Erin Erik von Mad-Dental-Nurse (Buch Eins: Im Schatten des Wolfes) ================================================================================ Kapitel 13: Unfassbare Enthüllung! ---------------------------------- Erin war nicht in der Lage sich zu rühren, oder etwas zusagen. Die Schlange war einfach weg. Wie vom Boden verschluckt! Sie blickte um sich, vielleicht hatte sie sich auch getäuscht und die Schlange lag woanders. Doch nichts war von ihr zusehen. Nur Rafael, der sie anschaute und kurz kam ihr die Idee, dass er womöglich die Schlange gefressen haben könnte. Tat die Idee doch als puren Unsinn ab. Rafael doch nicht. Aber wo war dann die Schlange. Sie fasste sich an die Stirn und spürte, wie ihr kurz schwindelig wurde. Chris stützt sie. „Erin, alles okay bei dir?“, fragte er. Nein, nichts ist ok! „Ja...ich...ich weiß nur nicht, ob ich dabei bin, durchzudrehen. Ich...!“, sagte sie nur und schüttelte dann wieder den Kopf. Chris schaute sie besorgt an, dann nahm er sie bei der Schulter und schob sie auf die Couch. Rafael sah Erin genauso besorgt an. Chris umfasste ihre Schultern und merkte, wie sie zitterte. „Ich mache dir am besten einen Kaffee!“, sagte er. Lieber wäre mir ein doppelter Whiskey!“, sagte Erin gedämpft. Chris lächelte. „Geschüttelt oder gerührt?“, fragte er und Erin schaute ihn nur verwirrt an. War das ein Versuch, sie zum Lachen zu bringen? Ohne ein weiteres Wort ging Chris zur kleinen Bar und schenkte ein Glas ein. In der Zeit wurde Erin den Verdacht nicht los, dass sie so allmählich den Verstand verlor. Alles war eindeutig zu viel für sie. Und sie war selbst verblüfft, wie sehr das an ihren Nerven zerrte. In der ganzen Zeit, wo sie von Stadt zu Stadt zog und dem Bösen gehörig in den Arsch trat, war ihr sowas noch nie passiert. Doch nur, weil es mit mir persönlich nicht zu tun hatte! Sagte eine Stimme in ihrem Kopf und sie schauderte. Das alles war erst so schlimm geworden, seit sie in Paris war. Zwar hatte sie hin und wieder einige dieser seltsamen Träume, aber da hörte sie nur und sah nicht. Bis jetzt. Immer wieder tauchte diese abscheuliche Doppelgängerin vor ihrem inneren Augen auf und zischte gefährlich und voller Freude:„ Ich bin deine andere Seite!“ Erin schauerte und zog ihre Beine fest an sich. Sie zitterte und war umso dankbarer, als Chris ihr das Glas Whiskey brachte. Schnell nahm sie einen Schluck und hätte sich fast daran verschluckt. Sie hustete, als das bernsteinfarbene Gesöff ihre Kehle hinab rann und schmerzhaft brannte. Dennoch war sie froh über diesen kleinen Schluck und spürte, wie der Whiskey sie von innen her wärmte. „Danke!“, sagte sie und lächelte Chris etwas an. Dieser erwiderte dies. „Tue ich doch gern. Schließlich bist du meine Freundin!“ Erin wurde rot, als er das aussprach und zog etwas den Kopf zwischen die Schultern. „Freundin!“, dachte Erin bitter. „Wenn du wüsstest, wen du da die ganze Zeit liebevoll behandelst und umsorgst!“ Chris schaute sich um, um wahrscheinlich das Thema zu wechseln. „Schicke Bude!“ „Es geht!“, sagte Erin nur und nahm noch einen Schluck. „Also ich finde es schon schick. Da ist ja meine Wohnung noch mickrig!“, sagte er lachend und schaute sich um. Erin musste auch lächeln. Wenn auch etwas schwach. Sie fragte sich, ob sie nicht doch den Verstand verlor. Chris setzte sich nun wieder neben sie und legte ihr den Arm um die Schulter. „Erin!“, hörte sie ihn sagen und wandte den Kopf zu ihm herum. Er schaute sie mit einer Mischung aus Sorge und wachsender Ungeduld an. „Was...was ist nur mit dir? Du bist so seltsam seit dem Vorfall in der Oper, du...du erzählst mir, du wirst verfolgt, weißt aber nicht von wem. Du verlässt mich, weil du denkst, du bringst mich dadurch in Gefahr und plötzlich rufst du mich an, und bittest mich zu dir zu kommen. Sagst mir, jemand habe versucht dich, mit einer Giftschlange zu töten. Aber die Schlange ist weg! Ich meine, was für ein Spiel spielst du eigentlich?“ Erin schüttelte den Kopf. „Ich spiele gar kein Spiel!“, kam es von ihr und in ihren Augen schimmerten Tränen. Verzweiflung machte sich in ihr breit. Sie wusste nicht, was sie ihm sagen sollte. Für sie selbst klang es ebenso verrückt. Dabei war sie Exorzistin und an sowas müsste sie sich gewöhnt haben. Aber dies schien ihre Kraft mehr in Anspruch zu nehmen, als alles andere. Chris bedachte sie mit einem langen aufmerksamen Blick und seufzte dann. Erin konnte nicht wissen, was er dachte und das war unerträglich. Sicher dachte er, sie sei einfach nur verrückt, durchgeknallt. Wollte mit ihm spielen, wie eine Katze mit einer Maus. Ehe sie zuschlug. Es durchfuhr sie eiskalt, als sie diesen Gedanken hatte und noch weiter dachte. Schnell schüttelte sie den Kopf und versuchte diesen komplett verrückten Gedanken zu verdrängen. „Na schön!“, war das einzige, was er sagte und ergriff ihre Hand. Sie war eiskalt. „Dann...dann erzähl mir endlich, was los ist!“, bat er sie und Erin bis sich auf die Unterlippe. Unschlüssig was sie sagen sollte, schaute sie zu Boden und versuchte das Chaos in ihrem Kopf zu ordnen. Rafael setzte sich neben sie und schleckte ihre die Hand. Wie um ihr zu sagen, sie solle es ihm endlich gestehen. Erin blickte ihren Wolfshund lange schweigend an und Rafael bellte leise. Es klang geradezu bittend und Erin seufzte. „Irgendwann wird er es eh wieso erfahren!“, sagte sie sich und schaute dann zu Chris. „Weißt du noch, als ich sagte, ich sei Exorzistin?“, fragte sie ihn und Chris nickte. „Ja hast du, und ich dachte erstmal, dass sei ein Witz. Exorzisten tragen meistens schwarze Pfarreranzüge. Aber du sagtest ja, das sei dein Stil!“, sagte er und Erin lächelte etwas. Doch dann wurde sie wieder ernst und holte tief Luft. „Ich habe dir nicht alles gesagt!“, gestand sie und begann, mit den Händen zu ringen. Chris hob die Brauen. „Wie, ist da noch mehr?