Feuerberg von Trollfrau ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Der schwefelige Gestank dieser Gegend brannte schon lange nicht mehr in seiner Nase. Er drehte seine Runden, wie er es schon seit Jahren tat. Die Flügel weit auseinander und stets mit wachem Blick an allem, was um ihm herum geschah. An die Gerüchte, welche diese vulkanübersäte Landschaft hervorbrachte hatte er sich längst gewöhnt, doch diese Einsamkeit, welche er seinem zuhause verdankte, brachte ihn um den Verstand. Von Wut erfüllt drehte Ranas eine weitere Runde und ging dabei so nahe über den Boden, dass er fast mit den Felsen in Berührung kam. Tief atmete er die üble Luft ein. Wer wollte schon an einem Ort wie diesem Leben? Ranas jedoch ging nicht von hier weg. Wo sollte er denn auch hin? Er kannte doch nur diese eine Landschaft - sein Zuhause. Kein anderer Ort war ihm bis jetzt bekannt. Wieder drehte er die Flügel in den Wind und lies sich erneut sehr tief auf die Oberfläche herab, bis ihm etwas unbekanntes auffiel. Ranas drehte um und flog ein Stück, höher wie zuvor, wieder zurück. Tatsächlich. Auf einem der zahlreichen Steinplatten bewegte sich etwas. Hatte sich etwa jemand in diesen bedrohlichen Abgrund verirrt? Ranas verringerte sein Flugtempo und landete anschließend ganz auf dem Boden. Wer mochte das sein? Von oben sahen diese Unbekannten so klein aus. Ranas schlich unauffällig näher. Überrascht hielt er jedoch die Luft an. Sah er da wirklich richtig? Feen? In seiner Welt? Was wollten sie hier? Er versteckte sich hinter einem der zahllosen Felsen und lauschte. In seinen Augen waren diese zierlichen Wesen so eindrucksvoll und vollkommen. "Du musst Hilfe holen!", vernahm Ranas eine zitternde Männerstimme. "Du bist die einzige, die uns noch retten kann. Ich weiß, dass du es schaffst..." Ranas fasste mit beiden Händen nach der Kette, welche er um den Hals trug. Mit festem Griff hielt er den in Gold eingefassten Rubin und schloss dabei die Augen. Nur wenige Sekunden später war er auf feengröße geschrumpft. Das dieser Rubin bestimmte Kräfte besaß wusste er, doch nie hatte er diese auch nur nutzen wollen. Ranas sah auf den Boden unter sich. Noch nie war ihm dieses kurze Entfernung so derartig tief vorgekommen. Schnellstens flog er noch ein Stück nach unten. In dieser Größe konnte er ganz sicher noch etwas näher unbemerkt an diese zierlichen Wesen herankommen. Als Ranas jedoch gerade hinter dem nächsten vorstehenden Felsen verschwinden wollte, prallte er mit etwas zusammen. Sogleich hob er den Blick und sah in ein reizendes Frauengesicht. Der wilde Blick seiner gelben Augen machte ihr Angst. "Tu mir nichts", hauchte sie erschreckt und flog ein Stück rückwärts von ihm weg. "Ganz bestimmt nicht." Ranas konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Etwas derart bezauberndes hatte er noch nie in seinem Leben gesehen. Die kleine Fee vor ihm bewegte die Flügel ungemein schnell und dieses Surren, was dabei entstand, machte ihn enorm nervös. "Was wollt ihr hier?", fragte er mit leiser Stimme, um sie nicht nocheinmal zu erschrecken. Es war ja nun nicht so, dass er keinen Besuch wollte, doch die Anwesenheit dieses hübschen Mädchens machte ihn unsagbar kribbelig. "Der Sturm kam über unser Land und riss einige von uns mit sich. Mein Vater ist verletzt." "Ein Sturm?" Ranas landete auf dem nächstgrößten Stein unter ihm und wartete darauf, dass es ihm die Fee gleichtat. Auch wenn er gerne flog, konnte er dieses Flügelschlagen nicht auf die Dauer durchhalten. Die Kleine schien über ihm in der Luft zu schweben. Wartend sah er zu ihr hinauf. Sie war so wunderschön, auch wenn sie nur eine stolze Größe von höchstens einem halben Fuß hatte. Ängstlich sah sie sich nach ihren Leuten um und zog dabei ihr Kleidchen fest an die Knie. "Kann ich euch vielleicht irgendwie helfen?", rief er zu ihr hinauf. Er war sich sicher, dass sie nicht den Mut hatte, ihn zu bitten. Sogleich flog sie zu ihm herab. Als sie neben ihm landete, nickte sie nur, jedoch mit einem sehr erleichterten Ausdruck im Gesicht. "Dann sollten wir keine Zeit verlieren." Ranas streckte die Hand nach ihrer aus. Nur sehr zaghaft fasste sie danach. Machte seine Erscheinung ihr also große Angst. Vorsichtig hielt er sie fest. Als er die Flügel zum Starten ausbreitete, zog er die zierliche Person ein Stück mit sich. Hatte sie ganz sicher nicht damit gerechnet, dass er derart ruckartig starten würde. Erst nach ein paar Flügelschlägen, begann auch sie wieder mit dem Schwirren. Schnell hatten sie die anderen Feen erreicht. "Valerie ist zurück", rief einer von ihnen. Ranas lies die zierliche Hand sofort los und landete auf dem Boden. Die wenigen letzten Schritte zu den Verwundeten, legte er zu Fuß zurück. Unter Schmerzen drehte der am Boden liegende den Kopf. Überrascht hob er die Brauen, als er die beiden auf sich zukommen sah. Ranas erkannte sofort, das es sich bei ihm um einen König handelte. Der Feenkönig schaute ihn verwundert an. "Ein Drachenmensch?" Sein Blick wanderte zu seiner Tochter. "Er wird uns helfen", brachte sie nur stockend hervor und landete neben ihrem Vater. Ranas verbeugte sich. "Jawohl, Eure Majestät." Der König richtete sich ein Stück auf und sah ihn ungläubig an. "Aber sind die Drachenmenschen nicht viel größer?" "Das ist ebenfalls richtig", gab er zurück. "Mit Hilfe dieses Rubins habe ich unter anderem die Möglichkeit meine Größe zu verändern." Ranas Blick wanderte zu der hübschen Fee, welche auch jetzt noch neben ihm stand. "Ich wollte Euere Tochter durch meine wahre Größe nicht noch mehr erschrecken." Sie senkte verlegen den Blick und Ranas konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Die drei anderen Feen, welche ebenso unfreiwillig gestrandet waren, kamen ebenfalls näher. Einer von ihnen hielt sich den Arm und die beiden anderen die Köpfe. Ranas kniete sich neben dem König auf den Boden. "Ich befürchte, Euer Bein ist gebrochen", sagte er mit einem gewissen Maß an Erfahrung. "Es muss geschient werden, doch etwas passendes werde ich hier nicht finden." Er sah sich suchend um, als die Erde zu beben begann. "Nicht schon wieder", brummelte Ranas und fasste wieder mit beiden Händen nach dem Schmuckstück um seinem Hals. Wenige Sekunden später, hatte er seine Alte Größe wieder. Valerie wurde bei seinem für sie ungeheuer mächtigen Anblick ganz bleich im Gesicht. Wie erstarrt schaute sie nach oben und regte sich nicht. Die Erde bebte erneut, jedoch um einiges stärker und ein Steinregen ging plötzlich auf sie hernieder. Sofort hockte sich der Drachenmensch über das kleine Volk und breitete die Flügel aus. Mit zusammengekniffenen Augen unterdrückte er den Schmerz der fast faustgroßen Steine. "Wir müssen hier weg und zwar schnell!", bestimmte er und sah auf die kleinen Leute unter sich. Der König nickte. Mit beiden Händen nahm der Drachenmensch das Feenvolk auf. Nur ganz vorsichtig hob er den Monarchen vom Boden weg. Wieder schlugen Steine gegen Ranas Rücken und wieder kniff er die Augen fest zusammen. Hastig hob er die Arme und drückte sich seine Hände mit sanfter Gewalt an die Brust. Niemanden dieser kleinen Leute wollte er schaden schon gar nicht der schönen Valerie. Ein ganzes Stück war er geflogen, als er eine Höhle erreichte und darin verschwand. Sie war recht weit vom Erdboden entfernt, dass die darunter vorbei fließenden Lavaströme keine Chance hatten, sie zu erreichen. Mit behutsamen Schritten ging er noch ein ganzes Stück weiter in die Höhle hinein. Hier hatte er einen Rumpfgroßen Stein liegen, der an der Oberseite bemerkenswert glatt war. Vorsichtig setzte er alle darauf ab. Unerwartend hell kam den Feen das innere dieser Höhle vor. An einigen Stellen in den Wänden dieses Unterschlupfes waren Steine. Sie schienen zu leuchten. Es machte irgendwie den Eindruck eines Sternenhimmels. Valerie schaute sich mit offenem Mund um, als sich Ranas ein knappes Stück von ihnen wegbewegt hatte um etwas zu suchen. Jedoch bei seinem Weg zurück, starrte sie ihn wieder auf die selbe völlig verschüchterte Weise an. Ihre Angst war keineswegs verflogen. Schutzsuchend flog sie auf ihren Vater zu und ging hinter ihm in Deckung. Dieser Transport von eben hatte den König nicht im geringsten gut getan, dennoch beschwerte er sich nicht. Schmerzverzerrt sah er zu Ranas hinauf. "Du hast uns das Leben gerettet, Drachenmensch." Verlegen senkte dieser den Blick und legte die mitgebrachten Holzspäne und ein wenig Stoff neben dem König ab. "Wenn du uns nicht mit hier hergenommen hättest, wären wir von diesen Steinen ganz sicher erschlagen worden..." "Mein Name ist Ranas", flüsterte er unruhig, fasste sich an den Kopf und riss sich einige seiner ziegelroten Haare aus, welche er ebenfalls auf den Stein legte. Mit einem weiteren Griff an seine Halskette hatte er die ähnlich zerbrechlichwirkende Gestalt seiner Gäste zurück. Valerie traute sich erst jetzt wieder hinter ihrem Vater hervor. Mit einem unguten Gefühl beobachtete sie den Drachenmensch, wie er mit einem kraftvollen Ruck das Beinkleid ihres Vaters zerriss. Der Unterschenkel des Königs war glücklicherweise lediglich angebrochen. Dennoch war es sehr dick und scherzte sicherlich fürchterlich. Ranas flicht sein herausgerissenes Haar zusammen, welches genau wie die Holzspäne aus dieser Größe gesehen, sehr stabil wirkte. Er fixierte das gesamte Bein mit den mitgebrachten Sachen. Keiner der Feen schien sich in Ranas Gegenwart sonderlich wohl zu fühlen. Er hatte das von Anfang an gespürt und es machte ihn unsagbar traurig doch er lies sich nichts anmerken. Die beiden anderen Feen hatten wie es schien nur eine Platzwunde. Der Drachenmensch teilte das Stück Stoff und band beiden ein Stück davon behutsam an den Kopf. Der dritte war wie es schien, unverletzt. "Können sich Euere Majestät daran erinnern, aus welcher Richtung Ihr in etwa gekommen seid?" Ranas Blick wanderte bei diesen Worten über Valeries Gesicht. Er machte es sich in kleiner Größe auf dem Stein bequem. "Ich weis nicht so recht...", gestand ihm der König. "Ich bin mir aber sicher, dass ich es finden würde, wenn wir wieder an den Platz zurückkehren würden, an dem du uns weggeholt hast." "Jetzt ist das jedoch ausgeschlossen. So stark hat der Feuerberg noch nie Steine und Asche gespuckt." Der Feenkönig schniefte enttäuscht. Am liebsten wäre er sofort von diesem Ort wieder verschwunden, doch er sah ein, dass dieser Wunsch einfach viel zu gefährlich war. "Vielleicht sollten Euere Majestät versuchen etwas zu schlafen. Ich bin mir sicher, dass sich der Steinregen morgen wieder gelegt hat." Mit diesen Worten flog er vom Tisch. Ranas vergrößerte sich wieder und lief in Richtung Ausgang. Neben dem runden Tor hob er noch einen Krug auf. "Ich werde schnell noch Wasser holen, sollte ich welches finden." In den Augen der kleinen Feen spiegelte sich Angst. "Ich werde mich beeilen..." Kapitel 2: ----------- "Sei vorsichtig", rief ihm Valerie noch hinterher, doch diese leisen Worte hätte er niemals verstanden. Ihre Stimme war einfach zu schwach. Sie ließ sich neben ihrem Vater auf dem Stein nieder. "Warum hilft er uns?", wand sie ihre Frage an den König. "Er gehört einer ganz anderen Rasse an und dennoch hilft er uns..." "Valerie mein liebes Kind..." begann er seine Worte und legte seinen