommen. "Es dauert aber nicht mehr lang." Mit diesen Worten kehrte sie ins Schlafzimmer zurück. "Los, wir sollten uns beeilen." Luca hatte bereits ihren Yukata zurechtgezupft und tapste ihrer Freundin entgegen. "Yo, Dai", begrüßte sie den Rothaarigen. "Hi", antwortete er und schaute die beiden jungen Frauen an. "Was habt ihr da an?", fragte er verwirrt und musterte die beiden von oben bis unten. "Wonach sieht es denn aus?", gab Naomi zurück, während sie schnell ihren Yukata in Ordnung brachte und noch ein wenig Make-up auflegte. "Nach Kostümen aus einem unserer Videos oder Shows..." Er grinste. "Oder nach Kyôs Klamotten." Naomi warf Luca einen vielsagenden Blick zu. "Kyô, huh?" "Höh... was ist mit dem Zwerg?", fragte Luca irritiert. "Ich sehe aus wie er", meinte Naomi stirnrunzelnd. Sie drehte sich um und betrachtete sich kurz im Spiegel. "Okay, eher nicht. Gut." "Jo, du bist größer als er", lachte der Gitarrist. Die junge Frau funkelte ihn an. "Soll das heißen, ich sehe aus wie Kyô?" "Nein, nicht wirklich...", meinte der Rothaarige. "Ich denke, er ist hübscher." Naomi zog eine Augenbraue hoch. "Vorausgesetzt man steht auf Männer." "Ja, aber ich stehe eher auf Frauen", erwiderte der Musiker grinsend. "So, Mädels. Wollen wir? Wobei ich mich vielleicht umziehen sollte..." "Das kannst du gleich hier tun, wir haben noch ein paar Müllsäcke übrig." Die Musikstudentin stopfte schnell alles, was sie brauchen würde, in ihre Handtasche - natürlich auch Kiritos Handy - und schlüpfte in ihre Zori. Luca stand da und schaute ihre Freundin eine Weile nachdenklich an. "Du meinst, sie sieht aus wie ein kleines seltsames Nadelkissen?", wollte sie von Daisuke wissen. Der Rothaarige zuckte leicht zusammen. "Ano... ano..." Er grinste. "Iie?", sagte er lieb und schaute Luca unschuldig an. "Naomi, ich glaube, wir gehen doch alleine zu diesem Tanabata oder wie auch immer Fest. Andô-san scheint unsere Gesellschaft ja nicht sehr zu schätzen." Der Gitarrist starrte die Dunkelhaarige mit offenem Mund an und sah dann hilfesuchend zu Naomi. Die allerdings hob nur die Schultern. "Okay, Schatz. Was meinst du, wie lange wir mit der Bahn brauchen, bis wir in Hiratsuka sind?" "Ich würde sagen, schon gut zwei Stunden. Sagst du Kohta Bescheid?", fragte Luca und zupfte an ihren Ärmeln. "Vielleicht können sie uns ja dort vom Bahnhof abholen." Naomi nickte und öffnete ihre Handtasche und Kiritos Mobiltelefon herauszuholen. Dai starrte von einer zur anderen. "Kohta?", fragte er plötzlich. "Wieso Kohta?" "Du musst einfach nur anrufen und sagen, dass Dai gemein war... vielleicht unternimmt Kirito dann was dagegen." Die Brünette musste grinsen. "Das tut er bestimmt." "Kohta?" Der Rothaarige verstand die Welt nicht mehr. "Und... Kirito?" "Ja", meinte Naomi. "Soll ich es dir aufmalen?" "Im Gegensatz zu Andô-san ist er ja wenigstens ein Gentleman... bedenke, wie er reagiert hat, als Kyô dich angegriffen hat", erklärte Luca. "Stimmt", erwiderte die Musikstudentin. "Und Kohta freut sich sicher auch." "Ja, stimmt... Kohta ist auch ein ganz Netter." Der Gitarrist packte beide Studentinnen an den Handgelenken und ging mit ihnen raus. "Wir fahren jetzt", sagte er ernst und schob sie zu seinem Wagen. "Andô-san, das nennt man Entführung. Soll ich das der Presse melden?", erklärte Luca altklug und schaute ihn entsetzt an. "Das ist eine gute Idee", stimmte Naomi zu, die Kiritos Handy schon längst zur Hand hatte. "Steck das weg", zischte Dai die Brünette an, nachdem er die Beifahrertür geöffnet und Luca mehr oder minder hineingeworfen hatte. Er ging um das Auto herum, öffnete die Hintertür und schaute Naomi herausfordernd an. "Oi!", rief die Musikstudentin aus. "Behandelt man so eine Frau?" Sie verschränkte die Arme vor der Brust. "Was ist eigentlich mit dir los? Austeilen kannst du, aber einstecken nicht?" Luca