Zum Inhalt der Seite

Strömung zum Prallhang

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Tag 1

Strömung zum Prallhang
 

by Méridia
 


 

Ab der französischen Grenze hatte seine Mutter kurioserweise angefangen ausschließlich französisch mit ihrem jugendlichem Sprössling zu reden, doch er hielt das für albern und beruhte weiter auf seiner Muttersprache, deutsch.
 

Die Hitze war unerträglich. Die Kehle wurde gereizt von dem Staub, der durch die unruhige Fahrt aufgewirbelt wurde. Der Kragen seines flattrigen, olivgrünen T- Shirt's konnte nicht weit genug sein. Hin- und her-gerüttelt rutschte er auf dem Rücksitz von Seite zu Seite und um nicht bei dem nächsten Schlagloch aus dem Fenster zu fliegen, hielt er sich krampfhaft am Behilfsgriff , der über dem Fenster neben ihm angebracht war fest. Wahrhaftig, täte er das nicht, würde er über den Straßenrand ( wenn man das überhaupt eine Straße nennen konnte.), den Hang hinab, in das noch weit unterhalb liegende Tal purzeln und unten im Dorf als unkenntlich entstellte Leiche ankommen. Sicherlich würde er und seine Mutter es aber nicht ohne die offenen Wagenfenster aushalten, wollten sie nicht vor Ankunft einem Hitzeschlag erliegen. Knarrend und quietschend quälte sich, der in die Jahre gekommene Renault Clio über die sandige Huckelpiste auch "Landstraße" genannt. Aber das Schlimmste stand ihnen noch bevor. Er wusste es, schließlich fuhr er mit seinem Vater, jedes Jahr im Sommer den gleichen Weg. So weit oben, wie sie sich auf dem Bergrücken befanden, mussten sie auch wieder hinab. Hinab in diese Talsenke, in die man seitlich herabsehen konnte und die dummer weise noch eine halbe Ewigkeit entfernt schien, bedachte man das Fahrtempo dass Madame zurück legte. Seine Mutter fuhr in das erste Mal zu seinem französischem Vetter und war, nebenbei bemerkt auch nicht besonders fahrerprobt . Sie schmiss sich plötzlich aufs Bremspedal, als die unbefestigte Landstraße, hinter der nächsten Biegung in halsbrecherischen Kurven ohne Leitplanken, rapide bergab führte. Das Auto stand. Er lehnte sich leicht zur Seite um den Gesichtsausdruck seiner Mutter einzufangen. Tatsächlich schien sie um einiges bleicher geworden zu sein. Stocksteif saß sie da und umklammerte das Lenkrad. " Ich hab's dir doch gesagt! Aber du hörst ja nicht auf mich und Papa!", fügte ihr Sohn beiläufig von hinten ergänzend zur Situation hinzu. Ohne dass seine Mutter weiter darauf einging schaltete sie in den nächst kleineren Gang und seufzte: " Bonne chance!" zu sich selbst, bevor sie die Höllentour in das verschlafene, französische Bergdorf "Ombléze" fortsetzten.
 

Endlich bog der Wagen über den grauen Schotter in den Hof des kleinen aber feinen Landhauses ein und kam mit einem quietschenden Ächzen zum stehen. Die Hand auf den Mund gepresst viel sie förmlich aus dem Auto und stürzte sich ins nächste Gebüsch. Und der werte Sohn war froh einmal wieder einen Konsens mit seinem Magen gefunden zu haben. Entsinnte er sich richtig, endeten die Erste und die Zwei darauf folgenden Reisen hier her nicht so glimpflich und wie es der Zufall wollte gab er damals sein Mittagessen im gleichen Rosenstrauch ab, in dem seine Mutter gerade lag. Zugegeben. Sein Vater hatte auch die Kurven den Berg hinab wesentlich schärfer und schneller genommen als seine reservierte Mutter. Kaum war er aus dem Wagen gestiegen rief eine rauchige Männerstimme freudig vom Haus her: " Eh Marek! Ich dachte schon ihr kommt gar nicht mehr an!" Sein
 

1.

Onkel kam ihm entgegengestürmt. Er hatte wieder seine zum schreien grüne Garten Schürze an, zwei Arbeitshandschuhe und einen mit Blumengestecken versehenen Damenhut auf dem Kopf. Die ausladende Krempe warf einen Dunklen Schatten auf sein ganzes Gesicht. Diesen Anblick kannte er schon von den Sommern zuvor, nur der Hut war neu. "Salut!",

sein Onkel zog ihn zu sich und herzte ihn auf jeder Wange. Diese Direktheit und grenzenlose Herzlichkeit erstaunte Marek an seinem Onkel väterlicherseits immer wieder. Onkel Luis lebte alleine in diesem verschlafenen Bergdorf, dass von den Bergen der französischen Alpen eingekesselt war. Doch der überaus kitschige Damenhut ließ auf anderes schließen. Wahrscheinlich dachte sein Onkel, wenn man schon einmal die rosarote Brille auf hat würde der passende Hut dazu auch nicht schaden. Onkel Luis' Blick schwenkte zum Auto und wieder fragend zu Marek zurück. "Wo - ", doch Marek unterbrach ihn: " Hängt in deinen geliebten Rosenbüschen!" und nickte lässig zu seiner Mutter hinüber, die sich unglücklich mit ihrem langen Sommerkleid im Gewirr der dornenbewehrten Äste und Zweige verfangen hatte. Sein Onkel grinste nur. "Genau wie du damals, Marek!", legte seine Hand flüchtig auf die Schulter seines Neffen, als er an ihm vorbei und zu Marek's Mutter hinüberwandelte. Er errötete leicht und versuchte es mit einem trotzigem : "Zumindest bin ich wider raus gekommen!" zu kaschieren.
 

Onkel Luis und Marek's Mutter machten es sich in der Küche gemütlich und schlürften genüsslich Café au lait, während Marek unfreiwillig den Packesel seiner Mutter spielen musste. Keuchend bugsierte er die letzten zwei Koffer, die Handtasche um die Schulter gehängt, über die Türschwelle, die massive Holztreppe hinauf. Das war zu erwarten! Seine Mutter hatte mahl wieder viel zu viel eingepackt. Für jedes Outfit zwanzig Assessoirs um den Schminkkoffer und ihr Abendkleid nicht zu vergessen. Schon waren es vier. Vier klobige Reisekoffer, ein Kleiderbügel mit Schutzfolie und Kleid, sowie eine einsame Handtasche. Die konnten sich unmöglich alleine in den zweiten Stock bringen. Aber das hatte Marek schon geahnt. Das wurden keine Sommerferien sondern Folterferien. Eigentlich war Marek hier um seinem Onkel bei der Pflege der Rosen zur Hand zu gehen. Doch das roch nach mehr als nur Blumen gießen und beschneiden. Auch wenn ihm Onkel Luis ein Stück weit entgegen kam, indem er Marek immer kurz vor der Abfahrt einen Zehner in die Hosentasche geschoben hatte. Diesmal war seine Mutter Arbeitgeber Nummer zwei, und der ließ schuften ohne Lohn zu zahlen. Wie sich soeben gut demonstrieren ließ. Nicht einmal ein Dankeschön! Manchmal erschien ihm seine Mutter als täuschend echte Reinkanation von der Prinzessin auf der Erbse. Wenn sie nicht Befehle gab, nörgelte sie! Wie sehr wünschte er sich jetzt schon seinen Vater her, den - wenn man schon bei den Märchen war- man ohne Probleme in die Rolle von Aschenputtel stecken könnte. Ruhig, Genügsam, Befehlausführend. Eben das krasse Gegenteil. Fast schon ein kleiner Schoßhund. Das Gepäck der Mutter im Zimmer nebenan verstaut, widmete er sich nun dem, was er den Rest des Jahres immer hinterher geträumt hatte. Sein Zimmer. Mit einem knarren drückte er die metallene Klinke hinunter und die morsche Holztür öffnete sich. Der vertraute Geruch vor sich hin modernden Holzes stieg ihm entgegen. Nichts hatte sich verändert. Das inzwischen verstaubte Klavier mit dem runden Barhocker, das eingelegene Bett an der Dachschräge auf der anderen Zimmerseite, das daneben stehenden Tischchen, auf dem immer -wie auch diesmal- eine halb heruntergebrannte Kerze stand. Schließlich, in der Zimmermitte, der geblümte muffige Teppich. Das große Fenster ihm gegenüber stand sperrangelweit offen und das gelbliche Abendlicht fiel gebündelt hindurch, worin die kleinen Staubteilchen in der Luft umhertanzten. Und um nicht zu vergessen, die an einigen Stellen abblätternde beige
 

2.

Tapete, die sicherlich einmal weiß gewesen war. An solchen Stellen konnte man Teile von

massiven Holzbalken erkennen, von denen wahrscheinlich auch der Geruch rührte. Eigentlich völlig altmodisch, aber Marek liebte es. Es vermittelte ihm eine wohlige Geborgenheit. Früher war es das Zimmer seines Vaters gewesen, als die gesamte Familie