“ Erin nickte wortlos und schaute sich kurz um, als ob sie fürchtete, jemand würde ihr lauschen. „Ja ist es. Ich...ich habe vor kurzem einen Dämon zur Strecke gebracht. Oder glaubte, es getan zu haben. Als wir in der Oper waren, habe ich ihn wiedergesehen...er ist schuld an diesem Fiasko!“ Es kostete sie Kraft, diese Worte hervor zu stoßen und sie spürte, wie ihr der Hals austrocknete. Angestrengt versucht sie zu schlucken. Und mit einem Male war ihr Kopf wie leergefegt. Es gab nichts mehr, an das sie dachte. Nur an eines. An diesen Dämon und an ihren Wunsch, ihn endlich in die Hölle zuschicken. Neben sich hörte sie Chris tief einatmen und wandte kurz den Kopf zu ihm. Sein Gesicht hatte etwas nachdenkliches, verwirrtes. Innerlich zog sich bei ihr alles zusammen und sie machte sie darauf gefasst, von ihm ausgelacht oder gar für verrückt erklärt zu werden. Vielleicht war sie das auch. Doch daran wollte sie nicht denken. „Und du denkst jetzt, dass er...hinter dir her ist?“, fragte er nur und Erin erwiderte seinen Blick stumm. „Wer sonst!“, schrie es in ihrem Kopf. Sie nickte. Zwar hatte sie sich nicht genau darüber Gedanken gemacht, aber das die Schlange einfach so verschwunden war, konnte gut eine Erklärung sein. Nur wieso machte dieser Dämon so ein großes Ding draus. Es wäre für ihn doch ein leichtes gewesen, wie im Schlaf zu töten. Es sei denn... „Er will mich so richtig fertig machen!“, dachte sie und in ihrem Innern begann es zu brodeln. Wo zuvor Angst war, war nun unvorstellbare Wut. Wenn sie etwas nicht leiden konnte, dann waren das Gegner, die zu feige waren, sie gleich zu erledigen und sich einen Spaß daraus zu machen, sie zu quälen. Sie ballte die freie Hand zur Faust und ihre Kiefer pressten sich aufeinander. „Erin?“, kam es unsicher von Chris, der die Veränderung in ihrem Gesicht bemerkt hatte. Erins Züge entspannten sich etwas und sie schaute zu ihm. „Alles okay?“, fragte er vorsichtig und Erin nickte. „Ja, ich werde mir diesen Scheißkerl vorknöpfen!“ „Dann lass mich dir helfen!“ Es platzte einfach so aus ihm heraus und Erin hob überrascht die Brauen. Damit hätte sie niemals gerechnet. Dabei war es doch, der sie für vollkommen durchgeknallt hielt und sonst was von ihr dachte. Woher also dieser Sinneswandel? „Was...!“, brachte sie nur hervor und schüttelte sogleich den Kopf. Unmöglich! Er konnte ihr nicht helfen. Er dürfte ihr nicht helfen! „Nein, Chris. Das ist zu gefährlich. Das...das ist kein Verbrecher...kein Mensch!“, stammelte sie und schlagartig war die Angst wieder da. Doch Chris schien sich davon nicht abschrecken zulassen. „Erin, egal ob Mensch oder nicht. Ich will dir helfen!“, sagte er und ergriff ihre andere Hand. Erin schüttelte wieder den Kopf. „Nein Chris, das geht nicht. Das muss ich alleine machen!“ „Wieso?“ „Weil ich...weil ich als einzige weiß, wie dieser Dämon tickt!“ „Dann sag es mir!“ „Chris!“, sagte Erin gequält und verdrehte etwas die Augen. Das war wirklich ein Polizist, wie er im Buche steht. Immer allzeit bereit zu helfen und ziemlich hartnäckig. „Erin. Ich will dir helfen. Wenn dieser Dämon wirklich so gefährlich ist, dann muss ich dir helfen!“ „Nein, musst du nicht!“, kam es von ihr, um einige Oktaven höher, als beabsichtig und sie wich erschrocken zurück. „Wieso schreie ich ihn so an?“, fragte sie sich und erschrak vor sich selbst. Sicher lag es an ihren aufgeriebenen Nerven und an der Angst, dass ihm etwas Schlimmes passieren könnte. Aber dennoch erschreckte es sie. „Erin!“, flüsterte Chris und schaute sie etwas verwirrt an. Erin wandte ihr Gesicht ab und schloss die Augen. Wieso musste sie auch gleich so laut werden. „Tut mir leid, Chris. Ich...!“, sie brach ab und schüttelte nur den Kopf. Chris schaute sie nur und es schien Stunden zu vergehen, ehe er sie in seine Arme zog. Erin schnappte nach Luft, da sie glaubte, keine Luft zubekommen. Doch anstatt sich aus seiner Umarmung zu befreien, ließ sie es zu und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Tief atmete sie seinen Duft ein und fühlte sich sogleich etwas erleichtert. Chris strich ihr durch das Haar. „In Ordnung, Erin. Ich werde dir nicht helfen!“, sagte er leise und Erin dankte Gott für diese Einsicht. „Aber ich möchte, dass du in Zukunft zu mir ehrlich bist!“ „Oh man, musste das jetzt sein?“, fragte sie sich und verzog etwas das Gesicht. Sie konnte alles zu ihm sein, aber nicht ehrlich. Besonders nicht in Zukunft. Falls es überhaupt eine Zukunft geben würde, für sie und ihn. „Ja, Chris. Das verspreche ich dir!“ Es war schon morgen, als Erin erwachte und ins Wohnzimmer ging. Rafael lag vor der Couch und hatte den Kopf auf die Pfoten gelegt. Er schlief. Genauso wie Chris. Erin konnte ihn nicht dazu bewegen, zu sich nachhause zugehen und ließ solange von ihm bequatschen bis sie einwilligte, ihm hier das Übernachten zu gestatten. Sei seufzte. „Dieser Chris noch starrköpfiger und hartnäckiger, als ich!“, dachte sie und musste etwas lächeln. Sie beugte sich vor und stützte sich mit den Armen auf die Couchlehne. „Wenn ich keine Exorzisten wäre, dann...!“, dachte sie und ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Wieder kam der Gedanke und so auch der Schmerz hoch, dass sie nicht das Leben führen konnte, was sie wollte. Und was das für einen Preis forderte. Hart presste sie die Lippen aufeinander und blickte zu Chris hinunter. „Aber ich möchte, dass du in Zukunft zu mir ehrlich bist!“ Diese Worte hallten noch lange in ihrem Kopf und sorgten für einen immer stärker werdenden Schmerz. „Wie soll ich zu dir ehrlich sein, Chris?“, fragte sich Erin. „Wenn es dein Leben kosten könnte!“ Es tat zu sehr weh, daran denken zu müssen, was alles passieren würde, wenn ihre Feinde ihn als Mittel benutzen, um sie zu schwächen. Viel zu oft musste sie mit ansehen, wie die dunklen Mächte ahnungslose und unschuldige Menschen in Besitz nahmen und so Schaden anrichteten. Von der Trauer der Angehörigen, der besessenen ganz zu schweigen. Und wie es ist, von diesen als Monster bezeichnet zu werden. Dabei half sie nur und rettete die armen verlorenen Seelen, oder versuchte es. Sie konnte nur hoffen, dass es dieses Mal besser ausgehen würde. Sie wollte ihn nicht verlieren, dafür hatte sie ihn viel zu sehr gern. Erin seufzte und streckte die Hand aus. Vorsichtig strich sie ihm über die Wange und Chris lächelte. „Hm, Erin!