schob ihren Kopf aus dem Fenster. "ich glaube, wir haben seinen wunden Punkt erwischt...", meinte sie. "Kirito." Dai zuckte zusammen und lächelte sanft. "Naomi-san, wärst du so liebenswürdig und würdest mir die Ehre erweisen, in mein Auto einzusteigen, damit wir alle zusammen zu dem eigentlich nett geplanten Ausflug fahren können?" "Versprichst du auch, dass du dich uns gegenüber anständig verhältst?" Seine Augen funkelten leicht und er sah sie sanft an. "Aber natürlich, als wärt ihr meine Schwestern." "Luca, was sagst du?" Die Dunkelhaarige schaute verwirrt. "Schwestern? Also, wenn ich deine Schwester bin..." Sie grinste fies. "Onii-chan... wollen wir endlich los?!" Der Rothaarige seufzte. "Ja, wir wollen und du bekommst einen riesigen Lolli." Naomi nickte und stieg nun endlich ein, nachdem ihre beste Freundin einverstanden war. Das Handy, das sie noch immer in der Hand hatte, legte sie neben sich auf die Rückbank. "Onii-chan, du bist aber ein Hentai." Der Gitarrist begann zu lachen. "Schon gut... ich hab's ja verstanden." "Ihr spinnt doch beide!", brummte die Brünette und schnallte sich an. Luca drehte sich zu ihrer Freundin um und grinste. "Tut mir Leid, aber einige Vorlagen kann ich einfach nicht ignorieren." "Wieso tut dir das Leid? Ich weiß doch eh, dass du spinnst", erwiderte Naomi schmunzelnd. "Aber deswegen passen wir ja so gut zusammen", warf Dai ein, fuhr los und schaltete das Radio an. Luca blinzelte perplex. "Was...?" Sie lächelte. "Schon okay..." Naomi seufzte und umklammerte ihre Handtasche. "Wie lange brauchen wir ungefähr bis Hiratsuka?" "Etwa anderthalb Stunden." Dai schaltete auf einen anderen Radiosender um. "Ich hasse diesen Song." Er klickte Kiritos Stimme weg, welche durch eine typische japanische Mädchenstimme ersetzt wurde. "Und ich hasse dich", grummelte Naomi. "Das war mein Lieblingslied!" "Naomi-chan, hast du was gesagt?", fragte er unschuldig. "Nenn mich nicht Naomi-chan. Was hast du überhaupt gegen Kirito?" "Nichts Wirksames, was mich nicht ins Gefängnis bringen würde. Luca drehte sich zu ihrer Freundin um. "Was los?", fragte sie auf Deutsch. "Ich find den grad ganz fürchterlich doof", antwortete die Brünette in derselben Sprache. "Hätten wir nicht doch lieber mit dem Zug fahren können?" "Klar, und 170 Minuten im Zug hocken?" "Dir ist es lieber, wenn er mich auf die Palme bringt?" "Ihr seid beide süß", sagte Luca strahlend und drehte sich wieder nach vorne. "Der da", meinte Naomi und deutete auf Dai, "ist kein bisschen süß." "Daisuke... ich würde mir den Song von Kirito gerne anhören, nur so zum Vergleich, wer von euch besser ist", erklärte die Dunkelhaarige lieb und schaltete wieder um. Dann drehte sie sich zurück zu ihrer Freundin. "Zitat Naomi: Dai ist scharf. Zitat Ende." "Was?" Der Rothaarige brummte etwas vor sich hin und ließ die Pierrot-Musik laufen. "Das waren deine Worte." Dann schaute Luca Dai mit großen Augen an. "Arigatou!" "Wann habe ich das gesagt?" Der Gitarrist grummelte und beschleunigte sein Auto. "Gestern... als ich über ihn hergezogen bin und meinte, er sieht schrecklich aus." Daisuke drehte sich langsam zu ihr. "Du hast was gesagt?" Die dunkelhaarige Studentin hatte gar nicht bemerkt, dass sie nun wieder auf Japanisch sprach. Sie schaute dem Rothaarigen in die Augen. "Na ja... öhm... da mochte ich dich noch nicht, Dai", versuchte sie, sich herauszureden und funkelte Naomi an. "Was habe ich jetzt schon wieder falsch gemacht?", fragte die Brünette. Dai drehte sich wieder zur Straße hin und grinste. "Wirst ja langsam zu meiner Traumfrau." Luca zuckte zusammen, schaute ihre Freundin an und drehte sich nach vorne, ohne die beiden noch einmal anzusehen. Naomi zog eine Augenbraue hoch. "Wäre ich doch nur zu Hause geblieben...", murmelte sie fast unhörbar. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)