Solar Eclipse von Lucille ================================================================================ Kapitel 1: Der Lord und der Händler ----------------------------------- A/N: Eine KaibaXYami/Atemu-AU. Sie war eigentlich fürs Englische konzipiert, aber nachdem sie eine Übersetzung, in der dreitausend neue Wörter ihren Weg in sie fanden, hinter sich hatte, bin ich der Meinung, dass ich sie hier posten kann. Disclaimer: Ich schreibe Fanfiction, weil ich Freude daran habe. ^.~ Und weil wir alle Prideshipping vergöttern. Also gehört nichts mir. Die Ähnlichkeiten, die zu Fluch der Karibik vorliegen können, gehören auch nicht mir. Solar Eclipse Kapitel 1 Der Lord und der Händler Lord Kaiba hasste Bälle. Aber so sehr er Bälle hasste, umso mehr hasste er die Schaumkrone der hohen Gesellschaft, die sich auf ihnen tummelte. Er hasste die Räume, die trotz ihrer auffälligen Größe so klein wirkten, dass jeder einzelne in ihnen einer zu viel zu sein schien. Der weite Platz, der sich vor und um ihn erstreckte, war ihm dennoch nie genug und sobald einer sogar noch diesen privaten Bereich zu übertreten wagte, begann Lord Kaiba auch noch die Etikette zu hassen, die er wahren musste. Es erschien ihm so, als würde jeder einzelne Adelige versuchen ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Und auch wenn es ihm die Etikette verbot, so sah er in ihnen doch nur Fußküsser oder Witwen, die ihn becircen wollten. Warum sie das wollten, verstand er nicht. (Besser gesagt, er verstand es schon, aber er wollte nicht über solche Aussichten nachdenken.) Irgendjemand hing immer an seinem teuren Mantelsaum, oder versuchte seine Aufmerksamkeit, die er von Natur aus selten einer Sache schenkte, aus dem einfachen Grund, dass sie es meistens nicht wert war, zu erlangen. Mylord, ich würde Euch gerne fragen, wo Ihr diesen wundervollen Mantel gekauft habt? Oder war es eine Maßanfertigung? Er sieht mir aus, wie italienisches Meisterhandwerk. Mylord, ich möchte es mir nicht nehmen lassen, Euch zu Eurer erstaunlichen und beeindruckenden Festnahme dieses kriminellen Subjektes letzte Woche zu gratulieren! Mylord, mir wäre es eine Ehre, Euch herumführen zu dürfen. Mylord, würdet Ihr mir diesen Tanz gewähren? Mylord, Ihr müsst mir von Eurer Flotte berichten! Ich hörte, sie soll sehr beeindruckend sein. Mylord, könnten wir, würdet Ihr, darf ich, wäre es mir gestattet, könntet Ihr mir diese Frage beantworten? Es widerte ihn an und vielleicht gerade weil es so oft vorkam, begann er es zu verachten. Er war also niemals ein Freund von Bällen gewesen, um es milde auszudrücken, und warum er immer wieder dort erschien, erstaunte selbst ihn jedes Mal aufs Neue. Schließlich war der einflussreichste Mann des ganzen englischen Königreiches, seinen Adoptivvater, König Charles eingeschlossen, der mittlerweile alt, wenn auch nicht weniger gerissen als früher war. ,Um die Fassade zu erhalten', erklärte ihm sein kleiner Bruder immer wieder und das war es natürlich auch, was er tat. Er erhielt die Fassade des pflichtbewussten Thronerben, der, obwohl er unnahbar war, auch nach der Herrschaft seines Vaters die Macht und den Einfluss des Adels erhalten würde. Und auch diese Aufgabe verabscheute er. Aber er hatte schon lange eingesehen, dass er mehr erreichte, wenn er abwartete. Also erschien er zu jedem einzelnen, wichtigen Ballabend, wechselte die nötigsten Worte, die die Nerven der Freunde und Vertrauten seines Vaters beruhigten, aber starrte alle anderen Gäste nur finster an, hielt sich stark und diszipliniert. Meistens suchte er sich eine stille Ecke, in der er die endlosen Gesprächsversuche und Vorschläge der anderen Lords über sich ergehen lassen konnte. Genau so war es auch auf dem Ball zu König Charles' Ehren, zu dem er als Vertreter seines Vaters, der in London residierte, natürlich erscheinen musste, eine Aufgabe, die er schon des Öfteren übernehmen hatte müssen, seit er mit seinem Bruder über den Atlantik gefahren war und sich auf Jamaika, einer warmen Insel mitten in der Karibik, niedergelassen hatte. Als er den Raum betrat, erfüllte ein Gemurmel und Gerede die Luft, dass er sich anstrengen musste, vor Abneigung keine Mine zu verziehen. Die Frauen kicherten aufgeregt, ihre Augen leuchtend und ihre Fächer aufgeregt vor ihrem Mund, aufgeschlagen, damit er ja nicht mitbekam, was sie über ihn erzählten, und zwei oder drei süffisant lächelnde Lords, über die er genau wusste, dass sie von seinem Vater geschickt wurden ein wachsames Auge auf ihn zu haben, waren an seiner Seite in dem Moment als er die Türschwelle übertrat. Er machte ihnen harsch klar, dass er seine Ruhe haben wolle und verschwendete keine Zeit darauf, ihre Begrüßung zu beantworten. Er fühlte sich geblendet von der bunten Farbenpracht, die die Ballhalle erfüllte, ein einziges Lied von Pastellfarben, Kleider in allen möglichen Variationen, meistens weit ausladend mit weißen, gerüschten Unterröcken und Mäntel mit reich geschmücktem Saum, Ärmel und Kragen, teure Lederstiefel und scheinende Ringe, Ohrringe und Taschenuhren, die glitzernd an der Weste ihres Besitzers hingen, ein Zeuge der Macht und des Geldes. Alle Augen ruhten auf ihm, obwohl ihre Besitzer vorgaben in ein Gespräch mit ihrem Nachbarn, den sie trotz ihrer intensiven Diskussion noch nicht nach dem Namen gefragt hatten, verwickelt zu sein. Er ignorierte sie geflissentlich, seine Augen streng nach vorne gerichtet, eiskalt und unnahbar. Sein nachtblauer Mantel streichelte seine Waden, seine Gesichtszüge kühl und eben wie Stein. Einige Adelige, die in seinem Weg standen, machten schnell einen Schritt zur Seite, verbeugten sich eiligst und murmelten ein leises "Mylord". Er sah noch nicht einmal auf sie herab. Als er den Ballsaal durchquert hatte, begannen die Gespräche langsam wieder zu normaler Lautstärke anzuschwellen, Gesichter wendeten sich von ihm ab und die freudige Stimmung, die vor seinem Eintreten geherrscht hatte, fand ihren Weg langsam unter die Menschen zurück. Lord Kaiba hatte sich an eine Wand gelehnt, möglichst weit ab von der schwatzenden Menge, und versuchte die Menschen, die hoffnungsvoll, wenn auch nervös, auf ihn zukamen, mit einem kalten Blick dazu zu bringen, schwitzend und blass wieder auf ihre Plätze in der Menge zurück zu kehren. Es verging fast eine Stunde bevor der Tanz an sich begann und die Tanzfläche sich füllte. Lord Kaiba konzentrierte sich schon lange nicht mehr auf die Menge, sondern viel mehr dachte über wichtigere Dinge nach, ging Briefe durch, die er noch abzuschicken hatte, konzipierte seinen Arbeitsplan für den nächsten Tag und überprüfte im Kopf ob die neue Handelsroute wirklich die kürzeste und praktischste war, oder ob irgendwo eine Gefahr auf dem Wasserweg lauerte. "Mylord, dürfte ich-" "Nein." Der Händler, der sich ihm genähert hatte, öffnete kurz den Mund um etwas zu erwidern, erblasste aber, als der Kronprinz ihm einen stummen, kalten Blick zuwarf, verbeugte sich hastig und stammelte etwas unverständliches. Kaiba hob eine Augenbraue fragend und der Händler wurde nun puterrot und huschte mit geducktem Kopf davon. Eine helle, schrille Stimme zu seiner Rechten, die er zu gut kannte, fing seine Aufmerksamkeit und mit spiegelnden Augen drehte er den Kopf. "Dürfte ich fragen, was Ihr so amüsant findet, Lady Rebecca?" Die blonde Enkelin eines guten Freundes seinen Adoptivvaters kicherte, ihr pastellblaues Kleid schimmerte im Licht der vielen Kronleuchter im Ballsaal und sie fächerte sich Luft zu, während sie die Wimpern versuchend verführerisch aufschlug. Kaiba versuchte dem Drang die Augen zu rollen zu widerstehen. "Oh, überhaupt nichts, Mylord. Rein gar nichts. Ich wollte Euch zu Eurer Flottenerweiterung gratulieren." Bei dieser Anmerkung zuckte Lord Kaibas Mundwinkel leicht und er schaute abwertend auf die junge Frau herab. "Danke sehr, Lady Rebecca, es ist beruhigend zu wissen, dass meine politischen Erfolge schon der neueste Klatsch im Königreich sind." Rebeccas Augen wurden hart und kühl. Sie verabscheute es, so offensichtlich abgewiesen zu werden und schlug ihr blondes Haar mit der Hand über die Schulter. Sie antworte noch kühl: " Es war nett Euch mal wieder zu treffen, Mylord.", bevor sie sich umdrehte und auf die Tanzfläche stolzierte. Irgendwo in seinem Verstand registrierte Kaiba amüsiert, dass ihre Ohren ein flammendes Rot waren. Mittlerweile war der Tanz schneller geworden und auf der ganzen Tanzfläche drehten und schwangen Kleider, huschten Mäntel und glitzerten Ringe und Schmuck. Es war ein einziges gleichmäßiges Rechts, Ein, Zwei, Drei, Drehung, Eins, Zwei, Drei. Kaiba zog seine Augenbrauen angewidert zusammen. Er tanzte nicht, grundsätzlich. Aus Prinzip. Er wandte den Blick ab, der Zug um seinen Mundwinkel hart und seine Augen kühl. Die Musik klang in seinen Ohren hohl und falsch. Eins, zwei, drei, Drehung, eins, zwei, drei... Sein Blick blieb an der großen Fensterfront hängen. Finster bemerkte er, dass die Nacht mittlerweile schon über den Horizont geklettert war und dass die Stunde immer später wurde. Der Mond war dünn und schwach, nur eine abgemagerte Variante seines vollen Selbst. Die Vorhänge vor dem ausladenden Balkon direkt an der Bucht flatterten im Wind, die Türen halb geöffnet. Sein Interesse nur annähernd genährt, inspizierte er die Dunkelheit, die von dem Kronleuchterlicht des Saales gebrochen wurde, deutlicher. Ganz schwach konnte er die Konturen einer Person erkennen, nur ein Grauschimmer vor restlichem Schwarz. Desinteressiert dachte er: "Wenigstens eine Person ist bei genug geistiger Gesundheit, dieser Farce zu entkommen." Die Musik wurde wieder langsamer, ein neuer Tanz hatte begonnen. Viervierteltakt diesmal. Gelächter erfüllte die warme Luft des Ballsaales, das Gerede wurde lauter und intensiver. "Mylord, darf ich Euch zu diesen wunderbaren Strumpfhosen gratulieren?" Kaiba schnaubte und warf seinem Stiefcousin einen Seitenblick zu. "Dein Humor ist grausam, Jounouchi." Der Blonde grinste weit, die obersten zwei Knöpfe seines beigen Hemdes offen, das Haar zerzaust und Abdrücke von roséfarbenen Lippenstift an seinem Hals und Kragen. "Nun, zumindest stehe ich nicht hier alleine herum und schaue finster drein." Lord Kaiba runzelte die Stirn, seine saphirblauen Augen kühl. "Ich möchte nicht wissen, wo du dich rumgetrieben hast." Jou nickte bedeutungsvoll, seine gute Laune von der Ablehnung seines Stiefcousins nicht getrübt. "Oh nein, das willst du bestimmt nicht." Das war das letzte Wort, das über dieses Thema gewechselt wurde. Kaiba und Jounouchi waren nie gut miteinander ausgekommen, aber sie hatten ein stummes Einverständnis gewählt, die Waffen ruhen zu lassen. Lord Kaiba hatte nie den lockeren Lebensstil, den sein blonder Cousin gewählt hatte, gut geheißen. Aus seiner Sicht war Jounouchis Leben eine einzige Verschwendung, aber er wusste, dass er ihn nicht ändern konnte und wollte, er hatte bessere Dinge zu tun, als mit seinem unnützen Cousin zu streiten. Jou wiederum war der Auffassung, dass sein Stiefcousin, der Adoptivsohns des Bruders seiner Mutter, die Freuden des Lebens aus seinen Händen gleiten ließ. Vor Jahren hatten sie beschlossen, sich aus dem Weg zu gehen und nur die nötigsten Worte miteinander zu wechseln. Sich ab und zu zusammen sehen lassen. Lord Kaibas Stimmung sank langsam zu ihrem Tiefpunkt. Nicht, dass er es sich hätte anmerken lassen. Vermutlich hätte nur sein Bruder den harten Zug um seinen Mund und das bedrohliche Schimmern seiner Augen als Zeichen einer Gefühlsregung erkannt, alle anderen hätten sie seiner normalen, kühlen Attitüde zugeordnet. Er murmelte leise: "Ich hasse Bälle." Jou, der mittlerweile ein Getränk in der Hand hielt, das nach süßem Alkohol roch, grinste nur. "Das kann ich mir vorstellen; mit dieser Einstellung, die du da hast." Kaiba schnaubte nur abwertend, seine Arme vor der Brust verschränkt, seine Manschetten- und Mantelknöpfe im Kronleuchterlicht glitzernd. Er registrierte aus dem Augenwinkel, dass sein Cousin das Glas abstellte und eine brünette Lady zum Tanz aufforderte. Sie seufzte tief und legte ihre Hand auf den Arm des blonden Aristokraten. Zusammen stimmten sie in den Walzer ein und verschmolzen mit der sich drehenden Menge, die nur noch ein Wirbel aus Pastell war. Der Kronprinz beobachtete die Tanzfläche eine Weile, ein ewiges Eins, Zwei, Drei. Im Kopf zählte er die Schritte mit, spielte sogar gedanklich das Stück auf seinem Flügel in seinem Herrschaftshaus nach. Gedanklich machte er eben so wenig Fehler, wie er es in der Realität tat. Nach einer Weile wendete er den Blick wieder ab und ließ ihn durch den Raum schweifen. Wieder blieb er an der Fensterfront hängen. Der Mond stand mittlerweile so hoch, dass man ihn durch die Fenster nicht mehr erkennen konnte, dafür schienen die Sterne mit zunehmender Nachtschwärze heller und klarer. Und immer noch konnte er den gebrochenen Schatten einer Person erkennen. Die Musik setzte aus. Und setzte wieder ein, diesmal langsamer, tragender. Lord Kaiba entschloss sich, auch an die frische Luft zu gehen. Die stickige Luft des Ballsaals, vernebelt war mit den unterschiedlichsten Parfüms, begann sich in seine Kleidung zu fressen und wenn es etwas gab, was er mehr hasste als Bälle, dann war es Unhygiene, die von vielen Lords anscheinend mehr geschätzt wurde, als eine anständige Erscheinung. Er durchquerte in einem angemessenen Schritt die Distanz zwischen sich und dem Balkon, ein paar Ladies begannen zu tuscheln, als er an ihnen vorbei ging, aber er ignorierte sie, so wie er alle anderen ignorierte. Als er die schweren, blauen Vorhänge zu Seite strich und die Schwelle zu dem großen Balkon übertrat, streifte schon der warme Wind der Karibik sein Gesicht. Er konnte das leise Schlagen der Wellen gegen die Holzbefestigung hören, ein Plätschern, das die immer leiser werdende Musik in ebenso gleichmäßigen Takten unterbrach. Die Luft war frisch und leicht salzig, aber es war eine willkommene Abwechslung zu der reichen Luft des Ballsaales. Und nun da er sah, dass seine Augen ihm tatsächlich keinen Streich gespielt hatten, konnte er auch die Umrisse der Person, die die Hände auf das Balkongeländer gelegt hatte und auf das Meer schaute, das schwarz wie der Himmel über ihnen unter ihnen lag, besser erkennen. Es war definitiv ein Mann, auch wenn er nicht genau sagen konnte, ob er zum Adel gehörte. Seine Haltung war gerade und stolz, ein bisschen so wie seine eigene, aber er war wohl um einen Kopf kleiner als Kaiba selbst, der aber selbst für den englischen Adel beeindruckend groß war. Das Licht des Mondes und des Ballsaales tauchte ihn in ein schimmerndes weißes Licht, erhellte den olivgrünen Mantel mit den reichlich verzierten dunkelgrünen Stickereien und einen Hinterkopf, der von einem breiten ebenso grünem Hut mit einer ausladenden Krempe und einer hohen Pfauenfeder bedeckt wurde. Mit einem selbstgefälligen Lächeln auf den Lippen ging Lord Kaiba langsam auf das Geländer des Balkons zu, seine Stiefel glitten fast lautlos über den polierten Steinboden. "Einen schönen Abend wünsche ich Euch, Eure Hoheit. Was bringt Euch hier hinaus?", fragte ihn eine amüsierte, tiefe Stimme. Kaiba zog eine Augenbraue in die Höhe, hielt aber keine Sekunde in seinem Schritt. "Das könnte ich Euch auch fragen, Mister..." "Summer." "...Geehrter Mr. Summer." Der Mann lachte leise und seine Hände fuhren fast zärtlich über das Holz des Geländers unter seinen Fingern. Er sah zum Himmel und Kaiba konnte blonde Strähnen unter der Hutkrempe ausmachen. "Ich war frische Luft schnappen, da hat mich die Stille des Meeres in seinen Bann gezogen. Und was ist mit Euch, Lord Kaiba? Warum habt Ihr nichts zu tun? Ich dachte, einem Mann Eures Formats mangelte es nicht an Gesprächspartnern." Der Thronerbe schnaubte verächtlich und näherte sich dem Mann, bis er neben ihm am Geländer stand und auf das weite Meer heraus sah, das nur ein paar hundert Meter weiter von einer kleinen Bucht verengt wurde. Er antwortete ruhig: "Wer sagt Euch, dass ich diese Gesellschaft überhaupt suche, Mr. Summer?" Er sah abwartend auf den jungen Mann neben sich herab und eine Applikation am rechten Ärmel fiel ihm auf. Es war ein bestimmtes Wappen, das er nur zu gut kannte. "Ein Händler also", dachte er still und desinteressiert. Summer lachte tief und warm, unterbrach die Stille die sich gelegt hatte. Seine Hände lösten sich vom Geländer, er sah auf und seine Augen funkelten mit unverhohlenem Vergnügen. "Natürlich, Eure Hoheit, ich hatte nichts anderes erwartet." Lord Kaibas blaue Augen weiteten sich überrascht und er spürte seine Fingerspitzen zu kribbeln beginnen. Tiefe, karminrote Augen starrten aufmerksam in seine, hielten Vergnügen und Sanftheit in ihren Tiefen. Sie funkelten amüsiert und aus irgendeinem unbestimmten Grund dachte Lord Kaiba, dass er blass geworden sein musste. Er hatte das Gefühl, jemand hätte ihm ein kaltes Tuch an die Stirn gehalten. Obwohl er sich über seine Reaktion wunderte und sie ihn verstimmte, musste er zugeben, dass er solche Augen noch nicht gesehen hatte. Er hatte noch nie Augen der Farbe Blutes gesehen, diese Farbe war so seltsam und exotisch, dass er schon fast dachte seine eigenen würden ihm einen Streich spielen. Diese Augen waren warm und seltsamer Weise sanft, aber sie hielten eine Schärfe, die für einen niederen Mann einschüchternd gewesen wäre. Lord Kaiba war sofort fasziniert und hätte er weniger Macht über sich als er es tat, hätte er wohl offen gestarrt. Aber da er ein Meister der Selbstkontrolle war, fing er sich selbst und straffte die Schultern. Ein dünnes, aufforderndes Lächeln stahl sich auf seiner Lippen. Der Händler, der, obwohl Kaiba es schnell überspielte, das Flackern in den blauen Tiefen bemerkt hatte, hob interessiert die Augenbrauen, ein süffisantes Lächeln geisterte über seine Lippen. Ein Funkeln wuchs in seinen karminroten Augen und er legte den Kopf kurz auf die Seite, die blonden Strähnen fielen ihm in das blasse Gesicht. Dann schmunzelte er bedeutungsvoll, seine Augen verengten sich kurz und er lehnte sich vor. Er murmelte leise: "Ich habe genug von dieser Stille hier, Eure Hoheit. Ich denke, ich werde jetzt tanzen." Er lachte wieder leise, als Lord Kaiba eine Augenbraue in die Höhe zog und ihn nachdenklich musterte. Dann drehte er sich um, sein grüner Mantel wehte um seinen schlanken Körper, seine Hand streifte kurz die des Kronprinzen, und mit raschen Schritten verschwand er wieder hinter den schweren blauen Vorhängen. Die Musik verstärkte sich, dann wurde sie wieder leiser, ein schwerhörbares Hintergrundgeräusch, wie das Krähen von Vögeln durch ein offenes Fenster. Und stumm akzeptierte Lord Kaiba die Herausforderung. (Herausforderungen reizten ihn allgemein, aber diese besonders.) Ein selbstgefälliges Lächeln geisterte über seine Lippen, er straffte die Schultern und richtete seine Ärmel und Kragen. Dann folgte er dem Händler mit raschen, langen Schritten. Der Mond war nun auch hinter der Kuppel der Residenz verschwunden und die Nacht war schwarz. Als Lord Kaiba den Saal betrat, runzelte er erst einmal die Stirn, als ihm die stickige, schwere Luft entgegen schlug und die Lautstärke sich verzehnfachte. Er strich die Vorhänge hinweg. Zwei Lords, die an der Fensterfront gestanden hatten und sich unterhielten, machten schnell einen Schritt zur Seite, als er an ihnen vorbei schritt, bevor sie sich rasch verbeugten. Er nickte ihn kurz und abrupt zu, dann suchte er mit den Augen den Raum ab. Abwesend registrierte er, dass Jou immer noch mit der brünetten Lady tanzte, ein sattes Grinsen auf den Lippen. Dann blieb sein Blick an dem hängen, den er gesucht hatte. Summer stand an eine Wand gelehnt, sein grüner Federhut ins Gesicht gezogen und die Arme vor der Brust verschränkt. Sein rechtes Bein war angewinkelt und gegen die Wand gesetzt und irgendwie schien er fast zu ruhig in mitten der ganzen Personen, die zwischen ihnen vorbei huschten. Er stand einfach dort, ein abwartendes Lächeln auf den blassen Lippen, die Schulter gerade und die Augen unter dem Schatten der Hutkrempe geschlossen. Ein Lord sprach ihn an, aber er antwortete nicht, regte sich noch nicht einmal und bald verschwand der aufdringliche Mann wieder. Lord Kaiba spürte wie ein selbstgefälliges, scharfes Lächeln seine eigenen Lippen berührte als er langsam, die Augen auf das Ziel fixiert, die Menschenmasse durchquerte. Er hatte das Gefühl, dass das die Herausforderung, der Bruch mit dem Alltag, war, die er seit langem suchte. Und diesmal kümmerte es ihn nicht, ob sein Vater hiervon erfuhr. Sein Stiefvater war im Moment weit weg, tausende Meilen über dem Atlantik Richtung England. Und die Musik wurde nach einer kurzen Pause schneller. Der Kronprinz war sich bewusst, dass alle Blicke auf ihm ruhten, so wie sie es immer taten, wenn er seine gewohnte Position an der Wand verließ, und er musste mit einem gewissen Genuss feststellen, dass ihn ihre empörten Gesichter reizten. Er hielt vor Summer an, der olivgrüne Hut hob sich, karminrote Augen öffneten sich, schienen ihn herauszufordern und er nahm diese Herausforderung an. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, bot er dem Händler seine Hand an. Während er nur am Rande registrierte, dass alle Gespräche stoppten, bevor sie um so stärker wieder einsetzten, und anscheinend einer der Violinisten die Kontrolle über seinen Bogen verlor, so dass durch die gleichmäßige, rhythmische Musik ein harscher, schräger Ton schnitt, so bemerkte er umso deutlicher das Flackern in den tiefroten Augen Summers und das ehrliche Lächeln, das die feinen Züge aufhellte. Summer hob seine Hand und akzeptierte die Einladung, ein zufriedener und viel versprechender Ausdruck in seinen zu Schlitzen verengten Augen. Auch ihm schienen die vorwurfsvollen, ja sogar angewiderten Blicke egal zu sein, er schenkte den vielen Leuten um sie noch nicht mal einen Blick, als wäre ihm ihre Meinung egal, als ob sie ihn nicht interessierten. Und Lord Kaiba mochte das. Er führte sie zur Tanzfläche, seine Stiefel berührten den glatten Boden und er warf einen letzten Blick zu dem lächelnden Händler, der nur eine elegante Augenbraue in die Höhe zog, als wolle er fragen, worauf er noch warte. Der Kronprinz lächelte selbstgefällig und nahm die blasse Hand des Händlers in die seine, ordnungsgemäß, wie es die Etikette vorschrieb. Die Musik erschien ihm plötzlich wesentlich erträglicher als zuvor, das leise eins, zwei, drei nun ein stummes Mantra, das seine Füße zu leiten schien. Zufrieden bemerkte er, dass der Händler ihm wortlos folgte, die Schritte ebenso perfekt beherrschte wie er selber. Aus dem Augenwinkel bemerkte, dass sich aus der erstarrten Menge ein weiteres Paar löste, begann sich zu drehen und zu seinem Vergnügen erkannte er das blonde Haar seines Stiefcousins, der immer noch mit der brünetten Lady tanzte, die ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen trug. Der Zauber schien gebrochen und wenn auch zögerlich begann die Tanzfläche sich zu füllen, aber zu diesem Zeitpunkt hatte der englische Thronerbe schon alle Aufmerksamkeit auf seinen Tanzpartner gerichtet, der, den Blick leicht gesenkt, fast abwesend, sich perfekt an seine Geschwindigkeit anpasste, als wären sie eine Einheit. Lord Kaiba musterte Summer eindringlich und studierte die feinen Details des fast adligen Gesichts, die ihm vorher nicht aufgefallen waren. Der blasse Teint, der darauf hinwies, dass dieser Mann nicht oft draußen in der Sonne arbeitete, die gerade Nase und die eleganten, dunklen Augenbrauen. Aber trotz allem faszinierten ihn diese tiefen, mysteriösen, karminroten Augen am meisten, die nun halb gesenkt und nachdenklich schienen, als wäre ihr Besitzer ganz auf den Tanz fixiert und nahm selbst die Musik nicht mehr war, sondern bewegte sich einfach nach Lord Kaibas führender Hand. Die Audienz, die sich um ihren Prinzen bewegte, die Ballkleider raschelnd und die Mäntel in der Bewegung wehend, beobachtete diese perfekte Harmonie und Ausgeglichenheit zwischen Eleganz, Würde und Anziehung, die stumme Kommunikation dieser zwei Individuen. Und die Situation erschien ihnen so unwirklich, dass sie fast ihre Überraschung vergaßen. Nur zwei Lords an der Eingangstür beobachteten das ganze kritisch und unruhig, ihre Stimmen zu leisen Wispern gesunken. Der Kronprinz spürte seine Hand dort kribbeln, wo er die des Händlers hielt, ein Gefühl, das ihn überraschte und ein merkwürdiges Verlangen in ihm aufstiegen ließ. Er zog Summers schlanken Körper näher an den seinen, diese karminroten Augen sahen amüsiert unter der breiten Hutkrempe zu ihm auf, und er knurrte Besitz ergreifend. Summer lächelte neckisch zu ihm auf, das Funkeln in seinen Augen nun stärker als je zuvor, und mit einer raschen, grazilen Bewegung ließ er Lord Kaibas Hand los, riss sie aus ihrer Harmonie. Er lachte, seine Stimme heiter und heiser, bevor er einen letzten Blick in die Augen seines Tanzpartners warf und sich schnell umdrehte, die Feder seines Hutes das überraschte Gesicht des Prinzen streifend. Lord Kaiba, der sich nach diesem plötzlichen Verlust dieses gewissen Etwas schnell wieder fing, knurrte tief und warnend, seine Hand griff nach der fliehenden des Händlers und zog ihn wieder zu sich, drehte ihn ihm wieder zu. Als Summer sich dieses Mal umdrehte und zu ihm aufsah lag ein gefährliches Funkeln in seinen Augen, die Ehrlichkeit zu Berechnung verwandelt, und die weichen Lippen in ein amüsiertes, aber suggestives Lächeln geteilt. Zu Lord Kaibas heillosem Entsetzen spürte der Prinz etwas Kaltes gegen seine Brust gesetzt und, die normalerweise eiskalten und ruhigen blauen Augen leicht geweitet, sah er an sich hinab, nur um diese schlanken Hände, die er eben noch gehalten hatte, um eine wettergegerbte Pistole gelegt zu sehen. Er hatte das Gefühl, jemand hätte ihm einen Eimer eiskalten Wassers ins Gesicht gekippt, der ihn aus einem Rausch in die Realität zurückholte. Die Waffe klickte leise als der Händler sie lud. Der Thronerbe sah auf, seine Augen ungläubig und er selbst unnatürlich blass. Eine unnatürliche Kälte spülte durch seinen Körper als er das amüsierte Lächeln auf dem delikaten Gesicht seines Tanzpartners sah. Er versuchte sich zu fangen und seine Haltung zu bewahren. Er presste zwischen seinen Zähnen hervor: "Du bist kein Händler." Das Grinsen des jungen Mannes wurde weiter, zeigte ebene, weiße Zähne. "Nein." "Und dein Name ist nicht Summer." "Nein." Der Fremde presste die Waffe nahe an das Herzen des Prinzen. "Wir werden jetzt einen netten Spaziergang machen, Eure Hoheit. Genießt die Aussicht." Er nickte zu dem reich gedeckten Buffettisch, der sich unter der Last von Fleisch, Obst und Wein fast dehnte und Kaiba, angespannt und das Gesicht steinern, sein Blick starr nach vorne gerichtet, vorbei an all den tanzenden Paaren, die -und hier sah Lord Kaiba die pure Ironie- nichts bemerkten, obwohl sie doch sonst jeden seiner Schritte mit Habichtsaugen verfolgten, ging zwar mit zögernden (aber als bald überzeugte das kalte Metall an seiner Brust, schneller zu gehen), aber stolzen Schritten in die Richtung, in die der Fremde ihn leitete. Jeder seiner Schritte war ein Zeuge Stahles und Entschlossenheit. Er sah wieder aus dem Augenwinkel Jous blonde Haare und in dem Moment hätte er das zufriedene Grinsen mit Freuden von den Lippen seines Stiefcousins wischen können. Aber es war egal, es würde ihm noch früh genug vergehen. Er senkte seinen Blick kurz und musterte die Pistole, die der junge Mann, der ihn durch eine schlanke Hand auf seinem Rücken führte, in gegen seine Brust gedrückt hielt. Lord Kaiba bemerkte gleichgültig, dass es ein Sechsschüsser war und dass er, obwohl er nicht sehr alt sein dürfte, aussah, als wäre er es. Der Griff war wettergegerbt, der Lauf verschrammt und der Bolzen schwarz von Schwarzpulver. Lord Kaiba zog eine Augenbraue in die Höhe als er weiße Streifen quer über den Lauf und den Griff laufen sah und zu seiner Verstimmung bemerkte er, dass die schlanke Hand, die er eben noch gehalten hatte, ihre blasse Farbe verloren hatte und nun eine tiefe, bronzene Farbe enthüllte. Er fluchte unverständlich und seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Dieser Mann war gewiss weder Händler noch Aristokrat. Er sah grimmig auf in die karminroten Augen, die ihn anlachten, ja, fast auslachten, diese weichen Lippen, geteilt in ein weites Lachen. Er knurrt wieder tief, als der Kriminelle ihn zum Tisch hinüberführte. Der Kronprinz biss die Zähne erniedrigt zusammen als der Fremde ihn rau gegen den Tisch stieß, so dass er leicht vorne über kippte, bevor er sich fangen konnte. Der Brünette beobachtete mürrisch, wie ,Summer' auf den Büffettisch sprang, ein einziger graziler Satz, fast wie der einer Katze und ihm die Pistole gegen seine Schläfe legte, während er sich vorlehnte und in sein Ohr süffisant murmelte: "Dann wollen wir mal loslegen, was, Eure Hoheit?" Kaiba schnaubte nur abwertend und warf kühl einen Blick in den großen Ballsaal und musste zu seinem Vergnügen feststellen, dass ein abfälliges, hartes Lächeln auf seine Lippen kroch, als der der junge Verbrecher einmal in die Decke des Saals schoss, Staub von der Decke auf das teure Essen rieselte, und die Musik abrupt abbrach. Die Menschen hörten auf zu tanzen, herum wirbelten und die beiden Männer am Büffettisch zuerst verblüfft, dann entsetzt ansahen. Viele wurden kreidebleich und ihre Augen weiteten sich in heillosem Entsetzen. "Narren", dachte er angewidert, als ein Lord, der eine Lady in einer halben Drehung hielt, sie hilflos fallen ließ und sie mit einem dumpfen Schlag zu Boden fiel. Totenstille herrschte in dem riesigen Ballsaal, keiner wagte ein Wort zu sagen. Sie alle starrten nur. Der junge Kriminelle stützte sein rechtes Bein gemütlich auf einem Stuhl auf und hielt dem Kronprinzen genüsslich die Pistole wieder gegen die Schläfe, ein laszives Lächeln auf seinen Lippen, das Lord Kaiba aus den Augenwinkeln sah und das ihn anwiderte. Der ,Händler' räusperte sich leise und verkündete in einer ruhigen, amüsierten Stimmlage: "Dies, sehr geehrte Damen und Herren, ist ein Überfall." Lord Kaibas blaue Augen weiteten sich überrascht, als Leute überall im Ballsaal Pistolen aus ihren Mänteln und unter ihren Röcken hervorzogen und sie ihren Tanzpartnern an den Kopf hielten. Es klickte, als fast zwei Dutzend Schlagbolzen zurückgezogen wurden. Eine ältere Dame begann zu schreien, ihre schrille Stimme wie das Kratzen von Metall auf Metall in der Totenstille, die den Raum vorher ergriffen hatte. Sie schrie und begann zu schluchzen, sie torkelte einen Schritt vor, bevor ihre Augen in den Höhlen zurückrollten und sie mit einem dumpfen Schlag ohnmächtig zu Boden fiel. ,Summer' seufzte tief, ein scharfer, aber nicht unsympathischer Klang in seiner tiefen Stimme, die Lord Kaiba seltsamerweise an warmen Honig erinnerte. "Oh nun." Frauen begannen zu weinen, ihr Atem kurz und schwer. Die Lords begannen zu schwitzen, manche bissen sich auf die Lippen, andere sahen sich gehetzt um. Der junge Kriminelle lachte nur leise. "Bastard. Er hat mich ausgetrickst", fluchte Lord Kaiba gedanklich und sandte diesen karminroten Augen einen Blick voller Abscheu. Dann warf er einen Blick in den Raum, versuchte die Situation abzuschätzen, so wie er es immer tat, suchte nach einem Ausweg, aber musste sich missmutig eingestehen, dass es keine Lücke gab, die er nutzen konnte. Es waren einfach zu viele. Zu viele Wahnsinnige und zu viele Narren, die nur wie gefroren dort standen. Er erkannte die brünette Lady wieder, mit der sein Stiefcousin getanzt hatte, die nun, ein grässliches, höhnisches Grinsen auf ihren attraktiven Zügen, die blauen Augen kühl, eine Waffe gegen die Schläfe seines Cousins presste, der ihn hilflos und elendig ansah. Kaiba schnaubte nur verächtlich und Jou senkte beschämt den Blick. Der Prinz ignorierte ihn. Weitergehend befand sich ein Albino im Raum, der seinen Hut siegesgewiss auf den Boden geschmissen hatte und nun einem alten, zitternden Lord genussvoll die Pistole gegen die Nase hielt, der vor ihm kauerte. Bevor er sich noch weiter umsehen konnte, klopfte ihm der Anführer mit den exotischen Augen auf die Schulter, seine Lippen teilten sich in ein weites, gefährliches Grinsen und er lachte erfreut. Er hob ermahnend den Zeigefinger seiner schlanken Hand. "Nun, meine hoch geschätzten Lords und Ladies! Wie immer: Versuchen Sie nicht fort zu schleichen, jemanden zu informieren, anzugreifen oder andere närrische Handlungen zu begehen, weil dann müssten meine Crew und ich hier nette kleine Patronen in Ihren hübschen Köpfe versenken, einverstanden?" Eine Lady begann laut zu schluchzen und zu Lord Kaibas Zufriedenstellung sah er, dass es Lady Rebecca war, die auf den Boden gesunken und deren Getränk über ihr Kleid geflossen war. Einige Männer bissen fest die Zähne aufeinander. Plötzlich brach ein älterer Earl das Schweigen, er sprang aus den Reihen, eine Vene pulsierte an seinem Hals, und deutete mit einem wahnsinnigen Funkeln auf den Augen auf den schlanken Anführer, der immer noch ruhig die Pistole gegen Lord Kaibas Schläfe hielt. Er rief laut und schrill: "Mistkerl! Ich kenne dich! Ich kenne euch alle! Ihr seid Piraten!" Dann brach er abrupt an, seine Augen weiteten sich, bevor er ohnmächtig vorwärts fiel. Hinter ihm stand ein sandblonder junger Mann, der, ein weites Grinsen auf den Lippen, ihn mit dem Griff seiner Pistole niedergeschlagen hatte. Seine tiefen, lavendelfarbenen Augen schienen laut zu lachen. Ein Wispern raste durch die Halle, Rebecca schrie kurz und verzweifelt, bevor auch sie ohnmächtig umkippte, das leere Glas zu ihren Füßen rollte über den Boden. Andere Frauen schrieen und klammerten sich aneinander, ihre Kleider schief und ihre Augen ängstlich. Sie sahen sich um, die verheirateten Frauen zu ihren Männern, die ebenso hilflos da standen, die Hände kraftlos an ihrer Seite, die Gesichter blass und alt. Der Piratenanführer schmunzelte, Vergnügen in seinen tiefen, geheimnisvollen Augen. Dann seufzte er und lehnte sich vor, sein geschmeidiger Körper streckte sich, und er fuhr mit seinen Lippen über Lord Kaibas Ohr, der seine Finger wieder kribbeln fühlte. "Ihr solltet ihnen besser sagen, dass sie alle ihre Wertgegenstände, Schmuck, Geld und alles, was man zu Geld machen kann, aushändigen sollen...", er seufzte tief und theatralisch, der heiße Atem kitzelte blasse Haut, "oder sie werden tragischer Weise ihren Thronerben verlieren und das wäre doch eine Schande, oder?" Seine Augen lachten. "Ich würde es hassen, Euer hübsches Gesicht zu verletzen." Kaiba knirschte mit den Zähnen, seine Augen kalt wie Eis. "Du Bastard", presste er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, seine Haut kreidebleich mit Entwürdigung. Der Pirat lachte frei, sein Kopf in den Nacken gelegt, und erwiderte mit einer honigwarmen Stimme: "Ja, ich liebe Euch auch. Würde Eure Majestät sich nun dazu herablassen, unschuldige Leben zu retten?" Kaiba starrte den jungen Mann finster an, verfluchte die amüsierten, karminroten, funkelnden Augen, und wollte verzweifelt etwas Harsches antworten, schluckte es aber hinunter, eine Aktion, die ihm unheimlich viel Kraft abverlangte. Er wusste, dass, wenn er keine geladene Pistole an seiner Schläfe hätte, hätte er diesen hübschen Hals gewürgt, bis kein Atem mehr aus ihm dringen konnte. "Du hast mich reingelegt, du..." Der Pirat schüttelte den Kopf, die blonden Strähnen fielen ihm ins Gesicht. Er seufzte und klopfte dem Prinzen beruhigend auf die Schulter. "Nun seid doch kein schlechter Verlierer, Mylord." Dann straffte er die Schultern und räusperte sich. Alle Blicke fuhren wieder hasserfüllt oder ängstlich zu ihm. "Meine sehr geehrten Damen und Herren, Earls und Lords und Ladies! Ich bin äußert niedergeschlagen, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihr wertvoller Kronprinz hier sich dazu entschieden hat, dass wir nun mit unseren fünfzig Patronen Ihre Kleider und Mäntel mit einer wunderbaren und neuen Farbe besudeln werden!" Er lachte tief und harsch, seine karminroten Augen nun kühl und sehr intelligent, aber gefährlich. Seine Stimme hallte durch den Saal. "ROT!" Menschen begannen zu schreien, Kaibas Augen weiteten sich, auch wenn er die Zähne harsch aufeinander biss und zu seinem Erstaunen bemerkte er, dass sein Herz raste. Piraten hoben ihre Pistolen, die