“, nuschelte er und Erin wurde rot. „Träumt er von mir?“, fragte sie sich und sie musste wieder lächeln. Der Gedanke, dass er von ihr träumte gefiel ihr und sie beugte sich tiefer zu ihm, um ihn auf die Wange zu küssen. Da wachte Chris auf und drehte dabei den Kopf. Automatisch trafen ihre Lippen auf seine und Erin riss erschrocken die Augen auf. Es fühlte sich gut an, aber es war auch etwas peinlich. Chris schien das genauso zudenken und sprang schnell auf. Dabei stieß er mit seinem Kopf gegen ihren und Erin schrie kurz auf. „Autsch!“ „Sorry!“, sagte er und rieb sich seine Stirn. „Nein, schon okay. Ich sollte mich bei dir entschuldigen!!“, murmelte sie. Nach dem Frühstück, ging Erin zur Oper. Chris wollte sie begleiten, aber Erin bat ihn hier zu bleiben. Sie wollte das alleine machen. Als sie die Tür öffnete und eintrat, schlug ihr ein seltsam vertrauter Geruch ins Gesicht und Erin sog diesen instinktiv tief ein und ein Schauer rann ihr über den Rücken. Diesen Geruch kannte sie nur zu gut. Es war der Geruch von Tod! Aufmerksam schaute sie sich um und ihre Hand glitt in ihre Mantelinnentasche. Ihre Finger fanden den Colt, den sie sich eingesteckt hatte. Zwar wunderte sie sich, dass er in ihrem Gepäck war und ihn niemals bemerkt hatte, aber immerhin besser als nichts. Den Colt zu spüren, gab ihr ein Gefühl der Sicherheit und sie zog die Hände, wieder aus der Innentasche. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte plötzlich jemand und Erin drehte sich erschrocken herum. Neben ihr stand ein Mann in einer roten Pagenuniform. Der kam wie gerufen. Erin lächelte ihr hübschestes Lächeln und nickte. „Ja, ich suche das Büro der Operdirektion. Können Sie mir helfen?“, fragte sie und der Mann in der Pagenuniform schien kurz nachzudenken und Erin befürchtete schon, dass er ihr nicht helfen konnte. Doch dann nickte der Mann und bat sie, ihm zu folgen. Erin blickte sich immer wieder um und war stets auf der Hut. Immerhin war hier ein gefährlicher Dämon und dieser konnte sich Gott weiß wo verstecken. Der Mann in der Pagenuniform blieb in einem kleinen Vorraum stehen, in dem nur ein Schreibtisch stand und dahinter eine beschäftigte Dame saß. Der Mann wies Erin mit der Hand auf sie und verabschiedete sich sogleich. Etwas verblüfft schaute Erin ihm nach, doch dann wandte sie sich wieder herum und ging zu der Frau. „Bonjour!“, begrüßte Erin sie und die Frau hob den Kopf. „Ja, was kann ich tun?“ „Äh, ich möchte gerne zu den Herren Direktoren!“, erklärte Erin knapp. Die Frau hinter dem Schreibtisch schaute Erin über die Brille so an, als hätte sie so eben das Ungeheuer von Loch Ness vor sich stehen und runzelte die Stirn. Erin wurde es ein wenig seltsamerweise unangenehm und sie trat von einem Fuß auf den anderen. Konnte es sein, dass die Frau wusste, wer sie war? „Zu den Herren Direktoren!?“, wiederholte die Frau und Erin nickte. Die Frau mit der Brille runzelte noch mehr die Stirn. Nun fühlte sich Erin mehr als unwohl und sie konnte nur nicken. „Was möchten Sie von den Herren?“, fragte die Frau wieder. Und die Antwort kam ihr sofort über die Lippen. „Es geht um diesen Vorfall. Wo der Kronleuchter hinunterkrachte. Ich hätte ein paar Fragen!“ „Sind Sie von der Presse?“, fragte sie lauernd und sah Erin mit bohrenden Blicken an. „Ich bin wohl nicht die erste, die danach fragt!“ Es war eigentlich nur ein Gedanke, aber sie sprach es so laut aus, dass die Frau es hörte. „In der Tat!“, Erwiderte die Brillenträgerin und rückte ihre Brille zurecht. Erin biss sich auf die Unterlippe und schüttelte dann den Kopf. „Nein bin ich nicht. Ich bin...von der Polizei!“, erklärte sie und hoffte, die Frau würde ihr das abkaufen. „Von der Polizei!“, sagte sie und ihr Blick war alles andere glaubhaft. Erin überlegte in ihrem Kopf fieberhaft nach einer anderen Möglichkeit. Als sich plötzlich die Tür öffnet und ein dicklicher Mann, mit Halbglatze rausschaute. „Was ist hier draußen los?!“, fragte er etwas ungehalten und schaute erst die Frau am Schreibtisch, dann Erin und dann wieder die Frau an. Diese räusperte sich. „Diese Frau sagt, sie sei von der Polizei und wollte mit Ihnen sprechen!“, sagte sie und machte eine vage Handbewegung auf Erin zu. Der Direktor schaute Erin kurz von oben bis unten an und seine Stirn legte sich in tiefe Falten. Erin spürte, wie unerwünscht ihre Anwesenheit hier war, ließ sich davon jedoch nicht einschüchtern. „Mein Name ist Caroline Black!“, stellte sie sich vor. „Die Polizei schickte mich, da ich mir diesen Fall mal genauer anschauen sollte!“ Der Mann schien noch skeptischer zu werden. „Wir hatten schon Besuch. Ein Herr Inspektor Adea, war hier und hat sich erkundigt!“ Erin hob die Brauen. Chris! Er war auch hier gewesen. Das traf sich eigentlich ganz gut. So konnte sie immerhin weiterlügen und sich auf seine scheinbare Hilfe verlassen. „Oh, das trifft sich gut. Er hat mich geschickt. Ich solle nochmal nachfragen und schauen, ob sich doch noch etwas ergeben hat. An Zeugenaussagen versteht sich!“ Der Direktor schaute sie nun bohrend an und Erin dachte schon fluchtartig das Opernhaus zu verlassen, doch dann würde sie riskieren, dass der Dämon nochmal zu schlug und womöglich noch mehr Menschenleben fordern würde. Erin holte tief Luft. Sie musste mit ihm reden. „Hören Sie. Ich kann verstehen, wenn es Ihnen unangenehm ist. Aber es ist wichtig. Ich möchte, dass der Verantwortliche so schnell wie möglich gefasst wird!“ Erins Worte schienen etwas in ihm ausgelöst zu haben. Da es in seinem Gesicht deutlich zu arbeiten begann, betete Erin im Stillen, dass er endlich sie in seinem Büro holen und ihr alles berichten würde, damit sie endlich mit der Arbeit anfangen konnte. „Also gut. Kommen Sie mit!