Tage der Vergeltung von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 12: Chapter XII ----------------------- Lager der Independent Group Sierra Madre / Mexico 18.03 h 25. Mai Jeder von ihnen war am Ende seiner Kräfte, als sie das Plateau endlich erreichten. Sie waren nur sehr langsam voran gekommen und hatten der erschöpften Scully oft helfen müssen. Sie hatte sich für den Rest des Tages hingelegt und so fand Mulder die Ruhe und Zeit, um ausgiebig über seine Theorie nachzugrübeln. Er beschloss, Lucàr noch einmal aufzusuchen. Er war überzeugt, dass der junge Mann etwas wusste und Mulder musste es irgendwie aus ihm herausbekommen. Denn dass es sich um wichtige Kenntnisse handelte, daran zweifelte der Agent keinen Augenblick. Lucàr schreckte auf, als der FBI-Agent seine Hütte betrat. Er lächelte, aber seine schwarzen Augen straften diese Geste Lügen. Mulder spürte, dass er ungelegen kam. „Entschuldigen Sie diesen Überfall zu später Stunde, aber ich finde einfach noch keine Ruhe. Die ganze Zeit versuche ich schon mir einen Reim aus den Erkenntnissen zu machen, die wir hier machen konnten, aber noch fehlen mir zu viele Teile, um ein ganzes Bild erschaffen zu können.“ Er blickte den Pfandfinder aufmerksam an, konnte jedoch keinerlei Reaktion auf dessen Zügen erkennen. „Ich glaube aber, dass Sie mehr wissen, als sie mir und meiner Partnerin bislang erzählt haben. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will Ihnen daraus keinen Vorwurf machen, wahrscheinlich haben Sie ihre Gründe. Aber ich brauche einfach noch weitere Informationen, um das Puzzle zu vervollständigen. Und ich habe gehofft, dass Sie mir dabei behilflich sein könnten.“ Lucàr nickte langsam und bedeutete Mulder sich zu setzen. „Wir werden sehen, was sich machen lässt. Stören Sie sich nicht an der Unordnung, so sieht es hier meistens aus.“ Er setzte sich dem FBI-Agenten gegenüber auf den Boden und sah ih erwartungsvoll an. „Nun?“ Mulder schaute auf seine Finger. Für einen Moment geriet er ins Straucheln, ob er diesen zwielichtigen Burschen tatsächlich in seine Vermutungen einweihen sollte. Doch wie er es drehte und wendete, es gab keinen anderen Weg. „Ich kann ohnehin nicht mehr lange an der Wahrheit – oder besser ausgedrückt meiner Vermutung - vorbeireden.“ Er hob den Blick. „Lucàr, kennen Sie sich mit Vampiren aus?“ Der Blick des jungen Mannes wurde kalt. „Wie man's nimmt. Weshalb fragen Sie?“ „Wissen Sie etwas über die Unfälle, die sich in den letzten Jahren hier in der Gegend ereignet haben?“ „Nur aus Erzählungen. Früher bin ich des öfteren mit meinen Freunden zu diesen Orten gewandert, bis es uns zu gefährlich wurde. Seltsame Dinge sind uns dort begegnet, wissen Sie? Und wir wollten nicht das selbe Schicksal erleiden wie die unglückseligen Opfer.“ Mulder nickte, ging aber nicht weiter auf diese Äußerung ein. „Gab es früher mehrere dieser schwarzen Sekten? Vielleicht ohne dass es die Ältesten wussten?“ Lucàr wurde ungeduldig: „Hören Sie, Mann! Warum fragen Sie mich all diese seltsamen Dinge? Sie können doch nicht allen Ernstes Glauben, dass unsere Gruppe von Vampiren bedroht wird?“ Seine Augen blitzten. „Vielleicht, vielleicht nicht. Doch ich möchte diese Möglichkeit nicht ausschließen. Ich frage Sie, weil ich bei den Ältesten das Gefühl habe, dass sie meiner Partnerin und mir gewisse Dinge vorenthalten, die aber zwingend notwendig für den Erfolg unserer Ermittlungen sein würden. Und da Sie vorhin sagten, dass Sie stolz wären, wenn Sie uns bei der Lösung des Falls behilflich sein könnten, bin ich zu Ihnen gekommen.