Arm um sie. "Ich weiß nicht viel von dieser Rasse. Ich weiß nur, dass sie steht's gegen Ungerechtigkeit gekämpft haben. Sie waren gezwungen sich mit den Drachen zu verbünden, weil die Menschen ihnen das Leben steht's schwer gemacht haben." "Die Menschen?", fragte Valerie interessiert und streichelte ihrem Vater die Hand. "Ja Liebes. Unsere Macht hindert diese Unholde glücklicherweise daran uns zu sehen..." Das Feenvolk schreckte auf, als ein großer Schatten im Höheneingang zu sehen war. Erleichtert stellten sie jedoch fest, das es dieser Drachenmensch war, dem sie bis jetzt ihr Leben verdankten. Ranas stellte den Krug wieder neben den Eingang. "Ich habe leider an meinem Wasserloch keines mehr finden können. Die beiden anderen sind zu weit von hier weg. Dort werde ich ebenfalls erst morgen nach Wasser suchen können. Abends ist dieser Weg einfach zu riskant." Ranas stellte sich neben den Stein-Tisch und sah von oben auf die Winzlinge herunter. "Ich werde meine Größe jetzt besser beibehalten", sprach er zum König. "Wenn ich mich um diese Tageszeit jetzt auch noch schrumpfe, ist das zu gefährlich für euch alle." Der Monarch nickte zustimmend und Ranas begab sich wieder an den Eingang zur Höhle. Er würde diese Nacht ohnehin kein Auge zumachen. Immer wieder sah er das liebliche Gesicht dieser Valerie vor seinen Augen... Ranas hatte gerade die Augen geschlossen und war vielleicht für wenige Augenblicke eingenickt, als er das Gefühl hatte, etwas surrte an seinem Ohr. Ruckartig wand er den Kopf zur Seite. Mit dieser hektischen Bewegung erschreckte er Valerie zutiefst. Die hübsche Fee hatte sich jetzt ungeheuer weit an den großen Drachenmenschen herangewagt. Wiederholt brachte sich Ranas auf ihre Größe. Sogleich landete sie neben ihm auf dem Boden. "Entschuldige", stammelte er verlegen. "Ich hatte nicht vor, dich schon wieder zu erschrecken." "Schon gut", gab sich lächelnd zurück und setzte sich neben ihn. "Wo sind die Anderen?", begann sie ihn auszufragen. "Welche Anderen?", gab Ranas verwundert zurück. Wieder hing sein Blick an ihren wunderschönen blauen Augen. "Na die anderen Drachenmenschen. Deine Familie." Ranas lies den Kopf hängen. "Es gibt keine Anderen mehr. Ich bin der Letzte..." Valerie nahm entsetzt die Hände vor den Mund. "Was? Das kann ich nicht glauben!" Sein trauriger Blick verriet ihr jedoch, dass das die Wahrheit war. "Wie furchtbar. Wie lange lebst du hier schon allein?" "Viel zu lange..." Valerie sah sich den Burschen neben sich von der Seite genauer an. Er wirkte auf sie jetzt so zerbrechlich - so hilflos. Er tat ihr fürchterlich leid. Dennoch machte ihr sein Aussehen immer noch beträchtliche Angst. Seine Drachenflügel... die gezackte Schuppenreihe, welche an seinem Rücken herunter führte... sein Drachenschwanz, welcher ebenfalls diese spitzen Schuppen hatte... die gedrehten Hörner an seiner Stirn... die ungewöhnlich langen, nach hinten hängenden Ohren... seine graue Haut... Ihr fiel auf, dass die Steine, welche er mit seinem Körper abgefangen hatte, an einigen Stellen blutende Wunden hinterlassen hatten. Selbst die lederartigen Flügel hatte Risse abbekommen. Ob er jedoch nur zu stolz war, Schmerz zu zeigen wusste sie nicht. Behutsam strich sie ihm über die Schulter. Ranas schaute erneut sehr traurig zu seinem weiblichen Gast hinüber. Sofort faste sie nach seiner Hand. "Komm doch mit... zu uns meine ich." Er hob die Brauen, schüttelte jedoch den Kopf. "Das geht doch nicht... ich meine ich..." "Warum denn nicht? Schließlich hast du uns doch das Leben gerettet." Ranas streichelte ihr zärtlich die Hand. An diesen und auch an den Füßen hatte er tierähnliche Klauen. "Wenn du so groß bist wie wir, sehe ich kein Schwierigkeit... Ich will nicht, dass du hier ganz alleine bist..." Sie senkte den Blick. "Vielleicht solltest du diesen Vorschlag erst einmal deinem Vater unterbreiten." Valerie nickte zu seiner Überraschung sofort. "Genau das werde ich morgen auch tun." Mit diesen Worten erhob sie sich wieder und flog zu ihrem Vater zurück. Ranas war sich sicher. Sie würde den König wirklich fragen. In ihren Worten hatte jetzt enorme Ernsthaftigkeit gelegen. Kapitel 3: ----------- Das Feenvolk schlief noch, als sich Ranas erneut langsam dem Tisch näherte. Diesmal bemerkten sie ihn jedoch nicht. Valerie schlummerte zusammengerollt wie ein Kätzchen. Bei ihrem Anblick wurde den Drachenmenschen erneut richtig warm ums Herz. Wie konnte ihm diese kleine Person nur derart den Kopf verdrehen. Er ließ sich neben dem Stein nieder und beobachtete sie eine ganze Weile. Ranas wurde traurig beim Gedanken daran, ihre Gesellschaft recht bald wieder missen zu müssen. Eigentlich wollte er Wasser holen gehen, doch er stützte den Kopf auf und schloss die Augen. Aus diesem Grund bemerkte er auch nicht, wie sie erwachte. Erst das kurze surren von Feenflügeln weckte wieder seine Aufmerksamkeit. Verschlafen rieb sie sich die Augen. "Guten Morgen, Prinzessin", flüsterte Ranas und sein Blick wanderte zu ihrem Vater. "Ich hoffe diese Nacht war wenigstens in geringem Maße angenehm." Nur mit Hilfe der Flügel richtete sie sich vor ihm auf und flog ihm in Blickhöhe vor die Nase. Dabei verschränkte sie die Arme vor der Brust. "Hältst du mich etwa für eine verwöhnte Göre?" Sie kniff die Augen leicht zusammen. Ranas spürte, wie er rot wurde. "Aber nein..." Verlegen sah er auf den großen Stein vor sich. Die anderen Feen erwachten auch allmählich und der Drachenmensch erhob sich schleunigst. "Ich werde jetzt Wasser holen gehen", lenkte er ab und war mit großen Schritten am Ausgang. "Lass mich dich begleiten", rief sie ihm nach. Ruckartig blieb Ranas in der Tür stehen. "Ich weiß nicht so recht..." Wieder schaute er auf den König. Dieser jedoch schüttelte den Kopf. "Aber Vater..." Valerie landete sogleich wieder auf dem Stein neben ihm. "Er wird schon auf mich achten. Ich habe keine Angst." Unwillig senkte der Monarch den Blick. Ein Schweigen entstand. Der Gedanke seine Tochter mit diesem Riesen allein zu lassen, behagte ihm nicht im geringsten. "Bei dieser Gelegenheit kann ich doch gleich einmal schauen, aus welcher Richtung wir überhaupt gekommen sind..." Auch jetzt bekam sie keine Antwort, also folgte sie dem Drachenmenschen auch ohne seine Einwilligung. Als sie ihn erreicht hatte, war er bereits ein ganzes Stück davongeflogen. Die Landschaft um sie herum machte ihr furchtbare Angst. Wie konnte Ranas hier nur Leben... Der Drachenmensch hatte angehalten. Mit dem Krug in den Händen wand er sich zu ihr um und flog an der Stelle. "Du wiedersetzt dich deinem Vater? Was soll ich denn davon halten..." Schelmisch feixte er sie an. Völlig außer Atem flog sie so schnell sie konnte auf ihn zu. Aus diesem Grund bekam er auch keine Antwort. Ranas streckte die Hand nach der Fee aus. Valerie hielt sich sofort an seinem Daumen fest. "Willst du nicht doch lieber hier warten, bis ich zurück bin?" Er hob seine Hand nah an seine Augen, doch sie schüttelte vehement den Kopf. "Na schön..." Er setzte Valerie auf den eingefassten Rubin. "Halte dich an der Kette fest." Nur zu gern nahm sie dieses Angebot an. Einen besseren Transport hatte sie sich nicht vorstellen können. Hohe und spitze Felsen bestimmten die Landschaft unter den beiden. Hin und wieder kreuzten Lavaströme und Seen ihren Weg. Ranas war eine ganze Weile geflogen, bis er seine Flughöhe endlich senkte. Zwischen unwegsamen Felsen sah sie endlich ein Gewässer, welches nicht von rot bestimmt war. Sie hatten das besagte Wasser endlich erreicht. Der Drachenmensch landete auf dem Boden. Valerie klammerte sich nur noch fester an die Goldkette. Mit großen Schritten näherte er sich dem Gewässer. Zur Hälfte schien dieses ebenfalls in einer Höhle zu verschwinden. Ranas kniete sich an den Rand und tauchte seinen Krug tief hinein. Ihr Blick fiel unter sich in das wellenschlagende Wasser. Ihr Wunsch jetzt hier hineinzuspringen wurde sehr groß. Mutig stellte sie sich auf den Rubin und beugte sich leicht nach vorne. Ranas - von neckischer Natur - stupste sie vorsichtig mit dem Finger von hinten an und Valerie verlor das Gleichgewicht. Selbst die rechtzeitige Reaktion, die Flügel zu öffnen, fehlte ihr. Die zierliche Fee plumpste im Wasser. Ranas kicherte von seinem eigenen Scherz belustigt, doch sie tauchte nicht wieder auf. Was hatte er nur gemacht...? Hastig stellte er den Krug ab, schrumpfte sich und sprang ihr hinterher. Wie konnte er nur eine derartige Dummheit machen... Ranas tauchte ab, um sie zu finden, doch er kam erfolglos wieder herauf, als ihm die Luft ausgegangen war.. Wie konnte er nur. Von Panik ergriffen begann er fürchterlich zu zittern. "Bitte nicht..." Er wollte gerade erneut abtauchen, als von hinten zwei Hände nach ihm fassten. "Du gemeiner Kerl!", schimpfte sie gekränkt. Sofort wand er sich zu ihr um. "Vergib mir bitte..." Er faltete die Hände. "Ich hatte jetzt schon Angst du..." "Da habe ich dich jetzt ganz schön reingelegt nicht war?" Sie setzte ein hämisches Grinsen auf. Ihr Haar und ihr zierlichen Flügel klebten an ihrem schlanken Körper. Ihr Kleid haftete ebenfalls wie eine zweite Haut an ihr, wodurch ihre makellosen Rundungen nur noch deutlicher wurden. Die zarten Fühler jedoch, standen auch jetzt wie eine Eins. Ranas wurde es bei ihrem Anblick allmählich heiß. Behutsam hielt er sie an der Hüfte, wobei der stetig die Füße bewegte, um nicht abzusinken. Valeries Hände näherten sich seinen Schultern. Mit von ihm unerwarteter Kraft drückte sie ihn unter Wasser. Damit hatte er jetzt jedoch nicht im geringsten gerechnet. Als er endlich doch die Möglichkeit hatte, wieder aufzutauchen, japste er nach Luft. Valerie steckte ihm die Zunge heraus. "Tu das nie wieder, klar?" Hastig schüttelte er den Kopf. "Nie wieder versprochen!" Abermals hielt er an der Hüfte fest. Der Drachenmensch öffnete schon im Wasser die Flügel. Für ihn war es kein Problem, mit noch nassen Flügeln zu fliegen. Er hob sie mit sich aus dem Wasser und landete nahe neben dem Krug, welcher jetzt weit über ihnen thronte. Nur zu gerne hätte er sie noch länger berührt, doch jetzt verließ ihn der Mut. Sein rotes Haar klebte ihm im Gesicht. Ranas nahm die Hände hinter den Rücken und sah ihr tief in die Augen. Sie war so bildhübsch... Mit beiden Händen fasste Valerie nach dem Edelstein. Ihr schien diese Kette ungemein gut zu gefallen. Einige Zeit standen sie so da und schauten sich einfach nur an. "Wir sollten zurück", brach er die Stille. "Dein Vater macht sich sicherlich schon Gedanken." Valerie nickte zustimmend. Keineswegs wollte sie, das Ranas ihretwegen Ärger bekam. Durch die schwüle, manches mal ziemlich unangenehme Luft waren Haare, Kleider und Flügel schnell getrocknet. Auch auf dem Rückweg hatte die Fee wieder auf der Kette gesessen. Wie versprochen flogen sie an die Stelle, wo sie sich getroffen hatten. An diesem Ort flog er unheimlich weit nach oben. Die Felsenlandschaft unter ihnen wurde so langsam immer kleiner, dennoch schien sie nach keiner Seite aufzuhören. "Kommt dir irgend etwas bekannt vor?", fragte er unruhig. Valerie schniefte. "Ich weiß nicht so recht..." Suchend lies sie den Blick schweifen. "Das sieht alles so gleich aus. Wir sollten lieber zurück. Mein Vater weiß sicherlich mehr." Kapitel 4: ----------- Valerie