“, sagte er und Erin atmete innerlich erleichtert auf. Das Büro war altmodisch und doch stilvoll eingerichtet. Durch die Scheiben schien mattes Licht und Staubflocken schwebten durch den Raum. Auf dem schwarzen Ebenholztisch stapelten sich Papiere und schienen die gesamte Fläche einzunehmen. Doch Erin beachtete den mangelnden Sinn für Ordnung nicht, sondern setzte sich in den bequemen Ledersessel und wartete bis der Direktor auch Platz nahm. Als dieser das tat, wischte er sich über die Stirn und seufzte schwer. „Also. Wir haben leider keine neuen Ergebnisse. Und keiner kann sich an noch etwas erinnern!“, erklärte er in vornerein und schaute Erin mit einem kühlen Blick an. „Das weiß ich!“, sagte Erin und sie konnte endlich ihre wahren Pläne umsetzen. Der Direktor hob die Brauen und schaute sie erstaunt an. „Ach, dann wollen Sie keine Fragen stellen?“, fragte er. „Doch. Aber keine Fragen über den Vorfall!“, erklärte Erin und ehe der Mann zur Antwort kommen konnte, fuhr sie fort. „Ich interessiere mich für die Geschehnisse im Jahre 1881!“ Der Direktor runzelte die Stirn. „Wieso denn das?“, fragte er und holte tief Luft. „Ganz einfach, weil zu dieser Zeit ein sogenanntes Phantom sein Unwesen hier trieb!“ Der Mann schien sie nun noch verständnisloser anzusehen und Erin ahnte schon, dass sie ihm alles erklären durfte. Ehe ihm ein Licht aufging. „Ich habe in den alten Zeitungsarchiven gelesen, dass hier schon mal ein...Geist hier herumgespukt hat!“, sagte sie und malte bei dem Wort Geist Gänsefüßchen in die Luft. Und erst da schien der Mann zu wissen, von was sie sprach. „Oh, ja...Sie meinen diese Phantom-Sache!“ „Bingo!“, sagte Erin. „Können Sie mir da weiterhelfen?“ „Wieso denn das?“ „Weil ich der Ansicht bin, dass dieses Phantom wieder aufgekreuzt ist!“ „Wie bitte?“ „Lassen Sie mich ausreden. Der Unfall, wo der Kronleuchter hinab fiel. Er war es. Der Geist von damals und er scheint wieder das zu fortzusetzen, was er einst begonnen hat!“, erklärte sie und verlieh ihre Worten eine ernste Festigkeit. „Was soll der Unsinn?“, fragte der Direktor und wurde nun knallrot. Er schien nicht zu glauben, was Erin ihm da erzählte und Erin hatte schon, dass es nicht gerade leicht werden würde. Dennoch musste sie ihn dazu bringen ihren Worten Glauben zu schenken. „Hören Sie, ich weiß, dass das ziemlich unglaublich klingt. Wenn nicht sogar verrückt. Aber es ist die Wahrheit!“, sagte Erin eindringlich und hoffte der Mann würde etwas vernünftiger werden. Doch dieser dachte nicht daran, sondern tobte weiter. „Hören Sie auf. Ich will kein Wort hören!“, schnaubte er. „Es sind Menschen gestorben und Sie behaupten, ein Geist sei dafür verantwortlich!“ „Es ist keine Behauptung. Sondern Tatsache. Dieser Geist, dieses Phantom ist wieder da und es wird weiter morden, wenn Sie mir nicht helfen!“, sagte sie, immer noch mit kühler und ernster Stimme. „Ihnen helfen?“, fragte der Direktor aufgebracht. „Wie denn? Soll ich die Ghostbusters holen?“ Erin musste ein Verziehen ihres Gesichts unterdrücken. Diese Bemerkung, war alles andere als richtig am Platze. „Nein, denn der sitzt schon vor Ihnen!“, erklärte sie und zeigte dabei auf sich. „Sie wollen mich auf den Arm nehmen!“, keuchte der Mann und Erins Blick wurde nun eisig. Bohrend. „Nein, absolut nicht. Ich habe diesen Dämon gesehen und ich will, dass Sie mir alles sagen, was Sie über das Phantom wissen!“ Der Mann schluckte und rutschte etwas zurück. Dann senkte er den Blick. „Da kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen, Mademioselle!“, begann er und blickte nur kurz zu ihr hoch. Deutlich sah Erin ihm an, dass er sich nun etwas unwohl in seiner Haut fühlte. Sicher war dies ein Thema, über das er nicht gern sprach. Und Erin konnte ihn verstehen. Schon damals waren die ehemaligen Direktoren nicht gut darauf zu sprechen. Und bei diesem hier, würde es sicher nicht anders sein. Erin seufzte. „Ich weiß, wie schwer Ihnen das fallen muss. Aber es stehen Menschenleben auf dem Spiel und wenn ich nicht bald diesem Dämon das Handwerk lege, werden noch mehr Menschen drauf gehen!“ Noch immer blickte der Direktor zu Boden und schien mit sich zu kämpfen. „Der wird niemals reden. Er denkt, du seist verrückt!“, schaltete es sich in ihrem Kopf ein und ihr Gesicht verfinstere sich. Wie sehr sie es hasste, wenn ihr keiner Glauben schenkte. „Und Sie werden noch mehr unangenehme Fragen beantworten müssen!“, sprach Erin langsam und erst da schaute der Direktor sie an. Als hätten ihre Worte etwas in ihm bewegt, wurde sein Gesicht nun aschfahl und er erhob sich. Mit langsamen Schritten ging er zum Fenster und hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Lange blickte er hinaus und sagte nichts. Erin befürchtete schon, dass sie wieder von vorne anfangen musste, um endlich alles aus ihm raus zubekommen. Doch da begann der Direktor zusprechen. Er klang sehr niedergeschlagen und Erin merkte, dass schon gleich etwas kommen würde, was ihr gar nicht gefiel. „Ich bedaure, dass sie den Weg umsonst gemacht haben, Mademioselle!“, sagte er. „Ich kann Ihnen leider nicht weiterhelfen!“ „Na prima!“, dachte Erin verbittert und wollte schon etwas sagen, als der Direktor fortfuhr. „Aber vielleicht kann Ihnen Monsieur De Chagny weiterhelfen!“ Erin runzelte die Stirn. „De Chagny?