“ „Ich kann Ihnen da aber nicht helfen, Agent Mulder. Wir Dorfbewohner haben lediglich untereinander hin und wieder Geschichten erzählt. Geschichten! Mehr nicht.“ „Erzählen Sie mir von diesen Geschichten.“ Lucàr musterte Mulder grimmig. „Das werde ich nicht tun. Ich bin kein Geschichtenerzähler und wir haben auch grade keine Märchenstunde. Aber...fragen Sie doch einmal Salvatore. Als ich vorhin bei ihm war, hat er sich äußerst merkwürdig verhalten. Wer weiß, vielleicht können Sie ihn besser von ihrer – Vermutung überzeugen als mich.“ Mulder sah den jungen Mann lange und wortlos an, ehe er langsam nickte, aufstand und ohne ein weiteres Wort zu verlieren ging. Draußen vergrub er die Hände in seinen Hosentaschen und blickte nachdenklich vor sich hin, während er zu Salvatores Hütte ging. Lucàrs Reaktion hatte ihn wirklich überrascht – und nur noch misstrauischer gemacht. Mulder war sich sicher, dass er mitten ins schwarze getroffen hatte, was Lucàr ganz und gar missfallen hatte. Irgendetwas an diesem Mann stimmte nicht und weswegen er sich so plötzlich weigerte, einige wenige Fragen zu beantworten, war dem Agenten schleierhaft. Er erreichte die Hütte von Salvatore, klopfte an und trat ein. Überrascht blieb er aber auf der Schwelle stehen, ehe er behutsam die Tür hinter sich schloss und in den kleinen Raum hineintrat. Salvatore hatte sich in die hinterste Ecke der Hütte gekauert, die Beine an den Körper gezogen und mit den Armen umschlungen. Seine Augen waren geschlossen und ein deutliches Zittern überlief seinen Körper in unregelmäßigen Abständen. Er schien Mulder nicht einmal bemerkt zu haben. In dem schwachen Licht, das noch von draußen hereinschien, glitzerte Schweiß auf dem blassen Gesicht und das Hemd klebte vollkommen durchtränkt an seinem Oberkörper. Besorgt trat Mulder näher. „Salvatore?“ Der Mann öffnete erschrocken die Augen und blinzelte zu Mulder herüber. „Ist alles in Ordnung? Soll ich Scully holen? Sie ist Ärztin und kann Ihnen helfen.“ Der FBI-Agent ließ sich auf die Bettkante sinken und musterte Salvatore eingehend. Der seufzte und rieb sich die Augen. „Nein. Nein, es ist schon in Ordnung. Ich denke mal, dass ich mir gestern bei unserem kleinen Ausflug eine deftige Erkältung zugezogen habe. In ein paar Tagen ist das vorbei.“ Er sah Mulder an. „Aber ich vergesse mich. Wie kann ich Ihnen helfen, amigo?“ Mulder runzelte die Stirn. Salvatore hatte sich bemüht unbekümmert zu klingen, wohl aber ein wenig zu übermotiviert, denn Mulder hatte die entsetzliche Sorge in seinen Augen deutlich erkennen können. Hatte denn hier jeder ein Geheimnis zu verbergen? Er beschloss, die Sache erst einmal auf sich beruhen zu lassen und Salvatore im Auge zu behalten. Er würde Scully später bitten einmal einen Blick auf den offensichtlich kranken Mann zu werfen. „Salvatore, die Frage mag Ihnen ein wenig befremdlich erscheinen, aber...wissen Sie etwas über Vampire?“ Er schüttelte verblüfft den Kopf. „Ich komme grade von Lucàr. Er hat mich hier her geschickt und meinte, Sie könnten mir vielleicht mehr verraten.“ Als Salvatore noch immer nichts sagte, fuhr er fort: „Er sagte mir, dass man sich hier hin und wieder ein paar Schauermärchen erzählen würde.“ Diesmal bekam er eine Antwort. „Das ist wahr. Aber ich glaube kaum...“ „Bitte! Erzählen Sie mir von ihnen. Vielleicht hilft es ja doch etwas.