hatte sich, den restlichen Weg zur Höhle zurück, auf den Stein gestellt. Auch wenn es dabei ungeheuer schaukelte, schien ihr das besonders viel Spaß zu machen. Hin und wieder warf sie dem Mann, der diese Kette trug, einen Blick zu. Sie konnte sich nicht erklären warum, aber irgendwie fühlte sie sich in seiner Gegenwart überaus sicher. Sehr bald hatten die beiden die Höhle erreicht. Beim Anblick des schwarzen Loches zwischen den Felsen wurde es Valerie irgendwie mulmig, obwohl sie im inneren durch die leuchtenden Steine so hell zu sein schien. Sie ließ sich wieder auf dem Rubin nieder und klammerte sich noch fester an der Kette fest, wie sie es zuvor schon tat. Ranas glitt fast geräuschlos in den dunklen Eingang hinein. Der König und die anderen hatten Valerie bereits mit besorgter Unruhe erwartet. Sie sprang von der Kette und flog sofort auf ihren Vater zu. "Diese Landschaft da draußen sieht so ungeheuer gleich aus", äußerte sie enttäuscht. "Ich habe leider nicht ausmachen können, aus welcher Richtung wir gekommen sein könnten." "Mache dir bitte keine Sorgen, Liebes. In diesem Wirbelsturm hätte niemand sehen können, welche Richtung es gewesen sein könnte. Wir finden schon wieder zurück." Er strich ihr liebevoll über die Schulter. Ranas wand sich daraufhin sofort ab. Wieder musste er an das gemeinsame Badeabenteuer denken. Der Drachenmensch kam mit einer kleinen Steinschale zurück. Er stellte sie auf den Tisch und füllte sie mit Wasser. Die drei nahezu unverletzten Feen befreiten sich mit dem bereitgestellten Wasser grob von Blutresten und Dreck, wenigstens an Armen und Gesicht. "Ich denke wir sollten schnellstmöglich wieder zurück", begann der König matt. Er suchte Ranas Blick. Dieser nickte abwesend. "Ich denke auch, dass Euch bereits alle suchen werden." Er brachte sich auf feengröße und machte es sich auf dem Tisch bequem. Valerie warf ihm, hinter ihrem Vater stehend, ein süßes Lächeln zu. Er jedoch senkte den Blick. "Ranas sollte uns begleiten", begann sie, wie bereits angekündigt. Der König schaute zu seiner Tochter auf. "Ich denke, dass wir ohne seine wiederholte Hilfe überhaupt nicht zurückfinden werden." Ranas kratzte sich unruhig am Oberschenkel. "Eure Majestät sollte mit dem gebrochenen Bein ohnehin nicht fliegen. Es wäre mir eine Ehre Euch zu begleiten." Bei diesen Worten erhob er sich wieder und macht eine tiefe Verbeugung. Valerie beobachtete diese Verbeugung mit großem Erstaunen. Ein derartiges Verhalten hatte sie von einem Drachenmenschen, der hier in dieser unwohnlichen Landschaft in einer Höhle lebte nicht erwartet. "Dann sollten wir nicht noch länger warten." Ranas hüpfte vom Stein und bereits im Sprung hatte er seine normale Größe wieder. Äußerst behutsam nahm er den Feenkönig auf. Valerie nahm erneut auf seiner Kette platz. Die anderen drei Feen folgten den Drachenmenschen zunächst aus eigener Kraft, doch sie gaben es nach einem kurzen Stück auf. Er war mit seiner Größe einfach zu schnell, dabei hatten sie die Wüste aus Lava und Stein längst nicht verlassen. Auch sie nahmen auf dem großen Kerl Platz. Sie klammerten sich an sein rotes Haar und hatten zwischen den Hörnern einen ganz besonders guten Überblick, was es diese Landschaft betraf. Ranas musste jetzt also ganz besonders vorsichtig fliegen und den Kopf nur langsam bewegen, um auch niemanden zu verlieren. Kapitel 5: ----------- Zunächst ging die Reise eher senkrecht nach oben, als in eine bestimmte Richtung. Der König war auch sich jetzt noch nicht sicher, in welche Richtung sie fliegen mussten. Er nahm die Hände über die Augen, um besser zu sehen. "Genau unter uns ist jetzt die Stelle, wo ich Euch gefunden habe." Der Blick des Monarchen fiel zwischen Ranas Fingern hindurch auf den Boden herab. "Hm...", sagte er jedoch überlegend. "Ist es vielleicht möglich, dass du diesen Wirbelsturm gesehen hast?" Er schaute zu Ranas hinauf. "Ich bin mir nicht sicher Euere Majestät." "Da vorne", erklang einer der Stimmen von Ranas Kopf. "Ich bin mir sicher, dass das die richtige Richtung ist. Diese Felsformation kommt mir irgendwie bekannt vor." Angestrengt blickte der König in die gezeigte Richtung "Na schön. Versuchen wir es." Er sah wieder zu Ranas hinauf. "Sollten wir in dieser Richtung ergebnislos suchen ist es dann möglich, dass wir erneut zu deiner Höhle zurückkehren?" Der Drachenmensch spürte ein kribbeln im Bauch. "Aber natürlich. Ich bin mir aber sicher, dass wir weitaus mehr absuchen können, wie nur diesen einen Weg." Auch wenn das heißen sollte, dass er die liebliche Valerie am heutigen Tag bereits das letzte Mal sehen würde... Er warf einen sehr traurigen Blick auf sie hinab. Sie jedoch wirkte abgelenkt. Sicherlich war sie mit den Gedanken längst wieder zu Hause. Der Drachenmensch war eine ganze Weile geflogen, als die felsige Landschaft unter ihnen allmählich flacher und mehr in sandigen Untergrund überging. Hier wurde es erneut unerträglich schwül, doch zum Pausemachen war keine Zeit. Ranas legte sich in die wenigen angenehm kühlen Windböen und ließ sich gleiten. Der Sandige Untergrund wandelte sich unmerklich in eine Steppe. Nach und nach waren es mehr Grasbüschel, welche zwischen den Dünen hervorschauten. Traurigkeit mache sich in Ranas breit. Sicherlich hatten sie das Zuhause der Feen bald erreicht und für ihn hieße das Abschied nehmen. Valerie hatte zwar gesagt, er könnte bei ihnen bleiben, doch daran glauben konnte er nicht. "Da vorne", rief erneut eine Stimme von seinem Kopf und riss ihn aus den trübsinnigen Gedanken. Die Spur, welche der Wirbelsturm hinterlassen hatte, war jetzt besonders gut auf dem Erdboden zu erkennen. Dieser Furche jetzt zu folgen, war für Ranas ein leichtes. Es dauerte auch nicht sonderlich lange, da konnte der Drachenmensch die Zinnen eines Schlosses zwischen den stetig höhergewordenen Grashalmen hindurch schimmern sehen. Dieses perlmutfarbene glänzen machte ihn unsagbar unruhig. "Wir sind zurück", entfuhr es dem König erfreut. Die breite Trasse des Wirbelsturmes hatte das Schloss erfreulicherweise verschont. Ranas setzte zum Landeanflug an. Seine weit ausgebreiteten Flügel warfen einen beängstigenden Schatten. Nur wenige Augenblicke und unzählige Feen kamen dem Drachenmenschen entgegengeflogen. Ranas landete auf dem frischen Grün. Zu seinem Erstaunen waren die heranfliegenden Feen uniformiert und trugen Waffen. Zweidutzend Wachen flogen nahe an den König heran. Eine weitere Gruppe baute sich mit ihren Bogen in einer Reihe dahinter auf. Ranas ging in die Hocke und Valerie und die drei von seinem Kopf hüpften ab. "Keine Sorge", beruhigte der König sein Volk. "Diesem Jungen verdanken wir unser überleben und unsere heile Ankunft." Ranas ging mit den Händen flach über den Boden. Eine der Wachen flog ihm dabei fast auf die Nase. "Diesem Jungen? Für sein Alter scheint er mir etwas zu groß geraten." Ranas war ihm einen bösen Blick zu. Er hätte sich lägst wieder auf kleine Größe gebracht, doch er konnte den König unmöglich hier einfach auf dem Boden absetzen. "Er ist ein Drachenmensch", hatte der König jedoch entgegenzuhalten. "Diese Größe ist für ihn nicht ungewöhnlich." "Was ist mit Euerem Bein passiert?", versuchte der Soldat schleunigst abzulenken. "Ich brach es mir bedauerlicherweise, als der Wirbelsturm uns am Feuerberg herausschleuderte. Die Anderen, welche ebenfalls hineingezogen und mitgerissen worden, sind soweit unverletzt. Meiner Tochter geht es ebenfalls gut." Endlich traten noch weitere Feen auf den Platz. Sie kamen mit einer Art Trage und kümmerten sich sofort um ihren Monarchen. Genau das war für Ranas der Zeitpunkt, sich erneut zu verkleinern. Mit erstaunten Gesichtern sahen die Feen ihn an. Wie hatte er das jetzt gemacht?... Valerie flog sofort auf ihn zu und landete neben ihm auf dem Boden. Ihr in dieser Größe jetzt in die Augen zu sehen, hatte für ihn etwas ungeheuer sicheres. Ohne ein Wort fasste sie nach Ranas Hand und zog ihn durch die umstehenden Feen immer weiter in Richtung Palast mit sich. Ranas verspürte Angst. "Ich sollte wirklich nicht hier bleiben." "Mach dir doch bitte keine Sorgen", sagte die blonde Fee und lächelte ihn beruhigend an. "Du hast meinem Vater und mir das Leben gerettet. Denkst du wirklich der Rat würde dich einfach so wieder wegschicken?" Der Drachenmensch schwieg jedoch nur mit gesenktem Blick. "Ach komm schon." Sie hielt ihn mit einem Ruck an und sah im dabei tief in die Augen. "Ich lasse nicht zu, dass sie dich von hier wegschicken." Endlich machte sich in seinem Gesicht etwas breit, was man vielleicht schon als Lächeln bezeichnen konnte. Auf dem Weg zum Thronsaal hatte sich Ranas Befinden wieder etwas gebessert. "Wo ist eigentlich deine Mutter?", fiel ihm auf. Valerie schniefte traurig. "Sie ist in ihrem Bett. Mutter ist sehr Krank." Ranas sah bedauernd zu ihr hinüber. "Was fehlt ihr denn?", wollte er sogleich wissen. Valerie zuckte mit den Achseln. "Wir wissen es nicht. Keiner weiß, woran sie leidet." War in dem Leben dieser Fee doch nicht alles so perfekt wie er Anfangs der Meinung gewesen war. Die beiden hatten den Thronsaal noch nicht erreicht, da kam ihnen auf dem Gang ein dunkelhaariger Feenmann entgegen. Valerie ließ sofort Ranas Hand los und stürmte auf ihn zu. "Daron", entwich es ihr leidenschaftlich und sie sank in seine Arme. Fest drückte er sie an sich. Ranas blieb wie angewurzelt stehen. Mit einem überglücklichen Lächeln wand sich Valerie wieder zu ihm um. "Darf ich dir meinen Verlobten Daron vorstellen." "Das hier ist Ranas." Machte sie ihn bekannt. "Ohne ihn hätten wir niemals überlebt, geschweige denn hier her zurück gefunden." Ranas senkte den Blick. Ihr Verlobter also... Die Sache mit dieser unglaublich hübschen Fee musste doch einen Haken haben. Der dunkelhaarige Kerl sah ihn skeptisch an. "Ich bin dir sehr zur Dank verpflichtet, dass du meine Prinzessin heil zurückgebracht hast", sagte er auf eine unangenehm demütigende Art. Keine Regung war jedoch bei diesen Worten in seinem Gesicht zu sehen. Auch jetzt drückte er Valerie an sich. In Ranas stieg ungehindert Wut auf. Was fiel diesem Kerl nur ein. "Darf ich erfahren, was du eigentlich für einer bist?", fragte er mit der selben Gleichgültigkeit weiter. Ranas antwortete nicht. Stattdessen sah er weiterhin zu Boden und ballte die Hände zur Faust. "Was ist? Hat es dir die Sprache verschlagen?" "Ranas ist ein Drachenmensch. Er ist in Wirklichweit viel größer", sprach Valerie für den Fremden. Urplötzlich schien dieser Daron doch Interesse zu zeigen. Er ging einige Schritte auf ihn zu. "Drachenmensch?" Er kratzte sich nachdenklich am Kinn. "Sind diese nicht von den Menschen längst ausgerottet?" Valerie stemmte die Arme in die Hüfte. Diese Worte waren sogar für sie jetzt etwas heftig gewesen. "Noch nicht ganz", brachte Ranas mit unheimlicher Stimme hervor und ließ Daron bei diesen Worten den Blick seiner gelben Augen genau spüren. "Hört doch auf." Valerie wollte keineswegs, dass sich die beiden stritten. "Wie geht es Mutter?", fragte sie stattdessen, um die beiden auseinander zubringen. "Unverändert", sagte Daron den Blick immer noch Ranas zugewandt. "Ich werde jetzt zu ihr gehen", sprach die blonde Fee weiter. "Begleitet ihr mich?" Erst bei diesen Worten wand sich Daron zu ihr um. "Ich habe