Grinsen wurden breiter, Lords und Ladies bettelten, schluchzten, Lord Kaiba merkte, dass der Hahn der Pistole an seiner Schläfe langsam zurückgezogen wurde, Geräusche überschlugen sich und mischten sich und seine Gedanken rasten plötzlich, wogen ab, trennten, dann schloss er kurz die Augen und sein Stolz schmerzte, aber leise und totenstill- "Stopp." A/N: Leider ist nur die englische Version beta-ed. Wer Rechtschreibfehler findet, möge doch gnädig darüber hinwegsehen. ^^[/] Kapitel 2: Der Prinz und der Pirat ---------------------------------- A/N: Vielen Dank an Yugi_Mutou und Tebi-chan, die das erste Kapitel gelesen haben und so freundlich waren, einen Kommentar zu hinterlassen. Ich freue mich immer, wenn jemand meine Geschichte liest. :3 Disclaimer: Yu-Gi-Oh! gehört nicht mir, noch tut es Fluch der Karibik. Kapitel 2 Der Prinz und der Pirat "Stopp!" Es war fast nur ein Flüstern und Lord Kaiba wurde bewusst, dass es wohl untergegangen sein musste in dem ganzen Geschrei, aber sein Stolz konnte ihn einfach nicht dazu bringen es zu wiederholen. Es schien als sei seine Kehle blockiert und sein Mund zu trocken um überhaupt ein einziges Wort über die Lippen zu bringen. Aber zu seiner Überraschung entfernte sich die Pistole von seiner Schläfe, das kühle Metall, das soeben noch Druck auf seinen Schädel ausgeübt und Kopfschmerzen gebracht hatte, einem merkwürdigen Schwindelgefühl gewichen. Aus dem Augenwinkel konnte er den Piratenanführer erkennen, der die Pistole gesenkt hatte und nun laut in den Raum rief: "Wartet!" Seine Stimme enthielt eine tiefe Autorität, die jedes Geschrei innerhalb von Sekunden zu einem jämmerlichen Wimmern reduzierte. Seine Crewmitglieder sahen ihn abwartend an, hatten aber, im Gegensatz zu ihm, die Waffen noch nicht gesenkt, nur der Finger am Abzug hatte sich gelockert. Kaiba hätte schwören können in den Augen des Albinos eine gewisse Enttäuschung zu erkennen. "Ich glaube etwas gehört zu haben, aber ich könnte irren!" Der Pirat lehnte sich vor, ein spielerisches Grinsen auf den Lippen. "Was war das, Mylord?" Lord Kaiba sah den jungen Mann verächtlich an; er wusste, dass er ihn sehr gut verstanden hatte. Dies war nur ein Treffer gegen seinen Stolz. Und desto verstimmter und wütender der Prinz wurde, umso stärker bekam er das Gefühl, dass der Pirat die Zeit seines Lebens hatte. "Gebt ihnen alle Wertgegenstände...", hisste er leise, seine Hände zu Fäusten geballt. Der Pirat blinzelte unschuldig, legte eine Hand hinter sein Ohr und fragte: "Ich habe das nicht so ganz verstanden, Eure Majestät..." Kaiba ballte die Hände so fest, dass er annahm, dass sie brechen müssten. Ein Hass stieg in ihm auf, den er sonst nur an die wenigsten Personen richtete. Er zwang sich dazu ruhig zu bleiben, nicht die Nerven zu verlieren. Und dennoch kam er nicht umhin, darüber nachzudenken, ob das Blut des Piraten so hübsch und dunkel wie seine roten Augen war, deren Funkeln sein eigenes Blut vor Zorn kochen ließen. Er schloss kurz seine Augen und beruhigte sowohl seine Nerven als auch seinen rasenden Verstand, der ihm im Moment nur Kopfschmerzen verursachte. Dann straffte er die Schultern und hob den Kopf, alle Würde, die er noch besaß, sammelnd. Seine Stimme war genauso kühl und herrisch wie er sich sie wünschte, als er laut und langsam verkündete: "Ich verlange, dass Sie ihnen alle Wertgegenstände geben." Sein Befehl hatte nicht den gewünschten Effekt. Anstatt dass sie bereitwillig ihren Schmuck hergaben und somit sich erstmal in Sicherheit wiegen konnten, sahen die Lords und Ladies einander nur betreten an, manche Füße auf dem Boden scharrend und Blicke unangenehm gesenkt. Jou suchte wieder seinen Blick, hilflos und orientierungslos. Die einzigen, die sich durch die nicht erwünschenswerte Reaktion des englischen Adels kaum beeindrucken ließen, waren die, denen es eigentlich egal sein konnte: Die Piraten. Der junge Piratenkapitän lachte nur laut und vernehmlich, er zeigte seine ebenen, weißen Zähnen und fuhr amüsiert durch die kastanienbraunen Haare des Prinzen. "So ein guter Junge! Ihr habt ihn gehört! ES IST ZAHLTAG!" Und so wenig der englische Adel reagiert hatte, so sehr taten es nun die Gefolgsleute des jungen Piraten. Ein Jubel brach im Ballraum aus, den jeder halbwegs gescheite Mensch in einer Meile Entfernung hätte hören müssen. "Wie gesagt, jeder gescheite Mensch", dachte Lord Kaiba missmutig, dessen schlechte Stimmung, die gegen beide Seiten gerichtet gewesen war, nun einen starken Einschlag zur Seite seiner eigenen Leute tat. Ein sandblonder Pirat, der auf dem zweiten Büfetttisch saß, schmiss seinen Hut vor Vergnügen in die Luft und fing ihn elegant wieder auf. Neben ihm lag ein abgenagter Hähnchenknochen und er leckte sich noch rasch über die Lippen. Vor ihm kauerten zwei Ladies, angsterfüllt in den Lauf der Pistole schauend. Sie zitterten und Tränen liefen ihre blassen Wangen hinunter. Der Pirat schenkte ihnen ein weites Grinsen, das sie allerdings nur noch mehr verschreckte. Der gut aussehende Anführer, der nun mit seiner Pistole kurz seinen grünen Hut ein wenig nach oben schob, deutete auf seinen sandblonden Gefolgsmann und ein belustigtes Lächeln schlich auf seine Lippen, eine ruhigere Ausgabe des breiten Grinsens, das er vorher getragen hatte. Einladend forderte er den ganzen Ballsaal dann auf: "Wenn Sie sich nun vor meinem verehrten Marik dort am Büfetttisch aufstellen und alle Ihre Wertsachen in den braunen Beutel geben würden, wäre ich Ihnen unglaublich verbunden." Er sprang von dem Tisch hinunter, als seine Crew begann die panische, zum Teil widerstrebende Menge in eine einigermaßen ordentliche Reihe zu bringen. Mit seiner schlanken Hand strich er die lange Pfauenfeder aus seinem Gesicht und streckte sich wie eine Raubkatze, die gerade aus ihrem Dämmerschlaf erwacht war. Dann hob er die Pistole und setzte sie zwischen die Schulterblätter Lord Kaibas. Ein zufriedenes Halblächeln umspielte seine Züge. Schließlich stieß er den Kronprinzen vorwärts, so dass sie ihren Platz als letzte in der langen Reihe fanden. Lord Kaiba presste die Augen kurz zusammen, seine Zähne knirschend und seine Haltung steif und kontrolliert. Er öffnete die Augen wieder und wurde alsbald auch schon von der Pistole vorwärts getrieben in der immer kleiner werdenden Schlange. Er warf dem jungen Mann mit den karminroten Augen einen feindseligen Blick zu, der jeden seiner Diener zitternd in die Knie geschickt hätte. Aber der Pirat zog einfach nur eine Augenbraue in die Höhe und ergriff Kaibas Kinn. Er zog ihn auf seine Augenhöhe und wisperte leise und zufrieden: "Nana, starrt nicht so feindselig, Eure Majestät. Ich könnte ja eingeschüchtert werden." Er lachte in sich hinein und ließ den Kronprinzen los, dessen kühle blaue Augen wütend aufgeflammt waren. Seine karminroten Seen funkelten wieder amüsiert, als genösse er eine gute Komödie. "Dieses verdammte Funkeln!", dachte Kaiba düster und sein Blick verfinsterte sich zunehmend. Er verschränkte die Arme und trat einen Schritt nach vorne, den Piraten niemals aus den Augen lassend. Karminrote Augen waren auf den Balkon fixiert, in ihnen eine Nuance zwischen Nachdenklichkeit und Berechnung. Als Kaiba diese Ablenkung bemerkte, musterte er die Pistole, die nun nur noch nachsichtig vor seinem Körper schwebte. Er hob langsam die Hand um sie an sich zu nehmen, als der Arm, der sie hielt, plötzlich hochfuhr und den Lauf zwischen seinen Augen fixierte. Kaiba knurrte wütend: "Sohn eines Bastardes." Die exotischen Augen, die immer noch auf das Meer fixiert waren, wandten sich nun an ihn. Ein neckisches Grinsen stahl sich auf die Züge des Piraten und er bemerkte: "Solch eine Sprache!" Dann legte er den Kopf auf die Seite und ein volles Grinsen legte sich auf seine Lippen. Er lehnte sich vor und griff mit einer raschen Handbewegung in Lord Kaibas Haare. Seine halbgeschlossenen Augen waren auf einen bestimmten Punkt unterhalb der blauen Augen fokussiert. Kaibas Augen weiteten sich unmerklich und er versuchte erst überrascht, dann erzürnt dem Griff des Mannes zu entkommen. Und dieser Nähe. Er wollte etwas Harsches erwidern, aber seine Stimme versagte, als plötzlich der junge, unzweifelhaft attraktive, Piratenanführer einen Daumen über sein Ohr strich und gegen seine Lippen hauchte: "Ich würde still halten, Mylord...." Dann, bevor er antworten, geschweige denn reagieren konnte, spürte er plötzlich weiche Lippen auf seinem Mundwinkel. Wie vom Blitz getroffen stand er da, die Hände halb erhoben, die Pistole gegen seine Brust gerichtet, als eine talentierte Zunge langsam sein Kinn zu verwöhnen zu begann. Weiße, gerade Zähne neckten seine blasse Haut und schlanke Hände massierten seinen Haaransatz. Lord Kaiba versuchte sich irgendwo zwischen seinen wirren Gedanken zu fangen, aber das Verlangen den Verbrecher vor sich zu ergreifen und ihn gleich dann und dort zu verschlingen wuchs in ihm wie ein Virus. Als diese erfahrene Zunge einen bestimmten Punkt an seinem Kinn leckte, spürte er seinen Widerstand schnell schmelzen. Er fühlte sich heiß und es war eine Anstrengung sich zu zügeln. Da war nicht mehr viel, das seine eiskalten Mauern in Zaum hielt, und selbst das bisschen floss nun davon. Er konnte einfach- Und dann entfernte sich plötzlich dieses warme Gefühl und halb geschlossene, karminrote Augen öffneten sich wieder. Da war Lust in ihnen, tief verankert und noch nicht befriedigt. Dennoch wuchs ein weites, neckisches Grinsen auf den blassen Lippen und das hart geschliffene Funkeln kehrte in seiner vollen Stärke zurück. Der junge Pirat leckte sich über die Lippen. Lord Kaiba stand einfach nur da, wie gefroren und vom Blitz getroffen. Sein scharfer Verstand schien seltsam betäubt und kam nur langsam wieder vollständig zurück. Sein Kinn kitzelte angenehm. Ihm war heiß. Der Pirat stützte seine Hand auf seiner Hüfte ab und legte seinen Kopf selbstbewusst zur Seite, in sich hinein lachend. Dann hob er die rechte Hand. Die blasse Farbe war abgegangen und gab die natürliche Bräune unter ihr preis. Und es traf Kaiba wie ein Faustschlag. Aber der Pirat zog einfach nur eine Augenbraue in die Höhe und ergriff Kaibas Kinn. Er zog ihn auf seine Augenhöhe und wisperte leise und zufrieden: "Nun, nun, starrt nicht so feindselig, Eure Majestät. Ich könnte ja eingeschüchtert werden." Natürlich. Die Farbe. Kaiba hätte aufstöhnen können, als er sich innerlich schalt. Der Pirat grinste und lachte laut, seine Augen blitzten auf, als er die gemischte Resignation und Wut in den blauen Augen des Kronprinzen sah. "Nun, ich konnte den Thronerben ja schlecht mit Farbe auf seinem adligen Gesicht herum laufen lassen. Was wäre denn das für ein Verhalten!" Empörung und richtgehender Hass explodierten in den blauen Augen, alle Kühle und Berechnung verschwindend. Da war nur noch Verachtung. Kaiba spürte sein Blut kochen und bevor seine rationaler Verstand ihn aufhalten konnte, langte er schon nach dem lachenden, jungen Mann. Seine Hände schlossen sich fast um den schlanken Hals, als etwas aufblitzte und etwas Kaltes gegen seine Stirn tippte. Der Lauf einer Pistole. Schon wieder. Der junge Mann mit den karminroten Augen lächelte nur gelassen, seine Augen zu Schlitzen verengt in Vergnügen. Der große Federhut saß nun fast quer auf seinem Kopf und die blonden Strähnen fielen in das attraktive Gesicht. Irgendwo in seinem rasenden Zorn bemerkte Lord Kaiba, dass er umwerfend aussah. Der Verbrecher schnalzte mit der Zunge und musterte den Prinzen unter seinen blonden Haaren hinweg. Dann zuckten seine Mundwinkel erfreut und er rief laut: "Sagt, Mylord, ist das angemessenes Verhalten! Eure Leute so in Gefahr zu bringen! So die Haltung zu verlieren!" Kaiba wurde plötzlich blass und trat einen sicheren Schritt zurück. Er fühlte sich gedemütigt. Sobald das Adrenalin ihn verließ, kehrte sein Verstand zurück. Die Eiseskälte kehrte in seinen Blick zurück und er sah sich um. Er starrte in angsterfüllte und tränenüberströmte Gesichter. Als er versuchte seinen Atem zu beruhigen, bemerkte er, dass die Linie vor ihnen verschwunden war. Seine Augen verengten sich zu wütenden Schlitzen. Der sandblonde Pirat beobachtete sie weit grinsend, der Sack auf seinen Knien nun gefüllt und schwer. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund musste Lord Kaiba an seinen Bruder an Weihnachten denken. Der Piratenanführer lächelte selbstgefällig und zupfte seinen grünen Kragen und die Ärmel gerade und zurecht. Danach forderte er Lord Kaiba durch einen Wink mit der Pistole auf, die Lücke zwischen ihm und seinem Crewmitglied zu schließen. "Nach Euch, Mylord." Die Piratencrew lachte gehässig und schadenfreudig, aber Lord Kaiba straffte die Schultern und sandte ihnen eiskalte Blicke als er sicheren Schrittes auf den Büfetttisch zuging. Er war sich der vielen Blicke bewusst. Marik, wie der arrogante Anführer ihn genannt hatte, grinste fast katzengleich und hielt ihm den braunen Sack entgegen, der mit Schmuck und Juwelen gefüllt war. "Wenn es Euch nicht stört, Eure Majestät...?" Lord Kaiba starrte ihn feindselig an und zog dann seine Börse hervor. Er warf sie achtlos in den Beutel, dann nahm er seinen silbernen Ring ab und er erzeugte ein helles Klingen als er in den Beutel fiel. Eine Augenbraue verächtlich hebend, wollte er sich wieder umdrehen, wurde aber von einer ruhigen Hand auf seinem Arm gestoppt. Er sah den Piratenanführer abwartend und kühl an. Der karminroteäugige Verbrecher schüttelte den Kopf missbilligend. "Wollt Ihr mich zum Narren halten, Mylord? Euren Siegelring bitte." Kaiba gefror. "Wie zum Teufel weiß er um meinen Siegelring?", dachte er finster. Er hielt ihn immer versteckt in der Innentasche seines Mantels an einer Kette, so dass er ihn nicht verlor und niemand ihn sah. Der Piratenanführer seufzte ungeduldig und fuhr mit der Hand in die Tasche. Als er sie wieder zurückzog, baumelte eine silberne Kette mit einem breiten Ring von seinen Fingern. Er warf ihn Marik über die Schulter zu, der ihn lässig auffing und anstatt in den Beutel in die Manteltasche gleiten ließ. Er lächelte verführerisch und lehnte sich zu Lord Kaiba, sein heißer Atem sein Gesicht kitzelnd. "Ihr wart nicht der einzige, dessen Augen während des Tanzes gewandert sind, Eure Majestät. Ihr solltet wirklich die Kette auch in die Tasche tun. Sie ist auffällig." Lord Kaiba atmete tief ein, seine Augen brannten auf und er hob stolz den Kopf. Er wollte etwas Passendes erwidern, als ein Rauschen alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Alle hoben den Blick und drehten sich um, verwirrt und desorientiert. Plötzlich keuchte ein Lord auf, seine Augen traten hervor. Er starrte wie gebannt auf den Balkon, dessen Vorhänge nun flatterten. Ladies begannen zu hyperventilieren, ihre Münder zu erschrockenen Ohs verzogen. Ein gesammeltes Aufstöhnen raste durch den Raum. Eine dicklicher Lord brach zusammen, seine kurzen Beine knickten weg und Schweißflecken waren unter seinen Achseln und in seiner Kniebeuge. Vor dem Balkon, auf dem Lord Kaiba den Piraten das erste Mal getroffen hatte, ankerte ein riesiges Schiff. Zwei hohe Maste ragten in den schwarzen Nachthimmel und verschwanden über dem Fensterrahmen. Ein Segel flatterte leise im warmen Wind und Kanonenschächte starrten wie schwarze, pupillenlose Augen in den Saal. Es war still wie der Tod gekommen. Prinz Kaibas Augen weiteten sich in Überraschung. "Wie konnte dieses Monster die Bucht passieren?", murmelte er stumm. Auch bei dieser Schwärze sollte ein solches Schiff sichtbar sein! Es maß ungefähr sechzig Fuß und was Lord Kaiba schätzen konnte, musste der längste Mast ungefähr genauso lang sein. Er hörte Keuchen aus Wunder und Ehrfurcht im Saal als das Schiff mit einem leises ,Thud' am Geländer anlegte und eine Planke geräuschlos über das Deck auf den Balkon geschoben wurde. Alle im Raum hatten angespannt die Luft angehalten und warteten. Nach ein paar Sekunden lösten sich zwei Gestalten aus der Dunkelheit und traten leise wie Katzen über die Planke und auf den Marmorboden. Als sie in das helle Licht der Kerzenleuchter traten, begann eine Frau neben ihm zu schluchzen. Und zu einem bestimmten Grad verstand er sie. (Auch wenn er nicht schluchzen musste. Er schluchzte nie.) Bis jetzt hatten die Piraten nicht wie Piraten ausgesehen. Diese beiden taten es sicherlich. Die eine war eine Frau, groß, mit prächtigem, blondem Haar und hellen, gefährlich glänzenden violetten Augen. Sie trug eine Wildlederhose und -stiefel, ein Schwert an ihrer Hüfte und eine Sammlung von kleinen Messern. Ihr Dekollete wurde von einer weißen Bluse und einem Lederkorsett gehalten und ihre Haare waren mit einer braunen Bandana zusammengebunden. Große, runde Ohrringe glitzerten wie Sterne an ihren Ohren. Eine Tätowierung lief ihren linken Unterarm herab. Sie grinste, ein gefährlicher, rauer Ausdruck, als sie den Piratenanführer, der immer noch neben Lord Kaiba stand, sah. Sie ging auf ihn zu und begann leise zu flüstern, nicht hörbar für andere. Sie schien ein paar Dinge aufzulisten, die sie an ihren langen Fingern abzählte. Ihr Anführer nickte zwischendurch verstehend oder warf schnell etwas ein. Der Blick des anderen Neuankömmlings war auf den Piraten namens Marik gerichtet, der offensichtlich sein Bruder war. Sie hatten beide dasselbe sandblonde, zerzauste Haar und lavendelfarbenen Augen, auch wenn Marik etwas älter als sein Bruder zu schien. Der trug grüne, zerschlissene Hosen, deren eines Bein in der Mitte fortgerissen worden war, und ein ausgewaschenes Hemd. Seine Harre wurden von einer grünen Bandana zurückgehalten. Obwohl er ein paar Jahre jünger als die Frau schien, so war er dennoch schwerer bewaffnet. Zwei Dolche steckten in seinen nassen Stiefeln und neben einem Schwert hing auch noch ein Waffengurt mit einer Pistole. Marik stand auf und begrüßte seinen Bruder kurz und auch sie begannen zu reden, allerdings in einer fremden, harschen Sprache. Dann überreichte Marik seinem Bruder den Sack mit den Wertsachen. Der Jüngere grinste selbstgefällig und lachte laut. Er übergab Marik zusammengebundene Seile, die er über seiner Schulter getragen hatte. Auch die Frau nahm ein Bündel Seile von ihrer Schulter und übergab sie dem Anführer, der sie gelassen entgegen nahm. Er zog ein kurzes Messer aus seinem Stiefel und trennte das Stück Stoff entzwei, das die Seile zusammenhielt. Dann grinste er wieder und räusperte sich. Alle gewisperten Gespräche brachen ab und eine schwere Unbehaglichkeit zeichnete sich in den Gesichtern des Adels ab. Der Pirat warf Lord Kaiba einen bedeutenden, amüsierten Blick zu und erhob dann die Stimme: "Sehr geehrte Audienz, es bricht mir das Herz, aber wir werden Sie vertäuen müssen! Cheers!" Während die Ladies zu tuscheln begannen und unwohl zusammenrückten und die Piraten an die Arbeit gingen, die sie offensichtlich genossen, kam der junge Verbrecher auf Lord Kaiba zu. Er schien noch selbstbewusster geworden zu sein seit sein Schiff angelegt hatte. Er hielt die Seile hoch und nun, nachdem der unbändige Zorn des Prinzen langsam zu einem stillen Hass abgekühlt war, fühlte sich der Thronerbe krank. Als hätte er Gift geschluckt. "Was für eine Ironie", dachte er düster. Der junge, rotäugige Mann warf die restlichen Seile zu Boden und behielt nur eines von ihnen. Dann drehte er sich um, sein Blick fachmännisch und alltäglich. Er musterte Lord Kaiba kurz, dann holte er das Messer wieder hervor und schnitt das Seil in zwei Teile. Noch einmal sah er den Adligen an, fast wie ein Schneider, der die Masse einer Person nahm. "Oder wie ein Totengräber", schoss es Kaiba missmutig durch den Kopf und er starrte auf den kleineren Mann voller Abscheu herab und trat einen haltungsvollen Schritt zurück. "Oh, nett, Lord Kaiba, aber jetzt muss ich Euch vertäuen." Der Pirat zeigte sich vollkommen unbeeindruckt, das Lächeln auf seinem Gesicht war, wenn möglich, eher noch ein Stückchen heller und erfreuter geworden. Er ergriff Kaibas Hände, der ihn anknurrte und zurückwich. Darauf rollte der Pirat nur seine roten Augen und lachte leise. "WAG es nicht...!", zischte der Brünette gefährlich, aber der andere Mann schenkte ihm nur ein mildes Augenbrauenhochziehen. Dann nahm er das Seil und ergriff die Hände des Prinzen fester. Spöttisch lächelnd massierte er sie vorsichtig, während er langsam und gelassen das Seil um sie schlang. Er zog die Fessel stramm und flüsterte Kaiba zu: "Was wage ich nicht...?" Und wieder spürte Lord Kaiba diese seltsame Sensation durch seinen Körper rasen, als diese schlanken Hände die seinen ergriffen. Und er verfluchte sie dafür. Und er verfluchte den Piraten, der schon wieder so nah war, dass sich ihre Nasen berührten und heißer Atem sein Gesicht streifte. Hass spülte in ihm hoch und seine Mundwinkel zuckten gefährlich, wie bei einem angriffslustigen Tier, das auf den richtigen Moment wartete. Der Pirat lachte laut und amüsiert. Er fuhr mit der einen Hand in kastanienbraunes Haar, strich kurz durch es und stieß den Prinzen dann plötzlich in eine sitzende Position auf dem Boden. Er lehnte sich über ihn, sein geschmeidiger Körper sich streckend und ein da war Aufblitzen von tiefem, seidigem nachtschwarzem Haar, nachdem der grüne Hut sich zur Seite neigte. Lord Kaiba knurrte tief und hatte das störende Bedürfnis, dieses Haar zu greifen und seinen Besitzer dieselbe Demütigung spüren zu lassen. Er schloss beruhigend die Augen, als seine Beine auch noch vertäut wurden. "Sohn eines Bastardes", murmelte er verächtlich. Der Pirat lachte nur leise. "Ja, vielleicht, Mylord." Mit diesen Worten zog er seine Pistole wieder und ließ den Lord allein, alle Gäste überprüfend. Lord Kaiba knurrte nur und fühlte sich unglaublich ausgelaugt. Es dauerte eine halbe Stunde bis der Piratenanführer zurückkam. Eine halbe Stunde, in der sich Kaibas Hass zu stummem Verachten abgekühlt hatte. Er warf dem Piraten nur einen kalten Blick zu, der mit einer Handbewegung seiner Crew Bescheid gab, wieder an Bord zu gehen. Er hisste leise und tief: "Ich werde dich jagen. Und dich finden. Und dann wirst du hierfür büßen." Der Pirat grinste nur, ein weites Grinsen, das all seine geraden, weißen Zähne zeigte. Er schaute bedeutungsvoll über die Schulter zu seinem Schiff und Kaibas Augen folgten wie im Befehl, nicht blinzelnd und kalt. Das Hauptsegel war gehisst worden, leise wie der Wind der Karibik, und flatterte nun in eben diesem wie Wasser. Lord Kaibas Augen weiteten sich überrascht, als er das Wappen auf dem schwarzen Stoff erkannte. Flüstern erfüllte den Ballsaal. Ehrfurchtsvolles Flüstern. Auf dem Segel prangte ein riesiger Falke, die Flügel ausgestreckt und die Krallen gen Boden gerichtet. Zwei Schwerter kreuzten den Hintergrund. Lord Kaiba fühlte eine eisige Kälte durch seine Glieder waschen. Dieses Wappen... Und es ergab Sinn. Es war logisch. Und dennoch war er fest gefroren. Und er war nicht der einzige. Viele der Lords starrten wie gebannt auf das Schiff, wisperten einen Namen immer wieder stumm vor sich hin. Lord Kaibas Blick wanderte langsam und bedacht wieder zu dem Piraten zurück. Er trank das Bild, das sich ihm bot, wie Wasser einer Oase. Die stolze Haltung, das Lächeln, das Funkeln der Augen. Alles verachtenswert. Und dennoch. Es war der Würde eines Königs gleich. Der Pirat beobachtete das Geschehen amüsiert. Er nahm seinen Hut ab und verbeugte sich tief vor dem Kronprinzen, sein dreifarbiges, seidiges Haar ihm ins Gesicht fallend. Ein zufriedenes, selbstbewusstes Lächeln zierte seine Lippen. "Es war nett mit Ihnen Geschäfte zu machen, sehr geehrte Ladies and Gentlemen! Ich hoffe es hat Ihnen gefallen, die Bühne schließt jetzt." Er setzte elegant den Hut wieder auf und funkelte den Kronprinzen geheimnisvoll an. "Meine höchste Wertschätzung, Mylord, Ihr seid eine liebreizende Gesellschaft! Schickt Eurem werten Herr Vater meine persönlichen Grüße, es ist schon so viel Zeit seit unserer letzten Begegnung vergangen. Vielleicht könnten wir unsere Bekanntschaft ja bald auffrischen?" Lord Kaiba sah ihn kalt an, die Augenbrauen zusammen gezogen und der Zug um seinen Mund hart. Er zeigte nichts von seiner Emotion, ein klares Ergebnis seiner außergewöhnlichen Intelligenz, die sich nun doch durchgesetzt hatte. "Du bist-" "Piratenkapitän Atemu, zu Euren Diensten." Und während das Wispern im Saal explosionsartig zu einer allgegenwärtigen, hysterischen Diskussion anstieg, grinste Kapitän Atemu nur. Er strich einmal kurz über seine Hutkrempe im Gruß, seine Augen ruhten noch einen Moment fast nachdenklich auf Lord Kaiba. "Auf Wiedersehen, meine Damen und Herren." Er verhielt kurz. "Prinz Kaiba." Dann drehte er sich plötzlich um, sein grüner Mantel im Wind ausschlagend, und er verfiel in ein Rennen. Lord Kaiba konnte nur zusehen wie dieser Mann -dieser Mann- einen Fuß auf das Geländer des Balkons setzte, sich abdrückte und mit einem katzengleichen Satz auf dem Deck seines Schiffes verschwand. Die grüne Pfauenfeder war das letzte, was er sah. Das Schiff nahm leise Fahrt auf, die Segel aufgezogen und leise im Wind flatternd. Es dauerte einige Minuten bis Lord Kaiba sich soweit von dem Geschehen distanziert hatte, dass er es neutral abwiegen konnte. Er hatte mit dem Bezwinger der Sieben Meere getanzt. Er hatte mit dem König der Piraten getanzt. Er hatte mit Kapitän Atemu getanzt, dem berühmtesten und berüchtigtsten Mann auf See. Er sah zu, wie das Schiff langsam zu einem grauen Hauch gegen eine schwarze Welt dahinschwand. Der Hass, den er empfand, schien mit jeder Sekunde mehr zu werden. Nicht mehr heiß und ungestüm, sondern wie ein Schwert, langsam kühl, aber schärfer. Merkwürdigerweise fing gerade in diesem Moment sein Mundwinkel an zu kribbeln. A/N: Damit wäre das zweite Kapitel beendet. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Kapitel 3: Interlude- Jounouchi ------------------------------- A/N: Vielen Dank für die Kommentare von Tebi-chan, Dyingrose und JuliaManetsberge. ^^ Sie retten mir manchmal den Tag. Interlude- Jounouchi Jounouchi Katsuya war das erste Kind von König Charles' zweiter Frau, Mary. Er war in die Ehe gebracht worden und er und sein Stiefvater waren nicht gut aufeinander zu sprechen. Aber Mary liebte ihn und sein Adoptivvater war selten zu Hause. Der Kontakt zu ihm war zu einem Minimum abgeschwächt, als Jounouchi seinen Stiefcousins, dem Kronprinzen und dem jungen Lord Kaiba, in die Neue Welt gefolgt war. Sie hatten sich nahe dem karibischen Meer niedergelassen, an der Küste Port Royals, der Haupthandelsstadt der britischen Flotte. Es lag auf einer wunderschönen Insel namens Jamaika, von der aus es nur ein Katzensprung nach Hispaniola und Kuba war. Jou mochte es hier, es war warm und das Meer war nah. Seine Pflichten gegenüber der britischen Krone waren schnell vergessen und er verlor sich in der schillernden Gesellschaftswelt Neu Englands. Die Menschen hier waren offener und nicht so steif wie daheim in England. Er liebte die Karibik und Neu England und erlangte schnell den Ruf eines gefürchteten Schürzenjägers. Sein Cousin hatte sich rasch von ihm distanziert. Es war nicht etwas, das ihn stören würde. Sein Cousin, der zukünftige König des britischen Königreiches, und er waren niemals gut miteinander ausgekommen, sie waren zu verschieden und nachdem sie ein paar Male aneinander geraten waren, hatten sie sich stumm darauf geeinigt den Weg des anderen zu vermeiden, wo immer er sie hinführte. Sie trafen sich ab und an, auf Bällen oder politischen Empfängen, aber sie wurden niemals warm miteinander. (Wenn es denn möglich war mit einem Seto Kaiba warm zu werden). Eine Sache, für die sein Cousin ihn verachtete, war sein offener Umgang mit Frauen. Jou liebte die Frauen und die Frauen liebten ihn. Er war gut aussehend, reich, eine gute Partie und aus diesen Gründen sehr beliebt. Aber Jou dachte nie daran sich mit einer Frau zur Ruhe zu setzen, die Idee war ihm zuwider. Er brauchte seinen Platz und seine Freiheit; er brauchte alle seine Angewohnheiten und Eigenarten. Er konnte sich nicht in einem Haus leben sehen mit Garten, einer Frau, die im Schaukelstuhl strickte, und seinen Kindern, die draußen auf der Straße mit seinem kleinen Hund spielten. Nein, das schien unmöglich. Nicht, dass Jou niemals darüber nachgedacht hatte; er mochte Kinder und er wusste, dass sein Leben nicht für immer so weitergehen konnte, dass er eines Tages eine warme Umarmung suchen würde, in die er fallen konnte, wenn ihm danach war. Dass er Vertrauen und große Freundschaft suchen würde, und nicht die lockeren Liaisons, die er jetzt hatte. Leidenschaftliche Liebe war für junge Menschen, für die närrische Jugend, die sich noch die Hörner abstoßen musste. Er hatte schon lange aufgehört von Abenteuern und wilden Reisen zu unentdeckten Orten zu träumen. Als kleiner Junge hatte er der britischen Flotte beitreten wollen, hatte Piraten und französische, spanische oder portugiesische Eindringlinge bekämpfen und ein Schwert haben wollen und es mit Eleganz und Stolz schwingen können. Das waren kindische Träume, lange vergessen. Er war in die Wirklichkeit gestoßen wurden und hatte versucht in den süßen Düften der englischen Gesellschaft zu ertrinken. Er mochte junge Ladies mit Grazie und Würde, mit langen Kleider und Haarspangen. Er liebte es, wie sie seinen Kopf mit ihren langen Fingern und ihrer zarten Haut verdrehen konnten, der Duft von süßem Parfüm in der Luft. Er liebte es, wie sie erröteten in Ekstase und ihre kleinen Hände in seine Arme krallten, wie sie ihre Köpfe zurückwarfen, die Augen halb geschlossen. Ja, er liebte sicherlich die Frauen, aber er liebte keine einzelne. Natürlich konnte er jede Frau heiraten, die schönsten und talentiertesten aus aller Herren Länder, aber irgendetwas in seinem Hinterkopf sagte ihm, dass das nicht das war, was er wollte. So sehr er süße, scheue Ladies liebte, für sein Leben wollte er... mehr. Er wollte Feuer und Leidenschaft, jemanden wie er selbst. Er hatte diesen Wunsch noch nicht aufgeben, er krallte sich noch immer an jeder Chance fest, die er kriegen konnte. Und jetzt hatte er sie gesehen. Die schönste Frau, die je auf dieser Erde gewandelt war. Und er war überrascht sie nicht in Ballsälen zu finden, in Stöckelschuhen und einem Pastellkleid. Nein, sie trug nichts davon. Sie trug Hosen und Waffen, ihr blondes Haar mit einem Tuch hochgebunden, nicht zur Unterstreichung ihrer Schönheit, sondern des praktischen Nutzens wegen. Ihre Stiefel waren aus Wildleder, die Oberfläche zerkratzt und abgenutzt. Ihr weißes Hemd war ein bisschen schmutzig und ihre Hosen bis zu den Knien nass. Ihr Gesicht war frei von Schminke, ihr Gesichtsausdruck konzentriert und hart, die Haut von dem rauen Klima gebräunt. Eine Tätowierung lief ihren Arm herab und als sie sich herunter gebeugt hatte um ihn zu vertäuen, waren ihre Hände rau von harter Arbeit gewesen. Ihr Duft war nicht der von Parfüm, sondern ein exotischer, das scharfe Beißen von Salzwasser hatte an ihrem großen Körper gehangen. Sie war rau und harsch gewesen, ihr Lachen tief und reich. Aber für Jou war sie die begehrenswerteste Frau, die er je gesehen hatte. Ihre violetten Augen hatten ihm in wenigen Sekunden den Kopf verdreht. Nein, seine Braut war keine Lady des Palastes. Sie schminkte sich nicht und sie klimperte nicht mit ihren langen Wimpern. Nein, seine Braut war eine Piratin. Und das machte sie unerreichbar. Aber Jounouchi Katsuya hatte noch nie die Flinte ins Korn geworfen und er würde nicht heute damit anfangen. Für sie würde er mit seinem Stiefcousin, dem arroganten Eisprinzen Seto Kaiba, Frieden schließen. Für sie. Für das letzte Fünkchen Abenteuerlust, das von alten Kindheitsträumen übrig war. A/N: Heute nur ein Interlude. Aber es baut einen entscheidenden Teil für die Geschichte auf. ^^ Ich bin im Prüfungsstress. Das heißt, ich werde nächste Woche wohl nicht zum Updaten kommen, aber ich hoffe, es spätestens übernächste Woche Sonntag hochgeladen zu haben. ^^ Kapitel 4: Der Bibliothekar --------------------------- So, da ist es nun endlich, das vierte Kapitel von Solar Eclipse. Nach langem Hin und Her und Löschung und Wiederherstellung, muss ich sagen. ^^; Weitere A/N am Ende. Disclaimer: Yu-Gi-Oh! gehört nicht mir. Fluch der Karibik gehört auch nicht mir. Der Bibliothekar Der Mann war furchtbar nervös. Er tupfte sich mit seinem feuchten Taschentuch über die schwitzige Stirn seines kahlen Kopfes, der beim Gehen wie der eines Huhnes vor und zurück zuckte. Er war klein und dick, seine Beine kurz und sein Hals vor Doppelkinn und Nackenwulst fast nicht zu erkennen. Er gab eine reichlich merkwürdige Gestalt ab, mit dem Anzugsjackett zu eng über seiner Brust geschlossen und der maßlos zu langen Hose. Seine Schritte waren hastig, als er darum kämpfte mit seinem Herrn Schritt zu halten, für dessen jeden einzelnen Schritt er zwei machen musste, und der Adelige noch nicht einmal auf die Idee zu kommen schien, auf ihn zu warten. Sein dicker Bauch tanzte auf und ab, als er den langen, luftigen Flur entlang eilte. Seine Brille war seine breite Nase heruntergerutscht und Schweißflecken hatten sich unter seinen Achseln gebildet. „Bitte, Mylord, nun wartet doch! Das ist doch nicht nötig! Die Flotte wird sich darum kümmern!“ Er rang nach Atem. Wieder wurde er einfach übergangen. Der Lord, die Haltung gerade und diszipliniert, wandte sich am Ende des Korridors nach links zur großen Bibliothek. Seine Mine war eben, aber seine blauen Augen flackerten in kühler Verachtung. Ein harter, grimmiger Zug um seinen Mundwinkel sollte für jeden Menschen mit Verstand genug Warnung gewesen sein, aber der dicke Berater ließ sich nicht abschrecken. Er schürzte nur seine dicken Lippen und eine Erschöpfungsfalte malte sich auf seiner spiegelnden Stirn ab. „Geehrter Prinz! Wenn dies Euer Vater wüsste! Lasst doch die Marine ihre Arbeit machen, ich bin mir sicher, sie werden ihre Arbeit ex-“ Er erhielt einen eiskalten Blick, der ihn abrupt zum Schweigen brachte. Der Lord betrat die Bibliothek mit ihren endlosen Handelsverträgen, Lexika und Protokollen, alle bis zur Decke in Regale untergebracht. In ihnen waren alphabetisch und chronologisch alle Geschehnisse der letzten Jahre verzeichnet, versteckt hinter grünen, roten, schwarzen und weißen Buchrücken. Lord Kaiba zeigte keinerlei Beeindruckung und erwiderte, die Stimme kalt wie gefrorenes Wasser: „Ich bin mir sicher, sie würden ihre Arbeit genauso exzellent machen, wie sie es taten, als sie das sechzig Fuß lange Schiff mit gehisstem Segel sahen. Oder wie exzellent sie bemerkten, dass knapp zwanzig Waffen in den Ballsaal gebracht wurden.“ Es war nur ein leises Wispern gewesen, aber der dicke Mann sank in sich zusammen und mehr Schweiß brach auf seiner Stirn aus. Er stammelte etwas Unerverständliches. Lord Kaiba warf ihm einen angewiderten Blick zu. Dann wandte er sich ab und ging zu einem Jungen hinüber, der gedankenversunken Bücher in ein Regal einsortierte. Er murmelte den Buchstaben P immer wieder vor sich hin, fuhr mit einem blassen Finger über die Buchrücken, bis er ein erfreutes Ah! ausstieß. „Ein Albino“, bemerkte Kaiba desinteressiert. Er öffnete den Mund um etwas zu sagen, als er von seinem verängstigten Berater unterbrochen wurde, der sie nun auch eingeholt hatte. „Das war ein Unfall, ein winzig kleiner Fehler, nicht mehr. Eure Majestät, ich schwöre-“ Kaiba fuhr auf seinem Absatz herum, sein schwarzer Mantel harsch um seine langen Beine schlagend, und warf dem Mann einen vernichtenden Blick zu, seine beeindruckende Größe nun fast unerträglich ausfüllend und seine Augen scharf wie Eiszapfen. Er rief, gereizt davon, unterbrochen zu werden und von der schieren Inkompetenz des Mannes: „Ein winzig kleiner Fehler? So nennt Ihr es also, wenn Ihr fast den gesamten britischen Adel umbringt? Ich möchte bei Gott nicht wissen, welche anderen ‚winzig kleinen Fehler’ Ihr noch gemacht habt!“ Der Albino fuhr erschrocken herum, das Buch, das er gerade hatte ins Regal einräumen wollen, fiel ihm unvorsichtig aus der Hand und zu Boden. Mit großen braunen Augen starrte er zu Lord Kaiba hinauf, sein ohnehin blasses Gesicht nun kreideweiß. Der Berater war vor Angst einige Schritte zurückgewichen und seine Augen traten aus ihren Höhlen hervor. Er hatte das Gesicht vor Schreck verzogen und fuhr sich aufgeregt über die Glatze. Er stammelte zusammenhanglose Sätze und sein Atem ging schwer. Lord Kaiba schnaubte verächtlich und sah mit einem Blick auf ihn herab, der Feuer hätte gefrieren können. „Geht. Wagt es nicht, mir noch einmal unter die Augen zu treten.