Mourit noch hier, unter einem Dach gelebt hatte. Marek machte sich daran seine Sachen in dem Bettkasten zu verstauen. Unversehens lag darin ein kleines Buch und zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht. Sein Ferientagebuch in das er jeden Sommer in Ombléze arkriebisch genau festgehalten hatte. Ohne sich weiter damit zu beschäftigen legte er seine Sachen mit Sorgfalt darauf, so dass man es, ohne im Bettkasten herum zu wühlen nicht finden konnte. Plötzlich hörte er polternde Schritte die Treppe im Flur hinauf kommen. Schnell schob er den Bettkasten zu, eilte zum Fenster und schaute auf das Festerbrett gelehnt, mit einer vorgetäuschten Geschäftigkeit hinaus. Es Klopfte. Das musste sein Onkel sein. Mutter käme nicht auf die Idee, sich bevor sie hereinkommen würde anzumelden. Und tatsächlich, der Onkel stand in der Tür. Der Damenhut war von seinem Kopf verschwunden. "Unten gibt es selbstgemachte Madeleines, Marek. Komm doch mit runter." Marek druckste etwas: "Hm - ja - Meinetwegen." Wahrscheinlich würde er unten den nächsten Schlachtbefehl seiner Mutter erhalten. Das Auto zu waschen, es unter einem schattigen Baum zu parken, oder vielleicht die Küche auszufegen. Doch den Madeleines seines Onkels konnte er nicht wiederstehen. Noch einmal beugte er sich zum Fenster hinaus und sog die warme Mittagsluft tief durch die Nase ein. Warf nochmal einen Blick auf die Traumhafte Landschaft , in das Tal mit den kleinen verstreuten Steinhäusern. Dann ging er nach unten. Sein Onkel servierte das noch dampfende Gebäck in einer Korbschale und stellte sie in die Mitte des Massivholztisches. Als sich Marek dazu gesetzt hatte und im Moment nur die dampfenden Madeleines im Auge hatte, schnippste ihn sein Onkel zu Besinnung. "Hier spielt die Music." Marek ließ die Madeleines, Madeleines sein und sah sich zu ihm um. Onkel Luis grinste schief. "Ich hab ein kleines Attentat auf euch vor." Marek's Mutter schlug die Beine übereinander und lehnte sich damenhaft zurück. "Das wäre, Monsieur?" Marek musste wieder zu den leckeren vor sich hin dampfenden Madeleines hinüber schielen. Am liebsten hätte er ja gleich losgespachtelt. "Marek, ich weiss dass die Madeleines verlockend aussehen, aber hör mir bitte erst mal zu!", rief ihn sein Onkel verständnisvoll auf. Marek blickte wieder zu seinem Onkel hinüber, packte den Ellenboden auf den Tisch und stützte den Kopf auf die Hand. Jetzt klang die ermahnende Stimme seiner Mutter von der Seite: "Marek! Ellenboden vom Tisch!" Darauf hin verdrehte Marek genervt die Augen , ließ sich wieder zurück sinken und verschränkte bockig die Arme vor der Brust. Schmollend blickte er zu Boden. Seine Mutter wurde lauter:"Marek!" Luis winkte ab. Ach, lass nur Sylvie, der fängt sich wieder." Marek erwiderte ein leises Schnaufen. "Es geht darum, dass ich euch fragen wollte, ob ihr nicht Lust zu einer Flusswanderung habt?" Marek horchte interessiert auf. Blickte sich erwartungsvoll zu seiner Mutter um. Allerdings schien die jetzt ein Problem damit zu haben. Sie schlug nachdenklich die Augen nieder und klopfte mit den langen lackierten Fingernägeln nervös auf den Tisch. "Mama?", hakte Marek nach. Sie blieb wortlos. Plötzlich prustete Marek heftig. Er wusste genau was los war. Er lehnte sich weit zu seiner Mutter hinüber und schaute sie eindringlich mit einem breiten Grinsen an. "Du hast keine...", zog die rechte Augenbraue nach oben, "...passenden Schuhe mit, Stimmt's?" Sylvie, stierte von Marek weg in Richtung Fenster. Marek feigste heftig. Lief schon rot an. Schlug mit der Rechten auf den Tisch, das die Tassen und Teller darauf klirrten."Ich wusste es! Du hast nicht die richtigen Schuhe mit!",rief er laut amüsiert aus, "X Designer-Schuhpaare. Aber keines in dem man vernünftig
 

3.

laufen kann!" Sylvie's Sohn schmiss den Kopf in den Nacken und lachte kraftvoll und

bekam sich kaum noch ein, krümmte sich über den Tisch und fiel wider zurück. Er wirkte schon fast verrückt, wie er sich windete, den Bauch hielt und immer mehr Farbe bekam. Seine Mutter schaute dem kommentarlos zu und verschränkte, wie Marek zuvor, die Arme

vor der Brust. Luis musste sein Lächeln hinter einer Hand verbergen. Marek's Lachen wurde unnormal schrill. Sylvie starte ihren Schwager fassungslos an. "Luis, was gibt's da zu lachen?!" Er zuckte ahnungslos mit den Schultern. "Och....", kniff die Augen zusammen und wurde rot. Genau in diesem Moment waren Marek und Luis wohl charmanter als ein Stacheldrahtzaun. Sie lachten Sylvie förmlich nieder und waren sich einiger als je zuvor. Nun stand sie verärgert auf. Stakste mit klingendem Pfennigabsatz an Marek und Luis vorbei, die Treppe hinauf. Marek rief ihr tröstend hinterher. "Och Mama! Nu sei doch nicht...." Doch da hörte man schon die Tür von oben ins Schloss fallen. Für einen Herzschlag herrschte in der Küche Totenstille, so das man den Wasserhahn vor sich hin tropfen hörte. "Das war nicht gut.", warf Luis trocken ein. "Nein.....das war es wirklich nicht.", kam theatralisch, bedauernd von Marek zurück. "Meinst du das sie heute noch mal runter kommt?" Marek schüttelte den Kopf und hatte wieder normale Farbe bekommen. Onkel Luis seufzte. "Bon.", stand auf und angelte sich eines von den nun kalten Madeleines aus dem Korb. "Dann wünsche ich bonne appetit." Marek hatte sich das erste Madeleine schon vollständig in den Mund gestopft. "Märschi.", nuschelte er. Onkel Luis lächelte auf. "M-E-R-C-I, Marek! M-E-R-C-I, heißt das!", berichtigte ihn Louis mit einer vornehmen Handbewegung und Beide kicherten noch eine Weile. Auf dem Dachboden hörte man es gelegentlich dumpf rumpeln. Marek und sein Onkel hielten inne als man es dann dazu noch fluchen hörte. Marek quittierte es mit einem: "Ich glaub sie sucht Schuhe." Wieder lachten Beide auf und ließen so den Abend harmonisch ausklingen. Als alles schon schlief und die Schwarze Nacht über Ombléze herein gebrochen war,schrieb Marek auf seinem Bett bei fahlem Kerzenlicht in sein kleines rotes Urlaubstagebuch und notiert darin den ersten Tag bei seinem Onkel. Die Kerze brannte langsam nieder und als sie letztlich erloschen war, war Marek über seinem Buch eingeschlafen.
 


 


 


 


 


 


 


 


 


 

4.

Tag 2

Die Tür schlug erbärmlich quietschend auf. Jemand stöckelte auf Absatzschuhen durch das Zimmer. Riss Marek die Decke vom Leib, drückte ihm einen schmächtigen Kuss auf die Wange und meinte befehlend im Davongehen: "Schnapp dir den Besen und fege die Veranda aus!", ließ die Tür rücksichtslos wieder zuknallen. Marek rieb sich die Augen, setzte sich langsam auf und blinzelte verschlafen in Richtung Tür. "Guten Morgen Mama...", nuschelte er obwohl sie ihn ehe nicht mehr hören konnte.
 

Als die notdürftige Morgentoilette abgeschlossen war, ging er zum Treppenabsatz und schielte hinunter in die Küche. Niemand war zu sehen oder zu hören. Nur der Wasserhahn tröpfelte sein Liedchen. Verwundert über diese Ruhe ging er hinunter. Die Küche sowie das Wohnzimmer dahinter waren leer. Um die Arbeit zu verrichten, die ihm seine Mutter am frühen Morgen so herzlich aufgetragen hatte, kramte er im großen Holzschrank unter der Treppe nach einem Besen. Als dieser endlich aus dem Gewirr von Wischmopp und Co entwunden war, ging er zur Vordertür hinaus, auf die Veranda. Die Pergola mit Weinbewuchs über ihm trieb ein Licht - und Schattenspiel auf dem morschen Parkettboden. Marek sah auf. Die Sonne stand schon hoch und gleißend am blauen Himmel. Zum provisorischem Frühstück pflückte er sich ein paar herabhängende Weintrauben und begann dann die Veranda von vertrockneten Weinblättern und Schmutz halbherzig frei zu fegen. Mit der Zeit wurde die Luft allmählich trocken und drückend. Obwohl er schon unter der Pergola im Schatten arbeitete, fing die Mittagshitze an ihm zu schaffen zu machen. Immerwieder musste er sich den Schweiß von der Stirn wischen und als die letzten Blätter mit dem Besen vom Parkett befördert wurden, war Marek's olivgrünes T-Shirt völlig durchgeschwitzt. Es klebte unbehaglich an der Haut, so dass Marek es nicht mehr länger aushielt. Er streifte es sich über den Kopf und legte es légér über einen Querbalken der Pergola. Eine leichte Windbrise brachte seinem entblößten Oberkörper willkommene Abkühlung. Er steckte sich und lehnte sich dann auf die Brüstung um den Schotterweg hinauf zu sehen. Er machte sich langsam ernsthafte Gedanken wo Onkel Louis und seine Mutter abgeblieben seien könnten. Nachdenklich griff er sich ins nussbraune Haar. Dann kam ihm die Idee ,dass sie vielleicht eine Nachricht hinterlassen hatten und ging ins Haus zurück. Tatsächlich lag auf dem Küchentisch ein kleiner Zettel. Hastig überflog er ihn.
 

Wir sind auf den Wochenmarkt nach Die gefahren und kommen im laufe des Abends gegen 20 Uhr wieder zurück. Wie fast jeden Tag wird Monsieur Saré's Enkel gegen Mittag vorbeikommen. Sei so gut und lass Francois in den Hinterhof, damit er sich wie immer das Wasser vom Bach holen kann. Mach dir noch einen schönen Tag !
 

Onkel Louis
 

"Oh man!", dachte sich Marek und schaute hoffend zur Küchenuhr über der Spüle auf. Es war schon gegen 13 Uhr. Sicherlich würde Francois gleich aufkreuzen. Marek kannte ihn schon von den Sommerferien zuvor. Er hatte allerdings immer riesige Probleme sich mit ihm zu verständigen, da Marek's Französisch jedesmal mehr als eingerostet war, wenn er es gegenüber einem Franzosen anwenden sollte. Gesetzt dem Fall, Francois sagte ihm etwas , verstand er meistens nur Bahnhof und kam sich immer so ziemlich hilflos und verblödet vor, wenn Francois versuchte sich verständlich zu machen, er nach dem dritten Versuch aber immer noch nichts verstand. Meist drosselte Francois sein Sprechtempo dann
 

5.