noch etwas zu erledigen", bekam sie jedoch von ihm zu hören. Er nickte ihr kurz zu und verschwand mit einem inhaltslosen Blick, mit welchem er Ranas strafte. Fassungslos sah ihm der Drachenmensch hinterher. Seine zarten Flügel waren nicht halb so schön, wie die von Valerie, dachte er sich. Eines konnte Ranas jetzt bereits mit Sicherheit sagen: Dieser Mann war ihm nicht im geringsten sympathisch. "Kommst du?", vernahm er ihr zartes Stimmchen. Ranas nickte und lief sofort auf sie zu. "Du darfst nicht böse auf ihn sein", nahm sie Daron sogleich in Schutz. "Er hat es auch nicht gerade immer leicht." Valerie wollte nach Ranas Hand fassen, doch er zog diese sofort zurück, bevor sich auch nur die Möglichkeit dazu hatte. "Du bist verlobt?" Traurig und dennoch mit gewisser Strenge sag er zu ihr hinüber. Valerie senkte den Blick. "Ich hoffte, dass das für dich keine Rolle spielen würde. Ich war der Meinung, du würdest nicht hier bleiben wollen, wenn du es bereits vorher gewusst hättest..." Mit langsamen Schritten lief sie voraus. "Mit dieser Annahme hast du vollkommen Recht." Valerie blieb sofort wieder stehen. "Ich bitte dich. Das ist doch Albern." "Führt sich dieser Daron Fremden gegenüber immer so auf? Dieses Verhalten ist einfach... ich weiß nicht was ich sagen soll." Valerie zog wiederum unruhig an ihrem Kleidchen herum. "Es tut mir leid, Ranas...", flüsterte sie kleinlaut und kratzte mit dem Fuß auf dem Steinboden unter sich. Beim Anblick diese hübschen Geschöpfes verflog sein Ärger blitzartig. Sie wirkte jetzt so hilflos auf ihn, dass es ihm bereits wieder leid tat, dieses Thema überhaupt angesprochen zu haben. "Du solltest jetzt besser zu deiner Mutter gehen. Sie wird heilfroh sein, dass du gesund wieder zurück bist." Valerie sah ihn schüchtern an und nickte zustimmend. Die Königin sollte nicht noch länger Angst um sie haben müssen. Im knappem Abstand war der Drachenmensch den blonden Fee gefolgt. Ihm gefiel dieses Schloss sehr. Es war so hell - wirkte so freundlich. Nicht wie die Felsen und die umherfliegenden Steine vom Feuerberg. Der weitere Weg führte eine breite Wendeltreppe hinauf. Das königliche Schlafgemach war ziemlich am Ende des Ganges. Valerie klopfte kurz an und trat ein. "Mutter?", fragte sie mit gewisser Unruhe. "Vater und ich sind wieder zurück." Jemand versuchte sich mit Mühe im Bett aufzurichten. Eilig lief Valerie auf sie zu. "Mein liebes Kind", hauchte eine überaus schwache Stimme. Die Prinzessin kniete sich sogleich neben das Bett ihrer Mutter und hielt ihre Hand. "Ich bin so froh, dass euch nichts geschehen ist", sprach die zitternde Stimme weiter. "Vater brach sich bedauerlicherweise das Bein, doch es geht ihm gut." Unruhig sah sie zur Tür. Ranas war noch nicht eingetreten. "Ohne ihn hätten wir jedoch nicht wieder zurückgefunden." Wieder blickte sie zur Tür, doch der Drachenmensch war nicht zu sehen. "Ohne wen?", fragte die Königin unruhig. Auch sie schaute zur Tür, doch sie sah ebenfalls niemanden. Fragend fiel ihr Blick zu ihrer Tochter hinüber. Erst jetzt wagte sich Ranas in die Tür. Valerie winkte ihn sofort herein. Die Augen der Königin wurden groß. "Ein Drachenmensch", hauchte sie überrascht und beobachtete jede seiner Bewegungen genau. "Ganz recht, Euere Majestät." Ranas versuchte zu lächeln. "Wenn er nicht gewesen wäre, hätten uns die herumfliegenden Steine aus dem Feuerberg mit Sicherheit erschlagen." Ranas kniete sich ebenfalls neben das Bett. Valeries Mutter fasste sofort nach seiner Hand. "Ich weiß nicht, wie ich mich bei dir bedanken soll", flüsterte sie schwerverständlich leise. "Ich stehe tief in deiner Schuld..." "Erlaube ihm, hier zubleiben", schlug Valerie sogleich vor. Der glasige Blick der Königin ging unruhig zwischen den beiden hin und her. "Liebes Kind. Du weist schon das dieser Drachenmensch in Wirklichkeit viel größer ist und..." "Aber ja, liebe Mutter", unterbrach sie diese. "In seiner wahren Größe hat er uns doch auch von dem Steinregen gerettet. Mit dieser Halskette ist es ihm möglich, unsere Größe einzunehmen. Schicke ihn bitte nicht weg. Er ist doch der letzte Drachenmensch..." Valerie schmiegte sich betrübt an die Hand ihrer Mutter. "Der Letzte?" Die Königin sah ihm mit ungläubigen Augen an. "Wie lautet dein Name, mein Junge." "Ranas", gab er zurück, ohne sie warten zu lassen. Ihr Blick ging wenige Augenblicke ins Leere. Es schien, als würde sie jetzt krampfhaft nachdenken. Endlich kehrte ihr Blick wieder in diese Welt zurück. "Ich bin mir sicher, diesen Namen bereits einmal gehört zu haben..." Der Drachenmensch sah Valerie ratlos an. Warum wusste er dann nicht bereits von diesen Leuten. Im selben Moment tauchte einer der Soldaten in der Tür auf. "Der König verlangt nach Euch Prinzessin Valerie." Sobald er die Worten beendet hatte, senkte er den Blick. "Jawohl", gab sie ihm zur Antwort und sprang sogleich auf. "Kommst du mit?" Mit dieser Frage wand sie sich an ihren Gast. Die Königin fasste jedoch nach Ranas Hand. "Warte noch", hauchte sie kraftlos. Auch als er sich bereits erhoben hatte, ließ sie diese nicht los. "Ich werde nachkommen", versprach ihr der Drachenmensch. "Ich bin mir sicher, dass ich dich in euerem Schloss schon finden werde." Lächelnd sah er ihr nach als Valerie und die Wache gingen. Die Königin sah ihrer Tochter nach, bis dieser verschwunden war, erst dann fiel ihr Blick wieder auf den Drachenmenschen, der neben ihr stand und dessen Hand sie immer noch hielt. Gab es vielleicht etwas, was Valerie nicht erfahren sollte? Ranas kniete sich erneut neben das Lager der Herrscherin. "Welche finstere Macht raubt Euch derart die Kräfte?", fragte er ungeniert. Die Königin strich ihm sachte über die Wange. "Ich weiß es nicht, mein Junge..." Sie hielt in ihren Worten kurz inne. "Ich kenne dieses Gesicht. Ich bin mir ganz sicher." Wieder sah sie ihm tief in die Augen. Ranas lächelte. "Deine Mutter", sprach die Feenkönigin plötzlich weiter. "War ihr Name Esmeralda?" Ranas Augen weiteten sich und seine Hand begann zu zittern. Diesen Namen hatte er hier nicht erwähnt und doch hatte die Königin Recht. "Ihr kanntet sie?", stotterte er aufgelöst. Nur noch fester begann er jetzt ihre Hand zu halten. "Sie war eine so stolze Frau. Du hast ihre Augen." Der Drachenmensch senkte den Blick. "Was ist passiert?" "Die Menschen... Sie fielen irgendwann ein und haben alles und jeden zerstört. Ich war noch so jung..." Seine Augen wurden nass. "Ich überlebte, indem ich mich zu den Leichnamen legte und mich tot stellte..." Die Königin richtete sich schwerfällig auf und hielt abermals sein Gesicht. "Mein lieber Ranas", äußerte sie schwach und strich im dabei über den Kopf. "Unser Volk hat mit den Drachenmenschen nie in Feindschaft gelebt. Aus diesem Grunde bin ich es deiner Mutter schuldig, dich nicht wieder zurückzuschicken, wenn du noch bleiben möchtest. Wir waren uns recht eng vertraut und ich denke, dass wäre in ihrem Sinne." Ranas wusste nicht, was er jetzt dazu sagen sollte. Er war dieser Fee so dankbar für ihre Worte. Bevor er ihr jedoch in die Augen sah, rieb er sich diese trocken. Ehe er ihr Antworten konnte, nahm sie die Finger an ihre Lippen. "Denke noch einmal über meine Worte nach. Ich weiß doch wie sehr ein Drachenmensch an seiner Freiheit hängt. Ich habe keineswegs vor, dich hier festzuhalten", fügte sie noch mit einem Lächeln hinzu. Ranas erhob sich und ging zur Tür. "Du solltest den König von meinen Worten dennoch in Kenntnis setzen", rief sie ihm noch nach. Ranas folgte dem Gang zurück, den die beiden gekommen waren. Der Wendeltreppe lief er ebenfalls hinab. Als er unten angekommen war, hörte er bereits ein wild durcheinander diskutierendes Stimmengewirr. Von hier aus führte der Gang in für ihn noch unbekannte Richtung. Nicht lange und er hatte den Thronsaal erreicht. Der König saß auf seinem angestammten Platz und lächelte Ranas bereits entgegen. Seine Bediensteten hatten das gebrochene Bein gut geschient und es mit sämtlichen Kissen fast in die wagerechte gebracht. Zu seinen beiden Seiten standen noch einige weitere Feen, welche sich angeregt unterhielten. Erst bei Ranas betreten der Halle verstummten diese. Der Drachenmensch verbeugte sich knapp und kam noch einige Schritte näher. Valerie stand etwas abseits. Sie sah irgendwie traurig aus. Aus diesem Grund blieb er lieber gleich stehen. Er wollte ihr ganz sicher nicht im beisein ihres Vaters zu nahe kommen. "Ich soll Euch ausrichten, dass die Königin damit einverstanden ist, wenn ich blieben würde", brachte Ranas es gleich auf den Punkt. Das wilde Gemurmel setzte wieder ein. Valerie sah kurz zu ihm hinüber. "Leute, Bitte...", versuchte der Monarch sein Volk mit erhobenen Armen zu beruhigen. "Ihm verdanken wir, dass wir überhaupt überlebt haben. Ihr habt keine Vorstellung davon, welche lebensbedrohlichen Voraussetzungen der Feuerberg für eine Fee hat." Die umstehenden schwiegen. "Ich bin auch dafür, dass er bleibt. Wenn er sich hier wohlfühlt, dann auch länger." "Aber König Magnus", versuchte ihn einer der Herren umzustimmen. "Debora wird mit dieser Entscheidung nicht im geringsten einverstanden sein. Ihr wisst doch wie..." Magnus hob die Hand, und brachte ihn damit zum schweigen. "Immer höre ich nur Debora. Wo steckt sie überhaupt schon wieder? Ich finde, dass es in dieser Angelegenheit nicht von Nöten ist, ihre Meinung zu kennen. Schließlich geht es dabei um den Sachverhalt, des Überlebens meiner Tochter und mir. Sie hat damit nicht das geringste zu tun. Und warum sollte er nicht hier bleiben?" Den umstehenden Feen waren die Argumente endlich ausgegangen. Einer nach dem anderen verließ ohne ein weiteres Wort die Halle. Ranas sah ihnen eine Weile nach, bis Magnus erneut die Stimme erhob. Er rief Ranas beim Namen. Sofort sah er auf. "Komm doch näher." Mit eindeutigen Bewegungen winkte er ihn heran. Unsicher sah der Drachenmensch jedoch zu Valerie. Die Traurickehit war ihrem Blick gewichen. Endlich sah er in ihren Augen wieder dieses bekannte leuchten. Sie folgte ihm sogleich. Der König reichte seinem Gast die Hand. "Sei herzlich willkommen hier in unserem Reich", sagte er lächelnd und drückte Ranas fest die Hand. "Bleib solange du willst und du dich hier wohlfühlt." Ranas Herz schlug wie wild. Es schien in seiner Brust zu hüpfen. Er fühlte sich so gut, wie seit langem nicht mehr. Valerie sah keck zu ihm hinüber. Hatte sie also ihr Wort gehalten, dachte er sich. Sollte sich sein Leben doch endlich zum Guten ändern? Kapitel 6: ----------- Valerie und der Drachenmensch hatten den Thronsaal noch nicht ganz verlassen, da fasste er nach ihrer Hand. "Ich bin dir so dankbar dafür", sagte er leise mit zitternder Stimme. "Nie hätte ich damit gerechnet, dass dein Vater wirklich damit einverstanden ist." Valerie schaute ihn zurückhaltend an. "Ich hätte auch nicht gedacht, dass es so leicht werden würde." Sie befreite sich von seinem Griff. "Würdest du mich vielleicht kurz entschuldigen? Ich würde mich gerne etwas frisch machen und mich umkleiden." Sie deutete auf einen der zahlreichen Risse in ihrem Gewand. "Diese Kleider sind für derartige Reisen einfach nicht geeignet." Bei diesen Worten schmunzelte sie verlegen. "Aber natürlich", gab Ranas mit einem überglücklichen Lächeln zurück. "Ich vertreibe mir schon