“ Der Berater sah so aus, als wolle er protestieren. Er sah unsicher von Lord Kaiba zur Tür, seine dicken Lippen geöffnet und der Schweiß stand ihm nun wieder auf der Stirn. Diesmal war es Angstschweiß. Schließlich gewann aber der Instinkt, seine Haut zu retten, die Überhand. Er machte kehrt und hastete so schnell ihn seine kurzen, dicken Beine trugen aus der Bibliothek. Kaiba sah ihn ein letztes Mal angewidert an und wandte sich dann an den Albino. Der Junge war sichtlich verschreckt, aber er versuchte es so gut er konnte zu verstecken. Er war eingeschüchtert von dem Kronprinz, der vor ihm stand. Es war kein Wunder; mit seinem schwarzen Mantel, dessen Ärmel und Knopfleiste mit silbernen Stickereien verziert waren, der strengen Haltung und den arroganten blauen Augen bot Lord Kaiba mit einer Größe von ein Meter sechsundachtzig ein imposantes Bild. Der hochgeschlagene Kragen seines Mantels ließ ihn ein wenig wie einen Admiral wirken, der sich der Macht, die er über seine Flotte hatte, durchaus bewusst war. Er musterte den Albino mit einer unangenehmen Präzision und frage dann leise, aber deutlich: „Junge, wie heißt du?“ Der weißhaarige Junge zuckte ungewollt zusammen und stotterte dann hastig: „Uhm, Ryou, Sir, uh, ich meine, Mylord, Ryou Bakura.“ „Du bist oft hier?“ Seine Angst ein bisschen verlierend, nickte Ryou und ein stolzes Lächeln trat in seine Augen. „Ja, Mylord, mein Vater war der frühere Bibliothekar hier.“ Lord Kaiba hob eine Augenbraue. „Ich wusste nicht, dass Mr. Robert Bakura einen Sohn hat.“ Sein Tonfall ließ annehmen, dass es ihn auch nicht sonderlich interessierte. Der Albino lächelte unsicher und bückte sich dann, um das Buch, das er hatte fallen lassen, wieder aufzuheben. Er legte es auf den Stapel in seinen Armen. „Er hatte, Mylord. Ich wohnte in England, bis ich vor einigen Wochen mit dem Schiff herüber kam. Mein Vater starb vor kurzem und ich wollte seine geliebte Arbeit weiterführen.“ Lord Kaiba nahm ein Buch aus seinen Armen, eines mit einem schwarzen Einband, und öffnete es. Er blätterte ein wenig, dann antwortete er, die Augen immer noch auf die Seiten fixiert: „Mein Beileid.“ Er schlug wieder eine Seite um. Der Bibliothekar zuckte mit den Schultern und begann die Bücher in das Regal einzuräumen. Als er das letzte an seinen Platz schob, strich er kurz liebevoll mit dem Finger über den grünen Einband. Dann zuckte er zusammen, als würde er sich bewusst, wie albern dieses Handeln vor dem Kronprinzen doch war, und zog die Hand schnell zurück. Seine blassen Wangen gerötet, wandte er sich wieder dem Adeligen zu, der aber immer noch in dem Buch las und es geübt in einer Hand hielt, die andere manchmal die Seiten umblätternd. „Mylord…?“, fragte Ryou vorsichtig und musterte den Prinzen neugierig. Blaue Augen fuhren hoch und sahen ihn unergründlich an. Kaiba schlug das schwarze Buch zu und gab es ihm zurück, ohne einen weiteren Blick darauf zu werfen. „Mr. Bakura, ich verlange von Ihnen, dass Sie mir Information über einen gewissen Freibeuter namens Atemu heraussuchen. Machen Sie Ihre Arbeit gut, oder Sie werden entlassen, ganz gleich wie lange Ihr Vater hier gearbeitet haben mag.“ Der Bibliothekar sah ihn verwundert an und blinzelte einige Male. Die arrogante, herablassende Art kannte er nicht und musste sich erst daran gewöhnen. „Das ist kein Problem, Eure Majestät. Wenn Ihr einige Minuten warten wollt, dann kann ich Euch die passenden Bücher schnell heraussuchen.“ Kaiba hob eine Augenbraue. „Wenn Eure Definition von ‚schnell’ mit meiner übereinstimmt, dann warte ich. Und sie sollte es, denn ich sehe es nicht gern, wenn man meine Zeit verschwendet.“ Ryou nickte nur noch hastig, bevor er sich kurz verbeugte und dann eine Leiter, die an einem Regal befestigt war, hinaufstieg. Er stoppte auf der zwölften Sprosse und hielt nachdenklich inne. „Pakt, Spanisch-Englischer…Pakt, Händler-,… Partnerschaft…Patroullie… Piraterie.“ Er stieß sich mit dem Fuß von einem Regal ab und die Leiter glitt einen halben Meter nach links. „Piraterie um 1500… Piraterie um 1550… Piraterie um 1600… Na, wo ist es… Ah!“ Ein zufriedenes Grinsen erhellte seine blassen Züge. „Piraterie um 1650!“ Lord Kaiba verschränkte abwartend die Arme, als der Albino mit dem Finger ein paar Buchrücken nachfuhr. Dann schließlich ergriff er ein rot eingebundenes Buch und zog es sanft aus dem Regal. Liebevoll strich der Bibliothekar über den Frontdeckel und begann dann, die Leiter wieder herabzusteigen. Seine braunen Augen fuhren nur einmal kurz zu Kaiba hoch, bevor er sich wieder auf das Buch konzentrierte und es aufschlug. „Diese Bücher sind zusammengetragene Informationen von Händlerschiffen, der Marine und Zeugen, die die spezifischen Zwischenfälle gesehen haben. Oder anderen Piraten in Gefangenschaft.“ Er blätterte durch das Buch und blieb an einem Paragraphen hängen, der in großen, gedruckten Buchstaben mit ‚Atemu, Unbekannt’ überschrieben war. Das Unbekannt war ein Hinweis, dass kein Vornahme vorhanden war, den man hätte in ein Buch drucken können. Lord Kaiba fand es reichlich lächerlich, da es nur einen Piraten namens ‚Atemu’ auf den sieben Weltmeeren gab und jedes kleine Kind wusste, wer er war. Man konnte ihn den Bilderbuch-Piraten nennen, denjenigen, über den Gutenachtgeschichten und Kinderträumereien gesponnen wurden. Kaiba schnaubte. Als ob einer dieser Menschen, die ihn glorifizierten, diesen arroganten Mistkerl auch nur einmal in Wirklichkeit gesehen hätte. Alles Ammenmärchen. „Hier. Das sind seine Schiffe. Er hat drei Stück, fast alles gekaperte Händlerschiffe“, Ryou hielt Kaiba das Buch hin und deutete mit seinem blassen Finger auf ein paar Abbildungen. Ein zufriedenes Lächeln lag auf seinen Lippen. „Das kleinste“, er zeigte auf das Bild eines Schiffes mit zwei Segeln, „ist die Bloody Scarlet. Ein Schoner, ungefähr sechsundzwanzig Meter lang, der höchste Mast sieben Meter hoch und zwölf Kanonen schwer. Sie ist wendbar und schnell, macht in guten Gewässern bis zu siebzehn Knoten.“ Kaiba betrachtete das Bild des Schoners nachdenklich und bemerkte dann kühl: „Das ist ein Handelsschiff. Ich kenne diesen Typ, sie gehörte mal zur englischen Marine. Was für eine Schande sie nun in den Händen von dreckigen Piraten zu sehen.“ Ryou sah den Prinzen aus dem Augenwinkel skeptisch an, dann räusperte er sich und schlug die Seite um. Dort prangte die Zeichnung eines Schiffes, wieder ein Zweimaster, mit ebenso pechschwarzen Segeln wie Rumpf. Auf dem Frontsegel war das Wappen eines Falken. Er sah wie Lord Kaiba sichtlich steifer wurde und seine blauen Augen sich verschmälerten. „Das ist es. Das Schiff habe ich gesehen.“ Seine Stimme klang rau und, wenn der Bibliothekar es nicht besser wüsste, aufgeregt. Aber ein Prinz Kaiba war niemals aufgeregt. Er war kühl und gefasst und herablassend. Ryou zuckte unmerklich mit den Schultern. Es hatte ihn nicht zu interessieren. „Das, Mylord, ist die Solar Eclipse! Auch ein ehemaliges Händlerschiff, die Datierung ihres Verschwindens ist allerdings unbekannt. Niemand weiß genau, wem oder wo sie entwendet wurde, aber sie sieht ein bisschen spanisch aus.“ Der Bibliothekar machte eine ausschweifende Handbewegung und seine blassen Wangen gewannen an Farbe. „Ich denke, dass Kapitän Atemu sie irgendwo in diesen Gewässern gekapert an. Er strich sie schwarz vom Ausguck zum Bug und ließ sie für ein paar Jahre versteckt. Dann-“, er deutete auf das offene Meer, das man aus den schmalen Fenstern der Bibliothek in der Ferne glitzern sah, „brachte er sie wieder aufs Meer, in dieselben Gewässer, in denen er sie gekapert hatte, und machte sie berühmt. Und kein Mensch konnte sich erklären wo sie herkam. Bald schon wurde sie ein Mysterium! Kein Händlerschiff, nein, sondern ein richtiges Geisterschiff!“ Kaiba hob kühl eine Augenbraue und verschränkte die Arme. Er sah Bakura eindringlich an. „Mr. Bakura, es gibt keine Geisterschiffe. Sparen Sie sich diesen Unsinn für jemand anderen auf.“ Ryou stutzte und seine Augen weiteten sich. Dann wurde er feuerrot und senkte den Blick. „Bitte, Gott, lass mich im Boden versinken…“, dachte er und brachte dann leise hervor: „Natürlich, Mylord… Es war auch nur ein Gedanke…“ Hastig schlug er die Seite um. Er war Bibliothekar. Er sollte doch in der Lage sein, sich an präzise und sachliche Informationen zu halten. „Das letzte Schiff –und das größte- ist die Sovereign, Mylord. Wenige haben sie gesehen. Sie ist ein Kriegsschiff, vielleicht fünfzig oder sechzig Meter lang und ein Dreimaster. Es gibt keine Zeichnung von ihr. Atemu nutzt sie nur selten, da sie für ihre Waffenstärke ihre Schnelligkeit einbüßt.“ Ryou schloss und holte tief Luft. Seine Stimme war während seines Vortrages wieder sicherer und stärker geworden. Er sah den Kronprinzen abwartend an, während er das rote Buch mit einem leisen Klacken schloss und mit den langen Fingern abwesend und beruhigend über den Einband fuhr. Lord Kaiba schwieg nachdenklich, sein Blick auf das Meer gerichtet. Er schien über etwas nachzudenken, seine blauen Augen zu Halbschlitzen verengt und der Zug um seinen Mund hart wie immer, aber nun eine Spur bitterer. Plötzlich wandte er den Blick ab und fixierte den Bibliothekar eindringlich. Die Ruhe und Unbeweglichkeit seines ebenen Gesichts wurde von den fast unerkennbar zusammengezogenen Augenbrauen und der Spannung in seiner stolzen Haltung betrogen. Er musterte Ryou von den Stiefeln bis zu den weißen Haaren. Dieser fühlte sich sichtlich unwohl und musste dem Drang widerstehen, von einem Fuß auf den anderen zu treten. Das Buch wechselte von einer Hand in die andere. Nach einigen Momenten räusperte Ryou sich und fragte belegt: „Mylord?“ Falls der Albino Lord Kaiba aus seinen Gedanken gerissen hatte, so merkte man es ihm nicht an. Er warf einen Blick auf das rote Buch. „Was ist mit der Crew, Mr. Bakura?“ Er zog eine Augenbraue hoch. „Nicht in diesem Buch, Mylord“, Ryou straffte die Schultern und machte sich entschlossen daran, ein neues Buch zu holen. Das andere legte er auf ein Regal, mit dem Vorhaben es später wieder auf seinen Platz zu bringen. Er kletterte wieder die alte, hohe Leiter hinauf und schob sie diesmal bis an das hintere Ende des Regals. Die Augenbrauen zusammengezogen fuhr er mit der Hand über einige Bücher, bis sich seine Miene aufhellte und er ein dunkelblaues heraus zog. „Hier, Mylord!“ Er sah den Prinzen an, der sich das rote Buch aus dem Regal genommen hatte und nun darin blätterte. Lord Kaiba warf Ryou einen abwartenden, ruhigen Blick zu, der ihm sagte, er solle doch einfach fortfahren und nicht immer wie ein kleines Kind enthusiastisch in eine ansonsten angenehme Stille hereinrufen. Aber da es ein Kaibablick war, konnte es auch ein interessiertes Erkundigen nach dem Inhalt des besagten Buches sein. Ryou ließ sich auf jeden Fall nicht mehr einschüchtern. Sehr wahrscheinlich würde er sich nur noch mehr blamieren. Ryou öffnete das Buch, immer noch auf einer oberen Sprosse der Leiter, und blätterte hindurch. Nach einer Weile runzelte er die Stirn und fixierte eine der Seiten eindringlich. Wie konnte das sein? Er war Bibliothekar und er wusste, dass es immer Informationen gab, immer irgendwelche Leute, die Gerüchte verbreiteten. „Mr. Bakura, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie nicht versuchen würden, das Buch zum Selbstlesen zu erheitern, indem Sie es anstarren.“ Ryou seufzte und nickte. „Atemus Crew wird auf ungefähr zwanzig oder dreißig Mann geschätzt. Anscheinend sind die meisten vor längerer Zeit über den Ozean gekommen, aber ansonsten…“ Er sah auf und zuckte mit den Schultern. „Nichts. ‚Ansonsten liegen keine Informationen über den genauen Bestand der Crew vor. Zwar können Beschreibungen gegeben werden, aber es ist höchst unsicher, ob diese Beschreibungen a) korrekt und b) verwertbar sind’, falls Ihr es denn genau wissen wollt, Majestät.“ Kaibas Blick hob sich von den Seiten des roten Buches, seine blauen Augen scharf und kalt zugleich. Seine Mimik hatte sich kein bisschen verändert, aber seine Schultern waren ein wenig, fast unmerklich angezogen und seine Mundwinkel hatten gezuckt. Kombiniert mit den zu Schlitzen verengten, für Lord Kaiba schon fast furiosen Augen, wurde Ryou unwillkürlich an eine wütende Katze erinnert. Nur ein wenig und Gott bewahre, sollte er es jemals in der Öffentlichkeit sagen. „Mr. Bakura, dieser Mann verschwand mit seiner Mannschaft vor den Augen von Englands Adel. Wollen Sie mir erzählen, dass es keine Informationen gibt?“ Ryou suchte nach einer logischen Erklärung, aber die zu finden schien schon fast unmöglich. Wie konnte denn eine regelrechte Menschenmenge Könige und Adelige überfallen, die sieben Weltmeere beschiffen und Gold und Juwelen zusammentragen, ohne identifiziert zu werden? Zumindest Betrunkene erzählten gerne Märchen, und mochten sie noch so unglaubwürdig und nichtig sein. Dieser Atemu musste ein Zauberer sein. Oder… Nachdenklich starrte der Bibliothekar auf die Seite des Buches, die er aufgeschlagen hatte, und überlegte. Er war sich nicht sicher, ob er seinen Verdacht äußern sollte. Er hatte sich stets bemüht, den Leuten in seiner Umgebung nicht zu sehr aufzufallen; so eine tollkühne Behauptung aufzustellen, wäre um einiges schlimmer. Nein, entschloss er sich, er würde seinen Verdacht erstmal für sich behalten. „Ich weiß nicht, warum, Eure Hoheit“, erwiderte er leise und schloss das Buch, stellte es ins Regal zurück und stieg die Leiter hinunter. Er schaute Lord Kaiba nicht an. Er brauchte es auch nicht, um sich den missbilligen Blick zu denken. Prinz Kaiba gefiel das ganz und gar nicht. Wie verfolgte man einen Piraten, der praktisch unsichtbar war? Unruhig schloss er das rote Buch und stellte es wahllos ins Regal, zwischen die vielen anderen Bücher, Protokolle, Landkarten und Aufzeichnungen. Dann ging er nachdenklich an den endlosen Reihen entlang, seine Schritte langsam und kontrolliert. Er registrierte alle Titel, die in verschnörkelter Schrift auf die ledernen Buchrücken gedruckt waren, manche verblasst von dem wenigen Licht, das durch die kleinen Fenster, die eigentlich mehr an Schießscharten erinnerten, in die Bibliothek fiel. Wie besegelte man alle Sieben Weltmeere, ohne dass man aufgehalten wurde? Wie bestahl man Könige und Adelige, ohne dass man festgenommen wurde? Und vor allem: Wie schummelte man ein Dutzend Verbrecher, eben so viele Pistolen und ein großes Segelschiff in die Bucht beziehungsweise in den Palast von Port Royal, ohne dass irgendjemand argwöhnisch wurde? Vor zehn Jahren waren die ersten Gerüchte um diese Piraten aufgekommen, damals noch verhalten, ärgerlich und namenlos. Lord Kaiba war damals sechzehn Jahre alt gewesen, fast schon erwachsen, und hatte noch in Britannien gewohnt, irgendwo auf dem englischen Land, abseits von Städten und Krawallen. Die Piraterie hatte ihn nie interessiert, so wenig wie ihn alles andere interessiert hatte. Er hatte Bücher darüber gelesen, ohne dass die Bücher ihn interessiert hatten, genauso wie er Klavierspielen lernte, obwohl es ihn nicht interessierte, sondern zur feinen Etikette gehörte. Es dauerte damals drei volle Jahre, bis er in seiner abgeschotteten Welt (die zwar aus Empfängen, Bällen, Botschaftsbesuchen und Klavierspielen bestand, aber für die er sich so wenig interessierte, dass er dachte, dass sie den Titel nicht „Welt“ verdiente) das zweite Mal von der Piratenmannschaft unter einem gewissen Atemu (oder Ametu? Es erschien ihm damals nicht wichtig und wurde von der Spitzengesellschaft diskutiert, etwas, von dem er Abstand nahm) hörte. Nur diesmal nicht aus der Karibik, sondern von einem Botschafter aus Frankreich. Wann und wie Atemu über den Atlantik ins Mittelmeer gesegelt war, wusste er nicht, aber war nun offensichtlich dort und überfiel französische Handelsschiffe. Er hatte diese Information aus seinem Gedächtnis gestrichen, sobald das Gespräch mit dem Franzosen beendet gewesen war. Lord Kaiba nahm sich ein Protokollbuch aus dem Regal. Er hatte den Bibliothekar aus den Augen verloren, als in einen anderen Teil der Bibliothek gegangen war. Er las die Zahlen, Daten und Fakten und registrierte sogar die vielen Rechtschreibfehler und dass der Chronist scheinbar auch eine Genitivschwäche hatte, aber innerlich dachte er über ganz andere Zahlen und Fakten nach. 1676, ein Jahr später, war ein turbulentes und ereignisreiches Jahr. Der Papst starb, der neue Prinz zu Schweden wurde geboren und der neue Zar von Russland bestieg den Thron, ein Junge, der selbst jünger als Kaiba, furchtbar entstellt und invalid war. Zar Feodor III war gebildet, sprach nicht nur Russisch und Polnisch, sondern auch Latein. Mit seinen fünfzehn Jahren war er einer der wenigen jungen Menschen in einer führenden Rolle und Lord Kaiba hatte ihn auf einem Empfang kennen und schätzen gelernt, wenn es so etwas im Wortschatz Seto Kaibas überhaupt gab. Aber neben den Ereignissen in den fremden Ländern, geschah auch etwas in England beziehungsweise in Englands Kolonien: Der Indianerkrieg. Was sich schon über ein ganzes Jahr hinzog, fand seinen Höhepunkt und Schluss 1676 und war der wohl blutigste Krieg, den die Indianer in Neuengland je erlebt hatten. Viele Stämme waren nahezu ausgerottet worden, und auch die Neuengländer hatten Verluste davon getragen. Das schob das Vorhaben Lord Kaibas, in die neue Welt zu reisen, um ein paar Jahre auf und verärgerte ihn zunehmend. Und irgendwo zwischen all diesen Geschehnissen tauchte dieser Piratenkapitän wieder auf, den anscheinend die Wanderlust gepackt hatte und der nur knapp den Fängen der dänischen Armee entkam. Mittlerweile war er der berühmteste Pirat im Mittelmeerraum und auch in der Karibik geworden und sein Wappen, ein Falke, war sogar den Damen am Hof bekannt, die sich sonst nicht für solche Dinge interessierten. In den folgenden Jahren hatte Lord Kaiba zu viel zu tun, um sich Geschichten über Piraten und arme, dänische Könige anzuhören. Er war zusammen mit seinem kleinen Bruder über den Atlantik gefahren, hatte sich in Port Royal niedergelassen und dort die Regierungsgeschäfte seines Stiefvaters, der auch immer älter, aber nicht weniger gerissen wurde, übernommen. Gerüchte besagten, dass Kapitän Atemu entlang der afrikanischen Küste gefahren war und nun, vorbei an der englischen Kolonie Indien, das Chinesische Meer erreicht hatte. Und dann hatte ihn etwas aufhorchen lassen und dieses etwas, war eine Krankheit, mit der die Asiaten schon lange zu kämpfen hatten: Die Pest oder der Schwarzen Tod, eine Seuche, die Mensch wie Tier binnen weniger Tage verrotten und sterben ließ und vor nichts und niemandem Halt machte. Und die Verbindung dieser beiden Dinge, Kapitän Atemu und der Pest, machte ihn das erste Mal auf das aufmerksam, was andere schon vor Jahren bemerkt hatten: Dieser Mann war scheinbar anders. Er schaffte es, seine Crew und sein Schiff mit der Pest an Bord über den Pazifik zu bringen. Niemand wusste wirklich, ob auch die Piratenmannschaft sich an der Krankheit angesteckt hatte, aber ganz plötzlich verschwand er von der Bildfläche und alle Welt nahm an, dass ihn der Schwarze Tod dahingerafft hätte. Ein paar Jahre vergingen und Atemu existierte nur noch in den Nachtgeschichten der Kinder. Bis plötzlich das Zeichen des Falken wieder auftauchte und zwar da, wo alles begonnen hatte: In der Karibik. Lord Kaiba glaubte nicht an Gespenster und ließ sich gewiss nicht von einem Kinderschreck einschüchtern. Er hatte es nicht für dringend gehalten und sich geweigert diesem Problem mehr Wichtigkeit zukommen zu lassen, als es wirklich verdiente. Aber nun war dieser unverschämte Nichtsnutz eines Verbrechers gegen ihn direkt vorgegangen und Lord Kaiba konnte ein ungemütlicher Zeitgenosse sein, wenn er auf Rache sinnte. Er ließ sich nicht so einfach vor der Gesellschaft Englands vorführen. Das brachte ihn wieder zu seiner Ausgangsfrage zurück: Wie fand man einen Mann, der vor den Augen des britischen Adels verschwand, ohne dass man ihn festhielt? Wo fing man an zu suchen? „Mr. Bakura.“ Er führte nicht weiter aus, was er damit meinte, und scheinbar brauchte er das auch nicht, denn wenige Sekunden später bog der junge Bibliothekar um ein Regal und ging eiligen Schritts auf ihn zu. Seine Miene war üblich freundlich, aber seine braunen Augen sagten ganz klar, dass er die Anwesenheit des jungen Prinzen als unangenehm und – auch wenn er es gut versteckte – einschüchternd empfand. Lord Kaiba war daran gewöhnt. „Ja, Mylord?“ Der Prinz legte das Protokollbuch, das er immer noch aufgeschlagen in der Hand hielt, wieder in das Regal zurück. „Wo, glauben Sie, würde sich ein Piratenkönig aufhalten?“ Er richtete seine blauen Augen besonnen und nachdenklich auf den jungen Albino, der verhalten nach dem Buch griff, das er gerade auf das Regalbrett gelegt hatte, und es an seinen Platz schob, bevor er antwortete. „Ich weiß es nicht, Mylord. Aber ich wüsste einen Ort, an dem man es erfahren könnte.“ Lord Kaiba hob eine Augenbraue, das einzige Bekunden von Interesse (falls es so etwas für ihn gab), das man von ihm erhalten konnte und würde. „Und der wäre?“ Der Bibliothekar schwieg kurz, dann sah er auf, als sei er versucht eine Gegenfrage zu stellen, besinnte sich dann aber auf ein einziges Wort: „Tortuga.“ Tortuga. Die Insel der Piraten. Die Insel, wo die Frauen freizügiger waren als jede Prostituierte in England, der Alkohol fast heilig war und Freibeuter ein- und ausgingen, dass es ein Ding der Unverschämtheit war, wenn man bedachte, dass die Insel so nah an Jamaika lag. Es war purer Wahnsinn, dorthin zu reisen. Es war etwas, das unmöglich schien, sehr wahrscheinlich auch war, etwas, woran man in seinen kühnsten Träumen nicht dachte und das man verfluchte, wenn man es doch irgendwann einmal tun musste. Es war absurd und unlogisch, denn sie waren keine Piraten und der Prinz von England würde bestimmt nicht mit offenen Armen empfangen werden. Wohl eher würde man ihn lynchen und zur Belustigung am Eingang der Bucht aufhängen. …Und es war etwas, das niemand erwarten würde. Lord Kaiba musterte den Bibliothekar genau und lange. Der junge Mann war rot geworden, als ihm die lange Stille des Adeligen unangenehm wurde und sah ihm nun tunlichst nicht in die Augen. Und da fasste Kaiba einen Entschluss. Er war noch nie vor einer Herausforderung davongelaufen und würde es jetzt auch nicht tun. Falls irgendjemand wusste, wo Atemus Versteck lag, dann war er oder sie in Tortuga. Der Blick des Prinzen löste sich von dem jungen Bibliothekar und er schritt an ihm vorbei zum Ausgang der Bibliothek. „Mr. Bakura, Sie kommen mit mir.“ Ryou machte sich eiligst daran seinem Herrn zu folgen, der schon links in den langen Korridor eingebogen war. Er hatte seine liebe Mühe mit den langen und schnellen Schritten des Prinzen mitzuhalten und musste rennen, um ihn noch einzuholen. Verwirrt und atemlos fragte er: „Ich? Wohin?“ Lord Kaiba sah ihn von der Seite an, eine Augenbraue hochgezogen und eine Entschlossenheit im Blick, die Ryou mulmig werden ließ. „Wir werden ein paar Piraten jagen“, antwortete Kaiba, die Stimme zwar genauso ruhig, aber nicht ganz so gleichgültig wie sonst. Ryou blieb wie vom Donner gerührt stehen, die Augen weit und das Gesicht bleich. „A-Aber Sir! I-Ich bin ein Bibliothekar! Kein Abenteurer!“ Er eilte ihm nach, panisch und ängstlich. „Nun, ab jetzt sind Sie es. Sie wurden gerade entlassen und neu als mein persönlicher Berater eingestellt, da der letzte uns ja unglücklicherweise heute verlassen hat“, erwiderte Lord Kaiba ruhig und ohne innezuhalten. Ryou lief ihm hinterher und wollte etwas – irgendetwas – sagen, aber kein Wort wollte über seine Lippen kommen. Also schloss er den Mund wieder und zog hilflos die Schultern hoch. Lord Kaiba sandte ihm nur einen zufriedenen Blick und ein wissendes, endgültiges, kaltes Lächeln legte sich auf seine Lippen und gab ihm die Ausstrahlung eines Raubtiers, das seinem Opfer bedeuten wollte, dass es sterben würde, bevor es ihm die Kehle durchbiss. Und Ryou glaubte plötzlich zu wissen, warum Scharfrichter schwarze Masken trugen. Fast trotzig wurde er langsamer, verschränkte die Arme und zog die Augenbrauen zusammen. „Fein. Was auch immer.“ Aber Lord Kaiba war schon hinter der nächsten Ecke verschwunden. A/N: Endlich geschafft. :D Ich bin zwar nicht der Meinung, dass dieses Kapitel so gut gelungen ist, wie es eigentlich sollte, aber es ist fertig und das ist schon mal gut. Es ist voller Erklärungen, die aber wichtig für den Handlungsverlauf sind. Ich hoffe, es gefällt. Zu den Kommentaren: Tebi-chan: Hinter Mai steckt mehr, als man auf den ersten Blick erkennt. :3 Ich mag sie eigentlich sehr gern und auch wenn ich Jounouchi nicht ganz so gut leiden kann, finde ich, dass er und Mai ein schönes Paar abgeben. Und ob es weitere Pairings geben wird, kann ich dir leider nicht sagen, aus dem einfachen Grund, weil ich es selbst noch nicht weiß. uû Ich liebäugele mit ein paar von ihnen, aber ob ich sie wirklich mit einbringe, kann ich noch nicht sagen. Dyingrose: Ich bin auch überzeugter Prideshipper, aber ein paar andere Pairings geben der Geschichte die nötige Würze. :3 Außerdem sind sie wichtig für die zwischenmenschlichen Beziehungen nicht nur zwischen den beiden Partnern, sondern auch für die anderen. ^^ Hoffe, dir gefällt dieses Kapitel. Takepon: Ich liebe deinen Kommentar. :3 Ja, es ist vermutlich unwahrscheinlich, dass ein englischer Prinz in eine Kolonie zieht, aber ich denke mir, dass Seto, der damals immerhin schon über zwanzig war, seinen Willen gut durchzusetzen vermochte. Außerdem war Neuengland ja nicht eine Hinterwäldlerprovinz im fernen Südostasien, sondern der Treffpunkt der High-Society und so musste man auch keine Angst haben, dass er heimlich abgestochen wurde oder den Bezug zur feinen Etikette verlor. Aber ich hoffe das geht im Laufe der Geschichte auch noch hervor. ^^ So, das war dein Kritikpunkt, kommen wir zu dem Rest: Vielen, vielen Dank. :3 Ich habe lange überlegt, wie ich das Ganze aufziehe und es ist schön, dass es dir gefällt. Lob ist doch der beste Brennstoff, den ein Autor bekommen kann. Ich hoffe, du magst dieses Kapitel, auch wenn ich es für etwas… *hust* missraten halte. AngelDaisy: In diesem Kapitel herrscht viel Erklärungswirrwarr und die Pairings an sich gehen ziemlich unter. Dafür wird es im nächsten Kapitel etwas mehr Jou/Mai-Gedankenstoff geben.  Danke für deinen Kommentar! Chifuyu: Wow, du hast dir die Mühe gemacht, jedes Kapitel zu kommentieren. :D Vielen, vielen Dank für das wundervolle Lob, das mir in den Hintern getreten hat, dass ich endlich mal weiter schreibe. Ich habe mir gedacht, wenn sich schon jemand die Arbeit macht, dann kann ich mich ja mal ein bisschen beeilen. uû Und so hast du jetzt das Ergebnis eines langen, langen Sonntags gelesen. :3 Außerdem wollte ich noch sagen, dass das Lob, dass die Charaktere IC sind, wahrscheinlich das beste ist, dass man einem Schreiberling machen kann. :D Ganz lieben Dank noch mal! Post Scriptum: Ich mag Jou auch nicht so gern, aber irgendwie bringe ich es nie übers Herz einen Charakter fertig zu machen. Und die Beziehung zu Mai wird natürlich noch ausgebaut. :3 Zur Recherche: 1) Atemus Schiffe sind echten Schiffen nachempfunden. Von den Beschreibungen passt die Sovereign zur HMS Victory, Admiral Nelsons Schiff in der Schlacht von Trafalgar. Leider ist mir die Seite, von der ich meine Informationen habe, abhanden gekommen und nun weiß ich nicht mehr genau, welches Schiff zu welchem Schiff gehörte. 2) Schoner waren sehr beliebte Piratenschiffe, weil sie schnell und wendig waren. Denn, so sehr Piraten romantisiert werden, waren sie meist eher darauf bedacht, die eigene Haut zu retten. *hust* Aber das übersehen wir gekonnt. uû Auf jeden Fall wurden Schoner erst Anfang des 18. Jahrhunderts gebaut, wenn meine Informationen stimmen, aber man soll ja nicht zu kleinlich sein. 3) Der Buchdruck wurde im 15. Jahrhundert von Johann Gutenberg erfunden. Ich denke, dass er sich bis 1684 etabliert haben sollte. *lol* 4) Ich habe wirklich nicht die geringste Ahnung, ob es möglich war, alle sieben Weltmeere zu durchqueren. Die Historiker sind sich ja nicht mal sicher, wo die Sieben Weltmeere überhaupt waren. Ich verwende folgende Version: Atlantik, Pazifik, Mittelmeer, Gelbes Meer, Karibik, Indik und Ostsee. Einfach aus dem Grund, weil es schwer ist, ein Schiff ungesehen ins Rote Meer zu bringen. Das nächste Kapitel heißt „Blinder Passagier“ und wird dann erscheinen, wenn ich es geschrieben habe. ^^; Schule und Writer’s Block machen es mir gerade etwas schwer, regelmäßig hochzuladen. Kapitel 5: Blinder Passagier ---------------------------- Nachdem Schreiberling mir vor einigen Tagen ins Gästebuch geschrieben hatte, habe ich mich mal wieder vor dieses Werk gesetzt und den Berg Arbeit, der da auf mich zukommt, etwas genauer in Augenschein genommen. Ungefähr fünfundzwanzig Kapitel werde ich benötigen, um diese Geschichte vollständig abzuschließen, und mir juckt es in den Fingern einige Szenen zu schreiben. Aber wie bei allen Fanfiction gibt es auch Passagen, die nicht allzu spannend sind, aber auf Papier gebracht werden müssen. So ein Kapitel ist Blinder Passagier. Deshalb hatte ich es lange aufgeschoben, aber nun habe ich richtig diebische Freude daran. Ich hoffe ihr auch. Anmerkungen wie immer am Ende. Blinder Passagier Lord Kaiba plante für drei Wochen im Stillen. Die einzigen Eingeweihten waren sein kleiner Bruder und der Bibliothekar Ryou Bakura. Die Wartezeit schmerzte, war aber leider unumgänglich. Ein Prinz des englischen Königshauses lief nicht einfach davon wie ein Straßenjunge und jagte Abenteuern hinterher. Auch wenn er es selber nicht so sah, so wusste Lord Kaiba doch, wie andere über ihn denken würden, allen voran sein Vater, der ihn für den Verlust seines Siegelrings ausmachte und ihm einen langen Brief voller Anklagen schickte, den Kaiba nach dem ersten Lesen sofort ins Feuer warf. Offiziell fuhr er morgen nach Virginia, bis sich die Fronten erregter Adliger geglättet hatten. Rebecca hatte ihn beschuldigt, sie belästigt zu haben; eine absurde Lüge, die sich in ihrem kindischen Trotz nur leisten konnte, weil ihr Großvater gut mit dem König befreundet war und der König seine Freunde schon immer mehr als seinen Nachfolger geschätzt hatte. Da Lord Kaiba nicht der erste war, den die junge Lady Hopkins angeklagt hatte, wurde sie an Hofe einfach ignoriert. Nun, nach drei langen Wochen der Vorbereitung, standen unter all den anderen zwei bestimmte Schiffe im Hafen von Port Royal bereit. Ein großes Schiff der königlichen Flotte, bewaffnet bis an die Oberdecks und mit treuen Soldaten an Bord, die die königliche Familie bewachen sollten. Mit diesem Schiff würde Mokuba nach Virginia fahren. Kaiba mochte die Idee nicht, seinen Bruder allein in Neuengland zu lassen, aber es gab nichts, was ihm zustoßen konnte. Er würde in guten Händen sein. Das andere Schiff war ein herkömmliches Händlerschiff. Es hatte eineinhalb Wochen gedauert bis Ryou Bakura, der Bibliothekar, in den Protokollen der Handelsrouten ein Schiff gefunden hatte, das in seinen Aufzeichnungen öfters merkwürdige Lücken aufwies. Sie hatten endlich einen Händler gefunden, der illegal in Tortuga an- und verkaufte. Den Mann zu überzeugen, die beiden Männer auf seiner nächsten Fahrt unter absoluter Schweigepflicht mitzunehmen, war nicht schwer gewesen. Die volle Autorität eines Seto Kaiba und die Aussicht auf einen Prozess, der sehr gut mit dem Tod enden konnte, überzeugten auch den stärksten Mann. Ryou Bakura, der offensichtlich am Verstand des jungen Aristokraten zweifelte, aber dennoch gehorsam seine Aufgaben erfüllte, hatte seine Proteste schon lange aufgegeben. Sie waren ins Leere gelaufen. VAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAVAV „Oh Gott… Gottgottgott-“ Das leise Fluchen wurde durch ein unappetitliches Würgen unterbrochen und Ryou Bakuras blasse Hände verkrampften sich auf der Reling. Sein weißes Haar war zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengebunden, so dass es ihm nichts ins Gesicht hing. Das wäre unangenehm. Ich hatte es fast verdrängt. Nun wünschte er sich, er hätte Lord Kaiba mit seiner Arroganz vor drei Wochen einfach vors Schienenbein getreten. Nach einer halben Stunde hatte sein Magen sich insofern beruhigt, dass er nichts mehr zu beinhalten schien. Müde und halb verzweifelt sank er an der Reling entlang auf den Boden und legte den Kopf beruhigend zurück. Die Gischt brannte in seinem Nacken wie Feuerfunken und der Geruch von Salz hatte seine Nase ausgetrocknet und seine Lippen spröde gemacht. Sein weißes Hemd was durchweicht und die Stiefel nass vom heraufspritzenden Wasser. Er verzog das Gesicht angewidert, als er sich mit der Zunge über die Lippen fuhr. „Geht’s gut?“ Ein Seemann kam zögerlich auf ihn zu, ein Seil über seine Schulter geschlungen und die Hosen zerrissen von der Arbeit an Bord. Ryou versuchte sein Gesicht einzuordnen, aber eine besonders hinterlistige Welle, die aufs Deck spülte und seine Hose aufweichte, vertrieb alles außer dem widerlichen Gefühl auf dem Grund seines Magens. Hastig sprang er auf und lehnte sich wieder über die Reling. Der Seemann sah ihn nur mitleidig an und wartete, bis der junge Bibliothekar fertig war und sich wieder herumgedreht hatte, die Hand vor dem Mund. Er war leichenblass und seine Augen wässrig vom scharfen Salzgeruch und der Anstrengung. „Solltest dich vielleicht hinlegen, mein Freund. Kaltes Wasser wirkt Wunder, sag ich dir.“ Ryou sah ihn irritiert an. Ich hasse Wasser für den Rest meines Lebens. Aber, höflich wie er war, zauberte er ein freundliches Lächeln auf sein gequältes Gesicht. „Ich komme schon zurecht.“ Der Mann zuckte nur mit den Schultern. „Wenn du meinst.“ Er warf ihm einen letzten argwöhnischen Blick zu, dann schulterte er sein Seil und verschwand auf dem Achterdeck hinter den Kajüten. Ryou sackte in sich zusammen und knöpfte erschöpft die ersten zwei Knöpfe seines Hemdes auf. Er hatte es so satt. Normalerweise war er ruhig, gewissenhaft, zuvorkommend – eine Heulsuse, hatte seine Mutter so oft gesagt. Aber nach drei Wochen eines kompletten Lebenswechsels fühlte er sich erschöpft. Er mochte die ruhige Arbeit in der Bibliothek. Diese Arbeit unter Lord Kaiba aber war anstrengend, kräftezehrend und undankbar. „W-Was? HILFE!“ Ryou sah überrascht auf. Was war das? Hastig klopfte er sich den Staub von der Hose und machte sich auf in die Richtung, aus der der Hilfeschrei gekommen war. Die Tür zur Kapitänskajüte und die Klappe zu den Unterdecks schwangen auf und ein paar irritierte, fragende Gesichter erschienen. Der Mann im Ausguck beugte sich über die hölzerne Einfassung und rief etwas Unverständliches in spanischem Akzent. Ryou ignorierte sie alle geflissentlich und eilte um die obersten Decks. Und blieb wie vom Donner gerührt stehen. Der junge Seemann, den er eben noch gesehen hatte, stand gegen die Reling gepresst, die Hände abwehrend erhoben und das Gesicht blass wie Papier. Das Seil, das er getragen hatte, war zu Boden gefallen. Ihm gegenüber stand ein- „Pi-Pirat!“, stammelte der Seemann, die Augen weit aufgerissen. Er schluckte einmal schwer. Ryou stand wie eingefroren. Eine Pistole genau zwischen die Augen des jungen Crewmitglieds gerichtet stand ein hochgewachsener Mann mit pechschwarzem Haar. Eine dunkelbraune Lederklappe verdeckte eines seiner Augen und an seiner ausgewaschenen, dreckigen Hose war ein langes Schwert in einer einfachen Scheide befestigt. Sein Gesicht war eiskalt. „Was haben wir denn hier? Einen blinden Passagier.“ Der Seemann sah den Piraten verwirrt an. Dann schnaubte er abfällig. „Ich? Ich ein blinder Passagier? Hör mal-“ Die Waffe klickte, als der Freibeuter den Hahn zurückzog. „Jounouchi Katsuya. Ich erinnere mich nicht daran, dass dein Name auf der Schiffsliste steht.