dermaßen, dass er die Wörter schon halb buchstabierte. Marek gab es nicht gerne zu, aber obwohl sein Vater Franzose war, konnte er so gut wie kein Französisch und das war für ihn blamabel genug. In seiner Verzweiflung drehte er sich einmal um sich selbst und ging dann nochmal auf die Veranda. Wenn man vom Teufel spricht! Da kam er auch schon! Mit zwei klobigen Holzeimern in der Linken und Rechten lief er über den Schotter des Vorhofes auf Marek zu. Gestresst strich er sich mit beiden Händen durchs Haar und ließ sie dann im Nacken ruhen, blickte zu Boden um zu überlegen was er als Erstes sagen könnte, ohne gleich unhöflich zu wirken. ">Bonjour<?.....oder doch lieber >Salut<?" Plötzlich schob sich eine gebräunte Hand in sein Blickfeld. "....Excuse-moi de te déranger....", sagte eine rauchige Jungenstimme. Marek schreckte zurück, sah auf und ließ die Arme hastig heruntersinken, nahm zögernd Francois bereits ausgestreckte Hand und schüttelte sie dann aber um so energischer. Marek brachte nichts außer einem haspligen >Salut< heraus. Daraufhin lächelte der schwarzhaarige Altersgenosse matt. "Euh..." Francois Blick wanderte unerwartet, langsam zu Marek's entblößten, schweißnassen Oberkörper herab. "Il fait chaud aujourd' huit, hein?", lächelte ihn dann wieder schief an. Den ersten Satz denn Marek verstanden hatte. Innerlich schlug er vor Freude Purzelbäume. Dabei dachte er sich: "Klar ist es heiß heute, ist dir etwa kalt?" Marek nickte zustimmend aber belustigt und nuschelte: "....Scherzkeks!" während er sich auf den Weg durch die Küche und Wohnstube zum Hinterhof hinaus machte. Francois stutze aber folgte ihm dann mit schnellem Schritt. Durch die Balkonschiebetür auf den Hinterhof gelangt, ging Francois an den Rosenbeeten vorbei. Marek wartete hinter dem Haus auf ihn, bis er das Wasser geholt hatte. Mit ernstem Blick sah er ihm hinterher. Sein schwarzer Schopf verschwand aus Marek's Sichtweite hinter einer der letzten, rosa Rosenhecken. Marek wusste ,dass Francois es nicht einfach hatte. Der Junge mit der gesunden Hautbräune und den stechend grünen Augen, musste innerlich krank vor Erschöpfung sein. Die Familien Saré und Mourit waren zerstritten und eigentlich durfte Francois sich gar nicht bei Marek aufhalten, zumindest von seinem griesgrämigen Großvater aus nicht. Man mag es nicht glauben, aber dieser war, was das Herumkommandieren anging, noch einen Zahn schärfer als Marek's Mutter. Laut Onkel Louis sei Francois einfach zu gutmütig und willensschwach um zu wiedersprechen. So fügte er sich jedes mal dem Alten und stellte seine eigenen Wünsche hinten an und das schien er immer noch zu tun. Was mit seinen Eltern geschehen war und weshalb er nun allein mit seinem Großvater zusammen lebte wusste niemand so genau. Fakt war, dass man von hier aus am Besten an den Bach heran kam ohne groß durch die Botanik wandern zu müssen. Er ging vor den Rosen in die Hocke und musterte sie von Stängel bis Blüte, seufzte einmal zufrieden und sah dann nochmals auf, um nach Francois zu sehen. Dieser kam soeben den schmalen Sandweg neben dem Rosenbeeten schwerfällig hinauf getrottet. Die Eimer waren randvoll mit Wasser gefüllt, das durch den unruhigen Gang über den Rand schwappte. Marek kam ihm sofort entgegen und nahm ihm einen Eimer ab. Francois lächelte erleichtert und Marek sackte von dem Gewicht des Eimers zusammen, grinste aber aufgesetzt zurück. "Tu es fou!", stieß er beiläufig aus.

"Oui, isch weiss!", kam in gebrochenem Deutsch zurück. Marek hielt schlagartig inne und ließ sich zurückfallen, zog ungläubig beide Augenbrauen in die Höhe, schluckte und starrte Francois nach, der unbehelligt mit seinem Eimer weiterlief. In ein paar großen Schritten holte er in wieder ein. "Du .....", blickte ihn freudig erstaunt von der Seite an. "... du kannst deutsch sprechen?!" Francois quittiert das mit einem leicht verlegenen Lächeln. "Wiso weiss ich davon nicht's! Sommer für Sommer mache ich mir Gedanken wie ich mich mit dir unterhalten kann und du sagst mir das erst jetzt?! Formidable!" Francois kichert leise und
 

6.

als sie am Haus angekommen waren, hielt er Marek die Balkon Schiebetür auf und ging mit ihm ins Wohnzimmer. Er stellte den schweren Wassereimer neben die Couch und ließ sich

dann erleichtert seufzend in die Polster sinken. Marek gesellte sich dazu. "Wie schaffst du das jeden Tag die schweren Eimer zu dir nach Hause zu schleppen. Ich meine....." , kratzt sich am Kopf und dreht sich mit dem Oberkörper halb zu ihm. "...Du dürftest doch eigentlich keine Hände mehr haben. Ich wundere mich ,dass die noch nicht abgefallen sind." Francois nickte zustimmend und lächelte leidig. Seine Hände ruhten auf den Knien. Er drehte langsam die Handinnenflächen nach außen, die zerschunden und mit roten Blasen übersäht waren. "Oh-Mein-Gott!", kam es von Marek her, der sich verklemmt den Nacken rieb. Dann war es still. Eine geschockte Stille. Er betrachtete noch einen Moment Francois Hände, stand dann auf und ging in die Küche. "Warte. Ich komme gleich wieder.", meinte er ermahnend während er die Treppe hinaufstieg. Francois blinzelte gespannt hinterher. Mann hörte deutlich Marek's dumpfe Schritte auf dem Boden. Nach ein paar Minuten kam er mit Verbandszeug und einem circa zwei Meter langen Stock, mit der Stärke eines Armes zurück. Den Knüppel lehnte er gegen den Türrahmen zwischen Küche und Wohnzimmer. Er ging mit der Binde in der Hand zu Francois, kniete sich vor ihm hin und wickelte schon mal ein langes Stück aus der weißen Rolle. "Non!", drang es unerwartet von Francois her,der die Hände schützend in die Achseln vergrub. Marek sah verblüfft auf. Mit störrischem Blick fixierte Francois die halb ausgewickelte Binde in Marek's Händen. Marek starrte ihn nun mit strengem Blick an. "Was- >Non!<" Daraufhin schüttelte Francois den Kopf. "Ich will dir die Hände verbinden also her damit!", er wollte nach Francois Arm greifen, doch der zog ihn energisch von Marek weg: "Nür über meine Leische!", keifte er zurück. "Wenn das mein Opa sieht weis er wo isch war!" Marek schnaufte wutunterdrückend. "Das kann doch wohl nicht ......!", Marek schnappte nach Luft, stand auf und stemmte die Arme in die Seiten. "Hör auf dem Alten immer alles Recht zu machen! Du siehst doch was dabei raus kommt!" Er deutete auf Francois Hände. Francois schaute betreten zu Boden. "Mais...Il es mon grand-pére..." "Das kann gut sein, das er dein Großvater ist." Er seufzte und ging wieder in die Hocke um Francois in die Augen zu sehen. Er wurde wieder ruhiger. "Aber Gutes tut er dir damit nicht.....Hab ich Recht?" Francois fehlten die Worte und versuchte Marek's fordernden Augen aus dem Weg zu gehen in dem er mit dem Blick am Boden festhielt. "Na,.... was ist?", stocherte Marek behutsam nach. Letztendlich verdrehte Francois die Augen zur Decke empor und streckte Marek die Hände entgegen, um sie sich verbinden zu lassen. "Faire que tu veux!", grübelte er mit einer mitschwingenden Trotzigkeit.
 

Als Francois Hände ambulant versorgt waren, benutzte Marek den Stock um ihm das Tragen der klobigen Holzeimer zu erleichtern. Im Vorhof hängte er jeden Eimer an einen Ende des Stockes und die gesamte Chose hievte er dann auf Francois Schultern. "So.." Er putzte sich triumphierend die Hände an seiner Hose ab. "Na, das ist doch schon viel besser, oder?" Er entgegnete ein freundliches Nicken. Marek schlug ihm kumpelhaft auf den Rücken: "Na dann..... a bientôt!" "Salut, et Merci! " , meinte Francois und stapfte den Sandweg hinunter ins Tal. " Keine Ursache!" rief er ihm noch hinter her, als er um die nächste Biegung hinter den Bäumen verschwand. Marek war glücklich. Er schlenderte auf die weinverhangene Veranda und setzte sich in einen der Korbstühle um den Sonnenuntergang zu genießen. Entspannt ließ er sich von den letzten Sonnenstrahlen wärmen. Er hatte einen Freund gewonnen und gelernt,dass auch ein Franzose seinen Nationalstolz überwinden kann, um einfach und schlicht zu kommunizieren, auch wenn der Franzose selbst das für unmöglich hält. Dennoch musste Marek sich beipflichten, das deutsch sprechende Franzosen einfach
 

7.