solange meine Zeit." Die zierliche Fee wollte gerade davonschweben, da fasse er erneut nach ihrer Hand und zog sie auf den Boden zurück. Ranas sah sich kurz um und in einem ihn unbeobachtet gefühlten Moment drückte er sie vorsichtig an sich. Valerie hielt die Luft an. Seine graue Haut fühlte sich so warm an. Behutsam stich er ihr mit der Hand über den Nacken. "Schon gut", stotterte die Fee verlegen. "Ich muss jetzt gehen..." Ranas wollte jetzt erst einmal nach draußen gehen. Auch wenn ihm dieses Schloss sehr gefiel, brauchte er jetzt erst einmal frische Luft. Auf dem Weg zum großen Tor fielen ihm die Worte der Königin wieder ein. Das sie weiß, wie sehr ein Drachenmensch die Freiheit braucht und das sie ihn hier nicht festhalten würde... Ranas stieg einige der breiten Stufen hinunter und lies sich auf der Treppe nieder. Gedankenverloren sah er zum Himmel auf. Am Feuerberg hatte er zwar die selbe Farbe, doch nie hatte er dieses blau von einem so saftigen grün umrahmt gesehen. Ranas zog die frische Luft so tief ein, wie es nur ging. Als er plötzlich wieder das surren von Feenflügeln vernahm. Zwei dieser zarten Wesen flogen auf dem Schloss heraus. Sie waren mit erheblichem Tempo unterwegs und schwirrten ungemein nah an seinem Kopf vorbei. Ihr Gelächter war noch weit zu hören. Ranas sah zu ihnen auf. Die beiden schienen sich wohl zu necken, denn sie flogen abwechselnd hintereinander her. Ruckartig unterbrachen sie jedoch ihr treiben. Sicherlich hatten war ihnen Ranas erst jetzt aufgefallen. Als sie bemerkten, dass er sie beobachtete, stieß einer der beiden dem anderen gegen die Schulter. Dann unterhielten sie sich kurz. Ranas stand auf und ging noch ein Stück auf die Wiese vor dem prachtvollen Gebäude zu. Die zwei Feen flogen von beiden Seiten auf ihn zu. Als sie nah genug an ihm heran waren, fiel dem Drachenmenschen auf, dass es sich bei den beiden um zwei Jungs handelte, welche vielleicht vier oder fünf Jahre alt waren. Die Augen der beiden wurden groß. "Bist du der Mann, von dem alle reden?", frage einer der Knirpse ohne jegliche Scheu. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen. "Ich weiß nicht", gab Ranas jedoch schulterzuckend zurück. "Ich habe gehört, dass sie von einem Mann reden, der im Feuerberg wohnt." Ranas musste unweigerlich schmunzeln. "Ich schätze, dann bin ich wirklich dieser Mann, aber im Feuerberg kann man nicht wohnen. Da ist es viel zu heiß." Der andere der beiden flog ganz nahe an Ranas heran. "Die Soldaten haben Angst vor dir", plauderte er drauflos. "Ich gebe ihnen doch aber gar keinen Grund dazu." Er schaute die beiden unschuldig an. "Ich habe keine Angst!", platzte es aus dem ersten heraus. "Auch nein?" Ranas schlug die Flügel auf und erhob sich in die Luft. Dann preschte er davon, wie es die Beiden zuvor bereits schon getan hatten. Verdutzt sahen sie ihm nach. Sie ließen sich nicht bitten und folgten ihm so schnell sie konnten. Ranas hielt an und warte, bis sie ihn eingeholt hatten, dann erst schoss er erneut davon. Dieses Spiel dauerte eine ganze Weile, bis die Feen schließlich aufgaben. "Na?", fragte Ranas mit einem breiten Grinsen im Gesicht. "Könnt ihr etwa bereits nicht mehr?" "Du bist viel zu schnell!", keuchte einer der Beiden. "Das werdet ihr sicherlich auch bald sein", munterte er sie auf und flog zu den Knirpsen zurück. Die Jungs warfen sich seltsame Blicke zu und waren sich urplötzlich wieder einig. Mit vereinten Kräften stürzten sie auf Ranas zu. Jeder von ihnen klammerte sich an einem Arm fest. Der Drachenmensch musste jetzt höllisch aufpassen, das er sich nicht all zu stark zur Wehr setzte, schließlich wollte er den Beiden nicht wehtun. Schafften sie es doch tatsächlich, den Drachenmenschen ein ganzes Stück nach hinten zu schieben. Rasch begann Ranas jetzt mit den Flügeln zu schlagen, um nicht abzustürzen, doch dabei traf er einen der Beiden. Er rutsche vom Arm ab und prallte gegen Ranas Drachenflügel - dann fiel er rücklings nach unten. Ranas reagierte sofort. Er jagte ihm nach und fing ihn ab. Da sie sich ein ganzes Stück in der Luft befanden, wäre er ganz sicher unsanft auf der Wiese aufgeschlagen. "Alles in Ordnung mit dir?", fragte er besorgt und hielt den kleinen Kerl fest. Dieser nickte nur. Zu mehr war er jetzt nicht in der Lage. Er musste sich erst einmal vom Schreck erholen. Ranas landete und stellte ihn auf der Wiese ab. "Vielleicht ist es das beste, ihr last derartige Scherze in Zukunft sein." Diese Worte klangen zwar strafend, waren jedoch nicht im geringsten so gemeint. Beide senkten verschämt die Köpfe. Die drei hörten plötzlich ein Klatschen und schauten zur Treppe. "Gut gemacht", sagte eine zarte Stimme, welche auch Ranas sehr wohl bekannt war. Dem Drachenmenschen blieb der Mund offen stehen. "Valerie", entwich es ihm überwältigt. "Sie ist hübsch, nicht war?", sagte einer der Jungs und grinste zu ihm hinauf. "Oh ja. Sie ist wunderschön..." Ranas legte die Hand auf den Blondschopf des Jungen. Valerie schritt, wie es sich einer Prinzessin gebührte, die Treppe hinab. "Gut reagiert", sprach sie weiter und lief auf die drei zu. Der Drachenmensch senkte verlegen den Blick. "Das war doch selbstverständlich." "Ich hoffe, die beiden haben dich nicht zu sehr überfordert. Darf ich dir meine Brüder Ravel und Serys vorstellen." Ranas sah sich die beiden nocheinmal von oben an. "Zwei wirklich aufgeweckte Jungs." Valerie lächelte glücklich auf die beiden herab. "Ja, das sind sie." "Aber wie halte ich sie auseinander?" "Ravel ist unglaublich verfressen und hat immer das letzte Wort." Einer der beiden verschränkte jetzt trotzig die Arme. "Das stimmt nicht!" Valerie schenkte Ranas ein Lächeln. "Apropos Essen. Darum bin ich eigentlich auch hier. Unser Vater gibt ein großes Mahl für dich. Für unsere Rettung." Ravel und Serys ließen sich diese Worte nicht zweimal sagen. Sofort sausten sie davon. Ranas fasste nach Valeries Hand, bevor sie ebenfalls wieder verschwinden konnte. "Dieses Kleid ist wunderschön..." "Ich hoffe, es ist dem Anlass auch entsprechend." Schüchtern wanderte ihr Blick über sein Gesicht. "Erlaubst du mir vielleicht, dass ich deine Hörner einmal anfasse?" "Aber natürlich. Ich befürchtete schon, du hättest nicht den Mut mich das zu fragen." Zaghaft streckte Valerie die Hand nach ihm aus und berührte die Stellen, an dehnen die Hörner aus seiner Stirn wuchsen. Ranas schloss lächelnd die Augen. Ganz bestimmt war dieser Moment ungewöhnlich für beide. "Das Essen", fiel es Valerie wieder ein. War sie doch tatsächlich gerade so abgelenkt, dass sie dieses bereits wieder vergessen hatte. Valerie lies von ihm ab und machte kehrt. Mit schnellen Schritten eilte sie wieder auf die Treppe zu. Ranas jedoch öffnete die Flügel. Er startete und bereits im Flug schnappte er die blonde Fee an der Taille und glitt mit schnellen Flügelschlägen auf das Tor zu. Erschrocken lies sie einen heißeren Schrei hören. Doch noch bevor sie das breite Portal erreicht hatten, trat Daron bereits heraus. Erschrocken bremste er ab, da er ihn keineswegs umfliegen wollte. Valerie hielt sich die Augen zu, doch Ranas schaffte es im rechten Moment anzuhalten. Er landete ein knappes Stück vor dem dunkelhaarigen Feenmann. Auch jetzt sah er ihn wieder mit leeren Augen an. "Der König schickt mich", sagte betonungslos. Ranas hatte Valerie sofort losgelassen, als er sie abgesetzt hatte. Die Brüder tauchten jetzt ebenfalls in der Tür auf. Sie fassten nach Ranas Händen und zogen ihn bereits hinein. Daron schaute seine Verlobte streng an und schüttelte den Kopf. "Was sollte das jetzt wieder?" Die Prinzessin legte ihm die Hände auf die Brust. "Beruhige dich doch bitte. Ranas meint es doch nicht so..." "Ich verbiete ihm, dass er dich wiederholt so anfasst!" Valerie schniefte genervt. "Ich werde nach dem Essen sofort mit ihm sprechen." Kapitel 7: ----------- Die beiden Jungs hatten den Tisch bereits verlassen, obwohl alle anderen noch beim Essen waren. Seit die Königin nicht mehr an den Mahlzeiten zu Tisch teilnahm, war es mit ihrem Anstand dahin. Die Bediensteten brachten ihr dieses jetzt in ihr Zimmer. Ranas fiel es ungeheuer schwer, mit Messer und Gabel ins Geschick zu kommen. Noch nie hatte er derartiges Besteck in der Hand. Doch mit genauer Beobachtung und seinem vorhandenen Talent, hatte er dessen Nutzen recht bald begriffen, ohne es gleich lächerlich aussehen zu lassen. Die breite Tür in den Speisesaal wurde geöffnet und eine dunkelhaarige Fee mit ungemein langen Locken trat ein. "Da bist du ja Debora", begrüßte Magnus die Fee. "Das Volk sprach von einem Wirbelsturm, der einige von euch mitgerissen hat?", fragte sie frei heraus und sah sich um. Erst jetzt bemerkte die den Gast. "Was hat dieser... Drachenmensch hier verloren?" Sie starrte ihn ungeniert an und schien sich nicht näher heranzutrauen. Magnus versuchte sich zu erheben. "Sein Name ist Ranas. Ihm verdanken wir es, das wir unversehrt wieder hier sind." Debora schien davon völlig unbeeindruckt. "Warum ist er dann noch immer hier?" Sie kam jetzt doch dem Tisch näher und ließ sich auf ihrem Platz neben dem König nieder. Ranas schluckte verdattert. Diese Worte... eine derartige "Freundlichkeit" kam ihm irgendwie bekannt vor. Valerie erhob sich von ihrem Platz und putzte sich den Mund ab. "Er ist der letzte Drachenmensch. Er wird bleiben!" Ranas sah in ihre Richtung. Da er dabei jedoch Darons Blick traf, senkte er seinen schnellstens wieder. Debora wollte gerade einen Schluck aus ihrem Glas nehmen, doch bei Valeries Worten setzte sie dieses ruckartig wieder auf dem Tisch ab. Mit gewisser Stränge schaute sie zum König neben sich. "Das kann nicht dein Ernst sein, Magnus!," schalt sie den Monarchen. Dieser jedoch lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. "Aber ja Debora. Ihm verdanken wir, dass wir überlebt haben. Ich habe keinen Grund ihn wieder wegzuschicken." "Oh doch!", hatte diese jedoch zu einzuwenden. "Er ist ein Drachenmensch. Er gehört somit nicht hier her." Ranas hatte genug gehört. Er stand von seinem Platz auf und war mit schnellen Schritten aus der Tür verschwunden. Valerie lief ihm sofort nach. Schon in der Halle hatte der Drachenmensch die Flügel geöffnet und sich mit schnellen Flügelschlägen dem Ausgang genähert. Valerie startete ebenfalls und versuchte ihn einzuholen, doch obwohl er die selbe Größe hatte, war er ihr bereits zu schnell. "Warte bitte", rief sie ihm nach. Ranas war stinksauer. Er wollte hier weg. Er hielt nicht an. "Ich bitte dich", versuchte sie es erneut. "Warte doch." Der Drachenmensch war ungeheuer verletzt. Er war so wütend, dass er Valeries Stimme nicht mehr wahrnahm. Warum hasste ihn diese Frau derartig? Was hatte er ihr getan? Ranas kniff die kurz Augen zusammen. "Ich flehe dich an", vernahm er plötzlich doch eine Frauenstimme. Valerie kam ihm sogleich wieder in den Sinn. Für einen kurzen Augenblick vergaß er seine rasende Wut. Ranas wurde langsamer und landete endlich. "Es tut mir leid", hauchte sie völlig außer Atem. Ranas lies sich auf den Boden nieder und nahm die Hände hinter den Kopf. "Warum hasst sie mich so?", fauchte er Valerie an, welche nicht das geringste dafür konnte. Sie kniete sich vor ihn auf die Wiese. "Warum?" Mit tränennassen Augen schaute der Drachenmensch auf. "Ich