“ Ryous Augen weiteten sich. „Jounouchi Katsuya? Lord Katsuya? Aber-“ Er hatte den jungen Lord nur einmal kurz in Begleitung von Lady Rebecca gesehen. Deshalb war er ihm so bekannt vorgekommen! Jou starrte den Piraten trotzig an. Er wusste anscheinend selber nicht, ob er nun Angst haben oder sich einfach nur wundern sollte. Seine Hände lagen auf der Reling und kneteten das alte, gischtgegerbte Holz, so dass seine Knöchel weiß unter seiner Haut hervortraten. Er hatte gehofft, in Tortuga von Bord gehen zu können und sich über diesen Atemu erkundigen zu können. Er hatte den Bibliothekar über dieses Schiff reden hören und war an Bord gegangen. Nun fragte er sich, warum ein Bibliothekar – ein Bibliothekar – auf einem Schiff, das zu einer Pirateninsel segelte, tat. Er hatte nicht mehr die Zeit gehabt, über die genaueren Umstände nachzudenken. Jetzt dachte er an Hochverrat. „Verräter!“, zischte er Ryou zu, die Pistole des Piraten immer noch auf seine Stirn gerichtet. „Lässt dich mit Piraten ein, du räudiger Mistkerl!“ Ryou sah ihn zuerst verwirrt, dann panisch an. Er hob abwehrend die Hände, Tränen des Entsetzens in den Augen. „Ich schwöre Euch, Lord Katsuya, ich habe nichts damit zu tun!“ Jou wollte etwas erwidern, als der Pirat die Waffe sinken ließ und unter wegsteckte. Er sah den Blonden abwertend an, pure Verachtung und Missbilligung in dem einen Auge, das zu sehen war. „Für winselnde Hunde wie dich gibt es Namen: Heuchler.“ Seine Mundwinkel zuckten, dann fügte er noch kalt hinzu: „Wieso sonst sollte ein Mitglied der königlichen Familie verdeckt nach Tortuga segeln wollen?“ Jounouchi wollte etwas erwidern, als ihm plötzlich die Worte im Hals stecken blieben. Seine Augen weiteten sich und Unglauben färbte sie hell. „Lord... Lord Kaiba?“, stotterte Ryou und ließ die Hände überrascht an die Seiten fallen, das Gesicht leichenblass vor Schreck. Der vermeintliche Pirat warf Jounouchi einen letzten verächtlichen Blick zu und drehte sich dann zu seinem Bibliothekar herum. Er zog eine schwarze Augenbraue hoch. „Zumindest scheint die Verkleidung zu wirken. Nun muss sich nur noch herausstellen, ob sie auch bei diesem Bastard eines Freibeuters Erfolg zeigt. Und du“, sagte er an seinen Stiefcousin gewandt, „kannst von Glück sagen, dass ich dich nicht über Bord werfen lasse. Du bist die Pest. Nenn mir einen Grund, warum ich dich nicht in ein Beiboot setzen lassen sollte, so dass du den Weg zurück nach Port Royal rudern kannst?“ Jounouchi biss die Zähne hart aufeinander und sandte Kaiba den schwärzesten Blick, den er aufbringen konnte. Arroganter Bastard. Aber ihm war klar, dass eben dieser Bastard die Macht hatte, seine Drohung wahrzumachen. Und das hieß, er hatte die Zügel in der Hand. Mühsam schluckte er die Beleidigung, die ihm auf der Zunge lag, herunter und senkte den Kopf. „Ich muss nach Tortuga“, brachte er mühsam hervor und am liebsten hätte er sich auf die Zunge gebissen. Kaiba sah ihn gleichgültig an. Seine abgenutzten Stiefel, die Weste, das Hemd, die Hose… Ryou hätte schwören können, dass er, kombiniert mit seinen kalten Augen, direkt aus einer Gutenachtgeschichte entsprungen war. Einer Geschichte über Piraten und Seeungeheurer. Wobei er sich fragte, ob Lord Kaiba eher zum ersteren oder doch zum letzteren gehörte. Der Bibliothekar hatte ihn nicht wieder erkannt, beim besten Willen nicht. Die schwarzen Haare, von denen er sich immer noch fragte, wo sie herkamen, und die dunkle Hautfarbe, von der er wenigstens ahnte, wie sie zustande gekommen war (es schien die Art Lord Kaibas zu sein, den Piraten, der ihn erniedrigt hatte, mit den eigenen Waffen zu schlagen), boten ein so anderes Bild, als er es von dem perfektionistischen Aristokraten gewöhnt war. Ryou wusste nicht, ob er nun verängstigt oder begeistert sein sollte. Fest stand, dass dieses Abenteuer viel gefährlicher werden würde, als er es angenommen hatte. Ihm wurde wieder unwohl im Magen. „Das reicht mir nicht“, erwiderte Lord Kaiba nach einer Weile und wandte sich ab, um zurück in seine Kabine zu gehen. Jous Kopf fuhr hoch und er zog hastig die Luft zwischen den Zähnen ein. Er zögerte kurz, sein Kopf schmerzend. Er starrte hasserfüllt den Hinterkopf seines Cousins an, dann schrie er ihm wütend hinterher: „Du bist selber ein Heuchler, du verdammter Bastard eines britischen Taugenichts! Du willst mir Vorschriften machen? Schau dich doch mal an! Mir ist verdammt egal, was du zu sagen hast! Du bist keinen Deut besser!“ Ryou zuckte merklich zusammen und wartete auf die Explosion, die folgen musste. Zusammengekauert sah er Lord Kaiba an, der stehen geblieben war ohne sich umzudrehen. Es war still auf Deck und sogar Jou musste gemerkt haben, dass er einen Schritt zu weit gegangen war, denn er wurde plötzlich merklich blass. Dann drehte sich Kaiba um, ruhig, beherrscht und genauso gleichgültig wie vorher. Er zog eine schwarze Augenbraue hoch und erwiderte selbstsicher: „Ich habe es nie geleugnet. Willst du nun deinen Atem verbrauchen, um mich zu beleidigen oder doch lieber um mich zu überzeugen?“ Jou öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schien aber die Worte nicht zu finden. Er ballte die Hände zu Fäusten zusammen und biss sich auf die Lippe. „Ich… Ich muss…“ Er wurde rot und sah schnell weg. „Da gibt es…“ Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Ah.“ Lord Kaibas lächelte selbstsicher und spöttisch, seine kalten Augen amüsiert. „Wer hätte das gedacht.“ Ryou lief ein Schauer über den Rücken, als er das Lächeln des Aristokraten sah. Es ging ihm durch Mark und Bein. Heimlich dachte er bei sich, ob Lord Kaiba nicht die falsche Arbeit ausübte. Dann korrigierte er sich aber direkt selber: Meist liegen Politik und Piraterie gar nicht so weit auseinander. Was dann geschah, überraschte sowohl den Bibliothekar wie auch den blonden Lord. Lord Kaiba warf Jou eine Waffe zu, die er aus seinem Gürtel zog. „Hier. Es ist vielleicht gar nicht eine so schlechte Idee, dich mitzunehmen. Wir fallen weniger unter all den Taugenichtsen und Tagedieben auf.“ Dann wurde seine Stimme drohend. „Ich warne dich aber: Eine falsche Bemerkung, eine waghalsige Handlung und ich sorge persönlich dafür, dass dir die Stimmbänder einzeln herausgeschnitten werden.“ Und weder Ryou, noch Jou oder der Kapitän, der leise und geduckt die Tür seiner Kajüte wieder schloss, zweifelten daran, dass diese Drohung ernst gemeint war. „Land in Sicht! Land in Sicht!“, schrie plötzlich der Spanier vom Ausguck aus und zeigte nach Norden. Ryou sah überrascht auf. Zuerst dachte er, es sei Panik, die da in seinen Magen spülte, aber – nachdem er das Vorderdeck erreicht hatte, erkannte er, was es wirklich war: Erwartung. Spannung. Er umfasste die Reling fester und lehnte sich in den Wind. Er sah auf, als Lord Katsuya an seine Rechte trat und, die Augen mit der Hand abgeschirmt und ein Grinsen auf dem Gesicht, über das Meer sah. Die Vorfreude stand ihm ins Gesicht geschrieben und der Streit und die Wut schienen vergessen. Ryou drehte den Kopf, als Lord Kaiba mit gemäßigten Schritten an die Reling trat, Arme verschränkt, Augen bedrohlich schmal, und dasselbe gefährliche Lächeln seine Lippen berührte, das jeden normalen Mann erschauern ließ. Ryou seufzte und sah wieder aufs Meer. Und auch er konnte ein Grinsen nicht mehr unterdrücken, als die Gischt ihm ins Gesicht peitschte und der Fahrtwind ihm die Haare zerwühlte. Vor ihnen ragte ein Berg aus Felsen und Klippen aus dem Meer, vom Nebel teils verschleiert und von karibischem, azurblauem Meer umgeben. Tortuga. Nächstel Kapitel: Schmuggelware A/N: Ich habe bemerkt, dass Kaiba Ryou im letzten Kapitel siezt. Ich werde das ändern, falls es jemandem auffallen sollte. (Ich finde es übrigens schön, dass Ryou so gut bei euch ankommt. Bei der Charakterentwicklung ist er mir sehr ans Herz gewachsen.) Kaibas Aussehen ist jedem selbst überlassen. Ich habe zwar ein genauses Bild im Kopf, aber ich wollte euch die langen Erklärungen ersparen und zum Fanartzeichnen bin ich einfach zu untalentiert. Also, Fantasie ist das Schlagwort. Vielleicht gehe ich später noch einmal näher darauf ein. Kommentare: Chifuyu: Danke für deinen lieben Kommentar, einmal wieder. Die Zusatzinformationen müssen sein, denn sonst tun sich plötzlich ganz hinterlistige Plotlöcher auf, in die ich dann stolpere. Nur ist es schwer, dabei alles und jeden im Auge zu behalten. Ich hoffe doch, du verzeihst mir die lange Wartezeit und liest dieses Kapitel. Writer's Block kann was ganz Fieses sein. takepon: Wie hinter jeder Geschichte steht auch hinter der Legende Atemus eine Realität, die vielleicht von den Mythen abweicht. Aber eins kann ich dir verraten: Geisterpiraten sind sie nicht. Ich habe zwar das Thema von Fluch der Karibik übernommen, aber ich möchte trotzdem, dass es meine eigene Geschichte bleibt. Ich finde es toll, wenn Leser sich auch Gedanken machen. Das zeigt mir, dass ich nicht zu offensichtlich werde. Ich hoffe du verstehst, dass ich leider nichts verraten kann. Dann wäre das Ganze ja für die Katz' und ich könnte gleich die Zusammenfassung hier hochladen. :) Tebi-chan: Du treue Seele. Ich engagiere dich als meinen königlichen Schulterklopfer. :D Ja, meine Prüfungen und übrigens auch mein Zeugnis sind sehr gut ausgefallen. Was die Pairings angeht: Ich werde versuchen, auch andere Arten von Beziehungen einzubringen. Ich möchte nicht, dass es zu unrealistisch wird. ...Ich bin vom Lob berauscht. Ich hoffe, dir gefällt dieses Kapitel. Mir hat es Spaß gemacht. Schreiberling: Dein Gästebucheintrag hat mir gezeigt, dass es nicht in Ordnung ist, Leser so lange warten zu lassen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen und habe mich drangesetzt und - voilà - ein neues Kapitel. Fluch der Karibik: Natürlich habe ich Teil 2 schon gesehen. Er war anders als der erste, wenn auch nicht unbedingt schlechter. Dennoch: Teil 1 bleibt mein Liebling. Dieses Kapitel ist fast gänzlich unter Einfluss des Soundtracks entstanden, insbesondere unter Einfluss dieses Lieds: Barbossa is hungry. Ich liebe nicht nur Barbossa, sondern auch die Szene, in der dieses Lied gespielt wird. Es ist die Passage, in der die Pearl die Interceptor verfolgt und Elizabeth vorschlägt, den Steuerbordanker herunterzulassen. Drink up, me 'earties, yoho! Kapitel 6: Schmugglerware ------------------------- Hier ist es: Das neue Kapitel. Und wir haben mal wieder Handlung! Yoho, me 'earties, viel Spaß. Schmugglerware „Ich erhöhe um zwanzig!“ „Da gehe ich doch mit!“ „Du bluffst doch.“ „Was tue ich, du verdammter Taugenichts?“ „Ich gehe auch mit.“ „Du hast doch gar nichts mehr.“ „Genau, du bist doch so blank wie Ceciles Tittchen!“ Allgemeines Gelächter und Gegröle. „Na, für die Tittchen habe ich doch immer ein paar Münzen übrig! Hey, Cecile!“ Die Männer stießen an und pfiffen laut, die Karten immer noch in den Händen und die Taschen entweder leer oder prall gefüllt – und das nicht immer mit fairen Mitteln. Einer von ihnen, ein großer Blonder mit einem hageren Gesicht und Pferdezähnen winkte der Hure in der Ecke der verqualmten und stinkenden Kneipe zu, während die anderen sich prächtig amüsierten. „Halt’s Maul, Tom, ich bin beschäftigt!“, rief die opulente Frau ihm verärgert zu, während sie sich daran begab, ihrem kahlköpfigen, älteren Klienten die Hose auszuziehen, während dieser ihre blanken Brüste angeiferte. Ryou schloss schnell die Augen und sah irgendwo anders hin, nur nicht auf dieses Schauspiel, das die anderen Männer gar nicht abzuschrecken schien – im Gegenteil. Wo bin ich da nur hineingeraten? Er hatte das Gefühl, er sei in einem furchtbaren Alptraum gelandet. Er hatte sich denken können, dass es schlimm werden würde, aber so schlimm… Und sie hatten Atemu noch nicht einmal gefunden. Im Prinzip hatten sie nicht die geringste Spur von ihm und wie es schien hatte Lord Kaiba (Seth, verbesserte sich Ryou gedanklich, Seth, nicht Lord Kaiba. Er durfte sich keine Patzer leisten.) auch anscheinend, um es salopp zu sagen, keine Ahnung, wo sie suchen sollten. Aber das gab er natürlich weder zu, noch ließ er sich es anmerken. Ryou seufzte tief. Hatte er sich das so einfach vorgestellt? Sie segelten nach Tortuga, verabschiedeten den Kapitän mehr oder minder freundlich, mischten sich unter die Menschen und würden dann schon in Kapitän Atemu, den meistgesuchten Piraten der Welt, hineinlaufen? Und dann würden sie ihn festnehmen und abführen? …Sicher. Ryou war gesund naiv, nicht krankhaft dumm. Aber irgendetwas in ihm hatte doch gehofft, dass es so kommen würde. …Er wollte in seine Bibliothek. Er fuhr sich fahrig durch die verstaubten Haare, die er zu einem Zopf hochgebunden hatte, und begann mit den Perlen und Ketten zu spielen, die darin verflochten waren. Hier stinkt es, dachte er. Was er meinte, war Mir stinkt es. Er rümpfte die Nase. „Hey, Jungs, was isset?“ Ryou sah auf und beobachtete den Schankwirt, einen dürren, großen Mann mit fettigen Haaren und eingefallen Augenhöhlen. Seine klauenartigen Hände umkrampften unmenschlich fest ein dreckiges Tuch, mit dem er einen abgenutzten Krug säuberte. Seine glühenden schwarzen Käferaugen waren auf Jounouchi gerichtet und sein linkes Lid zuckte unablässig. Mama, Hilfe. Möglichst unauffällig versuchte Ryou sich hinter einem der hölzernen, morschen Stützbalken, die die Thekendecke hielten, zu verstecken. Er beobachtete Jou, der den Mann hitzig ansah. „Was?“, fauchte er. Scheinbar hatte der lange Tag auch an seinen Nerven gezerrt. Der Wirt rollte die Augen und schnalzte mit der Zunge. „Willste wat bestell’n, Bürschch’n, oder nich? Ich hab’ nich den ganz’n Tag Zeit.“ Jou schien etwas Passendes erwidern zu wollen und war schon halb aufgestanden, als eine ruhige Stimme ihn unterbrach. „Rum. Für uns alle“, erklärte Seth zu Ryous Rechten gelassen. Er hatte die Arme verschränkt und starrte den Wirt aus seinem sehbaren blauen Auge in Grund und Boden. Seine Pistole steckte in einem Halfter an seiner Seite, zu unschuldig um keine Drohung zu sein. Der Wirt beugte sich zu ihm hinüber und zeigte in einem unangenehmen Grinsen einen Satz fauliger Zähne. „Kannste denn auch zahlen, Jüngel-“ Er stockte, als er Ryou ansah. Seine Augen wurden erst weit, dann zogen sie sich misstrauisch zu schwarz glänzenden Schlitzen zusammen. „Akefia?“ Er hatte es nicht besonders laut gesagt und Ryou hätte schwören können, es hätte in der Geräuschgewalt untergehen müssen, aber zu seiner Verwunderung wurde es in der Kneipe plötzlich still. Grabesstill. Zuerst lachte noch ein betrunkener Idiot, den seine Trinkkumpane aber schnell zum Schweigen brachten, und ein paar Stühle scharrten über den Boden, aber dann erstarb auch das letzte Geräusch – zufällig das altersschwache Stöhnen von Ceciles Freier. Ryou erlebte das unangenehme Gefühl, alle Blicke auf sich gerichtet zu haben, und er bekam eine Gänsehaut. Ihm wurde durchweg schlecht, als der Wirt – und mit ihm zig andere Augenpaare – ihn genauestens beobachte. Er brachte nicht einmal ein „Äh“ zustande, nichts. Er fühlte sich vor Angst vollkommen bewegungsunfähig. „Bist du Akefia? Wer zum Teufel biste, Bursche?“, zischte der Wirt, skeptisch und nun plötzlich noch gefährlicher und bedrohlicher, als er vorher ohnehin schon ausgesehen hatte. Ein Murmeln rauschte durch die Kneipe. Ryou konnte wirklich nicht sagen, ob er im Moment kreidebleich oder rot war. Er hatte Todesangst. Er würde sich verraten, es war seine Schuld, er allein- „Alter Mann, siehst du nicht, dass er nicht Akefia ist?“ Seth stützte sich mit dem Ellbogen auf der Bar auf, den Kopf in die Handfläche gestützt und ein eisernes Lächeln auf den Lippen. Sein Blick war ruhig und gelassen, keine Spur Angst, herausgefunden zu werden, einfach nur kühl und abweisend und wie zum Teufel macht er das? Ryou konnte sein Herz in seinen Ohren widerhallen hören. „Aber du bist nicht dumm, Alter. Er ist sein Bruder“, fügte Seth noch spöttisch hinzu. Der Wirt beäugte Seth kritisch. „Akefia hat keinen Bruder“, erwiderte er nach einer Zeit selbstgefällig. Er griff unter seine Theke – keinerlei Zweifel lag dort seine Flinte oder Pistole versteckt. Ein paar der Gäste griffen an ihre Gürtel, um ihre eigenen Waffen zu lösen. Seth lächelte abfällig, die Augen leicht zu Schlitzen verengt – der Raubtierblick. „Sein Halbbruder. Sind deine Augen so schlecht, dass du die Ähnlichkeit nicht erkennen kannst?“ Der misstrauische Blick des Wirtes huschte aufmerksam von Seth zu Ryou und wieder zurück. Nach einer Weile zog er die Hand unter der Theke zurück und zischte verärgert: „Und wer bist du, Junge?“ Ein Tritt unter der Theke schreckte Ryou aus seiner Starre und er versuchte die Gewalt über seine entgleisten Gesichtszüge wiederzuerlangen. Er nickte und stimmte so der Geschichte, von der er nicht wusste, wo Lord Kaiba sie plötzlich hergeholt hatte, zu. Er hoffte nur, dass sie hier lebend herauskamen. Seth sah den Wirt lange an. Dann lehnte er sich zurück und grinste. „Tah. Ich weiß zwar nicht, was es dich anginge, aber mein Name ist Seth.“ „Ich hab’ noch nie von dir gehört.“ Skepsis. Seth rollte die Augen. „Hätte mich auch gewundert. Ich und meine Freunde hier sind auf der Flucht vor der britischen Marine. Hat unser Schmuggelunternehmen vor Santo Domingo hochgenommen. Keine schöne Geschichte.“ Er grinste. „Und jetzt sind wir hier, um seinen Bruder zu finden. Und vielleicht etwas Startkapital für einen Neuanfang, das verstehst du doch, oder?“ Irgendwie war es erschreckend, wie leicht und überzeugend Lord Kaiba in die Rolle des flüchtenden Freibeuters geschlüpft war. Der leicht spanische Akzent, den er in seine Stimme legte, klang verblüffend echt. Und aus irgendeinem Grund machte Ryou das nervös. Scheinbar war auch der Schankwirt überzeugt, denn mit einem grimmigen Schnalzen der Zunge gegen seinen Gaumen, das schmatzend und weich klang, nahm er sein Tuch wieder und begann aus einem der Krüge eine widerliche grüne Schleimspur zu wischen. Auch die anderen Gäste schienen es leid zu sein, ihre Zeit mit ihnen zu verschwenden, und wandten sich wieder ihrem Rum und ihren Spielkarten zu. Ein halbtrunkener Pianist begann ein schnelles Trinklied auf einem verstimmten Klavier anzustimmen und es dauerte nicht lange, bis auf der Straße schräge Geigen einstimmten. Ein paar grölende Stimmen versuchten erfolglos die Töne zu treffen. Jou grinste breit (und erleichtert), drehte sich auf seinem Barhocker um und klatschte im Takt, wie viele der Kneipengäste. Er nahm den Rum, den ihm eine junge Frau mit erstaunlichem Dekollete mit verführerischem Augenaufschlag anbot, dankend an und lachte. Währendessen musste Ryou erstmal seinen schnellen Puls beruhigen und seufzte tief, als ein sturzbetrunkener, älterer Mann mit wirrem Bart und rot unterlaufenen Augen über der Theke zusammenbrach und mit einem seligen Lächeln ohnmächtig vor seine Füße fiel. „Hey. Junge.“ Die Stimme war so ruhig und leise, dass Ryou sie fast in dem Tumult, der die Spelunke in Beschlag genommen hatte, überhörte. Er blinzelte verwirrt und sah sich um. Er sah die reizende Dame auf Jous Schoß, die lachte und kicherte, als er ihr leise Dinge ins Ohr flüsterte, während seine Hand um ihre Hüfte lag. Hinter Jou konnte er erkennen, dass im hinteren, verrauchten Teil der Kneipe, der hinauf in die zweite Etage führte, eine Schlägerei ausgebrochen war und dass die Männer dort grölend ihre Spielkarten fallen gelassen hatten, um entweder mitzumischen oder in die Hände zu klatschen. Der Pianist war längst in den Streit verwickelt und die Musik wurde von der Prostituierten gespielt, die eben noch mit dem alten Mann (der nun halb von Sinnen mit dem Kopf auf den Treppen grinsend zu Boden gesunken war) beschäftigt gewesen war. Sie grinste und in ihrem Mundwinkel steckte eine Zigarre, die sie ihrem Kunden abgeluchst hatte. Sich sicher, dass er sich getäuscht hatte, zuckte Ryou mit den Schultern und drehte sich wieder um. Inzwischen hatte ihm der Wirt einen Krug Rum vor die Nase gestellt, aber als er die milchige Flüssigkeit sah, die in dem Getränk schwamm, lief ihm ein Schauder den Rücken hinunter und er schob das Gefäß angewidert weg. Er seufzte tief. Lord Kaiba, oder Seth, wie er sich jetzt nannte, war ebenso irritiert von dieser stinkenden, versoffenen Stadt wie sein Bibliothekar, nur ließ er es sich nicht anmerken. Es stank bestialisch nach Alkohol, Schweiß und Urin, gemischt mit dem schweren, billigen Parfüm der Prostituierten. Die Straßen starrten vor Schmutz, Rattendreck und anderen Dingen, die niemand am königlichen Hof je gesehen hatte – und je sehen wollte. Aber Seth wusste, dass dieser heruntergekommene Ort mehr verbarg, als man ihm auf den ersten Blick ansehen mochte. Er war sich sicher, dass er nicht der einzige aus ihrer Gruppe war, der die Pistolen und Schwerter an den Gürteln der Männer hier bemerkt hatte. Zumindest Ryou Bakura sollte sie gesehen haben. Jeder einzelne war hier bewaffnet. Sogar die Frauen. Sollte sein pathetischer Cousin die Hure auf seinem Schoß noch näher inspizieren, würde er das sicher auch noch herausfinden. „Hey. Junge.“ Seth blickte von seinem Krug Rum auf. „Was?“, fragte er unfreundlich und in gehisstem, spanischem Akzent. Der Mann vor ihm sah ihn aus klugen Augen an. Er war kleiner als Seth, aber größer als Ryou und hatte breite Schultern. Sein Gesicht, das von der Krempe seines alten, abgenutzten Huts überschattet wurde, wäre unauffällig, vielleicht sogar gutaussehend gewesen, hätte sich nicht eine breite Narbe von seiner Schläfe über die deformierte Nase bis zu seinem rechten Mundwinkel gezogen, die ihm die bizarre Visage einer ständig grinsenden Hyäne bescherte. „Du wirst Seth genannt, nicht wahr?“ Es schien eine rhetorische Frage zu sein, denn der Mann erwartete keine Antwort, sondern warf einen Blick Richtung Schankwirt, der ihm sogleich ein kleines Glas Whisky brachte, und fuhr fort: „Folge mir. Ich weiß, was du suchst.“ Seth sah ihn misstrauisch an. „Ach ja? Wer sagt mir, dass du mich nicht totschlägst, wenn ich dir folge?“ Der Mann kippte den Alkohol in einem Zug herunter, stellte das Glas weg und sah Seth irritiert an. Seine Augen sagten: Dieses Spiel spiele ich nicht, Junge. Dann drehte er sich um und verließ die Kneipe, vorbei an den Spielern und Trinkern, die ihn gar nicht zu bemerken zu schienen. Seth saß an der Theke und starrte nachdenklich in das leere Whiskyglas des Fremden. Er überlegte, ob es klug war, ihm zu folgen. Seth mochte zwar der Überzeugung sein, dass es wahrscheinlich die einzige Chance war, die er bekommen würde, aber Seto, dessen gesunder Menschenverstand noch nicht von dem Gestank der Stadt und dieses Lebens vernebelt worden war, fragte sich, ob es wirklich klug war. Gut fünf Sechstel der Menschen, die sich in Tortuga aufhielten, würden keine Sekunde zögern, ihm den Schädel einzuschlagen und die Taschen auszuräumen, bis er nicht nur eine sehr tote, sondern auch bettelarme Leiche war. Seth zog die Augenbrauen düster zusammen und drehte das Glas in den Händen. Dann plötzlich stellte er es wieder auf die Theke, stand auf und ging. Ryou und Jou ließ er zurück. Sie konnten folgen, wenn sie wollten. Sie waren ohnehin nur ein Risiko. Die Straßen von Tortuga waren dunkel und die Menschen, die sich auf ihnen drängten und doch versuchten nicht ins fahle Licht der Laternen zu treten, sahen alle gleich aus. Es war ein Meer aus Mänteln, gesenkten Gesichtern und abgenutzten Stiefeln, die den Dreck und Schlamm aufwühlten, der die Straßen bedeckte und langsam an den Gebäuden hoch kroch und sich in die Mauern fraß. Seth mischte sich unauffällig unter die Leute, von denen einige – nicht alle, aber einige – ihn und auch alle anderen sehr genau beäugten. Es war dunkel, die Sonne war längst untergegangen und mittlerweile waren auch die finstersten Gestalten aus ihren Verstecken gekrochen. Es war nicht einfach, den Mann im Auge zu behalten und nur sein auffällig großer Hut mit dem Marineabzeichen (ein Trophäe, dachte er sich und starrte den Hut verächtlich an) machte es ihm möglich, überhaupt Schritt mit dem Fremden zu halten und ihn nicht in der Menge der Menschen zu verlieren. Missgelaunt stellte er fest, dass der Mann mit der Hyänenfratze keinerlei Probleme zu haben schien die Masse zu durchqueren, sondern sich mehr wie ein Geist, den die anderen nicht sahen, durch sie hindurch bewegte. Seth fluchte leise und zog die Augenbrauen irritiert zusammen, als er ihn ein- oder zweimal aus den Augen verlor, nach kurzer Zeit aber wieder fand. Was sollte das? Wusste dieser Fremde wirklich das, was er wissen wollte, oder war er nur ein Schmarotzer, der nicht zögern würde, ihn niederzuschlagen und auszurauben, sobald er mit ihm alleine war? Seth biss sich zornig auf die Lippe und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Wann war er so leichtsinnig geworden? Bevor er sich in diesem Gedanken verlieren konnte, packte jemand ihn am Ärmel und zog ihn aus der Menschenmenge in einen Hauseingang. Seine Hand fuhr zu seiner Pistole, aber bevor er sie ziehen konnte, sah er auf und starrte in die entstellte Fratze des Fremden. Misstrauisch schaute er wieder auf die Straße, um sich davon zu überzeugen, dass es auch wirklich der Mann war, dem er gefolgt war (obwohl es bei dessen Anblick keinerlei Zweifel gab). Ich habe ihn doch nur eine Sekunde aus den Augen gelassen… Seth biss die Zähne aufeinander, straffte die Schultern und ließ die Hand sinken, die auf dem Hahn der Pistole lag. Der Fremde sah ihn lange aus seinen undeutbaren Augen an, dann trat er zur Seite und bedeutete ihm einzutreten. Seth musterte ihn für eine Sekunde, dann wandte er den Blick ab und trat von den Stufen und der stinkenden Luft der Straße in das Haus. Die Tür schloss sich leise hinter ihm. Der Flur, in dem er stand, war schmal und die Decke niedrig. Der Teppich auf dem Boden war dreckig und ausgeblichen. Rattenlöcher waren in die hölzernen Wände gefressen wurden. Seth zog abfällig die Augenbrauen hoch. Ihm kamen immer mehr Zweifel, ob er hier das finden würde, wonach er suchte. Sein Begleiter nahm eine Fackel aus einer der Halterungen an den Wänden und ging an Seth vorbei den Gang hinunter. Der junge Lord folgte ihm in einigem Abstand. Es war totenstill und sie gingen einige Minuten in Stille, bis der Fremde stehen blieb. Seth war überzeugt, dass sie schon lange nicht mehr in dem Haus waren, in das sie eingetreten waren, auch wenn sich die Umgebung nicht wirklich gebessert hatte. Im Gegenteil – In dem Teil des Ganges, in dem sie sich befanden, gab es kein Licht, nur die fahle Fackel verhinderte, dass sie orientierungslos waren. Der Mann mit der Hyänenfratze zog einen Schlüssel hervor, der an einer silbernen Kette um seinen Hals hing, beugte sich vor und tastete über eine Wand, die für Seth genauso aussah, wie jede andere auch. „Ich bin nicht hier, um mir deine Spielchen anzusehen“, knurrte er irritiert und verschränkte die Arme, aber der Mann ignorierte ihn einfach. Plötzlich schien er zu finden, wonach er suchte, nahm den Schlüssel und schloss ein Schloss auf, das Seth weder gesehen hatte noch sehen konnte, so gut eingearbeitet war es in die Maserung des Holzes. Eine niedrige Tür schwang auf und der Mann trat geduckt in einen Zwischenraum, packte Seth, der zögerte, am Ärmel und zog ihn mit sich. Der Lord knurrte und seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Er riss sich verärgert los. Wie ging dieser Kerl mit ihm um? Der Fremde ignorierte ihn und schloss die Tür hinter sich. Er musterte Seth eine Weile, seine klugen, hellen Augen völlig surreal in seinem verzerrten, entstellten Gesicht. Für einen kurzen Moment sah es aus, als würde ein sanfter Spott den sonstigen Gleichmut in diesen menschlichen Augen im Gesicht eines Tieres ersetzen, aber dieser Eindruck war so schnell vergangen, wie er gekommen war. Der Fremde wandte sich ab, stellte die Fackel in eine Halterung, versicherte sich, dass sie festsaß, und drehte sich dann wieder ihm zu. Erst jetzt sah Seth die verschlissene, britische Uniform, die der Mann trug, und zwang trotz des Zorns, der ihn ihm aufflammte, ein spöttisches Grinsen auf seine Lippen. „Da hast du aber eine schöne Ausbeute gemacht.“ Der Fremde zuckte gleichgültig mit den Schultern und deutete dann mit der Hand auf eine der zwei Türen, die aus dem kleinen Raum hinausführten. Seth sah ihn misstrauisch an, dann trat er an dem Mann vorbei an die Tür. Er klopfte und schalt sich im selben Moment, als der Fremde eine Augenbraue hob und das spöttische Glitzern in seine Augen zurückkehrte (nun war er sich auch sicher, dass es vorher da gewesen war). Verdammte englische Etikette. Ohne eine Antwort abzuwarten (und in einem verzweifelten Versuch, seinen Fehler zu überschminken) drückte er die Tür auf und trat ein. Nur um erst einmal wie angewurzelt stehen zu bleiben. Von dem schäbigen Flur war nichts mehr übrig geblieben. Die Decke dieses Raumes war hoch und der Teppich auf dem Fußboden zwar alt, aber sauber und… teuer. Und nicht nur der Teppich schien ein Vermögen wert zu sein, sondern auch die Inneneinrichtung, wenn man es so nennen konnte (ein weniger gebildeter Mensch hätte vielleicht Krempel dazu gesagt, was Seth – Lord Kaiba - aber nie in den Sinn kommen würde). Der ganze Raum war voll gestellt mit Vasen, Garderoben, Truhen, alten Sesseln und ausländischen Trophäen. Spanische Marineflaggen, französische Kleider, indische Stoffe, arabische Teppiche, englische Mäntel, dänische Kommoden, afrikanische Speere und Masken und asiatische Statuen. Seth blinzelte überrascht und sah sich um. Das hatte er nicht erwartet. Und nun wurde ihm auch klar, dass die britische Uniform des Fremden nur ein winziger Teil der ganzen Beute gewesen sein musste. „Ah, da seid Ihr ja endlich!“ Seth fuhr misstrauisch herum und trat einen Schritt zurück. Seine Hand fuhr wieder zu seiner Pistole und er fragte sich, wann er sich diese Angewohnheit bloß angeeignet hatte – nur um zu merken, dass die Waffe nicht da war, wo sie sein sollte, nämlich in seinem Waffengurt. „Waffen sind doch so etwas Unschönes. Setzt Euch.“ Die Stimme klang amüsiert und jetzt sah Seth auch ihren Besitzer – zumindest das, was man von ihm sehen konnte. Der große Sessel (der wie alles andere willkürlich ausgesucht schien) schirmte alles bis auf eine Hand, die ein Glas Wein hielt, ab. Seth warf der Hyänenfratze einen misstrauischen Blick zu, aber die bedeutete ihm nur der Einladung nachzukommen. Was er nach einigem Zögern auch tat. Als er um den Ohrensessel herumtrat, sich auf einen der vielen verschiedenen Stühle niederließ und nicht nur den Sprecher, sondern auch noch eine zweite Person erblickte, fragte er sich, wo zum Teufel er gelandet war. Er hatte sich nie sonderlich für Märchen interessiert, aber nun fragte er sich, ob Lancelot sich wohl so gefühlt hatte, als er im Verlies der Hexen gesessen und gewartet hatte. „Wie war noch Euer Name? Seth?“, fragte der Mann, der ihn auch eben schon angesprochen hatte, und sah ihn lächelnd über die Ränder seiner Brille hinweg an. Es war ein bizarrer Anblick. Ein blaues Auge war wach und aufmerksam, das andere, über das das vernarbte Lid fast völlig geschlossen war, getrübt und schläfrig. Kurze, gescheitelte schwarze Haare umrahmten ein kluges, wenn auch etwas blasses Gesicht. „Es scheint ihm die Sprache verschlagen zu haben“, meinte der zweite Mann plötzlich spöttisch, dem Seth bis jetzt noch keine wirkliche Beachtung geschenkt hatte und der auch recht unauffällig war. Er hatte blonde Haare und hellblaue Augen und erinnerte Seth unangenehm an seinen nichtsnutzigen Cousin, der sich wohl gerade nichtsahnend mit einer der stadtansässigen Prostituierten vergnügte. „Ja, mein Name ist Seth“, war das einzige, was er sagte. Er wäre nicht Seto Kaiba gewesen, hätte er sich von so einer Bemerkung provozieren lassen. Dennoch konnte er nicht ganz verhindern, dass die gewohnte Kälte sich in seine Stimme schlich und den spanischen Akzent für einen Moment verdrängte. Der erste Mann lächelte nur wohlwollend und zeigte auf den Tisch, der zwischen ihnen stand. „Trinkt ruhig.“ Als er Seth’ argwöhnischen Blick bemerkte, lachte er fröhlich und fügte noch hinzu: „Keine Sorge, es ist nicht vergiftet. Wir hätten nichts davon, Euch zu töten.“ Seth war sich nicht sicher, ob das die ganze Wahrheit war, aber er sah auch in den Augen des Mannes, der offensichtlich der Anführer dieser merkwürdigen Männer war, dass er das Angebot lieber annehmen sollte – die Hand des Blonden auf dem Griff dessen Schwertes sprach Bände. Ganz zu schweigen von dessen Augen, die alles andere als freundlich und vor allen Dingen friedlich waren. Widerwillig ergriff er das Glas und setzte es an die Lippen. Der Wein schmeckte bitter und er hatte die Vermutung, dass stärkerer Alkohol untergemischt wurde. Der schwarzhaarige Mann schien begeistert und lachte wieder. „Seht Ihr, so fühlen wir uns doch alle viel wohler.“ Er nippte an seinem eigenen Glas und fuhr dann fort: „Ihr brennt darauf, Eure Fragen beantwortet zu bekommen, nicht wahr? Und vor allen Dingen die eine Frage: Wo…“, er machte eine theatralische Pause, das Grinsen immer noch auf seinen Lippen, „…findet man den großen Piratenkönig Atemu?“ Es wurde totenstill und Seth’ Hand mit dem Weinglas erstarrte auf halben Weg zum Munde. Er sah den Mann scharf an, dessen naive Fröhlichkeit von einem amüsierten Lächeln ersetzt worden war. Als ob er die Spannung in der Luft genießen würde, wartete er noch einige Sekunden, bevor er fortfuhr: „Diese Frage quält Euch so sehr, dass Ihr einem höchst suspekten Fremden alleine in einen einsamen Ort folgt auf die Gefahr hin gnadenlos ermordet zu werden. Man findet selten Leute wie Euch, Seth. Besessene Menschen.“ Seth biss die Zähne aufeinander und seine Augen verengten sich zu Schlitzen. „Ich bin nicht besessen. Ich suche ihn, um-“ „… um Akefia und seinen Halbbruder wieder zu vereinen, ich weiß, ich weiß. Wie… edel von Euch“, unterbrach ihn der schwarzhaarige Fremde und meinte im Plauderton: „Eine einmalige Geschichte, nicht? So… dramatisch, tragisch, erquickend.“ Seth fühlte sich langsam gereizt und war kurz davor, aufzustehen und diesem Hallodri zu befehlen, ihn einfach gehen zu lassen. Er hatte es nicht nötig, sich das unnütze Gerede eines verwirrten Mannes anzusehen. „Es scheint Euch ja zu gefallen“, meinte er kühl und seine Augen taxierten den Mann verächtlich. „Oh ja.“ Der Mann lehnte sich zurück und sein gesundes Auge funkelte. „Wisst Ihr, es gibt da nur leider einen Haken.“ „So?“ Der Mann nickte verschwörerisch, dann schien ein Wandel über ihn zu kommen, der noch so klein und doch riesengroß war. Die Tragik verschwand aus seiner Gestik und Mimik und er wirkte plötzlich erwachsen, wie man es vor einer Minute nicht mal hätte ahnen können. Sein breites Grinsen wurde zu einem klugen Lächeln und die Naivität in seinem Blick zu einem spöttischen Tadeln. Er lehnte sich zurück, stellte das Weinglas ab und verschränkte die Hände. Und Seth wusste plötzlich, dass er sich hatte reinlegen lassen. Es war ein Fehler gewesen, hierher zu kommen, es war ein Fehler gewesen, sich mit diesen Männern einzulassen, die nicht das waren, was sie vorgaben zu sein. Jeder seiner Sinne schien Alarm zu schlagen, als er das gefährliche Glitzern in den Augen des Mannes, das sadistische Grinsen auf den Lippen des Blonden und den endgültigen Ausdruck auf den Augen des entstellten Fremden sah. Du hast dich wie ein Kleinkind reinlegen lassen. Der Anführer lächelte und tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Lippen. „Wisst Ihr, Akefia hat keinen Halbbruder.“ Als er sah, dass Seth widersprechen wollte, zog er eine Augenbraue nach oben und fuhr ungehindert fort: „Vor allen Dingen hat er aber keinen Halbbruder, der in der Bibliothek eines Königshauses arbeitet und sich als Pirat ausgibt.“ Seth spürte etwas Eiskaltes in seinen Verstand spülen und fragte langsam und leise: „Wer seid ihr?“ Der Blonde lachte und schüttelte amüsiert den Kopf. Der schwarzhaarige Mann warf ihm nur einen tadelnden Blick zu. „Wer wir sind, spielt keine große Rolle. Was wir sind ist doch entscheidend wichtiger. Wir sind Sammler, wenn man es so ausdrücken möchte. Wir sammeln Schätze und Schätze sind das, was wir wollen.“ „Ihr seid Schmuggler“, meinte Seth abfällig. Der Mann lachte. „Ich dachte, das seid Ihr auch, Seth.“ Seth biss die Zähne aufeinander und verschränkte die Arme. Er wunderte sich schon gar nicht mehr darüber, woher der Mann das alles wusste – er erinnerte sich daran, den Blonden in der Kneipe gesehen zu haben. Wie ein Kleinkind, schalt er sich, wie ein Kleinkind bist du in so eine offensichtliche Falle getappt. Und alles nur wegen dieses… Bastards! Er sah wieder dieses verdammte Lachen, diese verdammten Augen, die Demütigung. „Nun, ich konnte den Thronerben ja schlecht mit Farbe auf seinem adligen Gesicht herum laufen lassen. Was wäre denn das für ein Verhalten!