putzig waren. ">Nür über meine Leische....<", zitierte er Francois belustigt. Er schlug mit der Handfläche gegen die Stirn und schrie ein lautes Lachen aus. "Was wird wohl werden wenn Francois sich an >Archäologe< ausprobiert?", spinnte er weiter. Allerdings wurde er in seinen Ausführungen über französische Sprachgewohnheiten unterbrochen, als sich mit lautem Knirschen und Ächzen der Renault Clio ankündigte, welcher gerade in den Vorhof einbog. Onkel Luis stieg als Erster aus und öffnete anschließend den Kofferraum. Seine Mutter gesellte sich ebenfalls zu ihm. Der Onkel fing an etliche Kleidungsstücke auf Sylvie's Armen zu stapeln, bis diese kaum noch den Weg vor ihren Füßen sehen konnte. An Marek vorbei, jonglierte sie die Wahre wortlos ins Haus. Quittierend schüttelte Marek seufzend den Kopf. Bei dieser Frau war Hopfen und Malz verloren. Plötzlich vernahm er Onkel Louis Stimme: "Eh Marek!", er kam geradewegs auf ihn zu, "Was hast du denn mit Francois angestellt?" Marek antwortete mit einer Frage: "Wart ihr schoppen?" er war stinksauer aber versuchte es sich nicht anmerken zu lassen. Onkel Louis stutze. "C'est grave?", wollte er unsicher wissen, wenn man Glück hatte konnte man sogar kleine Schweißperlen auf seiner Stirn erkennen. Mark wurde aufbrausend und konnte sich nicht mehr zurück halten: "Natürlich ist das schlimm!", fauchte ihn Marek an, darauf hin zuckte sein Onkel zusammen. "Hättet ihr nicht.....", in verzweifelter Rage stand er aus dem Korbstuhl auf . "........vernünftige Schuhe kaufen können? Das währe was gewesen, was sie gebraucht hätte!" Er ging hinein und traf seine Mutter in der Küche an, die gerade fröhlich, die Preisschilder von den frisch gekauften Kleidungsstücken entfernte. Sie schaute sich freudestrahlend nach ihrem Sohn um, der den Berg an Fummel, welcher quer über den Tisch verteilt war grimmig betrachtete. Ihre Mine verfinsterte sich als Marek's Finger verurteilend auf sie deutete. "Deine Koffer kannst du in Zukunft alleine schleppen! Dass das klar ist!" Mit schnellem Schritt und ohne seine Mutter weiterer Blicke zu würdigen, polterte er die Treppe hinauf. Im selben Moment kam auch Onkel Louis herein und schaute dem Jungen ratlos hinterher. "Ich wusste gar nicht das Marek so aus der Haut fahren kann." "Ja, er hatte schon immer ein sehr kräftiges Organ.", pflichtete Marek's Mutter bei, schien nicht weiter beeindruckt und friemelte weiter an den Etiketten herum. "Aber er hat Recht!", Onkel Louis lehnte sich nachdenklich gegen die Tischplatte. Sylvie wurde hellhörig. Die Etiketten glitten ihr aus den Fingern. "Wiso? Mit was denn?" Einen Herzschlag lang schauten sich beide stumm an. "Wir hätten dir lieber ein paar Sandalen kaufen sollen. Das wäre sinnvoller -" Sylvie sprang vom Stuhl auf und viel ihm mit lautstarker Hysterie ins Wort: "Fängt das jetzt schon wieder an!?" Mit beschwichtigender Gestik brachte er sie wieder dazu sich zu setzen und ruhiger zu werden. "Also Ich bin zufrieden so wie es ist!" "Ja, ja. Das mag ja sein." Louis ging langsam die Treppe hinauf. " Aber glaub mir, spätestens wenn du mit deinen Absatzschuhen zwischen den Steinen im Flussbett stecken bleibst, ist das Ganze nicht mehr so angenehm.", predigte Louis von oben herab. Sylvie ließ ein leises Grummeln vernehmen und schaute bockig auf die Kleider nieder. Inzwischen hämmerte Marek wie ein Irrer, wutentbrannt und ohne jegliche Anbindung an ein System auf dem Klavier herum. Den Desonanten der schiefen Töne, konnte man noch in der Küche lauschen. Sie sollten davor ausdrücklich warnen sein Zimmer zu betreten, oder auch nur anzuklopfen. Louis tat Beides. Marek ließ die Finger haltlos auf die Tasten fallen, setzte so der Höllensonate ein Ende und begrüßte ihn mit einem stranguliert ausgeschriehenden: "WAS!" Marek griff sich an den Hals. "Toll!", dachte er. Genau jetzt musste ihm der Stimmenbruch dem wirklich überzeugenden Wirken einen Strich durch die Rechnung machen. Ein aufbrausender Marek war nun mal wesentlich furchteinflößender als das Quietschen eines halb zerquetschten Würmchens. Er hüstelte, konnte den unerwünschten Wurm im Hals aber nicht wirklich vertreiben.

8.

Louis lächelte unmissverständlich auf und lehnte sich légére gegen den hölzernen Türrahmen. Marek traute sich nicht mehr zu sprechen. Er könnte das Quietschen seiner Stimme nicht ertragen. Es währe zu entwürdigend, als dass er sich jetzt darüber aufregen könnte, dass Louis entgegen seine akustischen Warnung, es dennoch wagte sein Zimmer zu betreten. Imaginär pinnte er seinen Onkel schon argwöhnisch mit Wurfmessern an der Tür fest. Würde er nun etwas falsches sagen , zweifellos würde ihn das Nächste dann direkt treffen. Nun aber sagte er etwas total Unverständliches und lächelte dabei gleichermaßen liebevoll wie auch zuvor: "Soll ich es dir beibringen?", Onkel Louis nickte zum Klavier hin.

Marek's fantasierte Messer prasselten von Onkel Louis Kragen und der Tür zu Boden. Auf soviel Herzlichkeit war er nicht vorbereitet. Zögerlich schüttelte er den Kopf. "Schade.", entgegnete Onkel Louis und Tat der Freundlichkeit keinen Abbruch. "Das hatte dein Vater auch gemeint. Letztendlich spielte er jeden Tag mit Begeisterung darauf." Louis musterte Marek kurz. Sein Lächeln wurde breiter. Sah ihm dann wieder in die Augen. "Sag mal,... ist das nicht kalt, so oben ohne?" Marek schaute an sich hinab. Innerlich schrie er auf, selbst als Francois zu Besuch war, musste er halb nackt herumgerannt sein. Sicherlich,...einer von Francois ersten Sätzen galt seinem entblößten Oberkörper. Aber war es ihm peinlich gewesen? Irgendwie nicht.
 

Das T-Shirt baumelte noch auf der Veranda über einen Balken der Pergola. Marek nahm es herunter und verbannte es in den Wäschekorb, der im Schlafzimmer hinter einem Vorhang stand. Das große Fenster lid ein hinaus auf die Rosenfelder zu schauen, die den gesamten Hinterhof ausfüllten. Mit den Blütenblättern seiner Rosen belieferte sein Onkel große Parfümhersteller und verdiente damit nicht schlecht. Einige Firmen prügelten sich sogar regelrecht darum. Die Sonne hatte sich bis über den Horizont gesenkt und beschien mit ihrem warmen Licht die vielen Rosen, machte sie noch roter und brachte sie fast zum brennen. Ein einziges Flammenmeer. Plötzlich drang es von der Küche her: "À la table !"

Es gab Abendbrot. Marek ließ die Rosen Rosen sein, lief schnell in die Küche und setzte sich an den Esstisch. Seine Mutter hatte sich dazu bequemt das Abendbrot zu kochen. Marek lehnte sich interessiert nach vorn und schaute hungrig in den Topf in der Tischmitte. Nudeln mit Meeresfrüchten dampften darin vor sich hin. Er blickte fragend zu seiner Mutter auf, die das Besteck verteilte: "Hast du Tintenfisch mit reingemacht?"

"Ja. Mehr als alles andere. Austern hatten sie auf dem Markt nicht im Angebot."

Marek schwieg enttäuscht. Gerade die Muscheln mochte er am liebsten. "Außerdem isst Onkel Louis den Tintenfisch doch so gerne." Ein beängstigen des Lächeln war auf die Lippen seiner Mutter gezaubert worden. So glücklich sah man sie selten. "Hab ich irgendwas verpasst?" Doch sie antwortete nicht und lächelte continuierlich, mit einer nie zuvor gesehenen Ausdauer weiter. Während des gesamten Essens ließ er seine Mutter nicht aus den Augen. Onkel Louis hielt bei Tisch einen Vortrag über die morgige Flusswanderung. Marek stocherte nur im Essen herum und fischte sich ab und zu eine Nudel vom Teller. Der Hunger musste sich gedulden. Hier lag etwas viel interessanteres vor. Onkel Louis verhielt sich ganz normal...loyal und freundlich wie immer in seiner grässlichgrünen Gartenschürtze. Bei seiner Mutter sah das schon etwas anders aus. Es war eine Art Anhimmeln was sie praktizierte. Die ganze Zeit lang schaute sie Louis an, lächelte verspielt wenn er zu ihr sah und stocherte genauso im Essen herum wie Marek selbst. Hier war etwas im Busch! Marek wusste nur noch nicht was.
 


 

9.

Tag 3

Das gelbe Morgenlicht fiel in goldenen Streifen auf den geblümten alten Teppich vor seinem Bett, das Klavier auf der anderen Zimmerseite, schien während der Nacht noch etwas staubiger als zuvor geworden zu sein und die orangenen Gardinen wurden durch eine leichte Windbrise aufgeweht. Onkel Louis war wohl schon in seinem Zimmer gewesen um das Fenster zu öffnen. Marek lachte leise. Das war seinem Onkel auch nicht zu verdenken bei dem Mief der immer im Zimmer hing. Marek sog die frische Luft tief durch die Nase ein. Nach dem Lichteinfall zu urteilen musste es schon gegen Mittag sein. Hatte man ihn etwa ausschlafen lassen? Er wollte gerade die Bettdecke zurück schlagen, als er feststellen musste, dass er keine mehr besaß. Folglich griff er ins Lehre. Zu faul um sich aufzurichten tastete er an sich hinab um sie vielleicht noch irgendwo weiter unten zu fassen zu kriegen. Aber da war sie auch nicht. Er drehte sich zur Seite, um neben dem Bett nachzusehen. Vielleicht hatte er sie mal wieder herunter geschmissen? Unwillkürlich musste er aber auch diesmal wieder feststellen, dass da auch keine Decke war. Ohne weiteres geriet ihm ins Gedächtnis, dass seine Decke - es war ja eh nur ein weißes Bettlaken - letztes Jahr um die gleiche Zeit in Fetzten gerissen wurde, um sie dann als Putzlappen zu missbrauchen. Das Auto hat gestreikt: Hieß die Begründung mit der sich Marek wohl oder übel abfinden musste. Nur damals - wie auch heute - schien netterweise keiner daran gedacht zu haben

-umsichtig wie sie doch alle waren - ihm eine Neue zu geben. Es gab nicht wenige solcher Momente, in denen er das Gefühl hatte seiner Mutter vollkommen egal zu sein. Und genau jetzt war es wieder so weit. Im Grunde konnte er jeden Tag mit erleben wie sie versuchte alles und jedem eine perfekte Familie vorzuspielen. Doch die Mutterliebe, die sie ihm entgegenbrachte war getürkt, schlicht und einfach unecht und erfüllte Marek mit Wut und Trauer zugleich. Und das bewies sie jeden Tag mit der gleichen skrupellosen Rücksichtslosigkeit. Stumm lag er auf seinem Bett und schaute zur Decke auf. Er hatte schon vor langer Zeit aufgehört sich die Frage zu stellen was genau er falsch gemacht haben könnte. Eine Antwort darauf fand er nie und so nahm er diesen Zustand einfach als unveränderlich hin. Aber dennoch verletzte es ihn jedes Mal, wenn sie mit den Türen schmiss, ganz unversehens vergaß ihm das Schulbrot zu schmieren, wenn er etwas zu sagen hatte nicht zu hörte, sich nicht nach seinem Wohlergehen erkundigte oder simple Dinge, wie das Guten Morgen sagen nicht zustande brachte. Marek schluckte den aufkommenden Klos im Hals mit viel Mühe hinunter. Seine Hände hatten sich ins Bettlaken gekrallt. Plötzlich vernahm er durch das Fenster eine wütende fast brüllende Männerstimme. Marek stand auf und ging zum Fenster um nachzusehen. Direkt unter ihm auf der Wiese mit gespannten Wäscheleinen hingen die weißen Lacken zum trocknen und das, was er heute morgen vermisst hatte hielt sein Onkel in den Händen. Er schien sich mit seiner Mutter zu streiten, die abwehrend die Arme vor sich verschränkt hatte und im Ausfallschritt vor Louis stand. Deutlich konnte er verstehen was sie redeten. „Ich bin nicht blind Sylvie! Du und Laurent, ihr habt mir damals etwas versprochen und es ist traurig erst jetzt zu sehen, dass zumindest du deine Versprechen nicht einhältst.“ Seine Mutter zeigte Einsicht und löste ihre Haltung. Sie klang piepsig und unsicher aber dennoch mit standhafter Sturheit als sie leise entgegnete: „Ich kann ihn nicht lieben ... und das weißt du auch.“ Mark erschrak und wich automatisch einen Schritt vom Fenster zurück. Das war doch genau des gleiche Thema was ihn gerade beschäftigt hatte! „Ach so? Weiß ich das, oui?!“, schimpfte Louis auf sie ein. „Wiso hast du es dann nicht gesagt, als ich euch damals den Kleinen vertraulich in die Arme gedrückt habe!?“ Daraufhin schwieg Sylvie und suchte auf dem Boden nach einer Antwort. „Las es Sylvie.“, er drückte ihr fordernd die Decke in die Arme, „Nimm und decke Marek wieder zu!“ Sie zögerte, nahm sie dann aber bereitwillig entgegen und wendete sich wortlos
 