weiß es nicht." Sie sah ihn wehmütig an und griff nach seiner Hand. "Komm bitte wieder mit zurück." Ranas riss sich jedoch von Valerie los. "Warum sollte ich?" Er stand auf und wand sich von ihr ab. "Was habe ich dieser Person getan, dass sich mich so beschimpft?" Ranas breitete die Flügel aus, doch bevor er zum starten kam, hielt Valerie ihm bereits wieder am Arm fest. "Bitte geh nicht", schluchzte sie traurig. Sie lief um ihn herum und schaute ihm tief in die Augen. "Ich bin mir sicher, dass sie sich an dich gewöhnen wird." Ranas schnaubte sauer. "Wofür hält sich diese Person, dass sie sich wie die Königin aufführt?" Valerie senkte dem Blick. "Sie ist meines Vaters Ratgeberin. Seit es Mutter nicht so gut geht, steht sie ihm in Entscheidungsfragen zur Seite." "Ratgeberin also... Und dein Vater erlaubt ihr, so mit ihm zu reden?" Valerie fasste wieder nach seiner Hand. Sie ging gar nicht auf seine Frage ein. "Bleib bitte hier..." Kapitel 8: ----------- Ranas ließ sich erweichen. Als sie wieder zurück waren, war Daron der einzige, welcher abermals am Tor stand. "Genau wie er hier...", sagte Ranas und schaute streng zu Valerie hinüber, welche neben ihm schritt. "...Er hat die selbe Abscheu gegen mich. Man könnte wirklich meinen, die beiden sind verwandt." Valerie senkte den Blick. Daron ist Deboras Sohn...", gestand sie ihm kleinlaut. Der Drachenmensch hob die Brauen. "Wenn das so ist... Das klärt natürlich alles." "Du tust ihm unrecht!", fiel ihm die Fee jedoch ins Wort. "Er hasst dich nicht." "Nein? Da habe ich aber einen ganz anderen Eindruck." Der Drachenmensch schaute die Treppe hinauf. Auch jetzt sah der Feenmann wieder sehr teilnahmslos auf die Beiden herab. "Er ist krank", flüsterte Valerie, so das dieser ihre Worte nicht versand. Daron verschwand wieder ins Schoss. "Lass uns bitte woanders darüber reden." Kurze Zeit später hatte die beiden einen Garten betreten. Er war von hohen Hecken umgeben und übertraf alles, was Ranas hier bis jetzt an Blumen gesehen hatte. Der Drachenmensch war gerade im Begriff eine der Blüten abzupflücken, als Valerie jedoch dazwischen ging. "Unterstehe dir auch nur eine dieser Blumen zu pflücken!", sagte sie streng. Ranas nahm sofort die Hände hinter den Rücken. "Mein Vater hängt sehr an diesen Blumen. Sie sind allein für meine Mutter bestimmt. Wenn sie schon nicht die Kraft hat sich diese anzuschauen, soll wenigstens ein Strauß von ihnen ihr Zimmer verschönern." "Entschuldige" , druckste er verlegen. "Das war mir nicht bewusst..." "Woher solltest du das auch wissen." Valerie lächelte ihn vorsichtig an, doch ihr Blick verfinsterte sich sofort als er erneut das Thema Daron ansprach: "Du sagtest er sei krank? Auf mich macht er eher den Eindruck, dass ihn nichts und niemand so wirklich interessiert." "Du irrst dich!", sagte sie ernst und schnupperte an einer der blassrosa Blüten. Wieder war ihr Blick sehr streng gegen den Drachenmenschen gerichtet. "Mit seinem Gesicht stimmt etwas nicht", gestand sie ihm endlich. "Ihm fehlt jegliche Mimik." Ranas schaute sie überrascht an. "Wie kann das denn sein?" Valerie zuckte mit den Schultern und senkte abermals den Blick. "Das heißt, dass du ihn noch nie Lächeln gesehen hast?" "Genau. Kein Lächeln, kein breites Grinsen, kein Faltenziehen..." Damit hatte der Drachenmensch jetzt jedoch nicht gerechnet. Er schlurfte einige Schritte an Valerie vorbei. "Das ist ja furchtbar." Sein Mitgefühl war echt. "Bedeutet das, Daron hat auch keinen Humor?" "Wozu braucht er den Humor, wenn er es ohnehin nicht zeigen kann. Er mag es nicht einmal wenn ich ihn im Gesicht berühre. Er meint, er würde es ohnehin nicht fühlen..." "Hast du ihn denn wenigstens schon einmal Küssen dürfen?" Diese Frage war wohl eher als Scherz gemeint, jedoch nicht von Valerie aufgefasst worden, denn sie senkte traurig den Blick. Ein unmissverständliches Zeichen für ein Nein. Diese ebengehörten Worte konnte Ranas nur sehr schwer verkraften. Nie wäre er auch nur auf die Idee gekommen, das dieser ausdruckslose Blick die Ursache einer Krankheit war. Ranas war gerade im Begriff, sich nach einer der Blüten zu bücken, um an ihr zu riechen, als er eine warme Hand auf seinem Rücken spürte. Valerie strich ihm behutsam über die Schuppen an seiner Wirbelsäule. Der Drachenmensch wollte sich gerade erheben, doch er verharrte in der Bewegung. "Könntest du mir damit wehtun?", fragte sie unsicher. Ranas sah zu ihr auf. "Wenn ich mich unachtsam bewege vielleicht, aber das wird nicht passieren." Er richtete sich auf und sah sie mit einem vorsichtigen Lächeln an. Währenddessen fiel ein Augenpaar auf die Zwei. Keiner der beiden bekam diese Beobachtung mit. Für wenige Augenblicke waren sie wieder verschwunden, doch als sie erneut auftauchten, waren sie feucht - dann verschwanden sie ganz. Kapitel 9: ----------- Nach dem Essen hatte sich Debora zurückgezogen. Sie konnte und wollte Magnus Entscheidung nicht hinnehmen. Ganz sicher würde sie nicht eher Ruhe geben, bis Ranas wieder aus dem Schloss verschwunden war. Ranas hatte sich, nachdem sich alle anderen soweit wieder beruhigt zu haben schienen, sofort wieder mit Ravel und Serys beschäftigt. Mit lautem Gelächter tollten die drei über die Wiese. Valerie sah dem Treiben, vom Treppenabsatz aus, belustigt zu. Irgendwie war sie froh, die beiden Wilden einmal nicht selbst auf diese Weise beschäftigen zu müssen. Zwei warme Hände auf ihren Schultern rissen sie aus ihren Gedanken. Daron war ganz nah hinter sie getreten und starrte regungslos die Treppe hinunter. "Er führt sich auf wie ein kleines Kind", sagte er betonungslos und wartete darauf, das Valerie ihm etwas entgegnete. Sie jedoch schwieg und lies ihn auf eine Antwort warten. "Ich finde ein derartiges Verhalten überaus unakzeptabel!" Die blonde Fee erhob sich und schaute ihn vorwurfsvoll an. "Lass ihn doch. Er hatte so lange Zeit keine Gesellschaft, dass ihm die beiden Jungs jetzt erst recht gut tun. Außerdem hat die Sache noch etwas Gutes. Ich brauche mich nicht um sie zu kümmern und habe Zeit für anderes..." Valerie erhoffte sich durch ihre Worte, dass Daron sie anschaute, doch er starrte weiterhin auf das wilde Geschrei. Unvermutet fasste sie nach seinem Kinn und wand sich seinen Blick zu. Doch genau in diesem Augenblick dachte sie wieder daran, dass er davon nicht das geringste hielt und ließ ihn los. "Entschuldige...", stotterte sie von ihrem eigenen Handeln erschreckt. Die Angst in ihren Augen hatte Daron längst mitbekommen. Er legte sich ihre Hand selbst wieder auf die Wange und hielt sie fest. "Schon gut. Das war doch nicht schlimm." "Aber ich dachte du..." "Ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich hätte dir das nicht auf diese barsche Art beibringen sollen." Daron taten seine Worte Leid, die er ihr ganz am Anfang gesagt hatte, dass sie das zu lassen hatte. Keineswegs hatte er sie damit ängstigen wollen. Unruhig wanderten seine Augen zwischen den ihren hin und her - dann küsste er sie. Valerie hielt die Luft an. Ihre Augen weiteten sich und ihr Herz begann zu rasen. Sie konnte einfach nicht glauben, dass ihr das gerade passierte. Als sie ihm erneut fest ins Angesicht sah, hatte sich auch jetzt darin nichts geändert, nur die Augen strahlten etwas, an ihm, neues aus. Sie umarmte ihn sogleich so fest sie nur konnte. Wie hatte Valerie darauf gewartet. Sie schmiegte sich an ihn und lauschte seinem Herzschlag. Daron strich ihr liebevoll über das Haar. Nur noch enger kuschelte sie sich dabei an ihn, bis er erneut seine Hand von ihr löste und sich an den Kopf fasste. Valerie blickte auf. Seine Augen waren ihm wieder ungemein schwer geworden. "Ich werde mich wieder etwas hinlegen", flüsterte er unglücklich. Valerie nickte, lächelte ihn jedoch dabei an. Ganz sicher hatte sein Verhalten sie eben höchst positiv überrascht. Daron fuhr ihr kurz durchs Haar, doch als er gerade ins Schloss zurück wollte, machte er nocheinmal kehrt und küsste sie abermals. Von dem angenehmen Gefühl des Kusses von zuvor war jetzt allerdings kaum noch etwas zu merken. Vielmehr war es nur das kraftlose aneinanderlegen zweier Lippen. Valeries Blick folgte ihm ins Schloss. Was hatte ihn jetzt nur zu dieses für ihn untypisches Verhalten bewogen? Im Hintergrund wurde erneut das Lärmen der Kinder laut. Sie schritt die Treppe hinunter und setzte sich zu Ranas auf die Wiese. Die beiden Jungs hielten kurz inne und setzten sich brav dazu. "Hast du das gesehen?", wand sie ihre Frage an Ranas. "Was meinst du denn?", gab er unwissend zurück. "Na das er mich geküsst hat." Serys und Ravel sprangen auf und machten angewiderte Gesichter, wie man das von kleinen Jungen eben erwartet. Sie steckten die Zungen heraus und verschwanden zu einem der Bäume, um auf ihm jetzt herumzutollen, da das herumsitzen für die quirligen Zwerge völlig ungeeignet war. Valerie sah ihnen nach. "Natürlich habe ich das gesehen", gab Ranas zurück, obgleich im das Gesehene traurig machte. "Aber er hat das doch noch nie versucht!" Der Drachenmensch lächelte frech zu ihr hinüber. "Dann wurde es aber Zeit." Valerie legte unruhig ihre Hände in den Schoß. "Vielleicht hat er unser Gespräch im Blumengarten mitbekommen und war aus diesem Grund der Meinung, dass es dafür auch endlich einmal Zeit wurde. Schließlich seit ihr doch bereits verlobt." Valerie sah Ranas eigenartig an. "Wie lange eigentlich schon?", bohrte er weiter. "Schon eine ganze Weile", bekam er jedoch nur als Antwort zu hören. Ein unangenehmes Schweigen entstand. "Darf ich fragen wann die Hochzeit stattfinden soll?" Das war eine Sache, die er jetzt unbedingt noch gerne wissen wollte. "Es ist noch kein Tag festgelegt", gestand sie ihm mit gesenktem Blick. Ranas hob überrascht die Brauen. "So besonders eilig scheint ihr es damit ja nicht zu haben..." Schluchzend stand Valerie auf. "Entschuldige, ich hätte mich mit diesen Worten wirklich zurückhalten sollen." Er erhob sich ebenfalls. Als die blonde Fee wieder ins Schloss verschwinden wollte, fasste er behutsam nach ihrem Arm. "Es tut mir leid." Kapitel 10: ------------ Am restlichen Abend gab es nichts, was noch weiter erwähnenswert gewesen wäre. Die beiden Knirpse waren sehr bald schon müde und wollten zur Überraschung aller von alleine schlafen gehen. Natürlich wusste jeder, das sie diese Begebenheit Ranas zu verdanken hatten. Sie hatten sich derart ausgetobt, wie seit langem nicht mehr. Auch der Drachenmensch spürte den Schlaf bereits zeitig an den Gliedern. Er hatte fürs erste genug, aber er wusste jetzt bereits, dass er sich am morgigen Tag genau so wenig zurückhalten könnte, wenn er auch nur einen der Beiden mit den fröhlichen Gesichtern auf sich zukommen sah. Valerie führte in durch die Gänge zu seinem Zimmer. Das sie hier mit ihm in den Abendstunden allein herumlief, schien niemanden zu stören. Nicht einmal Debora hatte noch ein weiteres Wort zu seinem Aufenthalt verloren. Dennoch war er sich sicher, dass sie es erneut anbringen würde. Ranas folgte der blonden Fee mit langsamen Schritten. Ihre graziöse Art zu gehen, brachte ihn um den Verstand. Sie hatte ihre transparenten bläulich schimmernden Flügel nach hinten herabhängen und bei jeder ihrer Bewegungen, wippten die zierlichen Fühler leicht auf und ab. Ranas kniff kurz aber fest die Augen