“, fragte sie und der Direktor drehte sich um. „Ja, seine Urgroßmutter war Christine Daae!" Erin stand vor dem alten Haus und schaute es eine halbe Ewigkeit an. Die Aussage des Direktors hat sie mehr erstaunt, als sie es sicher zugegeben hätte. Nach allem was sie in den alten Zeitungsschriften gelesen hatte, war niemals die Rede von einer Familie De Chagny gewesen. Zumindest nicht nach dem Vorfall mit dem Phantom. Anscheinend schien diese Christine Daae ein großes Interesse an Diskretion zu haben. Und Erin konnte sie etwas verstehen. Wer wollte schon noch erkannt werden oder gar in der Öffentlichkeit leben, wenn er solche schrecklichen Dinge erlebt hatte. Noch bevor sie das Büro des Direktors und die Pariser Oper verlassen hatte, hatte er ihr noch einige Dinge erzählt. Zwar nicht viel, aber dennoch genug, damit sie sich selbst ein Bild machen konnte und selbst verständlich hatte er ihr die Erlaubnis gegeben, sich in den Kellergewölben umzusehen. Dies würde sie auch mich Sicherheit tun, wenn sie von ihrem Besuch bei der Familie zurückkam. Sie öffnete das schmiedeeiserne Tor und schritt forsch den Weg zur Eingangstür. Als sie vor der Tür stand, schaute sie sich um. Immerhin war es hellichter Tag und jeder konnte sie sehen. „Mist!“, dachte sie, als sie sich bewusst wurde, dass sie im Begriff war, einen Fehler zu machen. „Ich sollte doch wohl lieber warten, bis es Abend ist!“ Damit wandte sie sich ab und wollte gehen, als plötzlich die Tür aufging und eine Frauenstimme sie rief:„ Kann ich was für Sie tun?“ Erin drehte sich um und sah eine etwas ältere Frau in Dienstmädchenkleidung. Die Frau erschrak, als sie Erin sah und presste sich kurz die Hand auf den Mund. Für einen kurzen Moment wurde sie ganz blass und Erin machte einen Schritt nach vorn. Doch dann fing sich die Frau wieder und lächelte sie etwas schwach an. Erin sagte sich, dass die Frau sicher nur einen Schreck bekam, weil sie sie noch nie gesehen hatte und Gott weiß was gedacht hatte. Sie lächelte zurück. Die Frau trat nun etwas nervös von einem Fuß auf den anderen und nestelte an ihrer Schürze. Erin fragte sich, was die Frau so nervös machte, als ihr einfiel, dass die Frau sie etwas gefragt hatte. „Äh, ja. Ich wollte mit dem Hausherren sprechen. Ist er da?“, fragte sie höflich und kam etwas näher. Die Dienstmagd runzelte kurz die Stirn. „Um was geht es?“, fragte sie. „Es...es ist etwas Persönliches und sehr wichtig. Bitte, kann ich mit ihm sprechen?“, wiederholte Erin und spürte, wie die Ungeduld in ihr breit wurde. Die Zeit drängte. Wer weiß, wie lange es dauern würde, ehe der Dämon wieder zuschlug. „Hm, der Herr ist zurzeit nicht da. Aber er kommt heute Abend wieder. Wenn Sie also heute Abend, so um Neun Uhr nochmal vorbei kommen möchten...!“, erklärte sie und Erin musste einen niedergeschlagenen Seufzer unterdrücken. Aber was blieb ihr anderes übrig? „Ja, danke. Ich werde später nochmal vorbei kommen. Einen guten Tag noch!“, sagte sie und ging. Immer wieder schaute sie auf die Uhr und musste sich zusammen reißen. Diese Ungeduld und dieses Warten machte sie einfach wahnsinnig und sie wollte gar nicht daran denken, was in dieser Zeit in der Oper so alles passieren könnte. Chris, der neben ihr saß und ihre Nervosität zu merken schien, schaute zu ihr und legte ihr den Arm um die Schulter. Erin schaute auf und sah ihn an. „Stimmt was nicht?“, fragte er und sie blickte ihn für einen kurzen Moment nur schweigend an. Dann schaute sie wieder zu Boden. „Ich...ich muss später nochmal weg!“, sagte sie und schloss kurz die Augen. Chris sah sie schweigend an und wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Auch wenn er wusste, dass sie eine Exorzistin und auf der Jagd nach einem Dämon war, fiel es ihm trotzdem schwer ihr zu glauben. Dämonen! Sowas konnte es doch nicht geben! Aber...etwas sagte ihm, dass es anders war. Dass es mehr gab zwischen Himmel und Erde und das er nicht alles wusste. Und das machte ihn ziemlich zu schaffen. Aber immerhin wusste er eines. „Es ist wegen diesem Dämon oder?“, fragte er sie und Erin nickte langsam. „Ich muss schnell was unternehmen, ansonsten wird er weiter morden!“ Der Gedanke, dass es noch weitere Tote geben könnte war einfach unerträglich. Und sie wollte das so schnell wie möglich hinter sich bringen. Sie wollte immerhin etwas normal leben. Wenn es auch nur ein paar Tage war. Chris seufzte und legte ihr den Arm um die Schulter. Erin schaute zu ihm hoch. Und auch wenn er nichts sagte, sah sie in seinen Augen, dass es ihm ganz und gar nicht gefiel, dass sie sich in Gefahr begab. Sie musste etwas lächeln. Es rührte sie, dass er sich Sorgen um sie machte. Doch Chris schien sich von ihrem Lächeln nicht anzustecken. Es gefiel ihm nicht, dass sie ins offene Messer lief. Egal ob Dämon oder Mensch! „Bitte, pass gut auf dich auf!“, bat er sie und Erin konnte nicht anders, als ihm einen Kuss auf die Wange zu geben. „Mach dir keine Sorgen. Ich werde schon damit fertig!“, sagte sie. Erin stand erneut vor dem Haus und atmete einmal tief durch. „Okay zweiter Versuch!“, dachte sie sich, ging zur Haustür und klopfte an. Es dauerte eine Weile, ehe sie sich öffnete und das Dienstmädchen stand vor ihr. „Oh guten Abend. Schön Sie wiederzusehen!“, begrüßte sie sie und Erin lächelte. „Das gebe ich zurück!“ Die Frau nickte und machte eine einladende Handbewegung. „Bitte kommen Sie rein!“, bat sie sie und Erin trat ein. Die Frau geleitete sie in einen Salon und bat sie Platz zunehmen. Dann verschwand sie kurz und Erin ließ sich in die weiche Couch nieder. Sie schaute sich um, und musste feststellen, dass der Salon sowohl wie der Rest des Hauses sehr elegant und auch etwas alt war. Dennoch gefiel es ihr und sie machte es sich bequem. Draußen war es schon dunkel und sie fragte sich, wie lange sie schon wartete. Als sie Schritte hörte. Schwere, fast schon mühsame Schritte und sie blickte zum Eingangsbereich. Ein mittelalter Mann kam zu ihr, gestützt auf einem Stock und mit etwas grauem Haar. Erin stand auf und verbeugte sich höflich. „Guten Abend!“, sagte sie und der alte Mann trat näher. Als er sie erblickte, griff er sich erschrocken ans Herz und wich einen Schritt zurück. „Aber das kann doch nicht möglich sein!“, keuchte er und schüttelte verwirrt den Kopf. „Du bist doch tot!“ Erin glaubte nicht richtig zu hören und sah den Mann mit großen Augen an. „Bitte?“, fragte sie und der Mann schien ihren Blick zu erwidern. „Bitte verzeihen Sie, dass ich so unhöflich war. Aber ich habe Sie für jemanden anderen gehalten!