10.

von Louis ab, um Marek's Decke wieder zurück zu bringen. „Ich hoffe für dich, dass er noch schläft!“, rief er ihr hinzufügend hinterher, als sie um die Hausecke verschwand. Im nächsten Moment vertiefte er sich ins Selbstgespräch und lehnte aus schierer Verzweiflung mit der Stirn gegen die steinerne Hauswand. Murmelte mit zitternder Stimme ein und den selben Satz immer und immer wieder vor sich her. „Was hast du nur getan. Was hast du nur getan.“, steigerte sich weiter hinein, „Was hast du nur getan!?“, bis man deutlich hörte, dass der sonst so lebensfrohe Mann den Tränen nahe war. Marek hatte sich den Ganzen Rest des Gespräches nicht von der Stelle gerührt. Er war förmlich zu Eis gefroren. „Der Kleine ....“, dachte er laut. Ihn ließ die Vermutung nicht los, dass es in der Auseinandersetzung vor dem Haus um ihn, um ganz genau ihn ging und um niemanden anderes. Ihm schoss so Vieles auf einmal durch den Kopf, doch auch schlagartig seine Mutter, die nun auf dem Weg zu ihm war. Er löste sich aus seiner Starre und rannte hibbelig durchs Zimmer. Wo sollte er sich verstecken? So tun als ob er schlafen würde war in seiner innerlichen Aufregung genau das Falsche, irgendwas an ihm würde sicher anfangen sich im falschen Moment zu bewegen. Nein, still da liegen war jetzt unmöglich. So zog er den Bettkasten auf . „Zu klein!“, stellte er fest, ging ein paar Schritte zurück und schaute auf den Teppich unter sich. „Sag mal, bist du jetzt ganz beschugge!?“, verwarf er den Gedanken sich unter dem Teppich zu verkrümeln. Zur Besinnung rufend schüttelte er den Kopf. Sein Blick huschte eilig durchs Zimmer. Weitere Möglichkeiten sich zu verstecken gab es nicht. Dumpf hörte man unten die Haustür plauzen. Das war seine Mutter! Wenn er sich hier nicht verstecken konnte dann in einem anderen Zimmer. Er stürmte durch den Raum zur Tür, riss diese auf, schloss sie dann leise hinter sich. Im Flur war er mit einem Satz vor der gegenüberliegenden Badezimmertür, die er abermals aufriss und wieder leise hinter sich zuzog und abschloss. Er eilte zur Dusche und ließ das Wasser zur Wirklichkeitsverzerrung in die Badewanne laufen. Das letzte was er jetzt wollte war mit seiner Mutter über den Vorfall zu reden. Marek hatte Angst vor der Wahrheit die unumgänglich schien. Irgendwann würde er sicher mit ihr konfrontiert werden, aber jetzt nicht! Nun musste er erst einmal seine Gedanken und Eindrücke ordnen. Mit angewinkelten Beinen kauerte er vor der Badewanne und beobachtete das Geschehen im Flur vor sich, durch den kleinen Spalt unter der Tür. Abgeschwächt hörte er die heraufkommenden Schritte seiner Mutter auf der Flurtreppe , die an Lautstärke gewannen je näher sie dem Badezimmer und Marek kam. Sein Herz schlug schneller als ein Teil der pinken Absatzschuhe erschienen. Sie blieb stehen. Weiterhin fröhlich prasselte das Wasser vom Duschkopf an der Wand in die Wanne hinter ihm. „Marek?“,die eindringliche Stimme seiner Mutter ließ sein Herz einmalig und hart bis zum Hals hinauf schlagen. Des Stimmenbruches wegen krächzte er unkontrolliert: „ .... Ja?“, „Wie lange bist du schon wach?“ „Gerade eben erst aufgestanden.“, antwortete er lakonisch ohne zu zögern. Einen Moment lang herrschte Stille. „Hast du ... meine Decke?“,führte er neutral weiter aus obwohl er wusste, dass es so war. Der Small talk durch die Tür verebbte wieder, sicherlich atmete seine Mutter jetzt befreit auf. Dann antwortete sie:„Ja. Ich lege sie dir zurück.“ „Ist gut.“ Die Täuschung schien gelungen. Sie Tippelte mit kleinen zierlichen Schritten in Mareks Zimmer und wenig später am Bad vorbei, die Treppe hinunter. In keinem Fall wurden seine Vermutungen bestätigt, denn er fand seine Decke ordentlich auf seinem Bett vor und selbst das Kopfkissen war aufgeschüttelt. Die Moralpredigt seines Onkels hatte also gesessen und somit seine positive Wirkung nicht verfehlt. Aber war er nun sein Onkel und sein vermeintlicher Vater nicht der, für den er ihn von klein auf an gehalten hatte? Wurde ihm sein ganzes Leben lag etwas vorgespielt? Ein Maskenball der es in sich hatte. Und vor allem was bedeutete der Satz: „....als ich euch damals den Kleinen vertraulich in die Arme
 

gedrückt habe.“, den sein Onkel seiner Mutter förmlich entgegen gebrüllt hatte. Er musste sich auf sein Bett setzten, um besser seine verworrenen Gedanken erfassen zu können und letztendlich die vielen Fragen zu beantworten, die in seinem Kopf seit diesem Morgen herumschwirrten. Er vergrub sein Gesicht dann aber doch im Kopfkissen so, dass er nur mit dem Oberkörper im Bett lag. Er verharrte eine ganze Weile. Plötzlich spürte er eine große warme Hand auf seinem Knie. Marek wusste schon wer es war, ohne die Person neben sich auch nur anzusehen, folglich blieb sein Gesicht weiterhin im Kissen versteckt. „Jetzt hab ich dir die Sommerferien versaut, hm?“, sprach eine sanfte raue Stimme. Mit einem Auge schielte Marek nach der Person neben sich. Wie vermutet war es sein Onkel oder wie er ihn auch immer bezeichnen sollte. Dieser lächelte ihn traurig an. „Ich hab dich am Fenster gesehen.“ „Na und?“, nuschelte er trotzig ins Kissen. „Du willst doch sicher wissen was los ist.“ Als stummes Zeichen des Interesses setzte sich Marek zögerlich wieder aufrecht und schaute auf das Klavier ihm gegenüber. „Ich....ich kann mir vorstellen, dass dich deine Mutter nicht so behandelt wie du es eigentlich verdient hättest. Tragischerweise habe ich das erst heute miterleben können. Es war mit deinem Vater und deiner Mutter so abgesprochen, dass wir kein Wort darüber verlieren aber nun ist er unvermeidbar.“ Er seufzte tief „Ich war damals noch jung..., - fünfzehn um genau zu sein- da klopfte es an einem regnerischem Abend an der Tür und Lestine stand vor mir mit einem Neugeborenen im Arm. Sie hatte es im Wald zur Welt gebracht in der Angst ihre Eltern könnten davon erfahren. Ich wusste das es mein Kind war. Ihr stand die Ratlosigkeit genauso ins Gesicht geschrieben wie mir damals, also bat ich meinen großen Bruder das Kind aufzunehmen und wie sein eigenes zu behandeln. Er zog mit seiner deutschen Frau nach Deutschland und erst zehn Jahre später hatte ich das Previleg meinen Sohn ein mal in jedem Jahr, für zwei Wochen, wieder zu sehen.“ Dann herrschte schmerzhaft lange Stillschweigen. Marek starrte weiterhin auf das Klavier mit dem gravierenden Unterschied, dass er mächtig damit zu kämpfen hatte die Tränen zurück zuhalten. Heiser drang er aus ihm hervor: „Du hast mich wie einen räudigen Köter abgeschoben, verlange also nicht das ich dich dafür >Vater< nenne.“ Onkel Louis war geschockt und verärgert. Das hatte ihn hart ins Herz getroffen, man merkte es schon daran dass er anfing schneller und mit Akzent zu reden, so auch deshalb manchmal einen Rückfall in seine Muttersprache erlitt. „Non, c'est ne pas ca!“, schnell korrigierte sich Louis wieder. „Dein Vater bleibt auch dein Vater und deine Mutter deine Mutter, isch will nur sagen, dass Lestine und isch die biologische Variante von beidem sind. Isch habe disch nischt abgeschoben Marek! Eine ganze Woche habe isch mit mir gerungen und überlegt ehe isch disch mit gutem Gewissen meinem Bruder anvertraut habe.“ Marek spürte wie er sich um seine Aufmerksamkeit bemühte und wie nahe ihm das gegangen war. Dennoch würdigte er ihn während des ganzen Gespräches keines Blickes. Er tat geradeso als ginge das alles restlos an ihm vorbei. „Schau misch an wenn isch mit dir rede!“, forderte Louis ihn auf, doch Marek kam dem nicht nach und schaute weiterhin auf das Klavier, wohl bedacht die angestauten Tränen zu verbergen. „Marek!!!“, schrie er, packte ihn an den Schultern und zerrte ihn lieblos zu sich herum. Marek war zu tiefst geschockt, er starrte seinen Onkel an, während ihm eine Träne entwich. Quälend langsam rann sie über seine Wange. „Oh non ... mon fils....“, hauchte Onkel Louis. Die Träne blieb leider nicht unentdeckt. Es tat Louis unwahrscheinlich weh seinen Jungen leiden zu sehen. Auch wenn es nur eine Träne war, innerlich folgten noch viele. Sein Onkel nahm ihn tröstend fest in die Arme. Lange saßen sie so regungslos da. Was drei Minuten waren kam Marek wie eine Ewigkeit vor. Dan setzte sein Onkel leise zu sprechen an. „Wir schaffen das schon irgendwie deine Mutter so hinzubiegen, wie wir das gerne hätten.“ Sein
 

aufmunternder Tonfall erleichterte Marek. Er löste sich von seinem Onkel. „Das wird zwar nicht einfach aber wir schaffen das.“ Louis lächelte seinen Sohn mit feuchten Augen freundlich an. Marek erwiderte es. „Wir wollten uns eigentlich gleich nach dem Francois sein Wasser geholt hat auf zur Flusswanderung machen, aber wenn du nicht willst verstehe ich das vollkommen. Dann verschieben wir sie auf morgen. Das sonnige Wetter dauert noch zwei Tage an, dann soll es regnen also haben wir noch Zeit.“