zusammen. Ihn überkam erneut die Sehnsucht sie einfach wieder zu umarmen, doch immer wieder dachte er dabei an diesen Daron. Schon der bloße Gedanke an diesen maskenhaft wirkenden Kerl, stach ihm ungeheuer tief ins Herz. Warum musste diese hübsche Frau nur bereits verlobt sein... Vor einer Tür, recht weit am Ende des Ganges, blieb sie endlich stehen. Sie wand sich zu ihm um, und ließ diese aufspringen. "Das hier wird ab jetzt dein Zimmer sein", sagte sie mit einem überaus auffälligem strahlen im Gesicht und sah im dabei ungemein tief in die gelben Augen. Ranas trat wortlos ein und Valerie folgte ihm kurzerhand. Da noch immer ein Rest Tageslicht am Himmel zu sehen war, konnte er sich im inneren dieses Raumes genau umsehen. Im hinteren Teil des Zimmers stand ein Bett, welches von seiner Breite her sicherlich auch für mehr wie nur eine Person geeignet war. Die liebevolle Einrichtung und der große Teppich, genau in der Mitte, ließen diesen Schlafgemach erst recht Behaglichkeit ausstrahlen. "Dann werde ich jetzt wieder gehen", riss ihn Valerie aus den Gedanken. "Ich hoffe, du hast eine angenehme Nacht", fügte sie noch hinzu, wobei Ranas verlegen den Blick senkte. Dich in meiner Nähe zu wissen, wird mir ganz bestimmt eine wunderbare Nacht bescheren, wollte anbringen, doch er verkniff sich diese Worte. Bald würde diese zierliche Fee die Frau eines anderen werden, also sollte er es nicht länger darauf anlegen. "Das werde ich, Prinzessin", sagte er stattdessen. Mit einem weiteren süßen Lächeln, verlies sie den Raum und schloss die Tür. Ranas atmete tief durch. Er durfte nicht weiter an sie denken. Sie war nicht für ihn bestimmt. Er trat mit wenigen Schritten an eines der großen Fenster. Die letzten Sonnenstrahlen begannen sich allmählich rot zu färben. Mit wenigen Handgriffen hatte er die beiden Flügel offen. Er kniete sich vor das Fenster und legte die Arme auf den Rahmen auf. Dieses weite, üppig grüne Land erfüllte ihn mit Wohlgefallen. Mit keinem Gedanken hatte er Heimweh nach seine Lava und Felsen übersäte Welt. Ranas legte den Kopf auf die Arme und schloss die Augen. Nur zu gerne würde er wirklich für immer bleiben wollen, doch wenn er dabei an Debora und Daron dachte... Er hatte während er mit geschlossenen Augen gedanklich abwesend war, begonnen, den Drachenschwanz auf dem Holzfußboden hin und her zu bewegen. Dieses schleifende Geräusch riss ihn wieder aus seinen Grübeleien. Ranas sollte jetzt unbedingt schnellstmöglich Schlaf finden. Kapitel 11: ------------ Die Sonne stand schon eine ganze Weile am Himmel, als die Tür sehr leise geöffnet wurde und Schritte zierlicher Frauenfüße sich langsam näherten. Doch Valerie suchte den Drachenmensch in seinem Bett vergebens. Erst als sie einige Schritte daraufzugemacht hatte, konnte sie ihn ausfindig machen. Ranas lag unter dem offenen Fenster auf dem Boden zusammengerollt und war lediglich mit einer seiner Schwingen bedeckt. Kopfschüttelnd, jedoch mit einem Schmunzeln im Gesicht kniete sie sich neben ihn. "Aufwachen, Schlafmütze", hauchte sie und legte ihm dabei die Hand auf die Schulter. Ranas bewegte sich nicht. Erst das wiederholte auf und abstreichen über seine Schulter ließen seine Augenlider kaum sichtbar zucken. "Willst du denn gar nicht aufstehen?" Auch jetzt klang Valerie äußerst belustigt. "Vielleicht sollte ich dir das nächste Mal Ravel und Serys zum wecken schicken." Ranas blinzelte mit einem Auge zu ihr auf. In seinem Gesicht machte sich ebenfalls ein Grienen breit. Er wusste genau, dass ein Weckdienst der beiden Knirpse um einiges rabiater vonstatten gehen würde. "Warum hast du denn auf dem Boden geschlafen?" Ihr Blick wanderte kurz zu dem unberührten Bett. Der Drachenmensch gähnte herzhafter, wie er es vorgesehen hatte, bevor er ihr antworten konnte. "Mit meinen Stacheln hätte ich doch nur die Kissen und Decken ruiniert." Wieder blinzelte er verschlafen auf. Valerie versuchte ihn nicht, von seiner Meinung abzubringen. Ganz sicher hatte er Recht. Er drehte sich auf die andere Seite, um die gefährliche Rückseite von ihr abzuwenden und blickte abermals zu ihr auf. "Komm schon. Hoch mit dir! Mein Vater wartet nur ungern mit dem Essen." Valerie stand auf und ging bereits zur Tür. Schnellstens sprang auch er auf. Auf keinen Fall wollte er sich dem König gegenüber respektlos verhalten. Natürlich waren sie die beiden letzten, die im Speisesaal eintraten. Wortlos trottete der Drachenmensch hinter Valerie her. Debora strafte ihn auch jetzt wieder mit ihrem verhassten Blick, doch Ranas reagierte absichtlich nicht darauf. Er hatte nicht vor, sich mit irgendwem anzulegen, doch diese Frau schien die einzige zu sein, die ihre Abneigung ihm gegenüber sogar mit Worten deutlich machte. "Guten Morgen", sagte er stattdessen und sah ihr dabei in die Augen, worauf sie den Blick prompt abwand. "Guten Morgen Ranas", krakeelten die beiden Kleinen wie aus einem Mund quer über den Tisch. Sofort sah Ranas in ihre Richtung und bereits jetzt fiel ihm dieses erwartungsvolle strahlen ihn ihren Gesichtern auf. Valerie lies sich derweil neben Daron nieder. Dieser hatte, wie es schien, heute ebenfalls nicht vor, den Drachenmenschen zu beachten. Mit großer Überraschung stellte Ranas fest, dass sein Stuhl vom Vortag einem Hocker gewichen war. Valerie klopfte darauf, um in zum sitzen zu bewegen. Nur zu recht kam ihm jetzt dieser Schemel. Sicherlich hatte Valerie sofort gemerkt, dass das sitzen auf einem dieser eher sehr engen Stühle nicht im geringsten einfach war, wenn man einen Drachenschwanz besaß. Kaum hatte er sich niedergelassen, vernahm er bereits wieder Deboras erniedrigendklingende Stimme. "Es passt mir überhaupt nicht, dass sich dieser Drachenmensch hier jedes Mal fast nackt an den Tisch setzt!" Ranas sah unsicher zu Valerie hinüber, doch diese tat - und alle anderen am Tisch ebenfalls - als hätte sie diese Worte überhaupt nicht gehört. Niemand wollte am frühen Morgen schon wieder Streit. Ganz zuletzt der König selbst. Er war froh, dass sie diese Reise nahezu unbeschadet überstanden hatten. Somit sah er über so einiges einfach hinweg. Auch er hatte auf Deboras Worte keinerlei Reaktion gezeigt. Ihre Sticheleien am Tisch brachen nicht das geringste. Kapitel 12: ------------ Daron hatte sich nach dem Frühstück wieder zurückgezogen. Wie es schien, war das eine Angewohnheit von ihm. Ranas war Valerie stattdessen in den Garten gefolgt. "Du darfst dich nicht an Ihren Worten stören", versuchte sie das Verhalten der Beraterin zu entschuldigen. "Mich stört es nicht im geringsten, dass du nur in diesem Lendenschutz herumläufst." Bei diesen Worten schmunzelte sie ihn geheimnisvoll an. "Das scheint Debora jedoch erheblich anders zu sehen..." "Sie? Was es dich angeht hat sie gar nichts zu entscheiden!" Valerie stapfte mit schnellen Schritten in unbekannte Richtung davon. "...und außerdem finde ich, dass du dich nun wirklich nicht verstecken brauchst..." Diese Worte fügte sie nur ganz leise noch hinzu. Sicherlich mit der Absicht, der Drachenmensch würde sie nicht verstehen, doch er hatte sie sehr wohl wahrgenommen. Sein Gehör war äußerst scharf. War sie also der Meinung, er bräuchte sich nicht verstecken... Insgeheim freute ihn diese Erkenntnis sehr. "Kommst du?", fragte sie nochmals. "Was?" Ranas sah zu ihr auf. Hatte er ihre Worte jetzt gar nicht mitbekommen, weil er noch immer an den zuvor gehörten hing. Valerie verschränkte die Arme und grinste ihn breit an. "Na? Wo warst du denn gerade mit den Gedanken?" Der Drachenmensch räusperte sich verlegen und folgte ihr. "Ich wollte dir meinen Drachen zeigen." "Du hast einen Drachen?" Er zog belustigt die Augenbraue nach oben. "Sind die nicht etwas groß als Haustier für eine Fee?" "Machst du dich schon wieder lustig über mich?" Valerie verzog den Mund und schaute finster zu ihm auf. So langsam sollte er diese Neckereien wirklich unterlassen. Das war doch keine Art, mit einer Prinzessin zu sprechen. "Es tut mir leid", gab er mit gesenktem Blick kleinlaut zurück. Valerie schmunzelte ihn überlegen an. "Es gibt durchaus auch Drachen in meiner Größe." Die Stallungen machten auf Ranas einen ungemein gepflegten Eindruck. Auch beim eintreten, fiel ihm eine penible Sauberkeit auf. Bereits nach wenigen Schritten vernahm er ein schnauben, was seiner Meinung nach unmöglich von einem Drachen stammen konnte. Wer weiß was hier unter dieser Bezeichnung leben mochte. An der zweiten Box hielt Valerie an. Sie schnalzte zweimal kurz mit der Zunge und das Tierchen darin wand sich sofort danach um und steckte den Kopf durch das Fenster. Ranas überraschter Blick sprach Bände. "Und? Habe ich etwa gelogen?" Er schüttelte abwesend den Kopf. Was er hier sah war einwandfrei ein Drache. Auf jeden Fall erinnerte seine Körperform sehr daran. Spitze Stacheln und Schuppen suchte er jedoch vergebens. Dieser Drache war von einem bläulich schimmernden Fell überzogen und auch seine Flügel erinnerten eher an die zerbrechlich wirkenden der Feen. "Darf ich dir Wölkchen vorstellen?" Valerie begann sofort mit ihrem Haustier zu schmusen. Dennoch drehte es unruhig die Ohren und der Blick seiner schwarzen Knopfaugen hing fest an der fremden Person. "Er ist wirklich hübsch. Da kann ich mit meinen Stacheln und der grauen Haut leider nicht mithalten." Valerie schaute ihn irritiert an. "Auch Unsinn! Du bist doch ein Drachenmensch. Ich nehme mal an, dass du für einen solchen völlig normal aussiehst und was es deine Stacheln angeht... Sie sind genauso ein Teil von dir wie dein gutes Herz." Mit diesen Worten wand sie sich erneut ihrem Haustier zu. Ranas wusste jetzt nicht, was er sagen sollte. Ihre Worte gingen ihm so unglaublich nahe. Also versuchte er das Schweigen zu brechen, indem er ebenfalls die Hand nach Wölkchen ausstreckte. Verängstigt wich der Drachen jedoch zurück und schnaubte aufgeregt. Dabei kratzte er mit dem Fuß im Stroh. "Siehst du? Er mag mich nicht." "Er ist aber eine sie." Valerie lächelte ihn zurückhaltend an. "Sie kennt dich eben noch nicht." Ranas lehnte sich an das Gatter und schaute sich weiter im Stall um. Er schien noch mehr solcher Boxen zu beinhalten. Sein Blick schweifte zwar umher aber seine Gedanken waren bereits wieder anderswo. Valeries Liebenswürdigkeit tat ihm ungemein gut. Plötzlich schien ihm etwas - besser noch jemand - an den Haaren herumzuhauen. Unwillkürlich musste er feixen. Die spitze Schnauze kitzelte ihn ungeheuerlich. Dennoch wagte er es nicht, sich nach Wölkchen umzudrehen. Valerie ging einen Schritt zurück, um sich dieses Schauspiel besser ansehen zu können. "Bist du wirklich sicher, dass sie dich nicht mag? Mir scheint eher, dass sie dich zum fressen gern hat", witzelte sie. Nur sehr langsam wagte es Ranas endlich, sich doch nach Wölkchen umzudrehen. Auch jetzt legte sie wieder die Ohren an. Dabei sah sie so weit von oben auf ihn herab, wie es der lange Hals hergab. "Genauso frech wie dein Frauchen", bemerkte er lächelnd, lies dabei Valerie jedoch nicht aus dem Augen. "Wo bin ich denn frech?", hatte sie jedoch schmunzelnd auszusetzen. Sie trat wieder heran und legte ihm die Hand auf die Schulter. "Auf eine nette Art natürlich..." Erneut kam Wölkchens Schnauze sehr nah an sein Gesicht heran. Als er dieses mal die Hand danach ausstreckte, wich sie