“ Salvatore schwieg eine Weile, es war ihm merklich unangenehm darüber zu sprechen. „Die Älteren aus unserer Gruppe erzählen manchmal, dass früher, als es noch kein Ausgehverbot gegeben hat, einige wenige etwas seltsames gehört oder gesehen hätten, das sich des nachts hier auf unserem Plateau herumschleichen würde. Die Erzählungen hätten sich jedes Mal verblüffend geähnelt. Immer war die Rede von einer großen, dunklen Gestalt, die sich darauf verstand sich lautlos zu bewegen und von einer Sekunde auf die andere zu verschwinden. Große Gefahr sei von ihr ausgegangen und nach jeder Sichtung wurde am darauf folgenden Tag ein totes Tier gefunden.“ Mulder runzelte die Stirn, hatte er doch eine andere Geschichte als die über den bösen schwarzen Mann erwartet. „Gab es denn besondere Umstände – spezielle Witterungen – unter denen diese Gestalt gesichtet worden war?“ „Nein. Man wusste vorher nie wie, wann und wo man ihr das nächste Mal begegnen würde. Und niemand wusste, wer ihr als nächstes begegnen würde. Einige wenige behaupteten, dass die Sichtungen gehäuft um Neu- und Vollmond vorkamen. Aber das wurde wohl niemals wirklich bestätigt. Eines jedoch war seltsam: Diese Gestalt wurde jedes Mal ein klein wenig anders beschrieben. Mal war es eine verkrüppelte, furchteinflößende Gestalt, mal ein stattlicher, muskulöser Mann. Doch inwieweit diese Geschichten der Wahrheit entsprechen, vermag ich nicht zu sagen, Agent Mulder.“ Mulder nickte und starrte nachdenklich an die gegenüberliegende Wand. „Glauben Sie, dass es etwas mit Ihrem Fall zu tun hat?“ „Es ist gut möglich.“ Er sah Salvatore an. „Näheres werden wir aber erst nach ein paar weiteren Untersuchungen wissen. Wir werden uns sobald als möglich an die Gruppe wenden.“ Er schwieg eine Weile, in der er Salvatore offen musterte. Mulder konnte nicht genau sagen was es war, doch ihr Freund schien sich zu verändern, bereits verändert zu haben. Etwas geschah mit ihm und besorgt registrierte der Agent die unheilvolle Vermutung, die in ihm aufstieg, aber, so hoffte er, nicht zur Gewissheit werden würde. „Ich hoffe inständig, dass wir helfen können.“ sagte er sanft, stand auf und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um. „Gute Besserung, Salvatore. Wenn wir Ihnen irgendwie helfen können...“ Der Mexikaner schüttelte nur heftig den Kopf, sah Mulder aber mit einer solchen Angst in den Augen an, dass es dem Agenten kalt den Rücken überzog. Blanke Hilflosigkeit und Schmerz löschten jeden Zweifel, den er vorher noch gehegt hatte. Unschlüssig blieb er noch einen Augenblick stehen, dann verließ er beinah fluchtartig die winzige Hütte. Auf halbem Weg wurde Mulder von Lucàr abgefangen. Er verließ grade die Hütte der Ältesten und kam schnellen Schrittes auf den FBI-Agenten zu, als er diesen gewahrte. „Agent Mulder, gut dass ich Sie treffe. Mir ist da noch etwas eingefallen, dass ich vorhin während unseres kleinen Gespräches ganz vergessen hatte.“ Er hielt kurz inne und schaute Mulder prüfend in die Augen. „Aber kein Wort an die anderen, haben wir uns da verstanden?“ Mulder blinzelte skeptisch ob des urplötzlichen Sinneswandel und schürzte die Lippen, nickte dann jedoch bedächtig. Er wollte wissen was dieser seltsame junge Mann ihm diesmal zu erzählen hatte. „Heute Nacht ist Vollmond, wie Sie vielleicht wissen. Der sechste in diesem Jahr. Wenn Sie der Wahrheit wirklich näher kommen wollen, dann gehen Sie nach Anbruch der Dunkelheit zu den Ruinen. Es gibt nur wenige Menschen, die spüren was heute Nacht vor sich gehen wird. Folgen Sie ihrem Instinkt, Agent Mulder!