“ Er knirschte mit den Zähnen und konzentrierte sich darauf die Fassung zu wahren. Er war Seto Kaiba – er würde sich nicht von ein paar erbärmlichen Kleinkriminellen einschüchtern lassen. „Vergleicht mich nicht mit Euch. Ich wüsste auch nicht, was Leute wie ihr von Menschen wie mir wollen könnten“, erwiderte er kühl und verächtlich. Der Schwarzhaarige lächelte, lächelte wie man ein Kind anlächeln würde, das etwas Dummes tat. „Ich werde es Euch erklären. Nicht jetzt. Bald. Als Gegenzug werde ich Euch eine Möglichkeit geben, das zu erlangen, was Ihr wollt.“ Misstrauisch zog Seth die Augenbrauen zusammen. „Warum nicht jetzt?“ Er hatte Kopfschmerzen und seine Laune sank – zumindest aber schienen diese Menschen an einem Geschäft interessiert zu sein. Der Mann schlug die Beine übereinander und seufzte. „Weil Ihr nicht mehr lange genug wach sein werdet, um Euch den Vorschlag anzuhören.“ Seth sah ihn erst überrascht an, dann wurde ihm klar, was passierte. Der Wein. Der verdammte Wein, der so bitter geschmeckt hat. Jetzt wusste er auch plötzlich, dass seine Kopfschmerzen nicht von der schlechten Luft kamen und er verfluchte alle Piraten und Schmuggler in allen Sprachen, die er beherrschte. „Bastard“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und fuhr aus seinem Sessel hoch auf den schwarzhaarigen Mann zu, dessen Lachen er fast so sehr zu hassen begann wie das Atemus. Sofort wurde ihm schwindlig und er schwankte, als das Mittel im Wein seinen Gleichgewichtssinn lähmte. Die Hyänenfratze trat um den Sessel herum und zog sein Schwert mit einer Geschwindigkeit, die man ihm niemals angesehen hätte. Aber er kam gar nicht dazu sein Schwert zu benutzen, denn in diesem Moment drehte sich alles um Seth und er wusste nicht mehr, wo der Boden war und wo die Decke. Er fluchte innerlich, aber das brachte auch nichts mehr, denn er merkte nur noch, wie ihm die Beine wegknickten und er schwer hinfiel. Irgendwo schlug er sich den Kopf und ein dumpfer Schmerz ließ ihn leise aufstöhnen, aber mittlerweile war alles um ihn so verschwommen, dass er sich auf so etwas Reales wie Schmerz nicht mehr konzentrieren konnte. „Verfluchter Lügner“, flüsterte er, als seine Augenlider immer schwerer und sein Körper immer tauber wurde. Was ist das für ein Teufelszeug? Warum geht das… so… schnell…? Dann hörte er verschwommen Schritte, hörte wie jemand leise „Schon gut, Hermos“ sagte, aber das war alles so weit weg. Es war ihm unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Dann plötzlich sah er einen getrübten Umriss und hörte eine amüsierte Stimme, diesmal lauter und verständlicher. „Falls Ihr Euch wundert - mein Name ist Timaeus. Wäret Ihr ein Schmuggler gewesen, hättet Ihr das gewusst.“ Jemand berührte seine Wange und strich darüber. „Aber keine Sorge. Ihr werdet nicht sterben. Ich bin ein Mann, der sein Wort hält.“ Er fühlte distanziert und müde wie jemand an der Brusttasche seines Mantels nestelte und wollte widersprechen, aber seine Zunge schien dick und angeschwollen und er war auch viel zu schwach. Als er schon fast eingeschlafen war und seine Ohren mit Watte gefüllt schienen, registrierte er noch, wie man seinen Kopf anhob und auf etwas Weiches bettete und warme, feine Hände beruhigend über sein Gesicht fuhren. Er erkannte die Silhouette eines Mannes mit schwarzen Haaren und einem Lächeln, die aber bald dem warmen Gesicht seiner Mutter wich und dann zu der eines Mannes mit lachenden roten Augen und einem belustigten Schmunzeln wurde. „Aber Ihr wart doch recht gut, Prinz Kaiba. Ich denke nicht, dass jemand Euch erkannt hat. Vielleicht klappt Euer verrückter Plan ja tatsächlich“, sagte die Gestalt, aber da war er schon viel zu weit weg und alles wurde leise und schwarz. Verdammtes Piratenpack, war das Letzte, was er dachte. Nächstes Kapitel: Der Vizekapitän A/N: Dieses Kapitel ist im Verlauf von zwei Monaten entstanden und hat dementsprechend viele Flickstellen. Ich bin nicht wirklich zufrieden, aber ich bin schon glücklich, mich mal wieder an neuen Charakteren austoben zu dürfen. Historische Fakten (ganz kurz): Da es im 17. Jahrhundert weder Alice im Wunderland noch den Zauberer von Oz gab, musste diesmal Thomas Malorys "Le Morte Darthur" herhalten. Bei Shakespeare habe ich einfach nicht das gefunden, was ich gesucht habe. Kommentare: Ithiliana Freut mich, dass dir die Geschichte gefällt. Und ich hoffe, es war spannend genug. Soraya-chan Danke für deinen lieben Kommentar. :) Ich hoffe, dir hat dieses Kapitel gefallen. Takepon Oh ja, es war ziemlich kurz. Dafür ist dieses aber ziemlich lang. |D Zumindest für so einen faulen Autor wie mich. Kaibas neuer Look musste gründlich genug sein, so dass ihn niemand mehr erkennt. Sogar sein eigener Bibliothekar. Wie soll sonst ein Mensch wie Atemu darauf hineinfallen? Chifuyu Da! Ein neues Kapitel. Tatsächlich. |D Die vier letzten Seiten habe ich in einem Wisch geschrieben - vielleicht weil ein Charakter darin auftaucht, den ich so gerne schreiben wollte. Und was Jou angeht - ich mochte ihn nie besonders, aber ich kann einfach keine Charaktere bashen. Ich sehe irgendwie in jedem Potential. Ich hoffe, du verzeihst mir. ^^ Schreiberling Der erste Soundtrack war besser. Der zweite ist irgendwie recht langweilig. Und was das letzte Lied soll - wir werden es nie erfahren. Freut mich aber, dass dir die Beschreibungen gefallen haben. In diesem Kapitel hatte ich das Gefühl, ich hätte zu viel Dialog reingepackt. Ich hoffe, es gefällt dir trotzdem. _laurana Lass mich kurz nachsehen... Uh, noch zwei Kapitel. Bzw. ein großes und ein kleines, nicht viel länger als das Interlude. Aber vorher werden wir noch andere Mitglieder seiner Crew treffen. Aber seien wir ehrlich - er ist nie wirklich weg, sondern hat sich ziemlich im Verstand unseres Prinzen festgebissen. :) Li-Lith Weißt du, ich freue mich ja über kurze Kommentare, aber welcher Autor freut sich nicht über lange? :D Ich finde es toll, wenn sich Leute Gedanken zu dem machen, was ich da schreibe. Ryou ist meine Haupterzählperspektive. Er ist wie ein Chronist, der viel sieht und viel hört und dazu noch den Verstand hat, alles richtig zu verarbeiten. So gerne ich Setos Perspektive schreibe - Ryou geht mir am einfachsten von der Hand. Und was Jou angeht - er wird - genau wie alle anderen auch - auf der Reise wachsen und sich verändern. Ich denke, dass bringt so ein Abenteuer einfach mit sich. Und irgendwann wird er mit seinem Cousin vielleicht auch übereinkommen. :) Und danke für das tolle Lob! Ich hoffe doch, ich kann deinen Ansprüchen gerecht werden. .__. Tebi-chan Ich fühle mich so schultergeklopft. Dein Kommentar war noch einmal einer der obligatorischen "Tritte in den Hintern". Ich musste daran denken, was ich doch für treue, wunderbare Leser habe und ich serviere ihnen ihr Essen immer viel zu kalt. *seufz* Ich versuche mich ja zu bessern. Jou musste mit an Bord - irgendjemand muss Seto ja auf Trab halten. |D Was Ryou angeht - er ist einer meiner Lieblingscharaktere. Es ist genau wie du gesagt hast. Wenn ich diese Fanfiction lese, wo Ryou von Bakura zu einem Häufchen Blut zusammengeschlagen wird und nur noch wimmern kann oder nichts versteht, frage ich mich, ob das wirklich reizvoll zu lesen und vor allen Dingen zu schreiben ist. Ich denke, er ist sehr wohl in der Lage, Bakura Paroli zu bieten. :) Drink up, me 'earties, yoho! Kapitel 7: Schritt nach vorn ---------------------------- Endlich. Ich weiß. Disclaimer in Kapitel 1, A/N am Ende, Kommentarantworten kommen noch. Schritt nach vorn Es stank nach Alkohol, Urin und Dreck und allein das war genug, um auch jeden noch so starken Magen umzudrehen und rebellieren zu lassen. Als Seth langsam aus seinem Dämmerschlaf erwachte, kehrte sein Geruchssinn als erster seiner Sinne zurück – was nicht gut war. Er würgte, wollte sich zusammenkrümmen, aber sein Körper schien wie gelähmt. Eiskalt. Er blinzelte und seine trockenen Augen brannten und tränten und er hustete. Das war aber auch das einzige, was er im Moment zustande brachte. Sein Körper fühlte sich an, als wäre er nicht in ihm, sondern über ihm und als würde er versuchen, ein totes Ding zu steuern. Sein Kopf, der mittlerweile das klamme, neblige Gefühl, das seine Nerven und seinen Verstand zu lähmen schien, abzuschütteln begann, hämmerte und schmerzte. „Verdammt“, presste er kratzig hervor und war angewidert davon, wie schwach und zittrig seine Stimme klang. Was zur Hölle war passiert? Warum hörte er sich so… schwach an? Er war Seto Kaiba, zum Teufel, und wenn er sich auf etwas hatte verlassen können, dann war es sein Tonfall. Von dem er auch oft genug Gebrauch machte. Wenn die anderen es verdient hatten. Was fast immer der Fall war. Er war sich sicher, dass abgehaktes Sprechen mit sich selbst kein gutes Zeichen war. Das dumpfe, gelbe Licht, das verzerrte Schatten an die Wände warf, durch die leise der Wind heulte, brannte in seinen Augen und er blinzelte, aber seine Sicht verschwamm wieder und wieder. Einen kurzen Moment sah er fast klar, sah Umrisse und Strukturen und dann verschmolz alles zu einem Farbklecks aus Braun, Schwarz und Gelb, Konturen wurden verwaschene Gebilde, die keinerlei Sinn ergaben. Er rieb sich mit den Händen über die irritierten Augenlider, nur um sie schnell wieder wegzuziehen, als das Brennen sich nur noch verstärkte. Seine Finger zitterten unablässig und hörten auch nicht auf, als er sich zusammenriss und versuchte ruhig zu bleiben. Sein Schädel fühlte sich an, als hätte jemand versucht, ihn mit einer Axt zu spalten, sein Hals war rau und kratzig und er hatte sich wohl auf die Zunge gebissen, denn er hatte einen bitteren, metallenen Geschmack im Mund, gemischt mit irgendetwas Trockenem und Widerwärtigen. Außerdem fühlte es sich an, als wären seine Nervenenden in Brand, als die Taubheit langsam aus seinem Körper verschwand und Schmerz zurückließ. Und ihm war schlecht. Seto Kaiba war weit mehr als irritiert. Was war denn passiert? Wo zur Hölle war er? Warum stank es hier so bestialisch? Und wo waren seine Diener, wenn man sie denn mal brauchte? Er stöhnte leise und presste die Hände gegen die Schläfen. Sein Kopf brachte ihn noch um. „Seto?“ Er registrierte die Stimme erst nach einigen Sekunden, hörte erst jetzt das Rücken von Stühlen und das Flüstern von Stimmen. Abwesend und doch so klar fragte er sich, wie lange die Besitzer dieser Stimmen schon im Raum sein mussten. Nicht wichtig. Er knurrte unwillig und irritiert als Antwort, ließ von seinen malträtierten Schläfen ab und öffnete seine schmerzenden Augen wieder, entgegen allen Nerven, die ihn schreiend davon abhielten. Diesmal erkannte er mehr. Zwar immer noch nur Schemen und Farben, aber die bewegten sich mittlerweile in Konturen, die er als Gegenstände identifizieren konnte, nicht mehr der heillose Farbenmischmasch, der nur dafür gesorgt hatte, dass sich seine ohnehin schon hämmernden Kopfschmerzen noch einmal intensivierten. Neben dem alten, mottenzerfressenen Bett, in dem er lag (denn das hatte er mittlerweile erkannt) sah er eine Person. Blonde, wirre Haare. Jou. „Was willst du?“, brachte er kratzig hervor und runzelte die Stirn beim Klang seiner Stimme. Der Farbklecks, der sein Cousin war, schien aus irgendeinem Grund begeistert zu sein und sprang von seinem Stuhl auf, fasste seine Hand und hielt sie fest, als würde der Boden ihn verschlucken, würde er es nicht tun. Jou wusste, dass sein Cousin körperlichen Kontakt verabscheute. Und seit wann waren sie so freundlich zu einander, dass gleich einen Affentanz veranstalteten, wenn sie sich sahen? Ärgerlich, aber auch mit einem größeren Kraftaufwand als normal war, entzog er sich den klammen Fingern des Blonden und sah ihn irritiert an. So gut man einen verschwommenen Schemen (der aber immerhin mit der Zeit immer klarer wurde) eben irritiert ansehen konnte. Langsam fand er die Situation wirklich störend. Was zur Hölle war nur los? Warum lag er in einem stinkenden Zimmer zusammen mit seinem Cousin, obwohl sie sich aus dem Weg gingen wie die Pest? Warum fühlte er sich so grässlich? Er begann diese Erinnerungslücke wirklich zu verabscheuen. „Lord Kaiba?“, erkundigte sich eine kleinlaute Stimme. Er sah die Person lange und mit zu Schlitzen verengten Augen an. Weiße Haare. Er kannte diese schneeweißen Haare. Wenn er nur richtig sehen könnte! Stöhnend sank er auf das Kissen zurück und fuhr sich mit der Hand durch seine verschwitzten Haare, verdrängte die unerträglichen Kopfschmerzen in eine Ecke seines Verstandes. Er musste sich sammeln. Irgendetwas in seinem Kopf war falsch. Irgendetwas schob sich immer außer Reichweite, wenn er es fassen wollte. Es war nicht Jou, der sich merkwürdig verhielt. Er selbst war es. „Lord Kaiba?“ Wieder. Er presste die Augen zusammen und krampfte die Hand in die braunen Strähnen, die ihm wirr ins Gesicht hingen, als ein scharfer Schmerz durch seine Stirn schoss. „Verdammt…“, murmelte er und seine Zunge fühlte sich taub an. „Hey Seto… Was ist los? Komm schon, hör auf damit.“ Jous Stimme klang verunsichert und der Teil von Kaibas Gehirn, der noch richtig zu funktionieren schien, war spöttisch zufrieden. Nur hinderte der andere, viel größere Teil, der anscheinend nicht so arbeitete wie er sollte, ihn daran, sich darüber zu freuen, dass Jou mal wieder bewies, was für ein Idiot er war. Sah er etwa so aus, als würde er schauspielern? Unwillig knurrte er und rieb sich über die Augenlider. Wenn nur seine Kopfschmerzen endlich abklingen würden! Er musste sich konzentrieren! „Lord Kaiba, sagt etwas!“ Die unbekannte (aber nicht ganz unbekannte) Stimme klang hysterisch, panisch. Jemand legte eine zittrige Hand auf seine Schulter und er knurrte tief und abwehrend. Sie sollten ihn in Ruhe lassen! Wer gab ihnen das Recht? Er hörte wieder Stühlerücken und presste die Augen fest zusammen, die Hände in das kratzige Laken gekrallt. Winzige Schauer jagten seine Beine und Arme hoch, als sein Körper langsam aus seiner eisigen Starre auftaute. Sein Hals war rau und die widerwärtige Luft drehte ihm den Magen um. Er fühlte sich schwach und hilflos und er hasste es. Ein Seto Kaiba war nicht schwach und erst recht nicht hilflos. Niemals. Was zur Hölle war passiert? Er wollte sein Gedächtnis zurück, jetzt! Und konnten diese Idioten nicht aufhören, wirr und panisch zu werden und ihm mal vernünftigerweise erklären, was zum Teufel hier vor sich ging? Er schnaubte verächtlich und bereute es direkt, als ein heißer Schmerz seine Lunge durchzog und sein Körper sich schmerzvoll zusammenzog. Das Kratzen in seinem Hals wurde unerträglich und er begann zu husten, bemerkte dann aber, dass das das Ganze nicht besser machte, sondern vielmehr verschlimmerte. Er griff sich in die dunklen Haare, biss sich auf die Lippe und unterdrückte ein qualvolles Stöhnen. So grässlich hatte er sich seit… schon lange nicht mehr gefühlt. Er musste sich zusammenreißen. Er war Seto Kaiba. Der junge Lord atmete ruhig durch und verdrängte den Schmerz. Seine Hand, deren Knöchel schneeweiß hervorstachen, weil er sie zusammenkrampfte, entspannte sich ein wenig und er schlug langsam die Augen auf. Für einen Moment sah er noch verschwommen, aber dann begann sich sein Sichtfeld zu klären, bis nur noch ein dünner, milchig weißer Schemen seine Sicht blockierte, als würde er durch schmutziges Glas sehen und wissen, dass er die Welt vor seinen Augen nicht ganz naturgetreu sah, aber so gut wie. Damit konnte er vorerst leben. „Seth, Ihr seid wach!“ Er hatte keine Ahnung, welcher Person er die tiefe, akzentuierte Frauenstimme zuordnen sollte und was diese Person an seinem Krankenbett (Seto Kaiba ist niemals krank, dachte er sich verächtlich) machte, aber sie brachte doch einiges zurück. Er stöhnte, als der Schmerz in seinem Kopf brutal explodierte und ihn fast Sterne sehen ließ. Bilder flogen scheinbar sinnfrei an ihm vor bei und er erinnerte sich wieder. Er hatte nur nicht gewusst, dass es so schmerzhaft sein würde. „Aber Ihr wart doch recht gut, Prinz Kaiba. Ich denke nicht, dass jemand Euch erkannt hat. Vielleicht klappt Euer verrückter Plan ja tatsächlich.“ „Du bist selber ein Heuchler, du verdammter Bastard eines britischen Taugenichts! Du willst mir Vorschriften machen? Schau dich doch mal an! Mir ist verdammt egal, was du zu sagen hast! Du bist keinen Deut besser!“ „Meine höchste Wertschätzung, Mylord, Ihr seit eine liebreizende Gesellschaft! Schickt Eurem werten Herr Vater meine persönlichen Grüße, es ist schon so viel Zeit seit unserer letzten Begegnung vergangen. Vielleicht könnten wir unsere Bekanntschaft ja bald auffrischen?“ Verdammt. Dieser verdammte Bastard, dachte er sich und wusste nicht, wen er meinte: den nichtsnutzigen Piraten, der ihn in diese Situation gebracht hatte und es jedes Mal schaffte, ihn zu reizen, auch wenn er nur an ihn dachte und sich dieses Lachen, die amüsierten Augen, die arrogante Haltung vorstellte, oder den Schmuggler, der ihn ebenfalls hinters Licht geführt hatte und der sehr wahrscheinlich für seine jetzige Situation verantwortlich war. Sein verwundeter Stolz schrie auf und krallte seine Klauen in seinen Verstand. Es war Seth, nicht mehr Seto, der sich durch seinen Zorn beflügelt rapide in dem schmutzigen Bett aufsetzte und den Schmerz, der heuchlerisch gegen die Innenseite seinen Schädels klopfte um ihn mürbe zu machen, ignorierte. Er schlug die Decke zurück und sah, dass er nicht mehr in seiner alten Kleidung war, sondern eine einfache braune Leinenhose und ein ebenso schlichtes Hemd trug. Wütend sandte er Ryou Bakura, der aufgesprungen war und an seiner Seite stand, das Gesicht schreckensvoll verzogen, einen finsteren Blick. Wenn er mitbekam, wer zum Teufel es nicht nur gewagt hatte, ihn anzufassen, sondern umzuziehen, würde derjenige keinen allzu schönen Tag haben. Der junge Bibliothekar schrumpfte in sich zusammen und biss sich auf die Unterlippe. Er wirkte müde und erschöpft, seine Haare zerzaust, so dass ihm ein paar der weißen Strähnen wirr in das schmutzige Gesicht fielen und die braunen Augen rotgerändert. Seine Kleidung war dreckig und seine Hose auf einer Seite ausgeblichen, wo er sich irgendetwas Flüssiges über das Bein gegossen hatte. Er hob abwehrend die Hände und schüttelte den Kopf. Ich habe nichts damit zu tun. Seth ignorierte ihn vorübergehend und setzte die Füße auf den Boden. Seine Muskeln protestierten gegen die unvorsichtige Behandlung nach wer weiß wie vielen Tagen des Nichtstuns. Und Seth wusste, dass es Tage sein mussten, er konnte sich nicht vorstellen, dass jemand, selbst wenn er ein Nichtsnutz war und Ryou Bakura hieß, so verdreckt und müde werden konnte, hatte er sich nicht gerade auf den Straßen Tortugas auf dem Boden gerollt und das bezweifelte er dann doch. Jemand reichte ihm einen rissigen Tonkrug. Er sah auf, die Augen zu Schlitzen verengt, und musterte die Person abfällig, den Krug vollkommen ignorierend. Der Junge, vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt, versteckte seinen Blick unter einer abgenutzten, grauen Mütze. Er zitterte und ein bisschen Milch schwappte über den Rand des Kruges und lief seine dunklen Finger hinab. Er war schmutzig im Gesicht, soweit Seth das denn beurteilen konnte, aber der Schatten der Mütze ließ nicht wirklich viel erkennen. Ein Rotschimmer überzog die Wangen des Jungen. Seth schnaubte abfällig und wandte sich von ihm ab und den anderen Personen im Raum zu. Jou schien auch müde, wenn auch leicht entnervt und schenkte ihm einen giftigen Blick, bevor er die Arme verschränkte und wegschaute. Typisch. „Seth, ich würde vorschlagen, Ihr trinkt etwas, wenn Ihr denn wieder auf die Beine kommen wollt.“ Der junge Lord sah die Frau, die mit verschränkten Armen hinter Jous Stuhl stand, abschätzend an, seine kalten Augen feindlich. Er musterte sie länger, dann fragte er scharf, wenn auch noch mit rauer Stimme: „Und wer seid Ihr?“ Die Frau strich sich die langen schwarzen Haare über die Schulter, ihr schönes, aber kühles Gesicht unbewegt. „Mein Name ist Isis.“ Sie sah Seths misstrauischen Blick und fügte noch hinzu: „Und Ihr seid in meinem Haus.“ Also benimm dich. Der Brünette schnaubte verächtlich und verschränkte die Arme und lehnte sich zurück. „Es ist mir eine Freude, Madame.“ Seine Stimme troff vor Sarkasmus und er zog eine Augenbraue hoch. Dann wandte er sich Ryou, halb verärgert, halb fordernd. Der Bibliothekar schien zum Glück zu wissen, was man von ihm erwartete und er holte einmal tief Luft. Seine sonst so lebhaften (wenn auch meist ängstlichen) Augen waren matt und seine Schultern waren leicht herabgesackt. „Uh…“ Er schien nach Worten zu ringen, rieb sich so fest über den rechten Daumenfingernagel, dass es eindeutig wehtun musste. Dann schüttelte er den Kopf und zuckte mit den Schultern. Er sah Jou bittend an. Der Blonde grinste und stützte den Kopf auf die Hand, die Beine von sich gestreckt. „Was der Zwerg sagen will, is’, dass du es irgendwie geschafft hast, dich vergiften zu lassen und dass du die letzten fünf Tage flach gelegen hast. Monsieur hatte natürlich die grandiose Idee, alleine aus unserer Reichweite zu verschwinden und jetzt siehst du, was du davon hast. ’Nen eingeschlagenen Schädel, kein Geld und ’n fettes Problem. Das war klasse, sehr elegant.“ Seth lag die Erwiderung schon auf der Zunge, aber er zwang sich dazu, seinen Idiotencousin zu ignorieren, denn dafür hatte er nicht auch noch die Nerven. In einem Punkt, so ungern er das zugab, hatte Jou nämlich recht: Er hatte ein Problem. „Um es ein wenig übersichtlicher auszudrücken“, mischte sich Isis ein und warf Jou einen Blick zu, der für alle anderen neutral sein konnte, den Seth aber als eindeutig abschätzend einordnete. „Einer meiner Bediensteten hat Euch auf der Straße gefunden, und nicht zu früh. Das Gift hatte sich schon in Eurem Körper ausgebreitet. Ihr erinnert Euch sehr wahrscheinlich nicht mehr, aber Ihr seid mehrmals im Delirium aufgewacht. Ihr könnt von Glück sagen, dass wir Eure Freunde aufgetrieben haben, der Junge“, sie deutete auf Ryou, „war eine große Hilfe. Er weiß eine Menge. Ihr solltet ihm danken.“ Wäre es nicht völlig gegen seine Natur gewesen, hätte Seth sie empört angesehen. So verfinsterte sich sein Gesicht nur noch mehr. „Fünf Tage? Warum diese Großmütigkeit?“, fragte er misstrauisch. Die Frau lächelte amüsiert, ihre Augen unbeeindruckt. „Keine Großmütigkeit. Ich werde bezahlt. Zumindest so viel, wie von Eurem teuren Geld noch übrig ist, Seth.“ Sie sah den Jungen, der immer noch zitternd das Glas umklammerte und mit den Füßen scharrte, an. „Raj.“ Der Junge schreckte zusammen und die Milch lief ihm die Hände hinunter. „J-Ja, Ma’am?“ „Geh und hol die Kleidung unseres Gastes.“ Der Junge verneigte sich kurz und verließ dann rasch den Raum. Es herrschte eine ungemütliche Stille im Raum. Ryou fuhr sich über die müden Augen, Jou starrte fasziniert auf seinen linken Daumen und Isis bohrte ihre durchdringenden, blauen Augen weiter in Seths Kopf und er sah sie kalt an, bis sie mit den Schultern zuckte und wegschaute. Nach einer Weile unterbrach eine nervöse Stimme seine Gedanken (Hatte dieser Bastard von einem Schmuggler ihn umbringen wollen? Warum war er so naiv gewesen, überhaupt mitzugehen? Wie ging es Mokuba? Was machte sein Bruder gerade?): „Es tut gut, Euch wieder bei uns zu haben.“ Seth sah seinen Bibliothekar langsam an, die eleganten Augenbrauen hochgezogen. Der junge Mann mit den weißen Haaren zupfte nervös an dem Saum seines Hemds, die Wangen rot und peinlich berührt, aber er lächelte und Seth fragte sich, wann zum Teufel er es geschafft hatte, dass man sich um ihn sorgte. Er knurrte nur und wandte sich dann ab. „Wo sind wir hier überhaupt?“, fragte er und maß das Zimmer abfällig. Jou begann zu grinsen und Ryou wurde rot und starrte die Hände in seinem Schoß an. Isis’ ruhige Stimme antwortete ihm schließlich. „Ich biete Dienstleistungen an.“ Seth war nicht dumm. Er war auch nicht ignorant. Er zählte eins und eins zusammen und sah seinen Cousin dann langsam an. In seinen blauen Augen sprühte das Feuer wieder, für das er so bekannt war. Jou (oder Jono – der junge Lord hatte auch unbedingt einen geheimen Namen haben wollen) zuckte mit den Schultern und runzelte verärgert die Stirn. „Was sollten wir tun? Dich ‚verlegen’ lassen, damit der Herr in einem Etablissement aufwacht, dass ihm mehr zugetan ist?“ Seth sah aus, als wolle er sagen, dass sie das in der Tat hätten machen können. Dienstleistungen! Dass er nicht lachte. Was für ein netter Ausdruck für Prostitution. Er wäre am liebsten aufgestanden und gegangen, aber sein schwacher Körper hinderte ihn daran. So lehnte er sich einfach nur zurück und schloss die Augen. -- Die Spannung in der Luft war fast greifbar. Sie waren allein. Seth versuchte sich angestrengt darauf zu konzentrieren, den Jungen auf der anderen Seite des Raumes zu ignorieren und der Junge schien genau dasselbe zu versuchen. Schade nur, dass es für sie beide nicht funktionierte. „Arbeitest du auch für sie?“, knurrte der Brünette nach einer Weile, während er sich den Gürtel aufmachte. Nicht, dass es ihn interessierte, aber vielleicht bekam er durch den Jungen heraus, was genau passiert war, nachdem er in dem Schmugglerlager ohnmächtig geworden war (sein Stolz schrie gequält auf, als er nur daran dachte und er musste die Zähne aufeinander beißen.) „N-Nicht so, wie Ihr denkt, S-Sir. I-Ich erledige nur Bo-Botengänge f-für die Herrin.“ Pathetisch, dachte Seth. Hat man ihm nie beigebracht, richtig zu sprechen? Er drehte sich weg, als er seine alte Hose, nun relativ sauber, nicht mehr vom Dreck der Straße besudelt, anzog. Er wusste immer noch nicht, warum er sich von dieser Furie hatte überreden lassen, den Taugenichts mit ins Zimmer zu lassen. Er hatte das Gefühl, dass Isis ganz genau wusste, dass er weder einen Kreislauf- noch einen Nervenzusammenbruch erleiden würde. Die Frau hatte etwas an sich, dass er nicht zuordnen konnte und das hasste er. Während er sich weiter umzog, den Jungen ignorierend, dachte er darüber nach, was er jetzt tun würde. Der Schmuggler hatte sein Wort gebrochen. Seth war genau so weit wie zuvor, nur um einiges ärmer und schwächer. Langsam schlich sich eine Stimme in seinen Verstand, die ihn fragte, ob es das alles wert sei. Er verhielt sich wie ein kleiner Junge, der irgendwelchen Abenteuern hinterjagte, einem Phantom, das er nicht fassen konnte, und dafür setzte er alles aufs Spiel, was er hatte. Die Sicherheit seines Bruders, das Leben seines Cousins (es ist seine eigene Schuld, schalt er sich, der Idiot ist freiwillig mitgekommen, ich wollte ihn nie dabei haben), sein eigenes und alles, was er sich im Leben aufgebaut hatte. Wenn sein Stiefvater hörte, was er tat… Er wollte gar nicht darüber nachdenken. Warum war er so versessen darauf, diesen dreisten Piraten zu fangen? Er hat mich blamiert. Er hat mich bloßgestellt. Er hat mit mir gespielt wie eine Katze mit einer Maus. Das kann und werde ich nicht auf mir sitzen lassen! Ich werde diesen Kerl finden und ihn hängen sehen und dann werde ich ihm ins Gesicht lachen und ich werde es genießen, wenn dieses freche Grinsen von seinen Lippen verschwindet und er sieht, dass er sich nicht mit Seto Kaiba hätte anlegen sollen! Er zog grimmig die Augenbrauen zusammen, sein Gesicht düster und die außergewöhnlichen blauen Augen hasserfüllt. Er war so in Gedanken versunken, dass er zusammenschreckte, als er eine federleichte Berührung auf seinem Rücken fühlte. Er fuhr herum und starrte den jungen Mann wütend an. „Was tust du da?“ Der Junge, Raj, schien völlig unbeeindruckt. Er hatte die Hand immer noch erhoben, das Gesicht unter der Schirmmütze versteckt. Er zitterte nicht mehr. „Woher habt Ihr die?“, fragte er und seine Stimme klang ruhig, aber interessiert, gar nicht mehr wie ihr zittriges Selbst, das er kannte. Seth zog die Augenbrauen zusammen und streifte sich das Hemd über den Kopf. Er knöpfte es langsam zu. „Was interessiert es dich?“ Der Junge zuckte mit den Schultern und ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich weiß nicht.“ „Dann frag nicht.“ Seth spürte ganz genau, wie Raj ihn ansah und er sah zurück, versuchte in den Schatten unter der Mütze zu blicken, aber es gelang ihm nicht. Warum unterhielt er sich überhaupt mit diesem Blag? Missmutig wandte er sich seinen Stiefeln zu und verengte die Augen zu Schlitzen, als seine Kopfschmerzen sich verstärkten. Verfluchter Schmuggler. Sollte ich ihn jemals wiedersehen, hängt er auch. Er sah überrascht auf, als plötzlich bestimmende Hände seine eigenen von dem Leder lösten und Raj sich vor ihn kniete. „Ihr seid dem Tod um Haaresbreite von der Schippe gesprungen, seid nicht übermütig. Ihr müsst Kopfschmerzen haben. Lasst mich das machen.“ Sanfte, vorsichtige Finger hoben seinen Fuß an und ließen ihn in den Stiefel gleiten, immer darauf bedacht, die ohnehin gereizten Nerven nicht noch mehr zu irritieren. Auf die gleiche Weise verfuhr er mit dem anderen Fuß. Seth wollte ihn anfahren, dass er nicht aus Porzellan bestand. Er hasste Mitleid oder Fürsorge. Er brauchte sie nicht. Aber er hielt an sich und warf dem Jungen, der mittlerweile wieder aufgestanden war, nur einen irritierten Blick zu. Raj lachte und zuckte mit den Schultern. „V-Verzeiht mir, Herr.“ Seine Stimme klang eindeutig spöttisch. „Wer bist du?“, fragte Seth misstrauisch, während er den Jungen musterte. Er war nicht dumm – und seine Erfahrungen zeigten ihm, dass man nicht leichtfertig mit Fremden umgehen sollte. „Ein Freund. Meister Timaeus hat mich gebeten, auf Euch acht zu geben.“ Zorn sprang wie ein Funken in Seths Adern und setzte sein Blut in Brand. Er ballte die Hände zu Fäusten und er zog die Augenbrauen zusammen, seine blauen Augen dunkel und stürmisch. Seine Stimme klang gepresst, als er gefährlich leise sagte: „Und was könnte die Ratte wohl von mir wollen?“ Ein selbstsicheres Grinsen legte sich auf die Lippen des Jungen. „Meister Timaeus ist ein Mann, der seine Versprechen hält. Ich bin hier, um Eure Bitte zu erfüllen.“ Seth war sich fast sicher, dass Timaeus ganz und gar nicht oft seine Versprechen hielt. Und er würde sich nicht noch einmal von ihm austricksen lassen, der Mann war dumm und einfältig, wenn er das glaubte. Er hatte sich mit Seto Kaiba angelegt und dafür würde er hängen, wenn das alles vorbei war. Piraterie und Schmuggel waren zu lange lasch behandelt worden. Und das würde aufhören. Jetzt. Er packte Raj am Kragen und zog ihn hoch. „Sag dem Schmu-“ Er verstummte überrascht und sah auf den Jungen herab, dahin, wo eigentlich Augen sein sollten, verräterische Augen eines Kleinkriminellen, der den Mächtigeren die Schuhe ableckte. Aber an deren Stelle schaute er nur auf grauen Stoff. Er starrte den Jungen an, die Hand fest in dessen Hemdkragen gekrallt, die Fußspitzen des Jungen gerade den Boden berührend. Das graue Stofftuch, das die Augen des Jungen bedeckte, war dreckig und besudelt von Tagen in der Gosse. „Überrascht?“, fragte Raj ihn und seine Stimme klang plötzlich um einige Grad kälter, das Lachen von seinen Zügen verschwunden. Nein. Er war nicht überrascht. Er war zornig, frustriert, angewidert, aber überrascht war er nicht. Ein Kaiba war nicht überrascht – er konnte nicht überrascht werden. Zumindest hatte er das gelernt, hatte es verinnerlicht und war ein wahrer Kaiba gewesen, bis dieser Pirat seinen Stolz auf den Boden geworfen und rücksichtslos darauf herumgetrampelt war. Es machte nichts, dass es jedem anderen hätte ebenso passieren können – er war nicht jeder. Er war Seto Kaiba und er hatte sich verdammt noch mal so zu benehmen und das tat er in der letzten Zeit ganz und gar nicht. Ich habe Seth zum Schutz erschaffen und jetzt stellt er eine Bedrohung dar. Der Brünette sah den Jungen angewidert an und hätte ihn beinahe losgelassen, als sein Verstand warnend aufschrie. „Woher habt Ihr die?“, fragte er und seine Stimme klang ruhig, aber interessiert, gar nicht mehr wie ihr zittriges Selbst, das er kannte. Seth zog die Augenbrauen zusammen und streifte sich das Hemd über den Kopf. Er knöpfte es langsam zu. „Was interessiert es dich?“ Wenn der Junge wirklich so blind war, woher hatte er das dann gewusst? Wie hatte er es sehen können? Das war ganz und gar unmöglich. Seths knurrte, hob den Jungen mit einer Handbewegung gegen die Wand, bis dieser nach Luft rang. „Ich lass mich nicht mehr von euch austricksen, ihr Heuchler“, zischte er und presste das Kinn des Jungen nach oben. Der rang nach Luft und versuchte die Hand des Lords von seinem Hals zu lösen, die schlanken Finger in seinen Hemdsärmel gekrallt, bis die Knöchel weiß hervortraten. Er trat mit den Füßen, aber Seth, auch wenn er noch geschwächt durch das Gift war, hatte den Vorteil der Größe. „Geschieht dir ganz recht, du verdammte Ratte“, brachte Seth zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, die Augen zu Schlitzen verengt. „L…Lass-“ Plötzlich flog die Tür laut auf. „Lasst Ihn los!“ Isis kam mit weit ausgreifenden Schritten auf ihn zugeeilt, Zorn auf ihren schönen Gesichtszügen. Ihre Augen brannten mit kaltem Feuer. Seth sah sie irritiert an. Hatte die Frau gelauscht? Er ließ abschätzig von dem Jungen ab, der auf dem Boden zusammenbrach und hustete. Dann hielt er sich den Hals und holte hastig Luft. „Habt Ihr den Verstand verloren?“, zischte Isis wütend und kniete sich neben den Jungen, strich ihm beruhigend über den Rücken. Seth rollte die Augen. Er hatte den Jungen nicht umbringen wollen. Sollte sie ihre Bemerkungen bei sich behalten. Das ging sie nichts an. „Der Junge ist ein dreister Lügner! Er ist niemals blind!“ Die Frau sah ihn ebenso irritiert an, die eleganten Augenbrauen über aufgewühlten blauen Seen zusammengezogen. „Ihr seid ja wahnsinnig.“ Seth ballte die Hand zur Faust. „Wie sonst hätte er wissen können-“ Er brach sich im letzten Moment noch selber ab und sah die beiden missmutig an. Woher hat er das gewusst? Woher zum Teufel? Er starrte auf die graue Kappe des Jungen, als versuchte er sich in dessen Kopf zu brennen. In dieser verfluchten Stadt schien niemand das zu sein, für das man ihn hielt. Und diese kleine Ratte schien erst recht etwas zu verbergen und er wollte wissen, was das verdammt noch mal war – es hatte irgendetwas mit ihm zu tun und das machte es zum direkten Problem. Seinem Problem. Ein heiseres Lachen riss ihn aus seinen Gedanken. „Glaubt Ihr wirklich, es war ein Zufall“, der Junge schluckte und rieb sich den Hals, „dass Ihr gerade rechtzeitig gefunden wurdet? Ich war es, der Euch hierher gebracht hat! Ich!“ Seth sah ihn blank an. Was hatte das damit zu tun? Was sollte dieses Spiel? Was ging in Timaeus’ Kopf vor, dass er so ein Theater machte für… für was eigentlich? Unwichtig. Der Junge fuhr fort: „ Und ich kann Euch dahin führen, wo Ihr hinwollt, Seth.“ Seine Stimme war leise, aber selbstsicher. Isis wollte ihn dazu bringen, weniger zu reden, aber er ignorierte sie einfach und kam ein wenig schwankend wieder auf die Beine. Ein Grinsen geisterte über seine Lippen. „Überlegt es Euch – Ihr habt einen guten Preis gezahlt. Und ich sagte schon: Der Meister ist ein Mensch, der seine Versprechen einhält.“ Ja, einen Preis, den ich niemals freiwillig gezahlt habe, murrte er gedanklich. Ich diesen Bastard nicht gebeten, meine Taschen auszuräumen. Aber selbst wenn mich dieser Junge zu Timaeus führt – es gibt mir die Chance, mit ihm abzurechnen. Diesmal werde ich vorbereitet sein. Seths blaue Augen waren kalt, misstrauisch. „Wer sagt, dass du mich nicht hintergehst?“ „Niemand. Diese Spiele spiele ich nicht.“ Es ist eine Chance. Eine Chance. Seth nickte, die Augenbrauen zusammengezogen, die Arme vor der Brust verschränkt. Dann wandte er sich von dem Jungen ab, ignorierte ihn und wollte den Raum verlassen. Er musste Vorbereitungen treffen und je länger er diese Ratte nicht mehr sehen musste desto besser. Er trat gerade durch die Tür, da hörte er, wie Raj ihm amüsiert nachrief: „Ach Seth. Ich war auch derjenige, der Euch umgezogen hat. Man muss nicht sehen können, um gewisse Dinge zu bemerken.“ -- „Könnt ihr nicht mal warten? Warum rennt ihr so? Verdammt, wartet! Hallo!