“, entschuldigte sich Louis und wirkte nun mehr verlegen, als erschrocken. Erin sagte nichts. Viele hatten schon die Vermutung gehabt, sie sei tot und es hatte sie niemals gestört. Es war ihr sogar sehr Recht, so würde niemand nach ihr suchen. „Ach schon gut. Ich bin es gewohnt, dass sich die Leute vor mir erschrecken!“, sagte sie gelassen und sah Marie etwas lächelnd an, als sie hinein kam. Marie, die Haushälterin wurde etwas rot im Gesicht und goss schnell ihnen Tee ein. Louis lächelte auch und Marie machte, dass sie aus dem Salon kam. Als sie fort war, wurde Erin jedoch ernst. „Wieso haben Sie gedacht, ich seit tot und wieso haben Sie mich verwechselt?“, fragte sie und sah, wie der Mann den Kopf senkte. Ihm schien es unangenehm zu sein. Und eigentlich wollte sie ganz andere Fragen stellen, aber nun war ihre Neugier geweckt und sie wollte wissen, was dahinter steckte. Ihn wegen dem Phantom und die damit verbundenen Ereignisse auszufragen, dass konnte sie immer noch. Louis De Chagny schaute sich um, als wolle er nach einer Antwort auf den Möbel suchen. Und wie es schien, fand er keine. Er seufzte. „Nun ja, weil...weil ich glaubte, Sie seien zurück!“, erklärte er mühsam. „Zurück?“, fragte Erin und runzelte die Stirn. „Wovon?“ „Von den Toten. Sie sehen ihr wirklich sehr ähnlich!“, antwortete Louis schleppend und faltete die Hände. Erin reichte es so langsam. Sie mochte zwar ein geduldiger Mensch sein, aber bei sowas reißt ihr sehr schnell der Geduldsfaden. „Wem sehe ich ähnlich. Sagen Sie es mir!“, forderte sie und streckte die Hand aus. Louis schaute sie an, aber nur kurz und senkte sogleich den Kopf. „Caroline!“ Erin glaubte einen Stich in ihrem Herzen zu verspüren. Beachtete diesen jedoch nicht. Minuten lang herrschte schweigen, doch dann fuhr er fort und Erin hörte aufmerksam zu. „Caroline war die Affäre meines Bruders. Er starb vor ein paar Jahren. Auf jeden Fall, war er bereits verheiratet, aber dies hielt ihn nicht davon ab, sich eine zweite Frau zu suchen. Oder zumindest eine Geliebte. Soviel ich erfuhr, wurde sie schwanger und seine Ehefrau, meine Schwägerin, bekam es heraus. Sie können sich ja vorstellen, was das für ein Chaos gab!“ Erin konnte sich das sehr wohl vorstellen. Welche Frau wollte schon betrogen werden? „Sie stellte meinen Bruder vor die Wahl. Entweder er trenne sich von ihr oder sie würde dafür sorgen, dass er schon bald nichts mehr von seinem Vermögen hat. Sie müssen wissen, dass sie einen Ehevertrag abgeschlossen haben. Seine Frau hat es geschafft, dafür zu sorgen, dass er, im Falle einer Scheidung nichts bekommt. Und naja er...!“, wollte er weitersprechen, als Erin ihm ins Wort fiel. „Lassen Sie mich raten. Anstatt zu seinen Gefühlen zustehen, gab er seiner Frau das, was sie wollte!“ „Ja, er blieb bei ihr und wir alle dachten, damit wäre es erledigt. Aber nein. Berta, also seine Frau, wollte dass Caroline völlig aus seinem Leben verschwindet. Ebenso das Kind. Sie sorgte dafür, dass Caroline, weder eine Behausung noch eine Arbeit fand. Sie müssen wissen, dass Berta einen hohen Einfluss in der Wirtschaft hatte und dass sie diesen auch einzusetzen verstand. Am Ende blieb Caroline gar nichts. Sie hatte nur sich und das Kind, welches noch ein Säugling war!“ Louis seufzte schwer, als er fertig war und Erins Hass auf diesen dummen Ehemann übertrug sich auf diese Berta. Was ist das nur für eine Frau, die einer anderen Frau dermaßen das Leben schwer machte? Erin schüttelte den Kopf. „Unglaublich!“, murmelte sie und merkte wieder diesen Stich in ihrem Herzen. Doch dieses Mal versuchte sie nicht, ihn zu ignorieren. Sie hatte Mitleid, mit dieser armen Frau und dem Kind. Das sicher kein Leben mehr gehabt hatte und auch wenn Erin diese Frage nicht stellen wollte, kam sie ihr trotzdem über die Lippen. „Was ist aus den beiden geworden?“ Louis Gesicht wurde finster und auch traurig. „Als ich Caroline wieder traf, war sie vollkommen herunter gekommen. Ich habe sie kaum noch wiedererkannt. Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, als wäre es gestern gewesen. Sie stand vor mir, mit Tränen in den Augen und zitterte am ganzen Leib. Ich bot ihr an, zu mir reinzukommen, aber sie lehnte ab. Ich fragte, ob es ihr und dem Kind gut ginge. Sie sagte, dass das Kind in Sicherheit ist und dass es ihm dort gut gehen würde. Ich befürchtete natürlich schon das schlimmste und fragte, ob sie...aber sie schüttelte den Kopf. Sie sagte, sie habe das Kind nach Italien gebracht, zum Vatikan!“ Erin erschrak. Nach Italien, zum Vatikan? Kardinal Gregor hatte ihr mal erzählt, dass man sie vor den Toren des Vatikans gefunden habe. Als sie noch ein Baby war. Das konnte unmöglich wahr sein! Das durfte nicht wahr sein! Erin schluckte und versuchte den dicken Kloss in ihrem Hals loszuwerden. Doch vergebens! Louis schien ihren Schrecken bemerkt zu haben, dennoch schien er ihn falsch zu verstehen. „Verstehen Sie jetzt, wieso ich so erschrocken war, als ich sie sah. Das letzte, was ich von ihr hörte war, dass sie sich von einer Brücke an der Seine stürzte und dabei ertrank!“ Erin wurde von einer Minute auf die nächste schlecht. Sie wusste selber nicht wieso, aber ihr ging das Schicksal, welches diese Caroline ereilt hatte ziemlich nahe und ihrem Kopf war ein durcheinander, dass kaum zu ordnen war. Wie ein Wasserfall, stürzte alles über sie ein. Bilder aus der Vergangenheit, aus ihrer Kindheit. Geschehen Dinge und Fragen, die sie sich niemals gestellt hatte. War das wahr? War diese Caroline wirklich ihre Mutter? So vieles sprach dafür. Schon allein die Tatsache, dass sie sie vor den Toren des Vatikans ausgesetzt hatte und dass Gregor das Gleiche erzählt hatte. Dennoch wollte Erin es nicht wahr haben. Sie wollte es einfach nicht. Louis Blick wurde besorgt und er legte ihr seine Hände auf ihre. Erst da wurde sich Erin bewusst, dass ihre Hände zitterten. „Alles in Ordnung mit Ihnen? Sie sind ja ganz blass!