„Kommt Francois mit?“

„Nein nein, das würde der alte Saré sicher spitzkriegen.“,er schaute auf seine Uhr und runzelte überrascht die Stirn, „Übrigens kommt Francois gleich also zieh dir endlich was an.“

„Geht klar!“ Nur in Unterhosen, wie er jetzt war wollte er ihm dann doch nicht unter die Augen treten. Eine Spur zu gewagt, wie er fand. Louis war noch nicht mal ganz aus dem Zimmer da schlüpfte Marek schon in seine rote Dreiviertelhose und schmiss gleichzeitig sein schwarzes, ärmelloses Noir Desir -Shirt über die Schultern. Daraufhin grinste sein Onkel, blieb kurz vor der Tür stehen und meinte über die Schulter hinweg. „Keine Panik auf der Titanic! Wasser ist für alle da!“ Marek hielt inne. „Haaaa haaaa!“, lachte er aufgesetzt zu ihm hinüber, im nachhinein zog er sein Shirt aber wesentlich langsamer über den Kopf. Sein Onkel verließ indessen laut lachend den Raum.

Francois war dabei die Eimer im Bach zu füllen, während Marek in seine Sandaletten vor der Haustür schlüpfte. Sein Onkel tat es ihm gleich. Die Sonne hatte ihren Höchststand erreicht und brannte erbarmungslos auf die ausgedorrten Hügelwiesen des Tals nieder. Selbst die Pferde auf der Koppel legten sich in den Schatten der Bäume. Zeit also für eine Flusswanderung, um die erhitzten Gemüter abzukühlen. Auf der Veranda warteten sie auf Mareks Mutter und Francois. „Wo bleibt Mama denn? Ich will nicht als vertrocknete Rosine enden.“

„Wenn ich das wüsste ,Marek....“, Louis seufzte tief. „Weißt du, ich hab sie mit einer Kerze vor zehn Minuten in den Keller geschickt. Ich bin noch nicht dazu gekommen da unten eine Lampe zu installieren. Hoffen wir also, dass sie auf ihrer Suche nach Schuhwerk heil wieder hinauf kommt.“

„Meinetwegen kann sie da unten verrecken!“

„Eh.“, Louis knuffte ihn in die Seite, „So was sagt man nicht.“, bat er ihn lachend um Anstand.

„Ich kann sowieso immer noch nicht verstehen wieso ihr in Die keine Sandaletten gekauft habt. Das will mir einfach nicht klar werden.“ Im selben Moment kam seine Mutter gefolgt von Francois durch die Küche und zeigte triumphierend zwei Sandalen vor.

Mit reger Begeisterung applaudierte Marek. „Bravo! Dass ich das noch erleben darf...!“

Seine Mutter stemmte erbost die Arme in die Seiten. Francois hinter ihr lachte unter der geschulterten Eimerkonstruktion, entworfen von Marek auf. „Avez - vous des problémes?!“ da das Wasser fast über den Rand der Eimer schwappte fasste er sich schnell wieder. Marek sah an seine Mutter vorbei um eine Blick auf Francois zu erhaschen. „Hey, Hat dein Opa gestern was zu dem Verband gesagt?“

Francois grinste: „Non, Isch -abe mir -andschuhe angezogen.“ Marek verzog fragend das Gesicht, überlegte einen Moment und wandte sich dann hilfesuchend an seinen Onkel: „Handschuhe im Sommer?....Muss ich das verstehen? Wird sein Opa da nicht stutzig , wenn sein Enkel in der heißesten Zeit des Jahres mit Handschuhen durch die Gegend rennt?“ Der grübelte selbst erst einmal, schüttelte daraufhin nur den Kopf und machte dazu eine verwerfliche Handbewegung. „Verstehe ich nicht -“, mit einem perplexem Lächeln auf den
 

13.

Lippen bemerke er wieder zu Francois an seiner Mutter vorbei: „Komische Familienverhältnisse hast du.“ Francois quittierte es mit einem Grinsen bis zu beiden Ohren: „Oui, je sais!“ Entsetzt drehte sich Marek wieder zu seinem Onkel: „Und das, gibt der auch noch zu!?“, bemerkte er mehr als verwirrt. Sylvie schnaufte genervt dazwischen: „He, quatscht euch hier nicht fest.“,sie deutete mit einer Hand auf die Sandaletten in ihrer anderen, „Ich habe endlich meine Schuhe und würde die jetzt auch gerne benutzen, also können wir endlich diese blöde Flusswanderung machen?“ „Nö“, so Marek kurz und bündig. Sein Onkel ergänzte: „Wir bleiben hier.“, entschloss er sich ernst. Die Sandaletten fielen zu Boden. „WAAAAS???“, kreischte Sylvie fassungslos. Dies war der Auslöser für ein hallendes Gelächter der Männer. Marek hielt sich den Bauch und kugelte sich schon fast auf dem Boden, während Francois nicht wirklich wusste worum es ging und nur aus Solidarität verhalten mitlachte. Der Versuch Sylvie zu schocken war gelungen. Zur Flusswanderung gingen sie natürlich trotzdem. Bevor sie sich an der Straße trennen würden kam Marek eine sensationelle Idee, ohne zu zögern zog er den über Mareks Spontanität verblüfften Francois diskret bei Seite. Francois blinzelte ihm verwirrt mit seinen blattgrünen Augen entgegen. Vertraulich neigte sich Marek zu ihm hinüber, daraufhin kam Francois ihm zaghaft mit seinem Ohr entgegen. Mit abschirmender Hand flüsterte Marek: „Sag mal: >Archäologe<, Francois.“ Wieder blinzelte Francois und formte mit seinen Lippen ein lautloses: „Quoi ?“

„Na: Ar-chä-o-lo-ge.“, fügte er leicht drängelnd hinzu. Die Falte zwischen Francois Augenbrauen vertiefte sich mit seiner fragenden Mimik, währenddessen neigte sich Louis zu Sylvie und beobachtete Marek und Francois in den Augenwinkeln. „Ob die Beiden was im Schilde führen? Was meinst du?“ Doch Sylvie drehte sich von ihm weg und präsentierte ihm ihren hübschen Rücken. „Mit mir brauchst du nicht reden.“ Louis stutzte und schüttelte den Kopf: „Tse Tse Tse-“ Francois trat ein paar Schritte von ihm weg. „Sage erst Warum!“ Sein Blick war voller Skepsis, da Marek sich sein hinterhältiges Grinsen nicht verkneifen konnte. Feige senkte er sein Gesicht und scharte im Sand. Nuschelte kaum verständlich: „Sag mal bitte, Francois.“ Ein langes Schweigen kam von Francois. Als Marek wieder auf sah stellte er fest, dass Francois die ganze Zeit des Schweigens sanft auf ihn nieder gelächelt haben musste. „Was grinst du so?“, erkundigte sich Marek bockig. Der junge Franzose nickte gewisslich, „La discreption corespond tout à fait à toi !“, sah ihn noch einen Herzschlag lang an und wendete sich schließlich von ihm ab. Marek schluckte. Sein Atem stockte. Zu schnell. Das hatte er nicht verstanden. „Was, Wie? Welche Diskriminierung?“,meinte er mehr im rufen als sagen und hechtete ihm hinter her. „Wiederhole das bitte noch mal! Ich hab das nicht verstanden!“ Francois lachte kurz auf, lief jedoch unbehelligt weiter und ließ den um ihn herumwirbelnden Marek links liegen. Auf dem Sandweg trieb Francois, mit Wassereimern beladen einen kleinen Stein vor sich ins Dorf hinab und trennte sich so von Louis Marek und Sylvie. Die drei liefen genau in die entgegengesetzte Richtung. Ungefähr eine halbe Stunde, in der sich Mark fragte was Francois letzter Satz mit diesem undefinierbaren Lächeln bedeutete und sie dem Sandweg in der sengenden Mittagshitze die die Hügel am Horizont erzittern ließ folgten. Bis sie das Provisorium einer Straße verließen und eine steile Böschung zum Flusslauf hinab stiegen. Während sich Marek schon mit jugendlichem Leichtsinn um hervorstehende Wurzeln und Steine abwärts schlängelte, ließ Sylvie sich kurz vor der Böschung zurückfallen. Sie war damit beschäftigt ihr Schuhwerk zu wechseln. Louis wartet auf sie, packte ihre Absatzschuhe in seinen Rucksack, reichte ihr dann seine Hand und half ihr vom Sandweg hinab. Marek, schon weit den Beiden voraus, stakste mit hochgekrempelten Hosenbeinen im kniehohen eiskalten Flusswasser herum.
 