“ Seth ignorierte seinen Cousin geflissentlich. Er hatte selbst Probleme, den agilen Jungen nicht aus den Augen zu verlieren, als er durch die Menschenmenge schlüpfte, als schwimme er durch Wasser. Ein paar Mal hatte er schon plötzlich einen Schwenk gemacht oder war an einer Straßenecke abgebogen und es war nur Seths guten Augen zu verdanken, dass sie sich nicht hilflos in den verworrenen, stinkenden Straßen verloren. Blind. Dass ich nicht lache. Niemand, aber wirklich niemand, auch wenn er die Gegend noch so gut kannte, konnte sich in dieser Stadt, in der alles gleich aussah, wo die Menschen sich auf den Straßen voneinander wegdrückten, so gut auskennen ohne jemanden anzurempeln (was zweifellos nicht unblutig ausgegangen wäre). Er hatte schon Probleme nichts zu übersehen, und er trug nur eine Augenklappe. Aber dieser Junge, der angeblich seit seiner Geburt völlig blind war, wie Isis ihm in ihrer Standpauke (er begann die Frau wirklich zu verabscheuen – zum Glück war er sie jetzt los, hoffentlich für immer) unterbreitet hatte, war wie ein Fisch im Meer. Und Raj schien es mittlerweile auch nicht mehr zu interessieren, dass sie durch seine Fassade blicken konnten. Vermutlich spekulierte er darauf, dass seine Freunde ihnen an ihrem Treffpunkt auflauern würden. Aber soweit würde es nicht kommen. Seth ließ sich nicht zweimal mit demselben Trick reinlegen. Diesmal war er vorbereitet (seine Hand fuhr unbewusst über den glatten Griff seiner Pistole) und er hatte dafür gesorgt, dass die anderen es auch waren. „Oh verdammt!“ Das würde ihm aber reichlich wenig bringen, würde sich Jou nicht zusammenreißen. Seth schloss die Augen kurz und atmete kurz durch. „Ich weiß nicht, warum ich diesen Idioten überhaupt habe mitkommen lassen“, murrte er missmutig. „Er war eine… eine große Hilfe, als Ihr… Ihr krank wart“, bemerkte Ryou Bakura atemlos von der Seite. Er hatte erhebliche Probleme mit dem jungen Lord Schritt zu halten, aber seine Wendigkeit gab ihm einen guten Vorteil unter den zwielichtigen Menschen Tortugas. „Irgendwann will ich die ganze Geschichte hören“, erwiderte Seth und seine Stimme klang eher so, als würde er am liebsten nie wieder an diese Eskapade erinnert werden. „Nun, ich-“ „Nicht jetzt!“, unterbrach er den Bibliothekar scharf und sandte ihm einen irritierten Blick. Der Albino wurde rot, sank in sich zusammen und fiel dann einen Schritt zurück. Seth konnte es nur recht sein. Wo war diese kleine Straßenratte jetzt schon wieder? Es dauerte nicht lange, bis die Häuser um sie den Weg freigaben und nur noch vereinzelt Menschen oder alte Schuppen am Wegrand standen. Wenn man es den überwachsenen Trampelpfad, auf den sie Raj führte, denn Weg nennen konnte. Der Junge ging nun langsamer und auch Jou hatte mittlerweile zu ihnen aufgeschlossen, recht lautstark. Seth verengte seine Augen zu Schlitzen. Komm schon, für uns zu deinen Freunden – am besten noch zu diesem Luchs Timaeus. Ich würde ihn zu gern seine eigenen Rezepte kosten lassen. Womit er aber nicht gerechnet hatte, war das, was er sah, nachdem sie einen langen Marsch durch Palmenwälder hinter sich hatten. Die Palmen teilten sich auf einmal und gaben den Blick auf eine außergewöhnliche Sicht frei. Seth hörte Ryou hinter ihm nach Luft schnappen und Jou fluchen. Die Gegend fiel vor ihnen steil ab und mündete im Meer. Stimmen und Schritte auf dem Sand und den Holzplanken, mit denen der unsichere Untergrund gefestigt war, drangen zu ihnen empor. An die ein Dutzend Menschen standen am Strand und die Wellen umspülten ihre Füße. Ab und zu spritzte das Wasser hoch, wenn einer von ihnen schneller hindurch lief. Aber das Erstaunlichste, das, was Seths Aufmerksamkeit bannte, war das Schiff. Das Schiff! Ein englisches Handelsschiff. Das war es zumindest einmal gewesen. „Das ist die Bloody Scarlet…“, wisperte Ryou ehrfürchtig. Seine Augen waren weit aufgerissen und er war bleich im Gesicht. In der Tat. Wenn Seth das Schiff nicht schon von den Bildern und Beschreibungen wieder erkannt hätte, dann hätte es ihm spätestens das Emblem auf dem weißen Hauptsegel verraten. Ein Falke im Flug, zwei gekreuzte Schwerter im Hintergrund. Das Zeichen der berühmtesten Piratenbande der Welt. Das Zeichen Kapitän Atemus. Wäre Seth kein rationaler Mensch, hätte er seinen Augen nicht getraut. So aber sah er die Wahrheit. „Da tritt mich doch ein Pferd“, bemerkte Jou, der mittlerweile neben ihn getreten war. „Ist das tatsächlich…?“ „Kapitän Atemus Vizekapitän Akefia Bakura ist Tortuga vor drei Tagen für Vorräte und Ausrüstung angelaufen. Mittlerweile hat er alle Geschäfte abgewickelt und ist im Aufbruch. Sein Ziel ist ihr geheimer Ankerplatz, ihr Nest, ihre Brutstätte“, erzählte Raj leise. „Fortune Island. Die Insel des Schicksals.“ Normalerweise hätte Seth die Art, wie der Junge über dieses Piratennest redete, lächerlich gefunden. Warum senkte die Menschen in solchen Fällen die Stimme, als würde ihnen der Himmel auf den Kopf stürzen, täten sie es nicht? Es war einfach unlogisch und irrational. Dieses Mal war es anders. Es war nicht der Name der Insel oder die Art, wie er ausgesprochen wurde. Es war die Aussicht auf das, was dieser Name bieten konnte. Er konnte fast die Hand ausstrecken, konnte fast das berühren, was ihn auf diese wahnsinnige Fahrt getrieben hatte, die so untypisch für ihn war. Er hatte so viel riskiert, sein Leben, seinen Stolz, seinen Platz auf dem Thron und er hatte Zweifel gehabt, ja. Als sein Kopf von den Nachwirkungen des Giftes gedröhnt hatte, als er auf dem Bett gelegen hatte, schwach und müde, da hatte er sich gefragt, ob er seinen Stolz nicht selber zerstörte, bis er die Teile nie mehr wieder würde aufheben können. Aber jetzt, wo er hier stand, das Schiff sah, die Menschen (die Piraten), die nichts ahnend weit unter ihm ihre Arbeit verrichteten, da kehrte auf einmal das Feuer, der Brennstoff zurück, der Wahnsinn, der ihn hierher getrieben hatte. Er sah zwischen zu Schlitzen verengten Augen auf das Treiben herab und er ballte die Hände zu Fäusten. Das ist es. „Wollt Ihr näher hingehen?“ Seth sah auf, studierte Raj abschätzend. Die Augen des Jungen waren zwischen einem schmalen schwarzen Sehschlitz in der grauen Augenbinde auf ihn gerichtet, er war sich sicher, auch wenn er es tatsächlich nicht erkennen konnte. Man kann ihm nicht trauen. Man kann niemandem trauen. Letztes Mal hatte ihm seine Unachtsamkeit fast das Leben gekostet. Diesmal würde sie garantiert seine Schlinge sein. Wenn er mit dem Jungen mitging, dann begab er sich in eine Gefahr, die er in ihrer gesamten Form schwer ermessen konnte. Er hatte Mokuba (Mokuba!), er musste noch auf so vieles acht geben, hatte so viel Verantwortung, hatte noch so viel zu tun. Das alles durfte er nicht aus dem Auge lassen. Er durfte das alles nicht riskieren. Er konnte hier nicht sterben. Um sein eigenes Leben hatte er sich nie geschert, diese Welt schien ihm so wenig zu bieten, das es wert war, dafür mit aller Kraft zu leben. Aber er hatte ein Imperium. Er hatte Mokuba. Und doch. Er hatte für nichts in seinem Leben außer Mokuba etwas empfunden. Und nun hatte er etwas gefunden und er wollte es erfüllt sehen, sein Ziel. Es mochte nur Verachtung sein, die Ambition seinen Stolz heilen zu lassen, es mochte eigennützig sein, aber war er das nicht schon immer gewesen? Eigennützig. Egoistisch. Er hatte immer das getan, was Gozaburo ihm aufgetragen hatte, aber er hatte es getan, weil er gedacht hatte, dass es seinen Zwecken diente. Vielleicht war es einfach nur ein Befreiungsschlag, etwas zu tun, was er wollte. Er sah in Ryous Augen: verängstigt, aber geprägt von den schweren Tagen, die hinter ihm lagen, und einem Vertrauen in die Führungsqualitäten seines Prinzen, dass Seth sich von ihnen losreißen musste, um seinen Cousin anzusehen. Jous braune Augen versteckten ihre Furcht vor dem, was kommen könnte, hinter ihrem unbändigen Feuer und einer Herausforderung. Eine Herausforderung an ihn. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, oder wie war das?“, fragte der Blonde grinsend und lehnte sich selbstbewusst zurück, die Arme verschränkt. Seth wandte sich wieder seinem Bibliothekar zu und musterte ihn nachdenklich. Der sah schüchtern zurück. Dann zuckte er mit den Schultern. „Wir sind bis hierher gekommen.“ Eine weitere dumme Entscheidung wird den Braten nicht fett machen. Hoffentlich. Verächtlich schnaubend drehte sich Seth von seinen Begleitern weg. Äußerlich war er ruhig wie immer, aber in ihm brannte er darauf, endlich der Person, die das alles losgetreten hatte, die für all das verantwortlich war, gegenüber zu stehen. „Zeig den Weg“, sagte er zu Raj, ein selbstzufriedenes Lächeln auf den Lippen. Der Junge nickte und verbeugte sich, ein ebenso spöttisches Lächeln auf seinen Zügen. Dann drehte er sich herum und ging durch die dichten Palmen zu ihren Seiten einen versteckten Schleichweg hinunter und Seth folgte ihm, ein imposantes Bild in seinem blauen Mantel, den schweren Stiefeln und dem Langschwert an seiner Seite. Jou packte Ryou am Arm, der selbstmitleidig gen Himmel schaute, und zog ihn grinsend mit sich. Gemeinsam folgten sie den beiden anderen. -- „Ich muss Euch jetzt verlassen, Seth.“ Der Brünette riss seine Augen von Treiben der Piraten und sah den jungen Mann an, seine Augen verschleiernd. Raj hockte geduckt in der Nische unten an der Felsklippe, sein schlanker Körper angespannt. Zum ersten Mal sah er auf und in Seths Augen und auch wenn der junge Lord nur Schatten und Schemen erkennen konnte, so durchfuhr es ihn unwillkürlich. Da war etwas Bekanntes, etwas, dass er wissen sollte, aber nicht wusste. Der Junge, der vielleicht gar nicht so jung war, wie Seth jetzt sah, zögerte, dann hob er die Hand, legte sie Seth auf die Schulter (und er ließ es geschehen!) und lächelte undefinierbar. Seth wollte noch etwas fragen, irgendetwas, er kannte die Frage nicht, aber er wusste, dass es eine geben musste. Er starrte Raj an, hob die Hand zu der des jungen Mannes (um sie wegzuschlagen? Um sie festzuhalten?), aber da war sie ihm schon entglitten und Raj ebenso. Die Palmenblätter raschelten und der junge Mann verschwand in ihrem schützenden Dickicht. „Was zum Teufel macht ihr da?“, raunte Jou ihn nervös an und Seth schüttelte den Kopf. „Nichts, was dich etwas angehen würde“, antwortete er gefasst. Er sah wieder auf das Schiff, das vor ihnen lag und überlegte, versuchte die merkwürdige Szene, die sich gerade abgespielt hatte, aus seinem Kopf zu bekommen. Erfolglos. Was dachte sich dieser Hallodri eigentlich? Was war das gerade gewesen? Warum hatte er das Gefühl, den Jungen schon einmal gesehen zu haben? Er verengte die Augen zu Schlitzen und verbannte diese Fragen wütend aus seinem Verstand. Es gab wichtigere Dinge. Zum Beispiel was er jetzt tun würde. Was konnte er in solch einer Situation machen? Alles in ihm schrie danach, auf dieses Schiff zu gehen, das ihn seinem Ziel näher bringen würde. Aber es gab keinen Zeitpunkt, an dem er sich hätte an Bord schleichen können. Er würde die zwanzig Meter, die zwischen ihm und der Bloody Scarlet lagen, niemals ungesehen überwinden. Außerdem wollte er sich nicht wie ein Feigling unter den Decks verstecken, als Blinder Passagier. Was soll ich jetzt tun? Was? Es sollte anders kommen. „Na, wen haben wir denn da?“ A/N: Ja, Aschenvogel spielt dieses Jahr fleißig Christkind. Und natürlich vergisst sie dabei auch nicht ihre treuen Animexxleser. Ihr seid toll. Eine Runde Kekse für alle. Dieses Kapitel geht an Chifuyu, die als erstes kommentiert hat. Zum Kapitel: Ich entschuldige mich für OOCness so wie plötzlichen Wechsel im Schreibstil. Verzeiht mir. Und eine Sache: I don't do OCs. Einen Extrakeks für jeden, der die einzelnen Hinweise auf folgende Kapitel findet. Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie zu den Keksen tun und essen. Historische Anmerkungen: 1)Fortune Island (heutzutage Long Cay) gibt es tatsächlich. Sie ist eine kleine Insel des Distrikts Crooked Island in den Bahamas. In eigener Sache: Feedback ist der Brennstoff, mit dem ich laufe. Und es zeigt mir, dass jemand an meiner Arbeit interessiert ist. Drink up, me 'earties, yoho! Kapitel 8: Verschwörung ----------------------- Merry Christmas. Diesmal mit Widmung an Ithiliana, zweite Kommentarschreiberin von Schmugglerware. A/N am Ende. Verschwörung Mokuba war schon lange in dem Alter, in dem er allein spielen konnte. Er war nicht dumm und während andere Kinder noch über den Innenhof jagten und fangen spielten, saß er in seinem Zimmer und malte. Nun war Mokuba noch nicht so alt, dass man behaupten könne, er sei ein Meister in seinem Fach, aber ein gewisses Talent ließ sich nicht verleugnen. Er hatte ein gutes Auge für Formen und Farben und auch wenn der Löwe, den er gerade zeichnete, nicht gerade wie, nun ja, ein Löwe aussah, sondern mehr wie eine übergroße Gassenkatze, so fand er genug Freude am Malen, dass er einen großen Teil seiner Zeit damit verbrachte. Groß genug, um seinen Vater in schlechte Laune zu versetzen. „Meister Mokuba, Ihr wisst doch, dass mir Ihre Majestät befohlen hat, Euch zum Lernen zu bewegen. Ihre Exzellenz sieht es gar nicht gerne, wenn Ihr Euch mit so unflätigen Dingen wie der Malerei beschäftigt“, murmelte Arthur nervös und seine Brille rutschte ihm die Nase herunter, so dass er sie wieder hochschieben musste. Damit sie wieder herunterrutschte. Und er sie wieder hochschob. Und so weiter eben. Mokuba hatte nie verstanden, warum er sich nicht eine neue anfertigen ließ. „Und du lässt es trotzdem zu“, antwortete der junge Lord lachend, während er den Pinsel beiseite legte und sich mit der Hand über das Gesicht fuhr. Seine Hose war voller Farbflecken und er dankte Arthur dafür, dass er ihn zu alter, abgenutzter Kleidung beim Malen überredet hatte, denn er wusste nicht, was Vivian getan hätte, wenn er seine teure Sonntagskleidung ruiniert hätte. Vermutlich hätte sie ihm den Kopf gewaschen. Oder noch Schlimmeres. Und er war nun wirklich zu alt, um den Kopf gewaschen zu bekommen. Immerhin war er schon vierzehn. Er seufzte tief und ließ sich auf den Boden fallen, Beine von sich gestreckt und die Haare wirr im Gesicht. „Ich hasse dieses Land“, murmelte er widerwillig und verschränkte die Arme. „Warum mussten wir hierher kommen?“ Arthur hatte damit begonnen, die Malutensilien um ihn herum aufzuheben und legte sie sorgfältig in die Holzkiste, die Mokuba überall hin mitnahm. „Ihr wisst, es war Meister Setos Wunsch. Er wollte warten, bis sich die Situation auf der Insel beruhigt hat.“ Mokuba beobachtete ihn aus dem Augenwinkel, mittlerweile die Hände hinter dem Kopf verschränkt und die Beine im Schneidersitz. Er rümpfte die Nase, als er sah, dass Arthur es mal wieder schaffte, kein einzelnes Tröpfchen Farbe auf seine tiefschwarze Kleidung zu bringen. Dann runzelte er die Stirn und schnaubte. „Und wo ist er dann? Warum schickt er mich in diese gottverdammte Provinz und ist selber nirgends auszumachen?“ Arthur schürzte die Lippen und verschloss die Kiste mit dem starken Schloss, dessen Schlüssel Mokuba immer mit sich trug. Er richtete sich auf, klopfte sich den Staub von der Kleidung und richtete sich die Hemdsärmel. „Meister Mokuba, Ihr solltet nicht solche Worte benutzen, besonders keine, die den Namen des Herrn beschmutzen. Ihr wisst, ich komme in Teufels Küche, wenn Vivian Euch so hört. Sie denkt ohnehin, ich bringe Euch nur Unfug bei.“ Mokuba schnaubte belustigt und legte sich lang auf den Holzboden, alle Viere von sich gestreckt. „Dabei flucht sie selbst wie ein Seemann.“ Arthur unterdrückte ein Lachen und fuhr sich über den gepflegten Schnurrbart. „Nun ja, zumindest vermag sie es, sich klar auszudrücken.“ Er schob seine Brille – wieder einmal – hoch und sah seinen jungen Herrn dann stirnrunzelnd an. „Meister Mokuba, wenn Ihr mir die Frage gestattet, was habt Ihr eigentlich gegen Virginia? Mir wurde gesagt, es sei eine wunderschöne Kolonie. Die Landschaft muss wunderbar sein.“ Mokuba sandte ihm einen trockenen Blick. „Arthur, wenn du so redest, merkt man dir dein Alter an. Hier ist es einfach nur…“, er zuckte hilflos mit den Schultern, „…langweilig.“ Der Diener lachte leise und schüttelte den Kopf. „Und Ihr seid ganz sicher, dass es nicht wegen Eures Bruders ist?“ Der junge Lord rollte sich herum, so dass er von Arthur wegsah und starrte stur die Wand an. Er verschränkte die Arme wieder und zog die Augenbrauen zusammen, dass sich Arthur daran erinnert sah, dass zwar Meister Seto viel zu erwachsen für sein Alter war und das auch schon immer gewesen war, sein kleiner Bruder aber jede Sekunde seiner vierzehn Jahre war. Er musste ein Lachen unterdrücken. „Nun, Meister Mokuba, ich bin mir sicher, dass Euch Meister Seto bald schreiben wird. Ihr solltet Euch nicht so viele Gedanken machen, Euer Bruder hat bestimmt seine Gründe.“ Der Diener holte seine verschrammte Uhr heraus und runzelte die Stirn. „Außerdem ist es Zeit für Euren Unterricht. Nun macht Euch schon auf.“ Mokuba stöhnte gequält auf und rollte sich noch einmal auf dem Boden, alle Viere von sich gestreckt und den Blick zur Decke gerichtet. Seto, wo bist du? Warum schreibst du nicht? Er blinzelte ein paar Mal und rieb sich über die Augen. Komm zurück, großer Bruder. Dann setzte er sich auf, schlüpfte aus seinem alten, mit Flecken übersäten Hemd und nahm sein feinstes Sonntagshemd entgegen. Er fuhr sich einmal durch die Haare, erfolglos, und wusch sich die Hände. Dann seufzte er. „Bis dann, Arthur. Ich gehe dann mal besser.“ Er sandte dem alten Butler ein breites Grinsen zum Abschied, das aber nicht ganz seine Augen erreichte. Dann verließ er das Zimmer. Arthur sah ihm hinterher und das Lächeln verschwand von seinem Gesicht. Beeilt Euch, Meister Seto. Euer Bruder braucht Euch. -- Mokuba knöpfte sein Hemd im Laufen zu, während er auf seine Taschenuhr schaute. Es ist schon viel zu spät! Shimon wird mir den Kopf abreißen! Arthurs Uhr muss falsch gehen. Er sollte das alte Ding endlich mach eintauschen. Er fluchte unterdrückt und wusste, dass Seto ihm den Kopf waschen würde, würde er es hören. Er runzelte die Stirn. Tut er aber nicht. Er ist nämlich nicht da. Seine Augen wurden weicher und er wurde ein wenig langsamer, bis er schließlich stehen blieb und den Boden anstarrte. Hoffentlich geht es ihm gut. Er holte ein goldenes Amulett unter seinem Hemd hervor und ließ es aufschnappen. Er sah es lange sentimental an, fuhr mit seinen Augen das Portrait seines Bruders nach. Das Bild hatte ihre Mutter gemalt, damals, als Mokuba noch zu jung war, um zu verstehen oder zu erinnern. Seto hatte es ihm erzählt. Er hatte ihm von ihr erzählt, wie sie ausgesehen hatte, wie sie gewesen war. Mokuba war erst ein paar Monate alt gewesen, als sie gestorben war. Er wusste, dass Seto nicht gerne über ihre Vergangenheit redete, aber wenn sein kleiner Bruder fragte, dann tat er es. Ihm zur Liebe. Mokuba zog die Nase hoch und fuhr sich über die Augen. Dann atmete er tief durch und schloss den Anhänger entschlossen. Ihm geht es gut. Ich weiß es. Er schaute aus dem Fenster, als ihm plötzlich auffiel, wo er war. Oder besser, wo er sein sollte. „Oh, verdammt!“, meinte er lauter als beabsichtigt und begann wieder zu rennen. Er war fast im Westflügel angekommen, als er Stimmen aus dem Zimmer hörte, das er gerade passierte. Mokuba war von Natur aus ein neugieriger Junge. Er konnte schließlich auch nichts dafür. Und die Leute mussten die Türen ja nicht einen Spalt offen lassen. Er blieb stehen und ging leise auf die Tür zu, bewusst darauf achtend, kein Geräusch zu machen. Den Atem anhaltend lehnte er sich an den Türrahmen und riskierte einen Blick hinein, aber die Sicht wurde ihm durch ein Bücherregal versperrt. Die alte Bibliothek. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er hier war. Er war so lange nicht mehr hier gewesen. „Ihr seid Euch sicher?“, fragte eine auffällige Männerstimme, die Mokuba sofort erkannte. Pegasus J. Crawford. Was machte er hier? Er war auf Jamaika gewesen, Mokuba war sich sicher! War er ihnen gefolgt? Warum sollte er das tun? Hatte sein Stiefvater ihn geschickt, um auf ihn aufzupassen? Er brauchte keinen Aufpasser, er war vierzehn! „Natürlich. Sehe ich aus, als würde ich lügen? Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen!“, antwortete eine zweite, unbekannte Stimme vehement. „Er jage diesen Piraten, habe ich gehört.“ „Perfekt!“ Pegasus’ Stimme hörte sich zufrieden an. „Der Idiot schafft sich selbst aus dem Weg. Wenn Ihre Majestät das hört, wird er zufrieden sein. Sein Stiefsohn war ihm schon lange ein Dorn im Auge.“ Mokubas Augen weiteten sich entsetzt. Die redeten über seinen Bruder, über Seto! Was ging hier vor? Was meinten die beiden, mit ‚aus dem Weg schaffen’? War Seto in Gefahr? Was wurde hier gespielt? „Ihr wisst, was ich will. Ich hoffe, Ihr haltet Eure Versprechen.“ Die Stimme des Fremden klang ungehalten. „Natürlich. Sobald der Prinz tot ist, wird Euer Wunsch erfüllt werden. Aber Ihr müsst Euren Teil auch erfüllen.“ Der Fremde antwortete noch etwas, aber das hörte Mokuba schon nicht mehr. Er keuchte entsetzt, ein Rauschen machte ihn taub, sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Die wollen Seto umbringen! Umbringen! Er stolperte einen Schritt zurück und Tränen stiegen ihm in die Augen. Sein Blick verschleierte sich und er hörte nur noch, wie die Stimmen lauter wurden. Irgendetwas sagte ihm, dass sie ihn entdeckt haben mussten, aber sein Körper wollte sich nicht bewegen. Immer wieder hörte er Pegasus in seinem Kopf, diese schrecklichen Worte. Ich muss Seto warnen! Aber wie? Wie sollte er das machen? Was sollte er machen? Tränen der Angst stahlen sich seine Wangen hinunter. Dann, als hätte man ihn geschlagen, wurde ihm klar, dass er hier weg musste. Er musste hier weg. Diese Männer durften ihn nicht sehen. Er stieß sich von der Wand ab und lief blind weg, weg von der Tür, weg von den Männern, weg von dem grausamen Gespräch. Er schaute nicht auf den Weg, konnte es nicht, sah nichts mehr. Seine Gedanken rasten, sein Atem kam kurz. Was soll ich nur tun? Seto, wo bist du? Seto! SETO! Plötzlich rannte er in etwas und taumelte überrascht einen Schritt zurück. Er war zu geschockt, um etwas zu tun, blieb stehen, bewegte sich nicht. „Hey, Junge, bist du in Ordnung?“ Die Stimme klang freundlich und sanft. Eine Hand wurde auf seine zitternde Schulter gelegt. Beruhigend. Er blinzelte und sah auf, in blaue Augen, warme blaue Augen. Er begann zu schluchzen und klammerte sich an den Mann. Vielleicht konnte er ihm helfen! Er konnte ihm helfen! Er musste! „Bitte… Bitte…“, schluchzte er und vergrub das Gesicht im Hemd des Mannes, die Hände verzweifelt in den weichen Stoff gekrallt. „Na, na, komm, hör auf zu weinen.“ Aber er konnte nicht. Er hatte Angst. Wahnsinnige Angst. Seto! Seto! Bittebittebitte, Seto! Er schreckte zusammen und riss die Augen auf, als er plötzlich Pegasus’ Stimme hinter sich hörte, sein Herz wanderte seinen Rachen hinauf. „Hey, du bist zu spät, kannst du ni- wer ist das?!“ Nein. Nein. Neinneinneinneinneinnein. Bitte, nein. NEIN! Mokuba sah auf, die Augen tränenverschleiert und gerötet und schluchzte. „Bitte…“ Der Mann mit den blauen Augen sah ihn undefinierbar an, seine Hände auf den Schultern des Jungen verkrampften sich, seine Augen, seine blauen Augen (wie Setos Augen, wie Setos Augen, wie Setos Augen!) wurde plötzlich eiskalt, der Zug um seinen Mund hart. „Verdammt, was macht das kleine Blag hier?“, hörte er die Stimme des ersten Fremden hinter sich, aber er nahm es nicht wirklich wahr. Er starrte nur in die Augen des Fremden, der vor ihm stand, und ihm wurde kalt. So kalt. Entsetzten zerrte an seinem Verstand. Dann packte ihm der Mann mit Setos Augen am Kragen und schleuderte ihn von sich. Schmerz explodierte in seinem Kopf, wurde unerträglich. Sterne tanzten vor seinen Augen. Seto… Dann wurde es schwarz um ihn. A/N: Arthur ist nicht Arthur Hopkins. Und all die unbeantworteten Fragen werden sich auflösen. Vivian ist übrigens Vivian Wong. Zum Kapitel: Die Handlung kommt ins Rollen. Mokuba hat seinen ersten Auftritt zusammen mit zwei Fremden - zwei Schlüsselfiguren. Und für alle die es nicht wissen: I don't do OCs. Naja, Arthur ist vielleicht eine Ausnahme. Nur damit keiner denkt, ich baue irgendwelche abstrusen Gary Stus ein. In eigener Sache: Mein Weihnachtswunsch: Zu jedem Kapitel einen Kommentar, damit ich weiß, was ihr gut fandet. ^^ Drink up, me 'earties, yoho! Kapitel 9: Ankerplatz --------------------- Für Schreiberling. A/N am Ende. Ankerplatz „Wen haben wir denn da?“ Die Frauenstimme klang streng, wenn aber auf eine grausame Weise amüsiert. Ryou standen die Haare im Nacken zu Berge und sein Herz schlug wie verrückt, dass er das Gefühl hatte, er müsste es jeden Moment ausspucken, so real war die Angst. Er wusste hinterher nicht mehr, was in seinem Kopf in diesem Moment vorgegangen war, er erinnerte sich nur daran, wie Lord Kaiba sich anspannte, wie eine Raubkatze, die zum Sprung ansetzt. Er verengte die Augen zu Schlitzen aus tiefstem Blau und der Zug um seinen Mund wurde härter. Jou war zusammengefahren und hatte erschrocken aufgeschrieen. Dann hatte Ryou es gewagt, sich umzudrehen, als letzter von ihnen, seine Glieder steif. Ihm war schlecht. Was er sah, jagte ihm einen eiskalten Schauder den Rücken hinunter. Vor ihnen stand eine Piratin. Braune, verwaschene Lederstiefel, eine ausgeblichene blaue Hose, eine Pistole und ein Schwert am Waffengurt, eine weiße Bluse, braune Haare, blaue Augen. Ein Band im Haar. Diese Augen! Er musste nicht nachdenken, wo er solche Augen schon einmal gesehen hatte, mit demselben stillen Zorn, derselben Verbitterung, demselben scharfen Spott. Der Mann, der fast das Spiegelbild dieser Augen besaß, stand neben ihm. Sie schauten sich ruhig an, ein frostiges Lächeln auf ihren Lippen, die Hände auf den Hüften. Dann lehnte sie sich vor, bis ihre Nasenspitze fast die Seths berührte. „Na, wen haben wir denn da?“ Er sah, wie Lord Kaiba sie ruhig ansah, erstaunlich gefasst, dafür, dass sie der gefährlichsten Piratenbande der Sieben Weltmeere in die offenen Arme gelaufen waren. Dann grinste Seth. „Was, bist du so dumm, dass du zweimal fragen musst oder hältst du uns für langsam, dass wir dich nicht beim ersten Mal verstanden haben?“ Ryou hätte lachen müssen, wäre ihm nicht zu weinen zumute. Es war sicher nicht die beste Idee, die Frau auch noch aufzustacheln. Aber Lord Kaiba blieb Lord Kaiba, sogar als Seth und Ryou hatte sein Leben schon in die Hände dieses Mannes gelegt, als er mit ihm Port Royal verlassen hatte. Jetzt konnte er nur hoffen, dass der Prinz auch pfleglich damit umging. „Einen ganz Kecken haben wir hier, oder nicht?“, fragte die Frau und ihr Lächeln wurde eine Spur kälter. Dann rief sie lauter, als Ryou es ihr zugestanden hätte: „Akefia!“ Er sah aus dem Augenwinkel, wie sich Jou hektisch umsah, panisch. Er konnte ihn verstehen, am liebsten wäre er selber weggelaufen und hätte sich nicht umgeschaut, bis sein Körper kollabierte. Stattdessen trat er einen Schritt hinter Lord Kaiba, wie ein verstörtes Kind, das Schutz hinter seinem Vater, einem Verantwortlichen, einem Mächtigeren suchte. Mittlerweile hatten viele der Piraten sich zu ihnen umgedreht, einige überrascht, die meisten hämisch. Ryou kam sich vor, als hätte er mit einem Stock in ein Nest von Bienen gestochen. Die Spannung, die in der Luft lag, war fast greifbar. Dann hörte er hinter sich schwere Stiefelschritte auf hellem Sand und alles um sie wurde ruhig. Totenstill. Die Piraten hatten alle in ihrer Arbeit eingehalten, einige, die untereinander geflüstert hatten, verstummten und standen nun wortlos nebeneinander, das feindliche Funkeln in ihren Augen immer präsent, genauso wie das dreckige Grinsen auf manchen Gesichtern. Er wagte sich nicht, sich umzudrehen, zu verängstigt davor, was er vielleicht sehen würde. Ryou zuckte zusammen und holte überrascht Luft, als sich etwas Kühles auf seinen Nacken legte. Er presste die Augenlider zusammen und wurde leichenblass. Nein! Nein! Lasst mich! „Spione.“ Ein Wort. Ein einziges Wort und Ryous Knie wurde weich und er musste sich zusammenreißen, um nicht zusammenbrechen. Die Stimme war tief, rau und streng. So ernst wie Lord Kaibas, aber irgendwie lebendiger mit etwas Dunklem. Etwas Gefährlichem. Dann hörte er ein abfälliges Schnauben und das Schwert entfernte sich von seiner Haut, hinterließ nur Angst. Das Schleifen von Metall auf Metall, das eines Schwertes, das in seine Scheide glitt, riss ihn zurück auf den Boden der Tatsachen. „Dreht euch ’rum, ihr Ratten“, befahl die Stimme harsch und Ryou konnte nichts anderes tun, als zu gehorchen. Seine Knie zitterten und sein Kopf schwamm und er war sich verdammt noch mal bewusst, dass er feige war, aber er war nun mal nicht so mutig wie Lord Kaiba oder so risikofreudig wie Jou. Er war ein Weichling, das wusste er doch, seine Mutter hatte Recht gehabt! Warum konnte er nicht auch so selbstbewusst da stehen wie die anderen, warum machten ihm die Blicke der Piraten so viel aus, wenn sie Jou doch nur anzustacheln und Lord Kaiba noch nicht einmal zu berühren schienen? Nervös sah er auf, widerwillig, versuchte sich hinter den weißen Strähnen seiner Haare zu verstecken. Er hätte fast überrascht aufgeschrieen. Der Mann, der ihm gegenüber stand in seinen schmutzigen Hosen, dem langen Mantel, dem Hut, musste Akefia sein. Und jetzt verstand er auch, warum der Wirt Lord Kaiba die Geschwistergeschichte geglaubt hatte. Wenn er nicht wüsste, dass keinen Bruder hatte, hätte er es glatt selber geglaubt. Sie hatten beide dieselben weißen Haare, denselben wirren Schnitt, ähnliche Gesichtszüge. Sie hatten sogar dieselbe Nase! Es gab aber auch auffällige Unterschiede, die Ryou schon wieder unerklärlich machten, wie man sie hatte verwechseln können. Allein die lange, dünne Narbe im Gesicht des Mannes sollte schon Antwort genug sein. Er war aber auch ein Stück größer als der Bibliothekar und seine Haut war im Gegensatz zu seiner blassen recht dunkel. Er war nicht der einzige, der die Ähnlichkeit bemerkt hatte. Er hörte Geflüster, sah wie Jou überrascht zwischen ihnen hin und her sah, wie die brünette Frau um ihn herumtrat, sie musterte. Und er spürte, wie sich die violetten Augen des Mannes tief in die seinen bohrten, streng und dunkel. Er hatte das Gefühl, sie konnten ihn lesen wie ein offenes Buch, seine Angst und sein Erschrecken. Er dankte Gott, als ein Pirat die Stille brach. „Hey, wer sind die? Wie kommen die hier hin?“, fragte ein junger Mann mit aschblonden Haaren, die von einem Tuch zurückgehalten wurden. Er hatte einen Leinensack geschultert und die Augenbrauen zusammengezogen. Akefia sah ihn noch ein paar Sekunden undefinierbar an, dann wandte er sich an Seth. Seine Augen waren misstrauisch, wie die eines Adlers. „Das würde ich auch gerne wissen“, knurrte er tief. Die brünette Piratin mit den blauen Augen mischte sich ein: „Ich sage dir, dass sind Spione. Lasst sie festschnüren und hier lassen. Dann können sie geduldig auf die Flut warten.“ „Unsinn. Dann kommen ihre Komplizen und befreien sie – schneiden wir ihnen gleich hier die Kehlen durch“, erwiderte ein Pirat, der hinter Ryou stand und den er nicht sehen konnte. Sie werden uns töten. Wir werden hier sterben. Hier. Auf dieser Insel. Lord Kaiba, tut etwas! „Und unseren schönen Privathafen vollsauen? Nein danke. Kannst du ja gerne sauber machen“, warf ein großer Mann mit einer Augenklappe ein. „Weißt du, wie viel Pacht wir bezahlen?“ Die Piraten brachen in Gelächter aus und der Blonde antwortete spöttisch: „Ja, nicht viel. So ungefähr, lass mich schätzen“, er hob seinen Daumen und schaute ernsthaft schätzend darüber, „....nichts?“ Wieder lachten die Männer und Ryou fühlte sich von Minute zu Minute unwohler. Auch Jou hatte es mittlerweile das Grinsen aus dem Gesicht getrieben, aber er sah sich aufmerksam um, als würde er etwas suchen. „Wir wollen anheuern.“ Seths Stimme klang ruhig und fest und so überzeugend, dass die Freibeuter um sie herum auf einen Schlag still wurden und sie überrascht ansahen. Dann brachen sie wieder in Gelächter auf und manche ließen sich fallen, wo sie standen und setzten sich lachend in den Sand. „Habt ihr das gehört, Jungs?“, fragte der Blonde amüsiert und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. „Sie wollen anheuern!“ „Und Frauen!“, meinte eine gespielt empörte Stimme über den Lärm und irgendjemand trat ein „Auf die Frauen!“ los und wie eine Welle auf dem Meer wiederholte es sich, als ob sie zuprosten würden. „Ruhe.“ Ein einziges Wort, das eigentlich im Lärm hätte untergehen müssen, so leise, dass gerade Ryou es hätte hören dürfen. Und doch schnitt es durch das Lachen und die Stimmen wie ein Messer durch Seide. Alles wurde still – nicht, dass die Piraten sich die Laune verderben lassen würden. Einige rollten die Augen, andere grinsten nur. Aber alle verstummten sie. Akefias stechende Augen waren auf Seth fixiert, unausweichlich und stählern. „Was wollt ihr tatsächlich hier?“ Seth blieb gelassen und erwiderte den Blick mit derselben stillen Intensität. „Wir wollen anheuern.“ Irgendwo begann wieder jemand zu gackern, wurde aber auf der Stelle von einem anderen zum Schweigen gebracht. Alle Augen waren auf sie gerichtet wie bei Wölfen, die eine Herde Schafe betrachteten. Und genauso fühlte sich Ryou im Moment. „Man kann nicht so einfach anheuern“, erwiderte Akefia und seine Stimme war frei von jedem Spott. Seth zog eine Augenbraue hoch. „Warum nicht?“ „Warum sollten wir euch brauchen?“ „Geht woanders spielen!“, rief jemand verächtlich und gleich danach: „Au, verdammt!“ Scheinbar wussten einige noch nicht, dass Akefias Gespräche besser nicht unterbrach. „Woher wisst ihr, dass ihr uns nicht braucht?“, stellte Seth die Gegenfrage. Das war ganz Lord Kaiba: Nicht Wir könnten euch von Nutzen sein oder Vielleicht haben wir etwas, dass euch nützen könnte, nein. Er hatte die Ausstrahlung eines Mannes, der genau wusste, was er tat und der sich seines Wertes bewusst war. Die Frage war nur, was zur Hölle er den Piraten anbieten würde. Akefia grinste, ein gefährliches, dunkles Grinsen, das Ryou erschaudern ließ. „Zeig’s mir.“ Geschmeidig zog seinen Mantel und Hut aus und schmiss beides der Brünetten zu, die die sie geschickt fing und vorsorglich ein paar Schritte zurücktrat. Langsam und bedächtig zog er sein Schwert aus der verwitterten Scheide. Seth sah den Vizekapitän ruhig an, strich sich dann ebenfalls den schweren Mantel von den Schultern und ließ ihn auf den Boden fallen. Er legte die Hand auf den Schwertgriff, zog das lange, schmale Schwert aber nicht. Ryou biss sich nervös auf die Unterlippe. Er wusste, dass er weder Akefia noch Lord Kaiba unterschätzen durfte – aber es war nun einmal so, dass Letzterer sein ganzes Leben (soweit es der Bibliothekar zumindest wusste) hinter goldenen Mauern verbracht hatte, als Thronfolger einer Königsfamilie, in feinste Stoffe gehüllt. Er hatte niemals das raue Leinen oder den harschen Winter erlebt. So ein Mensch konnte niemals gegen einen Mann ankämpfen, der seit fast einem Jahrzehnt die Welt umreiste, der die unmenschlichsten Taten gesehen und begangen hatte, der an die raue Seeluft gewöhnt war und sich aus so vielen gefährlichen Situationen freigekämpft hatte. Niemals. Heilige Mutter Maria, bitte, wenn du mich hörst… Schick uns ein Wunder. Und das brauchten sie auch. Akefia diente dieser Kampf, dieses Duell sehr wahrscheinlich nur dazu, einen Grund zu haben, Seth die Kehle durchzuschneiden, er schien sich noch nicht mal wirklich anstrengen zu wollen – das wissende Grinsen, das sein Gesicht veränderte und ihm das Charisma eines Raubtiers gab, als er selbstsicher einen Schritt zur Seite machen, das Schwert geübt zur Brust gehoben, gerade und mit ruhiger Hand. Seine Adleraugen verengten sich zu schmalen Schlitzen, als Seth ihm in entgegengesetzte Richtung folgte. Die Spannung in der Luft war fast physisch. Die Piraten schwiegen, warteten darauf, heute noch den Tod wieder zu sehen, ein Grinsen auf den Lippen, die Augen wie Hyänen, die nur darauf warteten sich auf die leblose Beute zu stürzen. Jou legte dem Bibliothekar die Hand auf die Schulter und Ryou sah zu ihm auf, sein Magen flau. Der Blonde sah ungewöhnlich ernst aus – so… erwachsen. Ohne das Grinsen, ohne seine laute Art wirkte er zum ersten Mal wie ein Mann – und nicht wie ein Clown. Und Ryou musste beschämt feststellen, dass er Lord Kaibas Ansicht geteilt hatte ohne sich die Mühe zu machen, hinter die Fassade zu blicken. „Ich möchte hier nicht sterben“, flüsterte er leise und seine Stimme klang schwach, als er dem jungen Lord in die Augen sah, die Schultern herabgesackt. „Wirst du nicht“, murmelte Jou eben so leise zurück und in seinem Blick lag eine Entschlossenheit, die Ryou in diesem Moment rein gar nicht nachvollziehen konnte. Dennoch wandte er die Augen wieder ab, holte tief Luft und sah wieder auf die beiden Gegner, die sich misstrauisch beäugten, beide fertig zum Sprung. Dann aber fragte Seth noch einmal leise, scharf und bestimmend, ohne seine Deckung zu vernachlässigen: „Wenn ich gegen Euch gewinne, bringt Ihr mich zu Kapitän Atemu.