“, stellte er fest und drückte ihr Hände. Erin nickte hastig. Auf keinen Fall wollte sie, dass er die Wahrheit erfuhr. Aber...was war schon Wahrheit! Wenn sein fast ganzes Leben eine schiere Lüge ist. „Nehmen Sie noch einen Schluck Tee!“, schlug er vor und Erin tat, was er ihr riet. Der Tee erwärmte und beruhigte sie. Noch einmal atmete sie tief ein und versuchte ihr wild schlagendes Herz etwas zur Ruhe zu zwingen. „Tut mir leid, wenn ich Sie damit erschreckt habe“, sagte Louis betroffen. „Vielleicht wäre es besser, wenn ich Sie jetzt nachhause bringe!“ Erin schüttelte den Kopf. „Nein, ich...es geht schon wieder. Sie haben mich nicht erschreckt. Es ist gut, wenn Sie mir das alles sagen!“, erklärte Erin und ihre Stimme war kaum mehr, als ein Krächzen. Noch immer drehte sich alles in ihrem, Kopf und sie musste die Augen schließen, um den Schwindel zu bekämpfen. Louis schien nicht dieselbe Meinung zu haben. „Bitte, erzählen Sie mir, was danach passiert ist!“, bat Erin trocken und rieb sich die Stirn. Wieso bekam sie auf einmal diese Kopfschmerzen? Louis wog kurz die Möglichkeiten ab, ob er nicht doch sie nachhause bringen oder ihrer Bitte nachkommen sollte. Und genau das schien Erin zu merken und sie bat ihn nochmals. „Bitte, sagen Sie es mir!“ „Also gut. Eigentlich passierte nichts. Mein Bruder lebte mit seiner Frau und seiner Tochter so, als wäre nichts passiert. Natürlich hatte er erfahren, dass Caroline tot war, und das machte ihn fertig. Er gab sich selber die Schuld und es wurde schlimmer, als er erfuhr, dass das Kind spurlos verschwunden ist. Seine Frau kümmerte das wenig. Sie hatten ja eine eheliche Tochter und nur das zählte!“ Das letzte Wort spukte er förmlich aus, mit aller Verachtung, die er aufbringen konnte. Erin lächelte bitter. „So wie Sie das sagen, konnten Sie diese Frau nicht ausstehen!“, vermutete sie und traf dabei ins Schwarze. „Pah, ausstehen. Sie ist doch der Grund, wieso mein Bruder an mangelnder Ernährung starb. Wäre sie nicht gewesen, wäre Caroline mit ihm zusammen und er glücklich. Gott sei Dank ist Berta tot. Sie kam bei einer Kreuzfahrt ums Leben. Sie konnte nicht schwimmen!“ Er grinste verächtlich. „Ist das nicht ausgleichende Gerechtigkeit?“ Unter anderen Umständen hätte Erin ihm da zugestimmt und wären da nicht diese Kopfschmerzen, dann hätte sie sich auch gefreut. Aber der Kardinal hatte ihr stets gepredigt, dass man niemals froh sein sollte, dass ein andere stirbt. Und auch wenn sie sich meist über seine Predigen nicht belehren ließ, hatte sie dennoch einen gewissen Respekt, gegenüber dem Tod. Sie hob nur die Schultern. „Und was ist mit der Tochter der beiden. Es muss sie doch schwer getroffen haben, beide Eltern zu verlieren?“, fragte sie und nippte an der Tasse. Louis gab ein Knurren von sich. „Ja, das hat es zwar, aber leider haben sich Bertas Gene bei ihr mehr durchgesetzt, als die meines Bruders. Da sie alles geerbt hat, denkt sie natürlich, sie kann sich alles erlauben. Ich habe zwar nichts gegen die Verwandtschaft, aber Ramona ist wirklich ein verwöhntes Biest!“ Erin blieb der Tee im Halse stecken und sie hustete heftig. Ramona! Auch das noch! Ramone war die Nichte von Louis De Chagny und somit ihre... Unmöglich! Erin schüttelte den Kopf, immer noch hustend und verdrängte diese absurde Möglichkeit. Dennoch schien sie ihr ständig durch den Kopf zu spuken. Ramona...ihre Halbschwester!? Nein, nie und nimmer. Nie konnte sie ihre Halbschwester sein. Schon bei der Vorstellung, den gleichen Vater zu haben und irgendwie mit ihr verwandt zu sein, ließ sie erschauern und gleichzeitig speiübel werden. Sie kannte Ramona zwar nicht lange genug, aber das, was sie bis jetzt von ihr kennengelernt hatte, reichte aus, um sie nicht auszustehen. „Was haben Sie?“, fragte Louis besorgt und wollte ihr auf den Rücken klopfen. Doch Erin winkte ab und schüttelte wieder den Kopf. „Nichts...!“, gab sie heiser zurück. „Ich habe mich nur verschluckt. Der Tee schmeckte einfach zu gut!“ Es vergingen noch einige Stunden, als Erin sich verabschiedete und Louis ihr noch einen schönen Abend wünschte. Dabei entschuldigte er sich noch einmal, dass er sich vor ihr erschreckt hatte und sie mit dieser Geschichte wohl schockiert hatte. Erin sagte, dass es ihm nicht leidzutun habe und wünschte ihm ebenso einen schönen Abend. Die Nacht war kalt und klar. Am Himmel funkelten die Sterne und obwohl Erin sich beim Anblick der Sterne stets wohlfühlte, kamen in ihr immer wieder die Fragen auf, die auf ihrer Zunge einen bitteren Nachgeschmack hinterließen. Und je öfter, sie sich diese Fragen stellte, umso logischer schien diese Geschichte zu werden. Immerhin hatte man sie wirklich beim Vatikan ausgesetzt und sie hatte niemals was von ihrer Mutter gehört. Wie denn auch, wenn die Mutter tot auf dem Grund der Seine lag. Ertrunken! Erin schauderte und zog den Mantel enger um sich. „Ich sollte lieber machen, dass ich wieder ins Hotel gehe. Chris macht sich schon sicher Sorgen um mich!“ Sie hatte schon fast das Tor erreicht, als er Schuss aufpeitschte und sie wie angewurzelt stehen blieb. Irrte sie sich sich, oder kam der Schuss von hinten. In der Richtung, in der das Haus stand? Langsam drehte sie den Kopf um und schaute nachhinten. Das Licht brannte noch und Erin schaute zu den Fenstern. Versuchte zu erkennen, wer den Schuss abgefeuert hat. Doch sie sah nichts! Entweder sie hatte sich geirrt und der Schuss, kam von ganz wo anders her, oder der Schütze hatte sie verfehlt. Doch wieso wollte man sie erschießen? Die Antwort kam ganz von selbst. „Weil ich weiß, wer meine Mutter war und wer sie auf dem Gewissen hat!