Hinter sich hörte er das Quietschen seiner Mutter, die im unwegsamen Gelänge nicht wirklich zurecht kam und sich wie ein kleines Kind an

Louis Arm klammerte. Dass die >Strapatzen< gegen ihre Gewohnheit waren, wurde unüberhörbar deutlich. Marek amüsierte schon beim alleinigen aufschnappen ihrer Dialoge. „Louis, welchen Stein soll ich jetzt nehmen?“

„Den da!“

„Meinst du? Der sieht so rutschig aus!“

„Mach einfach!“

„Oh, oh Louis ich rutscheeee!“

„Dann las mich los! Ich will nicht mit runterfallen!“

„Aaaaaaaah!“

Marek schaute sich nach den Schreihälsen um. „Uuuuuund Tschüss!“ Sein Onkel winkte Sylvie grinsend nach, die auf den Hintern geplumpst, ein paar Meter weiter hinab rodelte. „Ihr amüsiert euch ja prächtig!“, lachte Marek hinauf. „Aber immer doch!“, entgegnete sein Onkel reuelos. Es war eigenartig ... aber Sylvies permanentes Anhimmeln zu Louis, war ab diesem Moment Schnee von gestern. Sie wanderten mit dem Strom. Das großsteinige Flussbett ließ seine Mutter ausrutschen, öfters mal im tieferen Wasser verschwinden und durchgeweicht und nach Luft japsend wieder daraus auftauchen. Onkel und Neffe konnten sich bis Hüfthöhe recht gut über Wasser halten. Ihr Weg erschwerte sich wenn das Wasser zu tief wurde und sie auf kaum benutzte Wanderwege ausweichen mussten, dort zerkratzte ihnen der ein oder andere Strauch die Waden und auch das ging nicht geräuschlos an Mareks Mutter vorbei. Bis ihr Jammern zu einer regelrechten Dauerbeschallung ausartete, alle harmonisch zirpenden Grillen übertönte und in den Schatten stellte. Schon bevor sie die Böschung zum Flussbett hinunter gestiegen waren, war Mark klar, dass seine Mutter nur Ärger machen würde. Genervt legte er einen Zahn zu. Er war auf eine Lichtung gekommen, hatte an großem Abstand zu den Erwachsenen gewonnen, so dass er sie nicht mehr hörte aber als kleine Individuen noch im Wald hinter sich erspähen konnte. Er blieb stehen und beschaute die Gegend um sich herum. Das ausgedorrte, kniehohe Gras wog sich leicht im Wind, unmittelbar neben ihm schlängelte sich der klare Fluss mit beruhigendem Rauschen durch die Landschaft. Jetzt wo Marek nicht mehr im Schatten der Bäume lief, bereitete ihm sein schwarzes Noir Desir – Shirt ein kleines Problem. Es heizte sich unwahrscheinlich auf. Ombléze hatten sie schon längst hinter sich gelassen und in Voraussicht nicht als hechelndes Häufchen Elend dort hin zurückzukehren, zog er sich sein Shirt über den Kopf und klemmte es in seinen Gürtel. Louis und Silvie hatten ihn fast wieder eingeholt, da kam Marek ein Geistesblitz. Er hatte im Stillen Francois Worte Revue passieren lassen und schien sich zumindest an ein Wort genau zurück erinnern zu können. „Discreption!“, rief er und schnellte zu seinem Onkel herum. „Discreption,...Was heißt das?!“ Verdutzt konterte Louis nach kurzer Überlegung „W-Wie kommst du denn jetzt darauf?“ Marek hüpfte hibbelig vor Aufregung auf der Stelle. „Egal! Sag einfach oder ich sterbe!“, drängelte Marek. Louis hustete als er sich an seinem Lachen verschluckte: „Was?“,hob skeptisch eine Augenbraue. „Wegen einem Wort fällt man doch nicht tot um, Marek!“

„Ich schon!“

„Beschreibung, Marek. Discreption heißt Beschreibung.“ mischte sich Sylvie beiläufig, dezent ein, um ihren Sohn nicht weiter leiden zu lassen. So gemein wie sie Louis einschätzte, hätte er nach 10 Minuten noch nicht mit der Antwort herausgerückt. Marek nickte zufrieden, war aber irgendwie nicht schlauer als vorher. Sie gingen gemeinsam weiter. Dann hob Louis wieder zu sprechen an: „Seit wann interessierst du dich den für
 

Französisch, Marek? Das sind mir ja ganz neue Züge.“

Marek zögerte bevor er antwortete: „Na, Francois meinte- “

„Ach Francooooiiiis!“, fiel Louis Marek mit weit ausladender Erkenntnis ins Wort. „Natüüürlich, Da hätte ich auch selbst drauf kommen können.“, das klang so ziemlich

aufgesetzt und erntete damit Mareks missachtende Blicke. „Was sollte das denn jetzt bitte?!“

,stellte Marek seinen Onkel zur Rede, blieb stehen und stoppte die Wanderung. „Der Francois war kurz bevor du hier warst darauf erpicht ein Gespräch mit mir zu führen. Er war ,wie jeden Tag, gekommen um sich das Wasser vom Bach zu holen. Und wollte ganz unverhofft wissen, was du eigentlich für ein Mensch bist und wie ich dich denn so einschätze. Schließlich konntet ihr ja kein, für den anderen verständliches Wort miteinander wechseln.“ Onkel Louis holte Luft. Marek trieb im zum weiteren Ausführen an indem er mit der Hand in der Luft kreisrunde Vortsätze schlug. „Ja, ja! Und weiter?“ „Ich habe ihm berichtet das du ein ganz Netter bist!“ Über das breite Grinsen seines Onkels hinweg spürte er wie das Blut in seinen Arterien zu sieden begann. Sein Onkel setzte mit Begeisterung fort: „Dass du manchmal etwas launisch und schwierig, aber dennoch hilfsbereit und mein allerliebstes - “, er nahm seinen Kopf in beide Hände, verpasste ihm einen dicken Schmatzer auf die Stirn und setzte mit noch ekligerem Grinsen nach: „- Goldstück bist!“ Der brodelnde, rote Koktail schoss Marek mit atemberaubender Geschwindigkeit ins Gesicht. Um die Entblößung seines puderroten Antlitzes zu verbergen zog er schnell sein Shirt aus dem Gürtel und tat so, als würde er sich geschäftig den hartnäckigen Schweiß vom Gesicht wischen. Drehte sich weg, setzte die Wanderung fort und nahm erst die Oberbekleidung aus seinem Gesicht, als er sicher war, dass sämtliche Körpersäfte sich wieder in seine restlichen Gliedmaßen verflüchtigt hatten. Nun konnte er sich auch Francois Lächeln teilweise erklären, es musste durch aus liebevoll gemeint gewesen sein. Aber jetzt war es ihm mehr als peinlich, wenn sich sein Onkel tatsächlich in aller Ausführlichkeit zitiert haben sollte, dann war es... „Nicht auszuhalten!“, rief er aus als gute 20 Meter zwischen ihm Louis und Sylvie lagen. Er entfernte sich immer weiter von ihnen mit einem einzigen Gedanken: Unter welchem Hintergrund war Francois lächeln so elendig lang andauernd gewesen? Ein ganz Kurzes hätte es doch auch getan! Zügig überstieg er große von Moos bewachsene Steine. Er war vollkommen in sich versunken aber übersah keine Kleinigkeit vor ihm und stieg wieder hinein ins seichte Flusswasser um dort seinen Weg fortzusetzen. Sein Sichtfeld war auf einen Punkt vor seinen Füßen zusammengeschrumpft. Er konzentrierte sich auf jeden einzelnen Schritt den er tat und rang dennoch innerlich mit dem Rätzel um Francois Lächeln, das tiefgründiger als das Flussbett war, über dessen Steine er sich nur zaghaft wagte. Seine Aufmerksamkeit wurde von einem kleinen, zappelnden, rot-grünen Etwas erregt das zwischen seinen Beinen hindurch schwamm. Zügig setzte er ihm nach. Bei näherem betrachten entpuppte es sich als Grashüpfer der unfreiwillig von der Strömung erfasst hin und her geworfen wurde. Marek schöpfte das Insekt mit seinen zur Schale gekrümmten Händen aus dem Wasser und setzte es gutwillig auf einen Grashalm an Land. Doch zu früh freute er sich über seine gelungene Rettungsaktion. Der erste Sprung katapultierte das Tier an Marek vorbei wieder zurück ins kühle Nass. Entschlossen setzte Marek dem Grashüpfer nach, der weiter den Fluss hinab trieb. Kaum eingeholt startete er einen weiteren Versuch und setzte das Insekt ein Paar Meter vom Fluss weg auf einen Ast. Sicher dass der Grashüpfer nicht mehr zurück ins Wasser gelangen würde, wendete er sich ab und spazierte wieder zurück. Doch kaum stand er wieder im Fluss, gesellte sich das kleine Tier abermals zu ihm, um weiter strampelnd um die nächste Flussbiegung zu dümpeln und hinter Sträuchern und Steinen zu verschwinden. Bis zu letzt sah Marek dem Tierchen verständnislos kopfschüttelnd nach. „Egal ob Tier oder Mensch, ihr Franzosen seit
 

doch alle gleich. Handschuhe im Sommer, um die sich keiner wundert und selbstmordende Grashüpfer –Würde mich nicht wundern, wenn die Zugvögel hier im Winter nach Norden fliegen. Wie soll man das als Leihe verstehen.“ Lachend schaute er über seine Schulter um nach Louis und Sylvie zu sehen. Doch es verging ihm schnell die Freude als er nichts von ihnen sehen geschweige denn hören konnte. Alles um ihn herum verlor schlagartig an jeglicher Schönheit. Ein unwohles Gefühl suchte ihm in der Magengegend heim, vergleichbar mit einem Beutel Eiswürfel der langsam in ihm hinab rutschte. Schockgefrohren verharrte er. Das Wasser floss um seine Waden. Er war so sehr mit sich selbst und dem Grashüpfer beschäftigt gewesen, dass er gar nicht darauf geachtet hatte wie sehr er sich von Onkel und Mutter entfernt hatte. „Oh nein... Das ist nicht gut.“, unsicher schaute er sich um und musste erkennen das kein einziger Gebirgszug in der Ferne ihm bekannt vor kam. Kein Strauch, kein Baum, kein Felsen, Nichts von alle dem hatte er schon einmal gesehen. „Das ist ... ganz und gar nicht gut!“ Unsicher balancierte er nun gegen die Strömung über das steinige Flussbett. Das einzig Logische war -wenn er die ganze Zeit mit dem Strom gegangen war- nun dagegen zu laufen, um an den Anfangspunkt der Böschung und somit auch der Landstraße, zurückkehren zu können. Der Rest der Heimkehr würde sich von da an selbst erübrigen, war sich Marek sicher. Nun musste er nur noch soweit kommen. Doch auch dieser Anschwall von Sicherheit hielt nicht lange Bestand und wurde von der Strömung quasi mitgerissen, als sich eine Gablung vor ihm auftat. Von hier an zweigte ein kleinerer Wasserarm vom größeren Hauptstrom ab und führte in Süd-westliche Richtung, der Größere geradewegs gen Westen. „Oh wow.... Das wird ja immer besser!“, hielt Marek mit sarkastischem Anklang Selbstgespräch. Sein Blick schwenkte abschätzend zwischen den beiden Möglichkeiten, jene offen vor ihm lagen hin und her. Schließlich seufzte er. „Das hast du ja mal wieder toll hingekriegt. Alle Achtung....“,für diese Glanzleistung gratulierend tätschelte er sich die Schulter. Auch diese Wendung brachte Marek keinen Schimmer Hoffnung und immer noch keine Spur von Louis und Sylvie. Er entschloss sich also auszuruhen, legte sich rücklings auf einen flachen Stein direkt am Ufer, verschränkte die Arme unter dem Kopf und starrte in den tief blauen Himmel über ihm. Gleichzeitig lauschte er in die Umgebung. Vielleicht schreckte irgendwo Sylvies hysterisches Kreischen ein paar Vögel von den Bäumen auf. Nicht nur >vielleicht<,das war gut möglich, wenn nicht sogar sicher, also versucht er über das monotone Rauschen des Wassers hinweg zu hören. Die Zeit verstrich und die Geräuschkulisse von zirpenden Grillen und Wassergeplätscher, sowie das leichte Rascheln der Blätter in den Baumwipfeln, begann auf Marek eine einlullende Wirkung zu haben. Hinzu kam, dass die wohligwarmen Sonnenstrahlen seinen Gesicht streichelten, als sei es die Hand seines Vaters, der sich schon immer rührend um ihn sorgte und Marek als kleinen Jungen mit dieser Geste zu Bett brachte. Ein Zustand, den er viel zu selten erfahren hatte. Sein Vater arbeitete als Restaurateur und war dadurch nur sehr selten zu Hause. Er verlieh denkwürdigen Gemälden, Kirchen oder Schlössern ein frisches, wie auf hochglanzpoliertes Aussehen und immer wenn er nach monatelanger Abwesenheit wieder kam, hatten sie einen Familienausflug zu dieser Sehenswürdigkeit gemacht. Dann hatten die Augen seines Vaters vor Stolz gefunkelt, da er es erst wieder sehenswert gemacht hatte, zu etwas, was es einmal gewesen war und man in aller Pracht und Farbe präsentieren konnte. >Wiso kannst du das nicht einfach mit Mama machen?<, hatte er seinen Vater mit 8 Jahren einmal gefragt. Sie in etwas verwandeln, was sie einmal gewesen war. Auch sie musste doch irgendwo liebevoller gewesen sein. Sein Vater hatte diesen einen Gedankengang von seinem Sohn nicht verstanden und nur gelacht, so war Marek auch nicht