“ Akefia schnalzte abwertend mit der Zunge. „Gewinne erstmal, Bürschchen.“ Und damit machte er einen blitzschnellen Schritt nach vorn, sein Schwert schnitt sirrend durch die heiße Luft, ein blitzender Schein aus Silber in vor dem blauen Meer im Hintergrund. Lord Kaiba reagierte fast ebenso schnell – er tat einen Schritt zurück, führte sein Schwert in einer eleganten Bewegung zum Körper, so dass Akefias Hieb daran abprallte und sie beide einen Schritt auseinander gehen ließ. Einige Piraten waren fluchend aufgestanden, die Augenbrauen wütend zusammengezogen. Seth lächelte überheblich. Unterschätz mich nicht. Akefia knurrte verärgert und griff wieder an und dann begann der Kampf wirklich. Seth duckte sich in letzter Sekunde unter einen Horizontalhieb hinweg, drehte die Klinge seines Schwertes blitzschnell in der Hand und schlug mit der flachen Seite hart gegen das Bein seines Gegner, so dass dieser das Gleichgewicht verlor und einen Ausfallschritt nach hinten machen musste. Der Brünette setzte zu einem weiteren Angriff an, aber Akefia hatte sich erstaunlich schnell gefangen und ließ sich rückwärts auf die Hände fallen, das Schwert flach unter seinen linken Hand und trat mit seinen schweren Stiefeln mit voller Kraft gegen Seths Knie. Ryou sah verwirrt (hoffnungsvoll?) und erstaunt zu, wie sich Akefia und Seth beinahe die Waage hielten. Seine Augen versuchten alles aufzunehmen, was passierte, aber er kam fast nicht nach, so rapide folgte Schlag um Schlag. Adrenalin pumpte durch seinen Körper. Und er war nicht der einzige, der überrascht schien. Die Piraten waren überrascht aufgesprungen, die meisten hatten ihre Last fallen gelassen und schauten gebannt dem Kampf zu. Dann und wann ging ein Raunen durch die Menge, als einer der Gegner einen besonders harten Schlag einstecken musste. Ryou zuckte zusammen, als Akefias Schwert Seths Schulter streifte. Das weiße Hemd färbte sich direkt dunkelrot und für einen Moment schien es, als wäre es Ablenkung genug. Die Piraten begannen zu johlen und zu pfeifen. Seth taumelte einen Schritt zurück und mit Entsetzen erkannte Ryou, dass er schwankte, seine Augen vernebelt – das Gift. Es war noch nicht ganz überstanden. Und das könnte der entscheidende Nachteil werden. Aber Lord Kaiba wäre nicht Lord Kaiba, wenn er es nicht irgendwie geschafft hätte, Akefias Schlag zu parieren und seinerseits zu attackieren. Der Vizekapitän blockte und, sein Augen sprühend vor Zorn, wechselte die Schwerthand und griff wieder an. Es war ein ausgeglichener Kampf, der jeden Moment zu der einen oder anderen Seite ausschlagen konnte. Ryou lachte erstickt, als Akefia strauchelte und um sein Gleichgewicht kämpfen musste. Los, bittebittebitte, nun macht schon, macht schon, oh Gott, danke! Tränen standen ihm in den Augen und er wusste im Rausch der Gefühle nicht einmal warum. Zitternd fuhr er sich durch die Haare. Noch nie hatte er zwei Männer so kämpfen sehen! Und dann entschied sich alles. Ryou schrie entsetzt auf, als Akefia es schaffte, Seth das Schwert aus der Hand zu schlagen, so dass es wenige Meter weiter dumpf auf dem Sand aufschlug, und dem jungen Lord sein eigenes vor die Nase hielt. Er lachte rau und siegesgewiss. Die Piraten riefen laut und pfiffen ihnen zu, Schadenfreude auf ihren Gesichter. „Lass uns Blut sehen!“ Der Vizekapitän grinste, sein Gesicht dreckig und seine Hose zerrissen. „Das ist das Ende“, sagte er süffisant. Seth sah ihn ausdruckslos an. Dann begann auch er zu lächeln. „Nicht ganz.“ Und plötzlich ließ er sich fallen, unter dem Schwert hinweg. Bevor das Lachen auch nur ersterben oder Akefia aus seiner Siegestrance aufwachen konnte, hatte der junge Lord dem Piraten die Beine unter dem Körper weggetreten. Ryou schnappte nach Luft. Akefia fluchte und riss das Schwert hoch, brauchte aber beide Hände, um sich aufzufangen. Er brauchte nur das Zehntel einer Sekunde, um die Fassung wiederzuerlangen, aber die reichte Seth. Er stieß sich im heißen Sand ab, griff in seine Stiefel, etwas blitzte – und dann war es endgültig vorbei. Die Piraten schwiegen sprachlos. Ihnen war das Lachen im Halse stecken geblieben. Sie konnten es nicht glauben. Und Ryou fühlte sich erleichtert. Ein Grinsen schlich sich auf seine Gesichtszüge, befreit. Oh danke! Seth presste den schmalen Dolch gegen Akefias Kehle und blockiert mit der anderen Hand den Schwertarm seines Gegners. Ihre Nasen berührten sich fast. „Schachmatt, Bastard“, brachte Seth zwischen abgehackten Atemzügen hervor. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn, der Schnitt an seinem Arm blutete, aber das Grinsen auf seinem Gesicht glich all das aus. Und diesmal war er es, der siegessicher auf Akefia herabblickte, der Wut und Ungläubigkeit in seinen Augen geschrieben hatte. Die Piraten begannen fassungslos zu tuscheln. „Und nun“, fuhr der Brünette fort, „bringst du uns zu Kapitän Atemu und es interessiert mich einen Dreck, ob du bis ans Ende der Welt segeln musst. Sag schön brav ja.“ Akefia sah ihn voller Verachtung an und für einen Moment dachte Ryou, er würde Seth ins Gesicht spucken. „Verpiss dich“, zischte er wütend und presste die Zähne zusammen. Seth drückte den Dolch fester gegen die Haut des Piraten, bis ein schmales Rinnsal Blut den dunklen Hals des Mannes hinunterlief. „Ich habe dich geschlagen und nun wirst du uns aufnehmen und zu deinem verdammten Anführer bringen. Ist das klar?“ Die Piraten schienen unschlüssig, ob sie eingreifen sollten. Sie wollten nicht das Leben ihres Vizekapitäns riskieren, aber auf der anderen Seite konnten sie aber auch nicht einfach nur zusehen. Irgendeiner versuchte Jou anzugreifen, aber der zog seine Pistole und hielt ihn sich effektiv vom Leib. „In Ordnung“, presste Akefia mühsam hervor und er sah so aus, als würde er Seth an die Kehle springen, sollte der das Messer wegnehmen. „Auf deine Piratenehre?“ Seths Stimme klang eindeutig spöttisch. In Akefias Augen blitzte es auf. „Ja, du Ratte. Auf meine Ehre.“ „Dann ist es ja gut.“ Seth nahm den Dolch langsam weg und stand schnell auf, um dem Albino keine Gelegenheit zu geben, etwas Dummes zu tun. Er steckte den Dolch zurück in seinen Stiefel. Immer noch wagte es niemand, sich zu rühren. Dann löste sich die brünette Frau aus ihrer Starre und ging erst langsam, dann schnell auf ihren Kapitän zu. Besorgt kniete sie sich neben ihn und bot ihm seinen Mantel an, aber der sah sie nur zornig an und schlug ihre Hand weg. Er stand ein wenig mühsam auf, sandte Seth einen Blick zu, der jeden anderen Mann zitternd auf die Knie geschickt hätte, spuckte einmal in den Sand, wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und rauschte dann wutentbrannt davon, hinauf auf das Schiff. Es rührte sich niemand. Alle wagten es nicht, etwas zu sagen. Dann, irgendwann, ging der blonde Pirat dem Vizekapitän nach und das schien die Starre zu brechen. Die Piraten fingen an zu flüstern und starrten sie an. Aber Ryou machte es plötzlich nichts mehr aus. Er nahm den Mantel vom Boden auf und lief zu Seth, der, die Arme verschränkt, amüsiert Akefia nachsah. „Lor-… Seth, ich wusste gar nicht, dass…“ Sprachlos, aber lachend übergab er dem Lord seinen Mantel. Der sah ihn nur an und seine Augen brannten. „Tatsächlich.“ Seine Stimme klang spöttisch. Plötzlich klopfte ihm jemand rau auf die Schulter und Seth zog missbilligend die Augenbrauen zusammen. „Alter Junge, ich wusste, dass du das packen würdest!“ Jou grinste breit und legte ihnen beiden kumpelhaft die Arme um die Schultern. „Stellt euch vor: Wir segeln mit der berühmtesten Piratenbande der Welt!“ Ryou nickte grinsend und Seth rollte nur mit den Augen, schlug Jous Arm von seiner Schulter und ging. „Kommt endlich, ihr Nichtsnutze.“ Jou lachte bellend und zog Ryou mit sich, auf das große Schiff zu. Auf die Bloody Scarlet. Und Ryou konnte es immer noch nicht fassen. -- Es mussten Stunden, wenn nicht Tage vergangen sein, seit sie eingepfercht auf der Bloody Scarlet, einem der berühmtesten Schiffe der Meere, gehalten wurden, wie Vieh. Vizekapitän Akefia hatte sie zwar anerkannt, aber er schien ihnen noch lange nicht zu trauen – ein sympathischer Zug, wie Seth fand, der Mann war weder dumm noch hatte er keinen Menschenverstand. Er mochte ein nichtsnutziger Freibeuter sein, aber wenigstens war er ein Freibeuter, der wusste, was es hieß, zu überleben. Die Tage waren trist und das Schaukeln des Schiffes und das leise Knarren der Balken waren ihre ständigen Begleiter, morgens bis abends und in die Nacht hinein. Sie hörten die Stimmen von Deck, das raue Gelächter, den scharfen Tonfall und Seth bemerkte nach einer Weile, dass er die einzelnen Stimmen auseinander halten konnte. Die harte, tiefe Stimme, die zwischendurch raue Befehle über das Deck brüllte, an anderen Tagen leise und fast verschwörerisch wurde, gehörte Akefia und obwohl er kein Mann der vielen Worte zu sein schien, waren die Worte, die er sprach, um so deutlicher. Manchmal unterhielt er sich in einer fremden Sprache mit harten Lauten, die Seth als die Sprache der Diebe und Verbrecher identifizierte – zumindest wurde ihm das beigebracht, aber Seth fand nichts an merkwürdigen Metaphern. Natürlich war da noch Anzu, die Navigatorin, deren Stimme er manchmal hörte und von ihren Erklärungen an den Vize oder den Steuermann hatte Seth eine gewisse Ahnung, wo sie sich befanden – nicht dass es ihm helfen würde, aber es schadete nie solche Dinge zu wissen. Akefia schätzte ihn anscheinend für zu dumm ein, was ihm ausnahmsweise auch gut passte. Sollte der Albino doch denken, was er wollte. „Verdammt, wenn ich noch einen Tag länger auf diesem verfluchten Wrack verbringen muss, kotze ich!“ Seth rollte die Augen und sah nicht einmal von seinem Buch auf. „Stürz dich doch einfach über die Reling und tu uns allen einen Gefallen.“ „Bitte redet nicht noch mehr von Übergeben“, kam Ryou Bakuras Stimme kleinlaut aus der hinteren Ecke der Kabine. Er hatte den Kopf in den Händen vergraben, die Beine an den Körper gezogen und war totenbleich im Gesicht. Er stöhnte, als eine Welle das Schiff hoch trug. Jou, der seinem Cousin einen giftigen Blick zugeworfen hatte, sich aber eines Besseren besonnen hatte, als auf ihn loszugehen, lehnte sich an die Wand und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. „Warum halten sie uns hier unten fest? Da haben sie kein Recht zu!“ Seth schnaubte verächtlich von seinem Platz in der Hängematte und schlug eine Seite um. „Du kannst ja mal hoch gehen und sie nett fragen. Ich bin mir sicher, sie würden dir, dem König der Affen, gerne antworten, wenn sie bei deinem Anblick nicht schon zitternd zusammenbrechen.“ Ryou war sich sicher, dass es keine gute Idee war, wenn die beiden Cousins nun einen Streit vom Zaun brachen, aber vermutlich würde der genau so enden, wie die Streits davor auch schon: Seth würde Jou gekonnt ignorieren, der Blonde würde ihn beleidigen, bis er blau im Gesicht war und dann würde er sich in die entfernteste Ecke der Kabine verkriechen. „Du hast mir gar nichts zu sagen, du verdammter Dreckskerl!“ Ryou seufzte. -- Die Nacht klammerte sich noch an die Planken der Bloody Scarlet, während im Osten schon langsam die Sonne über das Ende der Welt blinzelte. Nicht das Akefia an solch einen Unsinn glaubte. Er war zu weit gereist, als dass er noch diesen Humbug für wahr befinden konnte. Er war einmal um die Welt gesegelt und zu keinem Zeitpunkt nur auch in die Nähe eines bodenlosen Abgrunds gekommen, der sich ja angeblich am Ende des Meeres befand. Ende des Meeres! Dass er nicht lachte. Er schnaubte abfällig und wandte sich von der Reling weg. Seine schweren Stiefel waren laut auf dem verlassenen Deck und sein Mantel rauschte im Fahrtwind. Er sah nachdenklich zu den Kabinen, dann wandte er sich ab und ging hinauf auf das Achterdeck. Der Wind rauschte durch seine Haare und blies in seine Kleidung. Die salzige Gischt spritzte am Bug hinauf und sprühte über das Deck. „Alles ruhig?“, fragte er leise. „Nichts zu sehen.“ Der Steuermann sah ihn nicht an, sondern hielt den Blick auf das Meer fixiert. „Hn.“ Er ergriff die halbleere Rumflasche, die auf neben dem Steuerrad stand, und nahm einen kräftigen Zug, dann stellte er sie wieder ab und fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen. „Sind wir noch auf Kurs?“ Der blonde Pirat drehte das Steuerrad leicht nach links und Akefia konnte spüren, wie sich da Schiff leicht gegen die Wellen aufbäumte. Nach so langer Zeit auf dem Meer bemerkte man auch die kleinsten Bewegungen des Schiffes, als stünde man auf etwas Lebenden. „Sieht danach aus. Anzu meint, wir könnten bei gleicher Geschwindigkeit und wenn der Wind so bleibt, gegen Mittag einlaufen.“ Akefia nickte und sie schwiegen eine Weile. „Ich weiß immer noch nicht, was du dir dabei gedacht hast, dieses Pack anzuschleppen“, meinte der Steuermann und seine Stimme klang entgegen seiner Wortwahl eher amüsiert. Der Vize schnaubte verächtlich und verschränkte die Arme. „Ich hätte dich gerne gesehen. Verdammter Bastard.“ Der Blonde lachte tief und stützte sich auf das Steuerrad auf. „Ich fand es unglaublich berührend zu sehen, wie der Welpe elegant mit dir den Boden gewischt hat.“ Akefia zog die Brauen zusammen und sein rechtes, vernarbtes Auge begann zu zucken. „Pass auf, dass ich dir nicht deinen verteufelten Rum über deinen Dickschädel ziehe und dich genauso elegant über Bord werfe.“ „Vielleicht sollte ich den Welpen anheuern, mich zu beschützen. Ich würde dich zu gern noch einmal im Staub landen sehen.“ Akefia knurrte tief und Marik lachte schallend. -- „Land in Sicht! Land in Sicht, Kapitän!“, rief eine Stimme aus dem Ausguck. Ryou fuhr sich müde über das Gesicht. Gott, war ihm schlecht. Sogar die Aussicht, die berühmte Pirateninsel zu sehen, schien ihn nicht begeistern zu können. Er taumelte durch den Gang und presste eine Hand auf seinen rebellierenden Magen. Oh Gott. Er schloss die Augen und wünschte sich, dass das konstante Übelkeitsgefühl endlich verschwinden würde. Der Gang, der sowieso unter seinen Füßen schwankte wie eine Blume im Wind, verschwamm um ihn herum. Plötzlich lief er in etwas herein und stolperte stöhnend einen Schritt zurück. Er blinzelte und sah auf in das Gesicht des blonden Piraten, den er schon beim Duell gesehen hatte. Er grinste breit und schadenfreudig und hielt ein Tuch hoch. Eine Augenbinde. „Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein“, zitierte der Pirat lachend. Ryou sah ihn nur müde an und fügte sich seinem Schicksal. -- Ryou seufzte, als der warme Abendwind durch seine Haare strich und an seiner Kleidung zerrte. Er sah hinaus auf das Meer, von dem Steg aus, der hinauf zu der kleinen Hütte führte. Er lehnte sie auf das brüchige Holzgeländer und blinzelte gegen die raue Seeluft an, die vom Meer zu ihm herauf trieb. In der Ferne, da, wo die Welt endete, tauchte die untergehende Sonne das blaue Meer in ein Spektakel aus Farben. Es war wunderschön, der Himmel, das Meer, die Ruhe der Insel… Und doch war es zu perfekt. Er war im Haus eines Diebes und er hatte die Befürchtung, dass Lord Kaiba nicht sah, dass er zu tief in der Situation steckte, als dass er sie je wieder verlassen können würde – oder wollen würde. Und genauso wie der Prinz fasziniert von dieser Welt war, war Ryou es auch. Und auch er steckte schon zu tief mit drin, als dass die Hoffnung, dass dies ein kurzer Ausflug in das Abenteuer war, noch die starke Flamme war, die am Anfang in ihm gebrannt hatte. Es half ihm nicht, dass er Seth und Jou nicht mehr gesehen hatte, seit der blonde Pirat ihn blind vom Schiff geführt hatte. Sie waren getrennt worden und Ryou hatte man an dieser Hütte abgesetzt, die leer zu stehen schien und hier war er nun – alleine, ratlos. „Es ist schön, findest du nicht?“ Ryou schreckte zusammen und fuhr überrascht herum. Er hatte gedacht alleine zu sein. Der junge Mann, der nicht weit von ihm entfernt stand und sentimental in die Abenddämmerung blickte, lachte leise, riss dann seinen Blick vom Horizont und sah ihn an. Ryou starrte den Fremden entgeistert an. Er wusste nicht, ob es Schock oder etwas anderes war, was ihn unfähig machte, einen sinnvollen Satz zustande zu bringen. Es waren nicht die außergewöhnlichen Haare des Mannes, die seine Aufmerksamkeit fesselten, noch seine dunkle Haut. Es waren die Augen. Dunkelrote Augen, wie frisches Blut oder rote Rosen und doch gar nicht wie beides, sondern anders. Er hatte nicht gewusst, dass solch eine Farbe überhaupt möglich war. Der Fremde hob eine Augenbraue und er lächelte amüsiert. „Bist du stumm?“ Seine Stimme klang so spöttisch, dass Ryou wusste, dass die Frage rhetorisch war. „N-Nein. Ich war nur etwas irritiert. Ich dachte, ich sei allein.“ Der Mann zuckte mit den Schultern. „Man verfällt leicht dem Glauben, wenn man etwas sieht, das so schön und doch einsam ist wie der Anblick, den man von hier oben hat.“ Ryou nickte und seufzte. Er wusste nicht, wer der Mann war, aber er schien die Kameradschaft zu sein, die er sich gewünscht hatte. „Es ist ein tolles Haus. Warum ist es unbewohnt?“ Unheimliche rote Augen sahen ihn nachdenklich an und Ryou meinte zu sehen, dass das Lächeln des Fremden ein klein wenig flackerte. Der Mann strich nachdenklich über das Holz der Reling, fast als würde er sie streicheln. „Mein Bruder hat hier gewohnt. Er stand auch oft hier, wenn die Sonne unterging.“ Er lachte und schüttelte den Kopf. „Deswegen bin ich auch hier hinunter gegangen. Du hast mich so sehr an ihn erinnert. Es tut mir leid, es war unhöflich.“ Ryou wehrte schnell ab, neugierig etwas über den früheren Besitzer dieses Hauses zu erfahren und wenn es auch nur war, um mit jemandem reden zu können, der nicht Eintönigkeit in seinen Antworten besaß wie Lord Kaiba, der ihn meist sogar wortlos ignorierte. „Nein, es ist in Ordnung. Was ist aus Eurem Bruder geworden?“, fragte er und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Reling. Der Mann legte den Kopf schief und sah wieder auf die Sonne, die mittlerweile zu einem dünnen Streifen über dem Meer zusammengeschmolzen war. Das rosefarbene Abendlicht spielte mit den Schatten auf seinem Gesicht und Ryou dachte für einen Moment so etwas wie Wut in seinen Augen zu sehen, aber die Emotion war so schnell wieder verschwunden, dass der Bibliothekar nie würde sagen können, ob sie wirklich da oder ob das alles nur ein Trick des Lichts, das sie in seinen Zauber lullte, gewesen war. „Er ist schon vor Jahren gestorben.“ Ryou atmete tief durch und senkte den Kopf. „Das tut mir leid. Ich weiß, wie es ist, wenn man jemanden verliert, den man liebt.“ Er sah es nicht wirklich, weil ihm nicht danach war, weiter in diese beunruhigenden weinroten Augen zu sehen, zumindest nicht jetzt, aber er fühlte, wie der Fremde ihn eindringlich musterte. „Macht nichts. Es ist lange her“, antwortete der Mann mit den roten Augen nach einiger Zeit, aber seine Stimme klang, als würde es sehr wohl etwas machen und das war in Ordnung. „Du bist heute Morgen mit den beiden anderen Schmugglern gekommen. Seth und Jono.“ Ryou nickte. Die Nachricht schien sich schnell hier zu verbreiten. Er war nicht weiter verwundert. „Arbeitet Ihr auch für den Vizekapitän? Oder für Kapitän Atemu selber?“ Ryou war neugierig. Wo der Piratenkönig wohl war? Wie sahen die anderen Crewmitglieder aus? Wie würden sie sein? Zu Ryous Überraschung lachte der Mann auf und schwang sich mit einem Satz auf die Reling. „Das weiß ich nie so genau. Es ist mehr ein Geben und Nehmen. Aber ja, ich arbeite hier.“ „Was ist Eure Aufgabe?“ „Ich bin eigentlich für alles zuständig, was gerade so anfällt. Wenn es nötig ist, putze ich sogar die Kartoffeln“, antwortete der Fremde und seine Augen glitzerten amüsiert. Ryou sah ihn fast fasziniert an. „Dann seid Ihr sicher unentbehrlich.“ „So ähnlich.“ Sie schwiegen für eine Weile, aber es war keine unangenehme Stille. Sie sahen der Sonne nach, bis die Nacht schwarz war und das einzige Licht die Lichter der Laternen waren, die hinter ihnen und unter ihnen im Tal eine nach der anderen gelöscht wurden. Es zirpten ein paar Grillen und das Rauschen des Meeres drang zu ihnen hinauf. Irgendwo zu ihrer Rechten lachten ein paar Männer und Schritte verhallten auf den verwundenen Holzwegen. Dann fragte der Fremde plötzlich, seine Stimme nachdenklich: „Warum hast du hier angeheuert? Du siehst nicht aus wie ein Mensch, dessen Herz dem glitzernden Gold zugetan ist.“ Ryou sah ihn undurchdringlich an. „Ist das denn alles, was mich erwartet?“ „Manche Menschen würden sagen, es wäre genug.“ „Ich weiß nicht“, erwiderte der junge Bibliothekar. „Ich hatte keine andere Wahl, glaube ich.“ Der Mann strich sich eine blonde Strähne hinter das Ohr, als der Wind sein Haar zerzauste. „Wenn man einmal in dem unehrlichen Geschäft drin ist, kommt man schlecht wieder heraus. Ich weiß das.“ Dann lachte er leise. Ryou begann sein Lachen zu mögen. Es war warm und beruhigend und angenehm. „Aber ich muss schon sagen, Seth ist ein erstaunlicher Mann. Bei der berühmtesten Piratenbande anzuheuern. Er kann von Glück sagen, dass Bakura ihm nicht dann und dort die Kehle durchgeschnitten hat, selbst nach dem Kampf. Aber ich glaube, er mochte seine überhöhte Selbsteinschätzung.“ Der Bibliothekar, der erst ein Schmuggler gewesen war und nun Pirat und während der ganzen Zeit ein Lügner, schüttelte nur müde den Kopf. Er fragte sich erst gar nicht, wie der Mann das alles wusste. „Ist es nicht der Traum jedes Mannes, der nach Abenteuern strebt, bei dem König der Meere anzuheuern?“ „Ist es dein Traum?“ Die Stimme des Fremden klang merkwürdig, fast uneinschätzbar. „Vielleicht. Nein. Ich weiß es nicht. Ich bin Seth gefolgt.“ Er seufzte. Die schlichte beige Kleidung des Mannes raschelte, als er die Beine über die Reling schwang, so dass er nun in Richtung Meer saß. „Auch Seth scheint nicht der Mann zu sein, der so einen Traum hegt.“ „Ist er nicht.“ Sie waren wieder still. Ryou wollte so viele Dinge fragen und sagen und er bemerkte, dass er sich so verstrickt hatte, dass er selbst nicht wusste, warum er hier war. Er hatte einen Befehl bekommen und war ihm gefolgt. Aber er war sich nicht sicher, ob da nicht noch mehr war. Wusste Lord Kaiba selber, warum sie hier waren? Seine Gründe schienen ihm auf einmal fadenscheinig. Was wollte er machen, wenn er Atemu gefunden hatte? Was dann? Was würde dann passieren? Er lächelte matt und warf dem Fremden einen entschuldigenden Blick zu. „Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Ryou.“ Und wieder wurde er mit unergründlichen roten Augen konfrontiert, die ihn in seinen Bann zogen. Der Fremde musterte ihn nachdenklich, dann sprang er elegant von der Reling herunter. Er verbeugte sich grinsend. „Willkommen auf Fortune Island, Ryou. Ich verspreche dir, es wird eine teuflische Zeit.“ Dann lachte er, nahm die Lampe aus den Blättern der Palme und ging. Ryou sah ihm eine Weile nach, dann ging er auch ins Haus. Aus dem Fenster sah er den Punkt Licht, der den Weg entlang wanderte. A/N: Der letzte Teil meines Weihnachtsgeschenkes. :3 Ich hoffe, ihr freut euch. Und: Mal wieder nicht betagelesen. Anmerkungen: 1) Ich weiß, dass Albinos nicht so einfach durch die Sonne laufen können, wie Ryou und Akefia es tun. Ich gehe davon aus, dass Kaiba den Unterschied einfach nicht gut kennt, denn der Forschungsstand war sicherlich nicht so weit wie heute. 2) Da. Atemu. 3) Die Sprünge, die ich in diesem Kapitel mache, dienen dazu, dass sich das Kapitel nicht endlos zieht, einfach, weil die Zeit, die da zwischen vergeht, unwichtig für die Handlung ist. Ich hoffe, es wirkt nicht merkwürdig. 4) Werde ich unlogisch oder werden meine Sätze unübersichtlich? Bitte sagt mir das, ich muss daran erinnert werden, dass ich mehr weiß als die Leser. 5) Anzu ist nicht OOC. Sie hat einen Grund so zu sein, wie sie ist. Allgemein: Ich bin mit diesen drei Kapitel unzufrieden. .__. Wirken sie lebendig? Ich habe das Gefühl, sie sind furchtbar… statisch. Kommentare: Chifuyu: Extra lang für dich. Ich glaube, ich habe insgesamt 28 Wordseiten geschrieben. Ich bin tot. Danke für deinen Kommentar. :3 Ithiliana: Atemu ist schon mal da. Die indirekte Konfrontation kommt bald, die direkt wohl kurz danach. Ich hoffe, Atemu und Seth getrennt reicht fürs erste. Schreiberling: Danke für deinen Kommentar, so etwas spornt mich immer an. :3 Und Timaeus haben wir nicht das letzte Mal gesehen. Drink up, me ’earties, yoho! Frohe Weihnachten! Kapitel 10: Konfrontation! -------------------------- Das war eine schwierige Geburt. :3 Ich hoffe, die Länge entschädigt für das Warten. Ich hatte einfach nie das Gefühl, dass es wirklich vollständig war. Viel Spaß. Konfrontation! „Hey, Junge, aufstehen!“ Malik riss die Tür der kleinen Hütte weit auf, so dass sie lautstark gegen die Fensterläden neben dem Rahmen knallte. Er sprang gut gelaunt über die Türschwelle und hielt direkt auf die kleine Schlafnische zu. „Langschläfer, aufwachen!“, rief er lachend und zog die Decke schwungvoll von der schmalen Liege. Dann wurden seine violetten Augen groß und sein Mund formte ein überraschtes ‚oh’. „Oha! Der Vogel scheint schon ausgeflogen zu sein.“ Er ließ die Decke achtlos auf den Fußboden fallen, sprang darüber, während er sich mit einer Hand an der Liegenkante abstützte und begann den kleinen Raum zu durchstöbern. Neugierig zog er Schubladen auf und schaute unter der Tischplatte nach, suchte nach doppelten Böden und klopfte aufmerksam gegen die Dielenbretter. Dabei hinterließ er fast keine Spuren, was ziemlich praktisch war, wie er fand. So konnte man ungestört das Privatleben fremder Menschen durchstöbern, ohne dass sie je wussten, dass er da gewesen war. Und Malik fand, dass man den Charakter eines Menschen in seinem Zuhause widergespiegelt fand. Man nehme nur einmal Akefia: Der Mann hatte eine Kollektion rarer Messer (die entweder gestohlen oder auf dem Schwarzmarkt ersteigert worden waren) an seiner Wand angebracht, das hatte den Vorzug, dass sie nicht nur schön aussahen, sondern dass man auch immer vorbereitet war, wenn plötzlich unangenehmer Besuch kam. Das war nicht sehr wahrscheinlich, aber Akefia war eben von Natur aus misstrauisch (und ein wenig sadistisch, das konnte auch etwas damit zu tun haben.) Oder Mai. Mai, die sowieso immer überschwänglich war und alles liebte, was nicht nur hübsch, sondern auch gefährlich aussah, hatte ein Buch in einer ihrer Schubladen versteckt, wunderschön violett eingebunden, mit silbernen Verzierungen und hellen Federn eines exotischen Vogels. Als Malik es hatte öffnen wollen, war eine dünne Nadel aus dem Knopf geschossen gekommen, mit dem man das Buch schloss. Wäre Malik nicht ein Pirat gewesen (und ein Dieb) und ein verdammt guter dazu, hätte er sich vermutlich stechen lassen und so wie er Mai kannte, hätte sie kein Problem damit gehabt, ihn vergiftet auf dem Boden ihrer Hütte röcheln zu lassen, bis er schließlich einen ziemlich bloßstellenden Tod gestorben wäre, schließlich hatte er in ihren Sachen geschnüffelt. Mai war so eine Frau und wie liebte er sie dafür! Im Endeffekt hatte nichts in dem Buch drin gestanden, was auch furchtbar unpraktisch gewesen wäre, denn Malik konnte nicht lesen. Und jetzt. Jetzt wollte er diesen Menschen besser kennen lernen. Er wollte wissen, was seine Geheimnisse waren, ob er in Seide schlief, weil ihm das raue Leinen zu unbequem war oder ob er heimlich seine Haare einfärbte. Solche Dinge eben. Malik war nicht hinter riesigen Geheimnissen her – das war alles viel zu kompliziert und anstrengend und sowieso meistens unlustig. Aber dieser Kerl (dieser Kerl!) hatte nichts. Rein gar nichts. Nun gut, er hatte Kleidung, einen Kompass und ein dickes Buch, das Malik rücksichtslos unter die Liege geworfen hatte, nur um es nach einiger Zeit wieder hervorzuholen, das Lesezeichen gerade zu rücken und es auf seinen alten Platz zu legen. Es war wirklich frustrierend. Der Mann hatte nichts Interessantes, alles nur normal und unpersönlich. Selbst nach einer Woche hinterließ man seinen Stempel in einem Zimmer, aber dieser Mann konnte seine Kleidung nehmen, das Buch und den Kompass, alles unter einem Arm und niemand würde darauf kommen, dass er hier gelebt hatte. Es war irritierend! „Man schnüffelt nicht im Besitz anderer Menschen.“ Malik tauchte mit dem Kopf unter der Nachtischplatte hervor und rollte die Augen. „Da bist du ja.“ Der Mann verschränkte die Arme im Rahmen der Tür und zog eine schwarze Augenbraue hoch. Er trug nur eine Nachtrobe und Malik dachte sich, dass, wenn er ihm jetzt seine Kleidung stehlen würde, er in dieser Aufmachung zum Aufruf kommen müsste und alle würden ihn auslachen. Aber Malik war nicht darauf aus, einen Kopf kürzer gemacht zu werden, als er ohnehin schon war und sprang so nur vom Boden auf und klopfte sich den Staub aus der Kleidung. „Mir war sowieso langweilig. Ach ja, und du wirst bald unten im Tal erwartet. Also beeil dich. Oder auch nicht. Ich fände es toll, wenn du ausgeschimpft werden würdest.“ Malik grinste Seth an, der völlig unbeeindruckt schien, dass gerade sein Zimmer durchwühlt worden war. „Dann würde ich vorschlagen, du gehst jetzt“, erwiderte der Ältere ruhig und ging auf seine Kleidung zu, die Malik wieder schön zusammengefaltet auf einen Stapel gelegt hatte. Einen Moment überlegte der Blonde, ob er nicht noch bleiben sollte, um Seth zu ärgern. Dann entschied er sich aber, dass nichts in der Welt eine Schelte von Akefia wert war und zuckte mit den Schultern. „Du bist ein Langweiler, Seth.“ Er drehte sich um und eilte zum Ausgang, sprang einmal an der Tür hoch, um mit der Hand den Rahmen zu berühren, und war schon fast draußen, als er sich noch einmal umwandte und rief: „Und du willst den Kapitän doch beeindrucken, nicht wahr?“ Dann lief er lachend den Steg hinunter und war verschwunden. Seth sah ihm hinterher, unter der Fassade der Normalität, des Desinteresses, aber als der blonde Pirat weit genug weg war, ließ er sein Hemd, das er von dem Stapel der frisch im Fluss gewaschenen Kleidung genommen hatte, achtlos fallen und ging auf die Veranda, von der ein Steg hinunter ins Tal führte. Und tatsächlich – unten im Hafen stand neben der Bloody Scarlet auch ein anderes Schiff. Ein schwarz gestrichenes, wie die Nacht. Die Solar Eclipse. Seths Hände krallten sich in das Holz des Geländers und seine blauen Augen verengten sich zu Schlitzen. Endlich. Endlich. --- Der Wind rauschte ihm um die Ohren, als er den Steg ins Tal hinunter ging. Es war früh und die Sonne strahlte die Insel an und zog die Schatten lang. Die Luft schmeckte ein wenig salzig. Er war nun seit einer Woche auf dieser vermaledeiten Insel, die so paradiesisch war, dass er es grausam fand. Die Palmen und das blaue Meer, die Früchte und die weißen Strände – das war alles eine weiße Fassade, um diese Bastarde zu verstecken. Der Mantel über dem Dreck. Die Tage waren nicht spurlos an ihm vorbeigegangen, so ungern er es zugab. Der Druck und die Spannung machten ihm zu schaffen und seine Schlaflosigkeit hatte sich in den letzten Wochen so weit verschlimmert, dass er in der letzten Nacht kein Auge zugemacht hatte, sondern angespannt am Strand entlang gegangen war, bis Malik ihn gefunden hatte (der Junge schien immer dann aufzutauchen, wenn man ihn nicht gebrauchen konnte und das sehr oft) und darauf bestanden hatte, ihn zu begleiten. Danach war der Gedanke an Ruhe ohnehin passé. Seth knurrte leise und knirschte mit den Zähnen. Die Piraten waren ihm auf Schritt und Tritt auf den Fersen. Sehr wahrscheinlich dachten diese Idioten auch noch, dass er es nicht merken würde. Sobald er seine Unterkunft verließ, spürte er Augen auf sich und es dauerte nicht lange, bis sich irgendeiner der Freibeuter sich unter fadenscheinigen Gründen zu ihm gesellte. Er hatte bereits die Freude gehabt, ein paar von ihnen kennenzulernen. Natürlich Malik, der ihm wie ein dressierter Hund dauernd auf den Fersen zu sein schien, und Anzu, die schweigsame und ernste Navigatorin der Bloody Scarlet. Die ließ ihn aber auch meist schnell in Frieden und war auch in keiner Weise daran interessiert, sich mit ihm zu unterhalten, ganz im Gegensatz zu Malik, der ihn tatsächlich schon gefragt hatte, ob er Männer oder Frauen mochte, weil, du weißt schon, man kann ja nie wissen und man sollte sich lieber versichern. Seth hatte ihn nur kurz angesehen und dann schlichtweg ignoriert. Und gestern Nachmittag war er von einem Mann mit irritierenden grünen Augen verfolgt worden, ein Riese, der zwanzig Schritte hinter ihm gegangen war und nie etwas gesagt hatte. Seth hätte ihm am liebsten Psychoterror vorgeworfen, aber da war er auch schon verschwunden gewesen und der junge Lord hatte sich irritiert gefragt, was zum Teufel in den Köpfen dieser Männer vorging. Eine Sache, die ihn auch störte, war, dass die Piraten es bis jetzt geschafft hatten, ihn von Jou und Ryou fernzuhalten und auch die beiden in Schach zu halten schienen. Er hatte keine einzige Möglichkeit gehabt, mit den beiden zu sprechen. Er hatte Jou einmal in Begleitung von einem hoch gewachsenen, ausländischen Mann mit Glatze gesehen, aber Malik hatte ihn erfolgreich davon abgehalten, ihn zu treffen. Seth hoffte nur, dass diese Idioten nicht zu viel redeten. Er machte sich nicht allzu viel Sorgen um Ryou Bakura, der Junge hatte einen ordentlichen Sinn hinter seiner Stirn. Aber Jou war ein potentielles Risiko, das er lieber vermieden hätte. Er zog den Mantel enger um sich, als ein frischer Morgenwind ins Tal heulte und unter seine Kleidung kroch. Seine Stiefel klangen laut auf den Bretterstufen. Es war das erste Mal, dass er ins Tal ging und es würde auch das erste Mal sein, dass sich seine Verkleidung würde bewähren müssen, seit sie die Bloody Scarlet verlassen hatten, das erste Mal, dass er Kapitän Atemu in die Augen sehen würde und hoffen musste, dass er ihn nicht erkannte. Seth hasste es, sich auf Hoffnung verlassen zu müssen. --- Ryou versuchte sich möglichst hinter Malik zu verstecken, der ihn an der Hand gefasst hatte und zu seinem Bruder geschleift hatte, um von dort das Zusammentreffen zu verfolgen. Er vertraute dem jungen, lebhaften Piraten nicht wirklich – das konnte er wohl keinem -, aber er war der einzige, der in seinem Alter war und schien freundlich genug, dass er sich in seiner Nähe wesentlich wohler fühlte, als unter den flammenden, unheimlichen Augen Akefias oder den immer gefährlich amüsierten Mariks. Der ignorierte ihn glücklicherweise gerade und war in ein Gespräch mit einem glatzköpfigen, hoch gewachsenen Mann vertieft, der hin und wieder zustimmend nickte oder kurz und klar antwortete. „Hey, Ryou, bist du aufgeregt?“, fragte Malik ihn und lächelte. Er biss sich auf die Lippe. „Ja.