“, schrie es in ihrem Kopf. Aber das fand Erin für viel zu unlogisch. Immerhin hatte Louis kein Motiv. Er mag zwar der Bruder des Toten sein, aber was hätte er davon, wenn er sie erschoss. Also blieb nur die andere Möglichkeit. Jemand hatte zwar geschossen, aber nicht von Haus aus. Erin schaute noch einen kurzen Moment zum Haus, dann wandte sie sich ab und wollte die Klinke hinunterdrücken. Als wieder ein Schuss erklang und sie herumfuhr. Dieses Mal war sie sich sicher. Der Schuss, kam aus dem Haus. Schnell hechtete sie die Stufe hoch und hämmerte gegen die Tür. Keiner machte auf. Also blieb Erin nichts anderes übrig, als die Tür aufzubrechen. Mit einem Tritt riss sie die Tür aus den Angeln und sprang hinein. Stille! Nichts war zuhören. Weder Schritte, noch Stimmen. Erin trat näher hinein und versuchte das noch so kleinste Geräusch zu vernehmen. Für einen kurzen, und für sie ewigvorkommenden Moment, hörte sie nichts. Doch dann hörte sie es. Ein leises Wimmern! Es kam aus dem Salon! „Louis de Chagny!“, keuchte sie und stürmte in den Salon. Doch nur um abrupt stehen zu bleiben und die Hände geschockt vor den Mund zu schlagen. Louis De Chagny lag auf dem Boden. Sein Kopf lag auf der Couch. Arme und Beine von sich ausgestreckt und er schien kaum noch am Leben zu sein. Seine Augenlider waren halbgeschlossen und zitterten, wie unter einem Fieber. Aus seiner Brust floss Blut. Genau da wo das Herz saß. Erin glaubte, man hätte ihr den Teppich unter den Füssen weggezogen und sie konnte nichts tun, asl nur da zustehen und ihn anzusehen. Minuten lang schien sie sich nicht rühren zu können, doch dann erwachte sie aus der Starre und lief stolpernd zu ihm. Sie fiel neben ihm auf die Knie und rüttelte an ihm. Monsieur De Chagny...wachen Sie auf...!“, flehte sie ihn an und rüttelte heftiger an ihm. Nur schwach konnte der Sterbende die Augen öffnen, aber trotzdem erkannte er sie. „Mademoiselle...!“, flüsterte er und seine Augen schlossen sich wieder. „Nein, nicht. Nicht einschlafen. Sie müssen wach bleiben. Ich werde einen Krankenwagen holen und dann...!“, ihre Stimme brach ab und sie musste gegen die Tränen ankämpfen, die sie zu übermannen versuchten. Wieso war sie nicht geblieben? Wieso ist sie gegangen? Wieso...? Sie schüttelte den Kopf. Jetzt war nicht die Zeit sich Vorwürfe zu machen. Sie musste schnell den Notarzt rufen. Hastig suchte sie nach einem Telefon und als sie es fand und zu ihm hingehen wollte, packte sie Louis und hielt sie fest. Erin warf ihm einen erschrockenen Blick zu. Nun waren die Augen geöffnet und die Worte kamen nur als ein Flüstern über Louis Lippen. „Gehen Sie...Mademoiselle...schnell...ist immer noch hier und will Sie auch töten!“ „Wer...wer ist immer noch hier, Monsieur?“, fragte Erin und der Blick des Mannes wurde langsam glasig. „Gehen Sie...schnell!“, presste er mühsam hervor. „Sonst...zu spät!“ Seine Augen begannen sich wieder zu schließen, doch Erin schüttelte den Kopf und rüttelte an ihm. Er durfte nicht sterben. Wenigstens einen Menschen wollte sie retten. „Monsieur...bleiben Sie wach. Sie müssen...!“, wollte sie sagen und zog ihn an sich. Doch die folgenden Worte blieben ihr im Halse stecken, als sie sah, dass sein Blick durch sie hindurch ging und kein Leben mehr zeigten. Er war tot! Erin spürte, wie alles Blut aus ihrem Gesicht wich und wieder der Schwindel einsetzte. Mit ungelenken Bewegungen stand sie auf und ging etwas zurück. Ihr Blick blieb auf dem Toten geheftet und das Schuldgefühl wurde immer stärker. „Das...das ist alles meine Schuld!“, schrie es in ihrem Inneren und kurz wusste sie nicht, was sie tun sollte. In ihrem Kopf herrschte absolute Leere. Kurz dachte sie daran nach der Haushälterin zu suchen. Wenigstens ihr zu helfen und sie zu retten, doch da sie zwei Schüsse gehört hatte, konnte sie sich lebhaft vorstellen, was mit ihr passiert ist und das Schuldgefühl schien sie immer mehr zu erdrücken. „Du hättest diese Menschen retten können, wenn du geblieben wärst!“, zischte eine Stimme in ihrem Kopf und Erin zuckte zusammen. Ja, das wäre niemals passiert, wenn sie nicht gegangen wäre. Aber sie war gegangen, und wer auch immer das getan hatte, er hatte darauf gewartet, dass sie das Haus verließ. „Es ist meine schuld. Ich hätte es verhindern können!“, dachte sie vorwurfsvoll und Tränen liefen ihr über die Wangen. Weinend kniete sie sich neben dem Toten und schloss behutsam seine Augen. Leise, in Gedanken betete sie und wollte sich gerade nach der Haushälterin umsehen, als plötzlich ein widerwärtiger Geruch in ihre Nase stieg. Kurz dachte sie an den Geruch, der Verwesung. Aber so schnell? Erin schnupperte genauer und dann, wusste sie, was das für ein Gestank war. Gas! Und da sah sie es. Es überschlug sich mehrmals in der Luft. Wild flackernd und sich immer schneller drehend. Ein brennendes Streichholz. Erins Füße bewegten sich wie von selbst und rannten hinaus zu Eingangshalle. Schon hatte sie die Schwelle erreicht, als das Streichholz eine tödliche Symbiose mit dem Gas einging und explodierte. Die Wucht schleuderte Erin mehrere Meter und sie landete hart auf dem Steinboden. Benommen richtete sie sich auf und wusste zunächst nicht, wo oben und unten war. Erst als sich der Schleier legte und sie allmählich wieder etwas erkennen konnte, sah sie das ganze Ausmaß. Das Haus war ein einziges Inferno! Die Flammen hatten das, was die Explosion nicht niedergerissen hat, verschlungen und nur schemenhaft konnte man die Umrisse des einstigen Hauses sehen. Erin sank erschöpft zu Boden und atmete tief durch. Sie konnte nicht fassen, was für ein Glück sie gehabt hatte. Nur wenige Sekunden später, und sie wär mitsamt dem Haus in die Luft geflogen. Noch einmal atmete sie tief ein und versuchte aufzustehen. Und war erleichtert, als sie feststellte, dass ihre Knochen nicht gebrochen waren. Immerhin etwas Gutes. In der Ferne hörte sie schon die Sirenen und sie machte schnell, dass sie von hier wegkam. Das Letzte was sie wollte, war irgendwelche Fragen beantworten zu müssen, die sie sicher noch in Schwierigkeiten bringen würden. Humpelnd und fluchend lief sie davon, und tauchte im Schutz des Schattens unter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)