weiter erpicht darauf gewesen weiter zu erklären. Denn auch Laurent wurde von Sylvie die
 

glückliche kleine Familie vorgespielt. Was währe wohl passiert, wenn er seinem Vater über seine Geliebte reinen Wein eingeschenkt hätte? Um so mehr hatte Marek die Sommer hier in Ombléze genossen, eine Zeit des Friedens, in der er seinen Vater ganz für sich alleine hatte. Jedoch schlimm war es für ihn dieses Mal gesagt zu bekommen, dass Laurent durch notwendige Restaurierungsarbeiten an einem Gemälde nach Paris musste und somit Marek mit seiner Mutter, die Sommerferien über, vorlieb nehmen musste. Ein Klos machte sich in seinem Hals breit, schnürte ihm kontinuierlich und Stück für Stück die Kehle zu. Letztlich kapitulierte er vor dem innerlichen Aufbäumen einer wasserlosen Welle, die unhaltbar über ihm zusammen brach.

....

Tränen fielen auf den sonnengewärmten Stein auf dem er lag und verdunsteten genauso schnell wie sie geflossen und gefallen waren. Mit geschlossenen Augen ließ er seine Trauer langsam nach Außen treten. Sein Lippen zitterte obwohl er nicht fror. Sei Körper krampfte obwohl er keine Angst vor dem Fallen hatte. Weiter flossen die stummen Zeugen seiner über Jahre im Verborgenen gehaltenen Gefühle. Er war verloren, gegenüber dieser inneren Macht, die seinen Willen stark zu sein, für den Moment, unwiederbringlich unter sich begraben hatte. Marek weinte und es gab keinen Anlass es sich zu verkneifen. Niemand sah ihm in seiner Einsamkeit, in die er sich verkrochen hatte. Er hörte und fühlte nichts. Rauschen des Fluss, Flüstern der Winde in den Bäumen und die Lieder der Grillen waren verstummt, die flirrende Hitze in der Luft passé. Lehr und verbraucht schrie seine Seele um Hilfe, ohne Hoffnung je angehört zu werden!
 

Immer tiefer senkte sich die blutrote Sonne dem bergigen Horizont im Westen entgegen und immer unwahrscheinlicher wurde, dass man Marek jetzt noch suchen und finden würde. Es wurde zunehmend kühler. Er hatte sich den restlichen Tag nicht von der Stelle bewegt. Wie zuvor saß er auf der Steinplatte, umfasste seinen nackten Oberkörper und ließ die Beine ins Wasser baumeln. Nun gab es einen Grund mehr zu heulen. Sein Noir Desir-Shirt hatte sich in Luft aufgelöst, zumindest klemmte es nicht mehr in seinem Gürtel. Dazu kam, dass er schrecklichen Hunger hatte,sein Magen spielte praktisch Alleinunterhalter und grummelte ihm unentwegt die Ohren zu, dass Monsieur heute noch kein Mittagessen und Abendbrot hatte. Marek beobachtete den Himmel. Nicht mehr lange und er würde die Hände nicht mehr vor Augen sehen können, aber weiter zu laufen um eine Unterkunft zu suchen traute er sich nicht. Er konnte die Hoffnung nicht aufgeben, dass vielleicht doch noch jemand nach ihm suchte. Überzogen langsam, wurde die feuerrote Sonne von den, versetzt hinter Bäumen und ansteigenden Hügeln, schroffen Gebirgsrücken verschlungen. So sah man ihr sanftes Licht noch eine Weile aufflimmern , bis es von der dicht folgenden Dunkelheit eingeholt und verdrängt wurde. Die Farben der Landschaft verfielen zusehends in tristes Grau.

Etwas, was sich für Marek so gut wie jeden Tag abspielen könnte, währe er nicht in der deutschen Großstadt beheimatet. Wenn er dort aus dem Fenster sah, wurde ihm, nicht besonders eindrucksvoll, der Blick auf den Himmel von nackten und langweilig, kahlen Häuserfassaden verbaut. Jetzt, wo das Firmament schwarz war, spürte Marek, und sei es seine Einbildung, dass das ohnehin schon kalte Flusswasser die klirrenden Temperaturen aus Osten, wo die Nacht schon vor dieser waltete, mit sich schwemmte. Marek zog die Beine heraus und presste sie, wie den Rest von sich, an seinen Körper. Angst und Unbehagen bescherte ihm die Gewissheit, dass er diese Nacht mutterseelenallein im Freien verbringen musste. Und das ohne Abendbrot, vermochte sein Magen mit gurksendem

Geräusch zu erinnern. Der große, flache, aufgeheizte Stein, auf dem er saß, verlor an Wärme
 

und konnte Marek nicht mehr länger als Lager dienen. Er lief etwas herum aber ohne sich weit von der Flussgabelung zu entfernen. Eine dick mit Moos bewachsene Stelle unter einem knorrigen alten Baum, dessen Äste ab und zu mit Knarren und quietschend davor

warnten bald herunter brechen zu können, war vielleicht doch nicht ganz so geeignet aber das Weicheste was er fand. Er lehnte er sich erschöpft, mit dem Rücken an den vom Unwetter gepeitschten, schiefgewachsenen Stamm und ließ sich an ihm heruntergleiten, von Müdigkeit überwältigt schloss er langsam die Augen. Für den ersten Moment schien alles Ruhig. Der Wind hatte sich beruhigt, nur das fließende Wasser war zu hören. An der Schwelle zum Schlaf war auch selbst der Fluss und alles andere, was minimal störte nicht mehr vorhanden. Er hatte seine Ruhe gefunden. Ein Schrei! Unversehens stand Marek hellwach auf den Beinen und starrte zu tiefst geängstigt in die finstere Gegend. Was war das?! Es ging Marek durch Mark und Knochen. In der tükischen Dunkelheit sah er die grauen Bäume unverwandt den Flusslauf säumen und doch gar nichts. Alles andere dahinter war genau so düster wie der sternenklare Nachthimmel. Hektisch schaute er die Runde. Ein leises Rascheln im Gebüsch hinter ihm ließ ihn abermals aufschrecken, in den eiskalten Fluss rennen und herumfahren. Sein Herz raste genau wie sein Atem eher hyperventilierte. Es pumpte unentwegt Adrenalin durch seinen, für einen Jungen sehr zierlichen Körper. Gab es da nicht >die Bestie von Gèvaudan<, die die Menschen damals, Mitte des siebzehnten Jahrhunderts über 4 Jahre lang, in Angst und Schrecken versetzte und Menschen auf bestialische Art und Weise zu Grunde richtete? Das Vieh war zwar nur im Westen der Haute-Loire, im heutigen Lozère, zugange gewesen, aber wer sagte, dass es nicht auch ins Rôhne-Tal gelangen könnte, denn >die Bestie< hatte man nie gefunden und weit war es von dort bis hier her ebenfalls nicht. Von dem Baum vor ihm, an dem er kurz zuvor gesessen hatte, stolperte er ein paar Schritte rückwärts durch das Flussbett. Im letzte unsicheren Auftreten auf einen glitschigen Stein, verlor er das Gleichgewicht,fiel und spürte einen harten Aufprall, es folgte ein unwahrscheinlich schmerzhafter Stich, der seinen ganzen Körper wie ein Blitz durchfuhr und ihn mit allen Sinnen lähmte. Sein Sichtfeld zog sich drastisch zusammen und die Baumkronen über ihm verschwammen schwankend zu geisterhaften Silhouetten, ... lösten sich auf. Plötzlich schwebte der Junge fern ab von dem, was man Bewusstsein nennt ....



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2006-03-26T17:13:24+00:00 26.03.2006 19:13
okay~
es is on~
uns du Arsch sagst mir das nicht?? Ò.O~
tschuldigung für dieses harte Wort ^-^
nein, also harr ich darf erstes Kommi geben ^-^
ja~ ich kann nur eines sagen
ich empfehle dieses Dingsi hier wirklich sehr +nick nick+
und genau deswegen werd ich es in meine Favos aufnehmen XD~
Also ich denke das ich Fan bleiben werde zumal ich die kapis immer zuerst lesen darf~ >///<
harooo~
da darf man doch ruhig mal selbstfishig werden bei so einer tollen FF~
>.>~
yöhhhh~ ich weis ja dassu inzwischen schon viel weiter bist XDD~
aber ich hoffe natürlcih das ich bald ´n neuen Teil von dia krieg~
hast ja schon lang nix mehr geschickt +schmoll+
haroo~
hai tollich desu~
nja ich denke der Rest den ich hier jetzt noch zu stande bringe würde dich eh nur and die Decke befördern und damit du vor eigenlob nich stinken tust XDDDD~
werd ich jetzt lieber aufhören ^-^~
kay~ bye bye +schnuff~+


Zurück