“ Der Blonde lachte und schüttelte den Kopf. „Keine Sorge. Die meisten Menschen unterschätzen Atemu eher. Was du nicht tun solltest“, fügte er noch hinzu und nickte, als ob er selber bestätigen wollte. Ryous Blick flackerte nervös durch die Menge. Er sah Akefia, der an den großen, gefällten Baum gelehnt stand, der scheinbar als Podest dienen sollte. Es war keine Palme, irgendjemand schien ihn einmal aus dem Innern der Insel an den Strand geschafft haben – vielleicht zum Schiffsbau? Er sah auch die brünette Frau mit den kühlen blauen Augen. Sie stand etwas abseits und schaute auf einen Kompass. Ryou schaute sich weiter um und plötzlich fing ein paar violetter Augen seine eigenen und hielt sie fest. Er blinzelte und sah die junge Frau mit den langen blonden Haaren verwirrt an. Sie lächelte und drehte sich weg. Was war das gewesen? Er hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, als er Lord Kaiba sah, der etwas abseits der Menge stand. Seine blauen Augen waren starr auf den Baumstamm gerichtet und nur noch Schlitze. Seine Arme waren verschränkt. Seine Haltung schrie förmlich Feindseligkeit. Und doch konnte Ryou nicht umhin, zu bemerken, wie schlecht der junge Lord aussah. In der Woche, die sie sich nicht gesehen hatten, schien auch der Prinz nicht gut geschlafen zu haben. Seine Augen waren dunkel gerändert und seine Schultern ein wenig eingesunken. Die Anstrengung und der Stress beeinflusste anscheinend nicht nur den Bibliothekar, sondern auch den starken Lord und Ryou konnte sich nur im Ansatz vorstellen, wie es ihm gehen musste – er trug immerhin fast die alleinige Verantwortung für dieses Unterfangen. Blaue Augen flackerten kurz von ihrem Fixpunkt und sahen ihn direkt an. Ryou sah zurück und dieser kurze Augenblick des Zusammenseins rettete seine Nerven, denn – so lächerlich es klingen mochte – er wusste, dass er nicht alleine war. Und das schien schon wahnsinnig viel auszumachen. Obwohl ein missmutiger Aristokrat mit einem definiten Hang zur Arroganz vielleicht nicht die beste Kameradschaft war, wenn auch besser als nichts. Ryou seufzte und fuhr sich durch die Haare. Er hatte Kopfschmerzen. Malik stieß ihm in die Seite und er sah fragend auf. Alle Blicke waren auf den Baumstamm gerichtet. Ryou hätte fast aufgeschrieen. Stattdessen biss er sich auf die Zunge. Da hol mich doch der Teufel! Der Mann, der sich elegant auf den Baumstamm schwang, die Hände in die Gürtelschlaufen seiner abgenutzten Lederhose steckte und in die Runde schaute, rote Augen blitzend und das Lächeln warm, war der junge Mann, den er an seinem ersten Abend hier getroffen hatte. Und plötzlich machte alles Sinn. „Arbeitet Ihr auch für den Vizekapitän? Oder für Kapitän Atemu selber?“ Ryou war neugierig. Wo der Piratenkönig wohl war? Wie sahen die anderen Crewmitglieder aus? Wie würden sie sein? Zu Ryous Überraschung lachte der Mann auf und schwang sich mit einem Satz auf die Reling. „Das weiß ich nie so genau. Es ist mehr ein Geben und Nehmen. Aber ja, ich arbeite hier.“ „Was ist Eure Aufgabe?“ „Ich bin eigentlich für alles zuständig, was gerade so anfällt. Wenn es nötig ist, putze ich sogar die Kartoffeln“, antwortete der Fremde und seine Augen glitzerten amüsiert. Ryou sah ihn fast fasziniert an. „Dann seid Ihr sicher unentbehrlich.“ „So ähnlich.“ Ryou kam sich wie ein Trottel vor. Unsinn, er war ein Trottel. Er hatte so viel über Kapitän Atemu gelesen, wusste so viel – und erkannte ihn nicht, wenn er ihm gegenüber saß. Der Mann war sein Held gewesen – so jung und schon so viele Abenteuer. Er hatte die Geschichten verschlungen, die seine Tanten aus Übersee ihm erzählt hatten, wenn sie zu Besuch waren. Sein zweiter Gedanke war, ob er sich irgendwie verraten haben könnte. Hatte er irgendetwas gesagt, was ihre Tarnung gefährden konnte? War er zu deutlich geworden? Wie hatte er sich verhalten? Wenn er schuldig wäre, dass nicht nur er selber, sondern auch Seth und Jou getötet wurden, würde er sich selbst noch im Himmel oder in der Hölle oder wo auch immer er hinkommen würde Vorwürfe machen. Hektisch ging er das Gespräch in Gedanken noch einmal durch, aber er konnte sich nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern. Es war ihm damals nicht als wichtig erschienen. Unwohl sah er Seth an. Was, wenn der Mann erfahren würde, dass er mit Atemu geredet hatte? Aber Seth war viel zu gebannt, um überhaupt etwas von der misslichen Lage seines Bibliothekars mitzubekommen. Er starrte mit geweiteten Augen auf die schmale Figur des jungen Piratenkapitäns, blinzelte noch nicht einmal. Das ist der Bastard!, war der erste Gedanke, der ihm durch den Kopf schoss. Wie er so selbstbewusst dort stand, die Hand auf der Hüfte, den Kopf leicht zur Seite gelehnt, dass ihm die blonden Strähnen wirr ins Gesicht fielen – das war der Mann, der ihn vor einem Monat in diese Krise gestürzt hatte. Er biss die Zähne aufeinander und krallte die Finger in seine verschränkten Arme aufeinander, um seine Wut, die Frustration, den aufgestauten Stress nicht hinauszulassen. Sein Mundwinkel zuckte einmal gefährlich und er zog die Augenbrauen leicht zusammen. Seine blauen Augen wurden dunkel und stürmisch. Aber er wusste, dass es für die, die ihn nicht genau lesen konnten, schwer zu sehen war. Er hatte ein Talent, nichts von seinen Gefühlen aus sich herauszulassen. Sonst hätte er sehr wahrscheinlich auf der Stelle sein Schwert gezogen – seine Pistole hatten sie ihm abgenommen – und hätte etwas Unüberlegtes getan. Atemu schaute mit diesem lasziven, halbgeschlossenen Blick über die vielen Menschen, den er Seth – Seto - damals auf dem Ball geschenkt hatte – nur war er damals nicht Atemu, sondern Summer gewesen. „Kinder, hört auf zu schwätzen!“ Die Stimme des Piratenkapitäns, rau und genauso melodisch, wie er sie in Erinnerung hatte, tönte mit Leichtigkeit über das Stimmenwirrwarr hinweg, ohne dabei laut zu werden. Die Piraten verfielen in ein erwartendes Schweigen. Hier und da tuschelten noch einige, aber sie taten es so leise, dass sie mühelos noch mitbekamen, was ihr Kapitän sagte. „Gut. Danke.“ Atemu verschränkte die Arme. Dann lächelte er. „Es ist etwas länger her, seit wir alle hier zusammen waren. Ich hoffe, ihr erkennt mich alle trotzdem.“ Allgemeines Gelächter, von dem sich Atemu aber nicht stören ließ. „Ich möchte zum Punkt kommen, da ich sicher bin, dass ihr Besseres zu tun habt, als meinem Geschwätz zuzuhören.“ Er machte eine kurze Pause. „Heute Abend werden wir auslaufen.“ Es wurde totenstill. Alle starrten den jungen Piraten an. Dann rief ein großer Mann mit längeren braunen Haaren: „Wir sind gerade erst angekommen!“ Zustimmendes Gemurmel kam auf. Atemu sah sich noch einmal um und meinte dann ernst: „Ich weiß. Ich weiß, dass ihr müde seid. Viele von uns sind schon seit mehreren Monaten am Stück auf See. Glaubt mir, ich möchte mein Bett auf ungern wieder missen und das grandiose Essen hier gegen Pökelfleisch eintauschen. Aber meine Entscheidung steht fest.“ Die Piraten sagten nichts, einige seufzten, andere schauten missmutig in den Sand. „Die Horus muss repariert werden“, bemerkte ein breitschultriger Mann mit wilden Haaren und einem zernarbten Gesicht leise. Akefia kam Atemu zuvor. Seine Stimme war ernst und das Geflüster erstarb langsam. „Nicht nur das. Unsere Munition ist fast am Ende. Die Reserven, die meine Crew aus Tortuga mitgebracht hat, sind allerhöchstens Notrationen. Nahrung haben wir, aber uns fehlt Medizin. Wir sind vollkommen ungeschützt, sollten wir angegriffen werden.“ Einige Piraten nickten, andere schauten schuldbewusst zu Boden. Atemu seufzte. „Lasst es uns einsehen, Jungs. Wir haben uns in letzter Zeit vernachlässigt. Einigen von uns schmerzen alle Knochen. Wir sind so beschäftigt gewesen, dass wir alle möglichen Schäden aufgeschoben haben. Aber ich bin der Meinung, dass es jetzt reicht.“ Zustimmendes Gemurmel. Seth sah, wie Akefia sich mit finsteren Augen das Handgelenk rieb, und als er sich umschaute, sah er, wie erschöpft die Piraten schienen. Einige hatten sich an Bäume gelehnt, andere saßen auf der Erde. Und mehr als ein Drittel schien verletzt zu sein. Auch Atemu. Er lehnte sein Gewicht auf sein rechtes Bein und er sah müde aus. Die Eleganz, die er noch vor einem Monat gezeigt hatte, schien fast verschwunden – und Seth begriff, dass das war, was ihn die ganze Zeit gestört hatte. „Ich möchte so schnell wie möglich ablegen“, fügte Atemu hinzu. „Ich laufe heute Abend aus – wenn die Horus bis dahin nicht so weit in Schuss gebracht ist, dass sie nicht wie eine Nussschale auf dem Meer absäuft, folgt die Mannschaft von Mai mir später. Akefias Mannschaft wird mich begleiten.“ Er pausierte und fuhr sich durch die Haare. „Jeder, den wir schonen können, bleibt hier. Falls ihr krank seid, kuriert euch aus und schließt euch dann entweder Mai an oder bleibt hier.“ Jemand hustete besonders laut in die Stille hinein. Seth drehte sich um, wie die meisten um ihn herum. Der junge blonde Pirat, Malik, klammerte sich an Ryou fest und verdrehte die Augen, als würde er Höllenqualen leiden. Ryou versuchte ihn entsetzt zu beruhigen und hielt ihn an der Schulter. Atemu zog eine elegante Augenbraue hoch. „Malik, hör auf zu schauspielern. Was du hast, ist nichts, was einmal Kielholen nicht kurieren könnte.“ Die Männer lachten rau und Ryou schien positiv verzweifelt, als Malik sich zu Boden fallen ließ und ihn dabei mit hinunterriss. Der Blonde blieb stur auf dem Boden liegen und rief dann: „Du bist so grausam!“ Ryou kämpfte damit, einigermaßen würdevoll wieder auf die Beine zu kommen, aber Maliks Hand an seinem Hemd half ihm nicht wirklich dabei. Der Bibliothekar wurde vor Verlegenheit rot, als die Piraten laut lachten. Die Situation wurde erst entschärft, als Akefia Malik an den Haaren packte und hochzog. Und verwundert stellte Seth fest, dass auch die angespannte, düstere Atmosphäre gewichen war. „Ein letztes Mal Aufmerksamkeit“, rief Atemu, die Arme vor der Brust verschränkt, das Funkeln in den roten Augen, das Seth schon in Port Royal gesehen hatte, sowohl in Summers als auch in Atemus Augen. „Wie ihr alle sicher schon mitbekommen habt, befinden sich drei unbekannte Gesichter unter uns.“ Seth war es gewohnt, alle Blicke auf sich zu spüren. Es waren zwar meist Blicke der Bewunderung der Hofdamen und die unterwürfigen Blicke der Lords und nicht die misstrauischer Piraten. Aber da ihn ihre Meinungen ohnehin nicht interessierten, beachtete er nur ein einziges Paar Augen. Atemu sah ihn direkt an, unbeeindruckt von seiner feindlichen Haltung und lächelte spöttisch. Seto schenkte ihm im Gegenzug eines seiner kühlen Halblächeln, die nie etwas Gutes verhießen. Plötzlich meinte eine abfällige Stimme, die Seth als die der brünetten Piratin Anzu erkannte: „Eigentlich sind es nur zwei.“ Seth riss sich von Atemus eisernem Blick los und sah sich um, so wie viele der Piraten. Sein Blick kreuzte den Ryous und der sah ihn nur verwirrt an. Er zuckte mit den Schultern und sah dann weg, als Malik sich zu ihm beugte und ihn etwas Leises fragte. Wo zum Teufel ist Jou?, dachte sich der junge Lord und zog die Augenbrauen missbilligend zusammen. Scheinbar schien nicht nur er das zu denken. „Wo ist der andere?“, fragte Atemu laut und misstrauisch, seine gute Laune plötzlich verschwunden. Die Piraten murmelten untereinander. Einige sahen ihn an, aber das störte ihn nicht. Was ihn allerdings störte, war, dass Jou das Risiko einging, dass die Piraten misstrauisch wurden. Dass sie vermuteten, sie planten ein Attentat oder sonst eine Idiotie, war gerade das, was Seth am wenigsten gebrauchen konnte. Aber weder Pünktlichkeit, Logik, noch Vorrausicht hatten jemals zu Jous Tugenden gezählt. Also konnte Seth nicht sagen, dass er überrascht war. Hätte er den Trottel bloß nicht mitgenommen. --- Ryou trat unsicher einen Schritt zurück, als Marik ihn mit zu Schlitzen verengten Augen ansah. Wie konnten Brüder nur so unterschiedlich sein? Malik war anhänglich, freundlich und offen (wenn auch etwas zu sehr von, nun ja, allem), Marik war schweigsam und feindselig. Als ob er genau wüsste, dass etwas an ihnen nicht stimmte. Der Gedanke jagte Ryou einen Schauer über den Rücken. „Wo ist dein Freund, huh?“, fragte der ältere Pirat leise und misstrauisch, die Arme verschränkt, die Augenbrauen zusammengezogen. In seinen violetten Augen lag ein gefährliches Glitzern. Der junge Bibliothekar sah ihn miserabel an und zuckte hilflos mit den Schultern. Marik schnaubte abfällig und murrte etwas, dass ganz wie „Als ob“ klang. Wie sollte er das denn wissen! Sie ließen ihn ja seit Tagen nicht mehr zu Lord Seto und Lord Jou! Er wurde ja ständig bewacht. Was konnte er also von ihm erwarten? „Ach komm, Marik, hör auf“, mischte sich Malik mit einem Stirnrunzeln an und legte Ryou die Hand auf die Schulter. „Lass ihn in Ruhe.“ Ryou sah den blonden Piraten dankbar an, der ihm ein kleines, aufmunterndes Lächeln schenkte. Marik lachte nur trocken, sandte ihnen einen letzten, abfälligen Blick und wandte sich dann ab. Malik sah ihn noch eine Sekunde undeutbar an, dann drehte auch er sich weg und sah Ryou an, das alte, strahlende Lächeln zurück auf seinen Lippen. „Mach dir keine Sorgen, Ryou. Ich wette, es ist nichts.“ „Das hoffe ich auch“, murmelte Ryou verschüchtert und biss sich auf die Lippe. --- Währenddessen war Atemu von dem Baumstamm heruntergestiegen und diskutierte mit Akefia, Anzu und Mai. „Wo ist der Kerl?“, fragte er leise, aber scharf und sah sie alle einmal entschieden scheltend an. Mai zuckte mit den Schultern und spielte mit ihrem goldenen Ohrring. „Keine Ahnung. Woher soll ich das wissen? Vielleicht hat er den Weg nicht gefunden“, fügte sie noch hämisch hinzu. Atemu sandte ihr einen Blick, der ausdrückte, wie unglaublich witzig er das Ganze fand. „Deshalb hatte ich gesagt, ihr sollt die drei holen.“ Er wandte sich zu Akefia. „Warum ist das nicht auch so passiert?“ Der Vizekapitän schnaubte abfällig. „Ich hatte Malik gesagt, er solle den arroganten Dreckskerl abholen und Shadi hat den Kleinen hergebracht, wie man sieht.“ „Das sehe ich. Aber warum ist der dritte nicht hier?“, gab Atemu zurück und in seine Stimme schlich sich ein Hauch Ungeduld. Akefia schwieg eine Weile. Dann sah er auf und meinte: „Das sollte Anzu machen.“ Die Brünette fuhr wütend auf: „Na danke, Akefia. Kannst du nicht einfach deine Klappe halten?“ „Wage es nicht, so mit mir zu reden!“, zischte der Vize gefährlich und seine Augen verengten sich zu Schlitzen. „Und was sonst? Wir haben doch alle gesehen, dass du nur eine große Klappe hast und nichts dahinter!“ Akefia war einen Schritt davor, auf Anzu loszugehen, sein Gesicht vor Zorn entstellt und die Fäuste geballt. „Du verdammtes-“ „Hört auf!“, rief Atemu scharf dazwischen und packte seinen Vizekapitän am Arm. Seine roten Augen brannten, die eleganten Augenbrauen zusammengezogen, nichts von der charmanten Art mehr übrig. „Habt ihr beide den Verstand verloren?“ Als er sah, dass Akefia sich beruhigte und nicht mehr die direkte Gefahr bestand, dass er sie zusammenschlagen würde, wandte sich der Piratenkapitän an seine Navigatorin. „Was ist in dich gefahren? Warum hast du den Kerl nicht geholt? Das war ein direkter Befehl!“ Anzu schnaubte abwertend und zischte: „Von diesem Bastard lasse ich mir keine Befehle geben!“ Akefia knurrte gefährlich und für einen Moment schien er die beruhigende Hand seines Kapitäns missachten zu wollen. Dann riss er sich zusammen und verschränkte die Arme. Atemu atmete ruhig durch, schloss kurz die Augen und sah sie dann sanft an. „Es war mein direkter Befehl, Anzu.“ Die Navigatorin sah ihm tief in die Augen und in ihrem Blick brannte ein unbändiger Hass, eine Verletztheit, eine unglaubliche Qual. Mit erstickter Stimme, aber verbittert erwiderte sie: „Deine Befehle sind unverantwortlich. Sie stammen direkt aus der Hölle.“ Dann riss sie sich aus Mais beruhigendem Griff los und stürmte davon, den Kopf gesenkt. Die anderen Piraten, die das Gespräch nicht mitbekommen hatten, sahen ihr verwirrt, zum Teil düster hinterher. Atemu sah ihr bestürzt hinterher, die Hand halb erhoben, die Augen weit und verletzt. Für einen Moment schien er ihr hinterherlaufen zu wollen, dann zog er die Hand ein und senkte den Kopf, wie ein Kind, das von seiner Mutter geschlagen wurde. Es herrschte Stille unter den dreien, schwere, unerträgliche, gedankenreiche Stille. Jeder schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Dann räusperte sich Mai und flüsterte leise und nachdenklich: „Ich werde mit ihr reden, Atemu. Mach dir keine Sorgen.“ Sie lächelte aufmunternd und fuhr ihm durch die dichten, schwarzen Haare. Ihre Augen trafen sich für einen Moment, violett auf karminrot, und es lag ein Wissen darin, dass viel schwieriger und inhaltsreicher war als alle Worte. Nach ein paar Augenblicken lächelte Atemu matt zurück, atmete einmal kurz durch und nickte. Mai drehte sich um und folgte der brünetten Frau. Akefia und Atemu sahen sich schweigend an. --- Seth beobachtete das Geschehen argwöhnisch. Er konnte zwar nicht hören, was beredet wurde, aber das Bild war schon recht eindeutig. Und er hätte niemals gedacht, Atemu einmal so verletzlich und ungeschützt zu sehen. Es war ein zwiespältiges Gefühl. Er wusste nicht, warum es ihn so traf. Vielleicht, weil er derjenige sein wollte, der diesen Schmerz in diese roten Augen brachte. Sehr wahrscheinlich. Atemu schien sich langsam zu fassen, nachdem die blonde Piratin gegangen war. Er redete kurz mit Akefia, der nur stumm und düster nickte, bevor auch der Vizekapitän sich umdrehte und mit weit ausgreifenden Schritten ging. Die Piraten, die ihre Gespräche einstellten, sahen Atemu erwartend an. Einige warfen einander wissende Blicke zu. Seth hasste es, nicht zu wissen, worum es ging. Er war gewohnt, mehr zu wissen als alle anderen. Atemu räusperte sich und sofort verstummte jeder Gesprächsfetzen, der noch übrig geblieben war. Sogar Malik, der auf Ryou einredete und dabei wild mit den Händen gestikulierte, verstummte und sah auf. „Das wäre es dann auch. Es tut mir leid, dass ich so viel von eurer Zeit in Anspruch genommen habe. Ruht euch gut aus.“ Seine roten Augen hafteten noch einen Moment auf der Menge, dann wandte er sich abrupt ab und ging auch. --- „Das war nicht fair, das weißt du.“ Eine kurze Pause. Dann: „Was er damals getan hat, war auch nicht fair.“ Ein Seufzen. „Er leidet genauso wie du. Niemand kann dich besser verstehen.“ „Sag nicht, dass wir uns ähnlich sind. Sag es nicht. Das ist eine Lüge.“ „Es tut ihm leid, weißt du? Jeden Tag aufs Neue.“ „Es tut ihm leid?! Wirklich! So ein Schwachsinn! Warum hat er es dann getan!“ „Weil es keine andere Möglichkeit gab.“ „Unsinn. Es gibt immer andere Möglichkeiten. Das ist Unsinn.“ Dann schwiegen sie sich an und es war ein schmerzhaftes Schweigen. --- Das Salz brannte ihm in den Augen. Seine Stiefelschritte waren schwer auf dem Holz und durchbrachen die Eintönigkeit und Friedlichkeit der Wellen, die sich am nah gelegenen Strand brachen. Seth wusste nicht, warum er diesen Weg genommen hatte, er hatte einfach die plötzliche Freiheit der verwirrenden Situation ausgenutzt und war dem Holzpfad in entgegengesetzte Richtung zu seinem ‚Haus’, wenn man die schäbige Hütte so etwas nennen konnte, gefolgt. Der Pfad führte am Strand entlang, durch kurze Waldstücke und über einen Flusslauf. Seth versuchte alle Gedanken zu verscheuchen, wenn sie nicht nützlich und hilfreich waren. In letzter Zeit waren ihm zu viel von eben jenen gekommen. Die Frage, die immer wiederkehrte, war, was er nun tun sollte, wo er endlich seinen Vorteil hatte. Er wollte Atemu an den Galgen bringen – nur war das reichlich schwer, wenn man auf einer einsamen Insel festsaß. Er würde wohl warten müssten, bis sie wieder das Festland erreicht hatten. Bis dahin würde er dieses ermüdende Schauspiel aufrechterhalten müssen. Er mochte allein die Vorstellung nicht. Er hielt abrupt an und begann, seine Umgebung wieder wahrzunehmen, als eine Stimme ihn rau aus seinen Gedanken riss. „Seth, nicht?“ Blaue Augen verengten sich zu Schlitzen und er drehte sich langsam herum. „In der Tat.“ Funkelnde rote Augen starrten in seine blauen, dieselben Augen, die ihn für Wochen verfolgt hatten, die er in seinen Fieberträumen auf Tortuga und in den schlaflosen Nächten auf Fortune Island gesehen hatte, die sich in sein Gedächtnis gebrannt hatten wie ein Brandmal. Die Augen, die ihn hierher getrieben hatten. Sie sahen sich stumm an und Atemu lächelte wissend, wie eine Katze, die seine Beute in die Ecke gedrängt hatte, selbstzufrieden. Von seiner Unsicherheit war nichts mehr zu spüren – wie ein perfekter zweiter Akt eines Theaterstücks. Er stand gegen die Reling gelehnt, die Beine an den Knöcheln gekreuzt und den Kopf zurückgelehnt, so dass er seinen langen, geschmeidigen Hals preisgab und wie gern hätte Seth ihn für diese perfekte Farce, diese perfekte Maske gewürgt, bis dieses selbstgefällige Lächeln von seinen Lippen verschwand. Anstatt seinen Gefühlen freien Raum zu lassen, lächelte er nur ebenso gefährlich zurück und verengte die Augen zu Schlitzen. Atemu war es gewohnt, dass die Menschen vor ihm winselten und jaulten und in sich zusammenschrumpften – Seth aber stand aufrecht und sah auf ihn herab. Der Piratenkapitän lachte rau und fuhr sich mit der Hand durch die dichten Haare. Ein paar blonde Strähnen fielen ihm wirr ins Gesicht. „Ich habe von Akefia gehört, wie du ihn in den Dreck getreten hast. Beeindruckend.“ Seth zog eine elegante Augenbraue hoch und verschränkte die Arme. „Ich bin mir sicher, dass er das nicht so gesagt hat.“ Über ihnen schrie ein Vogel und Atemus Lächeln wuchs und er legte den Kopf schief. „Was sagst du, Seth? Wie wäre es mit einem Duell unter Partnern?“ Seths Blick flackerte zu Atemus Schwertgriff und er maß ihn genau. „Gerne.“ Atemu sah nicht stärker als sein Vizekapitän aus, aber dafür würde er sehr wahrscheinlich agiler sein. Ein Vorteil, den er auskosten würde. Außerdem war er leichter und sank nicht sehr im Sand ein. Seth verfluchte seine schweren Lederstiefel. Er hatte erwartet, dass Atemu ihn irgendwann persönlich abfangen würde, aber er hatte nicht gedacht, dass er ihn zu einem Kampf herausfordern würde. Das mischte die Karten völlig neu. Denn auch wenn Atemu sagte, dass es nur ein kleines Duell sei, so las Seth in seinen Augen und in seiner Haltung etwas deutlich anderes: Hier ging es um alles. Der Piratenkönig hatte die letzte Entscheidung und sein Kampf gegen Akefia zählte nichts, nicht hier. Was Atemu nicht mit eigenen Augen sah, das würde er nicht glauben. Seths Hand glitt zu dem harschen Schwertgriff und er legte die Finger testend um ihn. Er schmiegte sich perfekt seiner geschlossenen Hand an. Atemu stieß sich von der Reling ab und kam auf ihn zu, wie eine Raubkatze. Er lächelte, zog sein Schwert (es war lang und dünn, ganz anders als das, das Bakura benutzt hatte) und senkte den Kopf kurz. Seth erwiderte die Geste. Niemand von ihnen machte den obligatorischen Knicks. Und dann schnellte Atemus Schwert hoch und Seth konnte gerade in der letzten Sekunde parieren – er hatte den Ausfallschritt kommen sehen, aber er hatte einfach nicht schnell genug reagiert. Atemu lächelte verschmitzt hinter seiner Klinge und sie traten beide einen Schritt zurück. Seth runzelte verärgert die Stirn. Das Lachen würde ihm noch vergehen. Er attackierte und die dünne Klinge traf klirrend auf die seine und Stahl strich über Stahl. Für einen Moment hielten sie sich die Waage, dann sprangen sie auseinander und Atemu brauchte keine Sekunde, um wieder vorzuschnellen, sich auf der Hacke halb zu drehen und seine Seite anzugreifen. Die Schläge kamen immer schneller und Seth sah, dass Atemu ein ganz anderes Kaliber als Bakura war. Er war schnell und seine Schläge waren überraschend kraftvoll. Er suchte jede noch so kleine Lücke und nutzte jede noch so unscheinbare Chance und nach wenigen Minuten kam Seth nicht einmal mehr dazu, selber anzugreifen, sondern brauchte all seine Aufmerksamkeit und Kraft, um zu parieren. Und Atemu spielte nicht leicht – er versuchte lebenswichtige Stellen zu treffen und jeder, der auch nur eine Augen im Kopf hatte, sah den gefährlichen Schimmer in seinen Augen, den gefährlich harschen Unterton, für den er berühmt war. Ein Dämon. Der Dämon mit den roten Augen. Seth war außer Atem und frustriert merkte er, dass er auf verlorenem Posten kämpfte. Diesen Kampf konnte er nicht gewinnen. Und mit einem gewissen Unwohlsein und einer definiten Wut wusste er, dass Atemu nicht zögern würde, ihm die Kehle durchzuschneiden. Als Seth ein weiteres Mal Atemus Schlag parierte und das mit mehr Mühe, als es eigentlich kosten durfte, grinste ihn der Piratenkapitän plötzlich an und anstatt sich zurückzuziehen trat er einen Schritt nach vorn und bohrte ihm den harten Absatz seines Stiefels in den Zeh. Überrascht und mit einem harschen Schmerzenslaut stolperte Seth einen Schritt zurück und die Zeit reichte Atemu, um ihm die Beine unter dem Körper wegzutreten und ihn wenig elegant in den Sand zu schicken. Seth versuchte sich zu fangen und die weißen, hellen Punkte aus seiner Sicht zu vertreiben. Er fluchte leise. Aber da hatte der Piratenkönig ihm schon das Schwert aus der Hand getreten und hielt ihm das eigene an die Kehle. „Verdammter Bastard“, murmelte Seth hasserfüllt und sah zu dem jungen Piraten auf. Atemu grinste ihn an und beugte sich zu ihm hinunter. „Weißt du, Bakura wählt die Pistole über das Schwert, weil es eine einfache, schnelle Art zu töten ist. Oder erdolcht dich von hinten. Die meisten hier sind aber mit dem Schwert aufgewachsen. Ich dachte, das solltest du wissen“, erklärte er und er steckte das Schwert wieder in die Scheide zurück. Seth sah ihn nur aus funkelnden Augen an. „Aber du hast dich doch gut geschlagen. Du verstehst es, mit dem Schwert umzugehen. Einen Mann wie dich können wir gebrauchen.“ Er richtete sich auf und fuhr sich dann durch die verschwitzten Haare. „Ich freue mich, dich morgen auf der Solar Eclipse zu haben. Und vielleicht ist dein angeknackster Stolz bis dahin etwas geheilt. Ich lasse dich jetzt allein, damit du deine Wunden lecken kannst.“ Damit und einem letzten neckischen Blick in Seth’ Richtung, ging er und Seth sah ihm nach, ballte wütend die Faust in den Sand und biss die Zähne aufeinander, bis sie knirschten. --- Das Beladen der Schiffe verlief wie geplant – sollte nichts Unvorhergesehenes geschehen, würden sie bei Einbruch der Nacht auslaufen können. Akefia betrachtete das Geschehen mit Argusaugen, die Arme vor der Brust verschränkt und die Augenbrauen gefährlich zusammengezogen. Um seinen Mund lag ein harter Zug. „Warum so grimmig?“, fragte Atemu, der neben ihn getreten war und gelassen zusah, wie einer der Piraten geschickt eine Kiste auf dem Deck der Bloody Scarlet verstaute. Von seiner Angespanntheit war nichts mehr übrig. Akefia warf ihm einen unzufriedenen Blick zu. „Du weißt ganz genau, wie wenig ich von dieser Aktion halte.“ Atemu schmunzelte und legte den Kopf schief. „Und ich dachte, du seiest immer der Erste, der für völlig unberechenbare, waghalsige und ungeplante Aktionen mit möglicherweise tödlichem Ausgang ist.“ „Die Zeiten haben sich geändert.“ Sie schwiegen eine Weile und schauten den anderen zu, wie sie Kisten und Kanonen verluden, wie Gold und Silber abgeladen und achtlos an den Strand gestellt wurde. Die Sonne brannte vom Himmel und die Luft schmeckte salzig. Es dauerte einige Minuten bis Akefia sich müde über das Gesicht fuhr, in seine Manteltasche griff und eine kleine Dose hervorholte. Er betrachtete sie, drehte sie in den Fingern und fuhr über die raue Oberfläche. „Vielleicht hast du Recht. Vielleicht mache ich tatsächlich einen Fehler.“ Atemu nahm ihm die Dose aus der Hand und öffnete sie vorsichtig. Akefia sah ihm interessiert zu und verdrehte die Augen. „Diese Einsicht wird mir nicht viel bringen, nicht wahr? Du hörst mal wieder nicht auf mich.“ Der junge Piratenkapitän sah kurz durch seine blonden Strähnen auf und grinste. „Ich bin der Kapitän.“ Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Dose zu und beugte sich darüber. Mit einer Hand hielt er sich die Haare aus dem Gesicht und roch an dem pulvrigen Inhalt. Dann begann er zu husten und er schloss die Augen fest. „Verdammt.“ Akefia nahm ihn die Dose spöttisch schnaubend ab. Atemu sandte ihm einen bösen Blick und fuhr sich mit dem Hemdärmel über die Nase. „Teufelszeug.“ „Du weißt die guten Dinge in diesem Leben nicht zu schätzen“, gab Akefia zurück und nahm sich eine Prise des Pulvers und zog es durch die Nase ein. Seine Augen wurden kurz glasig, dann blinzelte er und sah seinen Kapitän überlegen an. Atemu schnaubte abfällig. „Nein. Dann stünde ich nämlich nicht mit einem kleinen Möchtegerngauner hier und würde ihm zusehen, wie er sich Schnupftabak durch die Nase zieht.“ Akefia hob eine Augenbraue. „Wo wäre der Herr denn dann?“ „Hah, ich habe mir gedacht, dass dich das interessieren würde.“ „Und ich nehme an, dass du es mir nicht verraten wirst“, vermutete der Vize, als er die Dose wieder schloss und sie in seiner Manteltasche verstaute. Atemu grinste und lehnte sich zurück. Er blinzelte in die Sonne. „Wir haben keine Zeit, hier herumzutrödeln. Auf, auf. Ich will bei Abend auslaufen.“ Er klopfte sich den Staub von der Hose und streckte sich einmal. Er packte sich eine der Kisten, die die Piraten am Strand abgestellt hatten und wollte sie auf eines der Schiffe bringen. Da rief ihm Akefia missmutig hinterher: „ Warum hast du mir eigentlich das kleine Weichei aufgehalst?“ Atemu drehte sich halb wieder zu ihm um und zog eine elegante Augenbraue hoch. „Das weißt du nicht?“ Akefia verengte die Augen nur gefährlich. Würde ich dann fragen? Die Kiste auf einem Knie absetzend sah der Piratenkapitän seinen Vize schmunzelnd an. „Ihr seht euch sehr ähnlich, findest du nicht?“ Der Vizekapitän sah angewidert aus. Sein Mundwinkel zuckte. „Ganz sicher nicht. Ich bin nicht so ein Weichei.“ Atemu schaute ihn todernst an und gab ebenso nachdrücklich zurück: „Nein, sicher nicht. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass irgendjemand den großen Akefia besiegen könnte. Unvorstellbar.“ Ein Knurren. „Bastard.“ --- Ryou packte seine wenigen Habseligkeiten in die kleine, abgenutzte Tasche. Es war nicht viel, ein Buch, zwei Hemden und zwei Hosen, ein Kompass und das Medaillon seines Vaters. Er zögerte, als er es in der Hand hielt und betrachtete es nachdenklich und ein wenig sehnsüchtig. Er liebte dieses Medaillon. Es war alles, was er von seinem Vater hatte, abgesehen von den paar Kleidungsstücken, die ihm ein Diener bei seiner Ankunft in Port Royal überreicht hatte. Aber Kleidung war so nichtssagend. Aber diese Kette… Diese Kette hatte ihm sein Vater persönlich gegeben, er hatte sie ihm hingehalten und gelacht und gesagt, dass er gut darauf aufpassen sollte. Und er trug sie immer bei sich, immer nah an seinem Herzen. Es war furchtbar schwer, sie in die Tasche zu legen, aber er konnte sie auch nicht direkt bei sich tragen – das Zeichen der Royal Navy war auf der Vorderseite eingraviert, ein Zeichen, auf das sein Vater stolz gewesen war. Die Navy war sein Leben gewesen. Das heißt, sie war es gewesen, bis ihm irgendeiner seiner eigenen Kameraden bei einem Rundumschlag mit dem Schwert versehentlich das Bein genau über dem Knie abgetrennt hatte und Samuel Bakura ein Bibliothekar geworden war. Ryou konnte nicht riskieren, dass einer der Piraten es sah. Sie waren jetzt schon misstrauisch genug. Versteckt hinter der freundlichen, lächelnden Fassade oder der kühlen Akefias, aber es war da und er wollte es nicht schüren. Schweren Herzens legte er die Kette fein säuberlich zwischen die Hemden, fuhr mit der Hand über den Stoff und seufzte. Er hoffte, dass dieses Versteckspiel bald enden würde. Und am besten zu Hause in seiner Bibliothek. Es riss seine Nerven entzwei. Er war Bibliothekar, kein Pirat und er würde es niemals sein. Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und blinzelte. Wann würde dieser Stress, diese Frustration, diese Einsamkeit endlich vorbei sein? „Hey, Kleiner!“ Ryou schreckte hoch und sein Herz rutschte ihm einen guten halben Meter tiefer. „Was machst du?“ Eine warme Hand legte sich auf seine Schulter und blonde, lange Haare strichen über seine Wange, als die junge Frau, die er schon beim Zusammentreffen am Morgen gesehen hatte, über seine Schulter sah. Ryou wurde kalkweiß (das heißt, noch weißer, als er ohnehin schon war – sehr wahrscheinlich bemerkte die Piratin es nicht mal) und ballte die Hände zu Fäusten. „I-Ich pa-“ „Ah!“, rief die Frau erfreut und griff nach dem Buch in seiner Tasche. Sie hielt es hoch und blätterte hindurch. „William Shakespeare? Gott, ich habe ja ohnehin keine Zeit für so etwas, aber das ist doch furchtbar trocken, nicht? Und die ganzen Liebesgeschichten, meine Kinder, als ob so etwas auch im wahren Leben passieren könnte. Romeo und Julia? Albern! Warum bringt man sich für einen Mann um, kannst du mir das mal sagen? Hmm?“ Sie sah ihn erwartungsvoll an. Ryou blinzelte nur verschreckt angesichts so vieler Worte und öffnete den Mund, wollte etwas antworten, wusste beim besten Willen aber nicht, was. Dann versuchte er, sich zusammenzureißen. „Also… Ich denke schon, dass Liebe so groß sein kann“, antwortete er kleinlaut. Die blonde Frau grinste ihn neckisch an und er spürte die Hitze in sein Gesicht steigen. „Du bist so niedlich!“, bemerkte sie und drückte ihn an sich. „Und du hast so tolles Haar!“, fügte sie noch hinzu und fuhr mit ihrer Hand hindurch. Ryou stand einfach nur stocksteif da und wollte im Boden versinken. „Miss…. Bitte…“ Die Piratin lachte herzlich und packte ihn bei den Schultern, schob ihn ein Stück weg und musterte ihn amüsiert. Dann hielt sie ihm die Hand hin. „Nicht so formell, da fühle ich mich furchtbar alt. Ich sehe doch nicht so alt aus, oder?“ Sie schien wahrhaftig entsetzt. „Mein Name ist Mai.“ „Ryou.“ Er nahm ihre Hand zögerlich und wurde wieder rot. Sie machte ein Geräusch, das sich stark nach einem entzückten Schnurren und das Ryou nur ganz schnell wieder vergessen wollte. „Du bist so ein Süßer! Schade, dass du so jung bist.“ Gott, bitte, entweder hilf mir oder töte mich hier auf der Stelle. „Weißt du was?“, fragte sie ihn und bevor er irgendetwas sagen konnte, warf sie das Buch in seine Tasche, packte sie und nahm ihn an die Hand. Er sah sie entsetzt an. Sie lachte. „Komm! Du musst was locker werden!“ Und zog ihn aus der Tür. Ryou stolperte fast über seine eigenen Füße. „Wohin gehen wir?“, fragte er ängstlich. „An den Strand. Ich wette, die anderen sind auch dort.“ „Und was machen wir da?“ Mai sah ihn an, als wüsste sie nicht, ob er Witze mache. „Na, du weißt schon. Rum, Poker und ich bin mir sicher, Marik hat noch etwas von dem starken Zeug, das er beim Schwarzhändler gekauft hat. Das Zeug bläst dir die Lichter aus.“ Ryous Augen weiteten sich und er vergrub die Füße fest im Boden und hielt sich am Holzgeländer fest. Am Ende musste er aber aufgeben, als Mai aufhörte, an ihm zu ziehen, ihm kumpelhaft auf den Rücken zu schlagen oder ihm die Haare zu zerzausen, und anfing, ihn zu kitzeln. --- Jou sah verwirrt auf, als es rau an seiner Tür klopfte. „Ja?“ Die Tür schwang auf. Draußen dunkelte es und das fahle Licht der Laternen malte einen dünnen Schatten in den Rahmen. „Komm“, forderte die feminine Stimme ihn kurz auf. Die Frau hielt eine Laterne hoch, so dass ein langer Lichtstrahl in die dunkle Hütte fiel. Jou war ein wenig überrascht. Es war die brünette Frau, mit der er auf dem Ball getanzt hatte. Die sie am Kai in Tortuga wiedergetroffen hatten und deren charmante Art sich in stille Kühle verwandelt hatte. Sie sah ihn an, die Augenbrauen in das hübsche Gesicht gezogen. Sie sah eindeutig widerwillig aus. „Mach schon.“ Er sah zögerlich auf seine Habseligkeiten, die wirr auf seinem Bett lagen. Er hatte noch nie viel von Ordnung gehalten. „Wohin gehen wir?“ Die Brünette seufzte ungeduldig und trat von dem einen Fuß auf den anderen. „Wir laufen aus.“ Jou sah erschrocken auf. Jetzt? Wo waren Seto und Ryou? „Warum?“ „Das kannst du den zweiten Vizekapitän fragen“, murrte sie missmutig. „Komm schon, ich hatte schon keine Lust, hierher zu kommen. Noch weniger möchte ich hier bleiben.“ Jou runzelte die Stirn. Was hatte er der Frau nur getan, dass sie immer so unfreundlich war? „Warum bist du dann überhaupt hier?“, fragte er unzufrieden. Die Frau schwieg. Wenn Jou es nicht besser wüsste, würde er sagen, sie schmollte. „Es ist ein Befehl“, erwiderte sie fast trotzig und kam auf ihn zu. Sie packte sich eine seiner Hosen und legte sie zusammen. Der blonde Lord sah ihr perplex zu. „Willst du nur starren oder hilfst du auch?“, fragte sie irritiert und warf ihm ein Hemd zu. Jou riss sich zusammen, zuckte dann mit den Schultern. Zusammen suchten sie alles zusammen und verstauten es schweigend in seiner Tasche. Dann stand die Frau auf, nahm die Tasche und ging. Jou folgte ihr, verwirrter als je zuvor. A/N Keine lange A/N diesmal. :3 Die Antworten auf die Kommentare gehen diesmal per ENS raus. Nur eine Angelegenheit, die mir wichtig ist: Ich habe gesehen, dass manche von euch dieses Jahr auf der LBM sind. Ich fände es schön, wenn man sich treffen könnte. Meldet euch doch einfach. :3~ Drink up, me 'earties, yoho! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)