“ Mulder blickte wie hypnotisiert in Lucàrs unergründliche Augen. Sie besaßen eine unendlich tiefe, alles verschlingende Schwärze, die sich auszudehnen schien, mit jeder Sekunde, die man länger in sie hinein sah. Der Pfandfinder trat auf Mulder zu, der mit einem Mal ein heißes Brennen zwischen seinen Augen fühlte. Gebannt starrte er Lucàr an. Der grinste dämonisch, während er flüsterte: „Sie müssen dorthin gehen, Mulder! Tun Sie das nicht, werden Sie die Wahrheit nie erfahren.“ Eine Weile standen sie sich noch schweigend gegenüber, dann ging Lucàr. Als Mulder ihre Hütte betrat, fand er Scully schlafend vor. Leise ging er zu seinem Bett, legte sich hin und schrieb seine letzten Erkenntnisse und Vermutungen in Stichworten auf einen Zettel. Er begann darüber nachzugrübeln, und darüber, was er über den jungen Pfadfinder dachte. Was zum Teufel hatte der Kerl da eben grade mit ihm angestellt? Versuchte er sich zurück zu erinnern, begann das Brennen zwischen seinen Augen erneut und wurde in nur kurzer Zeit schier unerträglich. Mulder fühlte sich auf eine seltsame Art und Weise geschwächt. Nachdenklich sah er auf den Zettel mit seinen Notizen. Er vertraute Lucàr kein bisschen, genauso wenig wie Scully, aber er spürte auch, dass er Wissen besaß, welches ihnen womöglich als einziges weiterhelfen konnte. Ob gewollt oder ungewollt konnte er nicht sagen, denn er fühlte genauso sehr die Abneigung, die Lucàr ihm und Scully entgegenbrachte. Etwas war vollkommen gegensätzlich in ihm, was Mulder verunsicherte. Tief in sich spürte er, dass dieser junge Mann eine Gefahr verbarg oder gar selbst verkörperte. Aber er wusste mit der selben Überzeugung, dass er nicht auf dessen 'Hilfe' verzichten durfte, welcher Art sie auch immer sein mochte. Seufzend schloss er die Augen. Es war am besten, wenn er mit Scully darüber sprach. Im Augenblick hatte er das Gefühl, als drohe das alles ihm über den Kopf zu wachsen. Es waren so viele Fragen auf die es keine Antworten gab, es gab noch so viele Lücken und alles war so unheimlich verworren und unklar. Mulder wusste nicht mehr, was er nun wirklich glauben sollte und was nicht. Als er das nächste Mal die Augen aufschlug und auf die Uhr sah, war beinah eine ganze Stunde vergangen. Erstaunt rieb er seine müden Augen, er musste eingeschlafen sein. „Ich weiß nicht seit wann Sie geschlafen haben, aber Sie waren komplett weggetreten.“ Mulder wandte den Kopf und blickte zu Scully hinüber, die auf ihrem Bett saß und seine Notizen las. „Interessante Ansichten, Mulder. Aber wie kommt es, dass Sie sich so sicher sind?“ Er stand auf und dehnte sich. „Wenn ich es wüsste, hätten wir den Fall in Kürze gelöst. Meine Güte, so erschöpft bin ich seit Jahren nicht mehr gewesen.“ Sie sah musterte ihn forschend. „Krank sind Sie jedenfalls nicht. Wahrscheinlich liegt es am Wetter, mir geht es ähnlich.“ Er nickte und griff nach seiner Jacke. „Wo wollen Sie denn hin? Draußen ist es doch bereits dunkel?“ „Haben Sie meine Notizen nicht gelesen? Dann wissen Sie auch welcher Sache ich jetzt auf den Grund gehen will.“ Er ging zu Tür. „Ach, Scully, währen Sie so gut sich Salvatore einmal genauer anzusehen?“ Sie hob eine braue und schwenkte den Notizzettel ihres Partners. „Sie meinen wegen seines Zustandes? Und wonach soll ich Ihrer Meinung nach schauen? Vielleicht nach spitzen Eckzähnen oder Fledermausflügeln?“ Er grinste spitzbübisch und verließ ohne darauf zu antworten die Hütte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)