nicht zurück. Behutsam fuhr er den Drachen über die Nase. Auch wenn sie diese Berührung überraschenderweise schon zuließ, sahen ihre Knopfaugen ihn immer noch sehr prüfend an. "Ich tu dir nichts", bestätigte er seine Berührung. Nur sehr langsam streckte er die andere Hand in Richtung ihres Halses aus. Auch jetzt blieb der Drachen ruhig, obwohl sie wieder begonnen hatte, mit dem Fuß zu scharren. Einige Male ließ sie es auch hier zu, dass er sie streichelte, dann wand sie sich jedoch ab. Fürs erste hatte Wölkchen wohl genug. "Dieses Fell ist so unbeschreiblich weich", schwärmte Ranas und wand den Blick wieder der blonden Fee zu. "Schade, dass sie sich fürchtet." Valerie bestätigte seine Feststellung mit einem nicken. "Womöglich riechst du noch nach wildem Tier." Sie ging ungemein nah an ihn heran und schnüffelte ihm auffällig am Hals. "Genau das, hatte ich mit frech gemeint, aber womöglich hast du Recht." Ranas sah ihr tief in die Augen und knurrte sie aus Spaß an. Dabei schien Wölkchen wieder hellhörig zu werden, denn sie hob sorglich den Kopf aus dem Stroh und stellte das Kauen ein. "Dann solltest du vielleicht gleich ein Bad nehmen." "Findest du wirklich, dass ich stinke?" Valerie senkte den errötenden Kopf. "So war das doch nicht gemeint." Sie selbst war es doch, die am Tag zuvor mit ihm bereits ein Bad genommen hatte, wenn es auch ein unfreiwilliges war. "Ich wollte doch nur..." Die blonde Fee redete sich um Kopf und Kragen. Eine Begebenheit, welche Ranas ungemein Lustig fand. "Ich verstehe dich schon Valerie, aber glaube mir, egal wie sehr ich mir mit der Bürste über die Haut schrubbe. Ich werde ganz gewiss nicht heller davon." Er brach in lautes Gelächter aus. Valerie gab ihm mit der flachen Hand einen Klaps an die Stirn. "Du bist unmöglich! Weist du das?" Mit einem Lächeln verließ sie den Stall. Der Drachenmensch folgte ihr sogleich. "Ja, ich weiß. Aber wenn du mir das sagst, klingt es schon fast nach einem Lob." Kapitel 13: ------------ Das warme Badewasser war dank der zahlreichen Angestellten umgehend eingelassen und alles was sonst noch benötigt wurde, bereitgestellt worden. Trotz, dass die blecherne Wanne recht groß war, hatte Ranas einige Probleme, den Drachenschwanz gescheit unterzubekommen, ohne sich gleich darauf zusetzten. Als er dieses Problem doch endlich gelöst hatte, konnte er sich etwas entspannen. Debora hielt zwar von Valeries Bade-Idee nicht das geringste, doch sie hörte nach einigen Beschwerden auf, noch länger dagegen zureden. Sie hatte wohl doch endlich gemerkt, dass es nichts brachte. Die Kette hatte der Drachenmensch jedoch nicht abgelegt. Hätte er das getan, hätte er seine eigentliche Größe sofort zurück, doch das durfte ihn hier in diesen Mauern keinesfalls passieren. Ranas hielt die Luft an und steckte den Kopf unter Wasser. Einige Augenblicke gelang es ihm, doch dann lenkten ihn Schritte ab, die er zu hören glaubte. Er tauchte schleunigst wieder auf. Unter dem Sichtschutz sah er ein Paar Füße stehen. Die Kette am Fußgelenk der eingetretenen Person, verrieten diese sofort. "Hast du alles, was du brauchst?", fragte Valerie zurückhaltend und wartete auf eine Antwort. "Bist du etwa hier, um mir den Rücken mit der Bürste zu schrubben?", scherzte Ranas und grinste in ihre Richtung, ohne, dass sie es jedoch sehen konnte. "Eigentlich nicht", gab sie zurück. "Ich bin hier, um dich von diesem zerrissen Stück Stoff zu befreien." Ranas hatte diesen über den Sichtschutz gehängt und Valerie nahm ihn gleich nach ihren Worten an sich. Schnell war Ranas wieder aus der Wasser heraus und kam mit nassen Schritten bis an die geflochtene Abschirmung, die ihm jetzt bis an sein Kinn reichte. "Gib ihn zurück", sagte er streng und langte dabei darüber hinweg. Valerie hob das braungraue, zerrissene Stück Stoff näher in seine Richtung und drehte es hin und her. "Sieh dir dieses verbrauchte Ding doch einmal an." Er wollte mit einer Hand danach fassen, doch die Fee zog sofort die Hände zurück. "Ich werde ihn unverzüglich entsorgen!", bestimmte sie und schaute Ranas prüfend an. Auch sie konnte noch darüber hinwegschauen. "Das wirst du nicht tun!" Er blickte sie mit einem hinterhältigen Grinsen an und versuchte ihn sich erneut zu greifen. "Oder soll ich hinter dieser Wand hervorkommen und ihn mir zurückholen?" Valerie schluckte erschrocken. "Das würdest du nicht wagen!" Sie versuchte grimmig zuschauen. "Warum nicht? Ich habe nichts zu verlieren..." Als sie auch jetzt seiner Forderung nicht nachkam, machte er seine Drohung war. Ranas stemmte die Arme in die Hüfte und verzog neckisch den Mund, während er um den besagten Sichtschutz herumlief. Schnell hielt sich Valerie den Lendenschurz vor die Augen. "Wie konntest du nur..." Ihre Stimme wurde sehr leise. "Du hattest es doch herausgefordert..." Der Drachenmensch nahm ihr den Stoff jetzt erst Recht aus den Händen. Der Kopf der Prinzessin konnte nicht roter sein. Belustigt folgten seine Augen ihrem Blick. Ranas lies den Fetzen fallen und stellte den Fuß darauf, dass er nicht wieder abhanden kam. Auch wenn Valerie das niemals gewollt hätte, fiel ihr Blick jetzt ungemein starr auf seinem Gemächt. Hatte sie dieser Anblick also derart durcheinander gebracht... Ranas konnte jetzt nicht mehr anders. Um sie von ihrer Blickrichtung abzubringen, würde er sie jetzt einfach küssen. Obwohl er genau wusste, dass sie bereits mit einem anderen Mann verlobt war. Sachte drückte er sie an sich und spannte dabei die Schwingen auf. Valerie schloss die Augen. Ranas Küsse ließen ihr Herz schneller schlagen. Wie gut fühlten sich ihre Lippen an, dachte sich der Drachenmensch. Er war sich sicher, dass sie noch nie derartige Leidenschaft in einem einzigen Kuss gefühlt haben musste. Ihre zitternden Hände fuhren ihm über die Brust. Ihn anzuschauen wagte sie nicht. Der Drachenmensch glaubte plötzlich Stimmen zu hören. Auch wenn er es nicht wollte, musste er sich von ihr losreißen und zwar schnellstens. Ranas löste sich von ihrem Lippen und bückte sich nach seinen Lendenschutz, um sich diesen wieder umzubinden. Mit großen Augen sah ihn die attraktive Fee an. Ranas lächelte nur. So gut hatte er sich seit einer Ewigkeit nicht mehr gefühlt. Ein schlechtes Gewissen hatte er nicht. Er wusste, dass niemand von diesem Kuss erfahren würde. Kapitel 14: ------------ Wenige Augenblicke später trat tatsächlich einer der Bediensteten ein. "Schon fertig?", fragte dieser überrascht und sah den Drachenmenschen forschend an. Ranas strich sich seine nassen Strähnen aus dem Gesicht und beantwortete seine Frage mit einem knappen "Ja". "Ich finde, er sollte unbedingt neu eingekleidet werden", sprach es Valerie an, ohne das Ranas etwas dagegen hätte tun können. Der Angestellte verbeugte sich flüchtig. "Unmöglich kann ich eines dieser Beinkleider tragen, wie es hier so üblich zu seien scheint", protestierte Ranas jedoch und sah streng an Valerie herab. "Aber natürlich", gab sie lächelnd zurück. "Ich hatte dabei auch eher an etwas gedacht, was deinem jetzigen nahe kommt - selbst Debora zu Trotz." Ihr Lächeln wirkte nahezu Siegessicher. Ob es dabei um Debora oder den Drachenmensch ging, war nicht ganz ersichtlich. "Dann sollte ich am besten gleich einmal nachsehen, ob ich etwas passendes finde." Sie wollte gerade den Angestellten folgen, der bereits das Zimmer verlassen hatte, als Ranas sie vorsichtig an der Schulter anhielt. "Du darfst meinen nicht wegwerfen", sagte er fast schon traurig. "Er ist das letzte, was mich an meine Mutter erinnert." Ranas nahm die Hände hinter den Rücken und schaute sich verlegen auf die Füße. "Dachtest du wirklich, ich hätte ihn einfach verschwinden lassen?" Verdutzt sah der Drachenmensch auf. Ihr selbstsicheres Lächeln hielt weiterhin an. "Hättest du nicht?" Sie schüttelte den Kopf, dass ihre Fühler hin und her schwangen. "Ganz sicher nicht. Meine Worte waren lediglich als Rache für deinen unzüchtigen Kommentar gedacht, bevor du..." Ihre Augen wanderten hektisch über sein Gesicht. "Ich sollte jetzt gehen..." Ranas war bereits wieder mit den beiden Kleinen vor dem Schloss beschäftigt, als ihn die blonde Fee abermals aufsuchte. Sofort war sie von den Dreien bemerkt worden, kaum dass sie aus dem breiten Tor herausgetreten war. "Hättest du vielleicht kurz Zeit?", fragte sie lächelnd und stützte sich auf dem Geländer der breiten Terrasse ab. Ranas riss sich sofort von Serys und Ravel los und flog auf sie zu. "Ich bin gleich wieder zurück", rief er den beiden zu und winkte kurz, dann erst widmete er sich wieder vollends der Prinzessin. "Ich denke, ich habe etwas passendes gefunden." "Dir sollte klar sein, dass ich mit einem derart zarten Stoff, wie ihn dich einer umhüllt, nichts anfangen kann." Valerie stemmte die Arme ein. "Wie mir scheint, unterschätzt du mich auch jetzt wieder!", bemerkte sie mit sehr ernstem Ton. "Natürlich weiß ich das! Hältst du mich für so töricht?" Ranas schüttelte entsetzt den Kopf. "Ganz bestimmt nicht." Er war erschrocken über sich selbst. Wie konnte er sie mit seinen Worten nur wieder derartig beleidigen. Verlegen kratzte er mit dem Fuß über den Steinboden. "Von der Festigkeit unterscheidet er sich kaum von deinem. Der große Unterscheid besteht jedoch darin, dass er wesendlich besser aussieht." Valerie zog ihn förmlich ins Schloss hinein. "Jetzt komm schon!" Als die beiden das große Nähzimmer betreten hatten, traf den Drachenmensch fast der Schlag. "Ungeheuerlich", brachte er verblüfft hervor. So viele verschiedene Stoffe und Garne hatte er noch nie auf einem Haufen gesehen. Valerie lief schmunzelnd voraus. An einem langen Tisch blieb sie stehen und wartete, bis er ebenfalls endlich herangetreten war. Sofort reichte sie ihm den Stoff entgegen. Mit festem Griff testete er dessen Beschaffenheit, doch er verzog das Gesicht. "Rot?", fragte er nahezu erschaudert und verzog den Mund. "Findest du wirklich?" "Natürlich! Warum denn nicht?" "Ach ich weiß nicht..." "Ich finde, rot passt ungemein gut zu deinem Haar und gibt einen wunderbaren Kontrast zu deinen Augen." "Sollte man mit dieser Farbe nicht lieber eine Dame kleiden?" Valerie schüttelte den Kopf. "Ich persönlich bevorzuge blau." Der Drachenmensch gab resigniert auf. Diese Frau ließ ihm einfach keine Chance für Gegenargumente. "Wärst du vielleicht so gütig und würdest dich von deinem Stofffetzen befreien, dass ich an diesem Maß nehmen kann?!" Unsicher sah sich Ranas um. "Wo ist denn der Kerl, dem du vorhin gefolgt bist?" Sie schaute ihn streng an. "Dieser Kerl, wie du ihn bezeichnest, ist bereits mit anderen Tätigkeiten beschäftigt. Ich war der Meinung, dass zurechtschneiden des Stoffes selbst hinzubekommen und das, obwohl ich die Prinzessin bin!" "Entschuldige Valerie." So langsam sollte er sich angewöhnen, sich jedes Mal selbst zu schlagen, wenn er wieder einen seiner herabwürdigenden Kommentare von sich gab. Vielleicht würde er es dann irgendwann unterlassen. "Würdest du dazu bitte hinter die Wand gehen?" Es war die selbe, wie bereits im Badezimmer. Erst, als er dahinter verschwunden war, folgte sie ihm. "Es tut mir wirklich leid, dass ich hin und wieder derart dummes Zeug erzähle." Langsam reichte er sein Kleidungsstück über den Sichtschutz hinweg. Valerie lächelte ihn zurückhaltend an und nahm ihm den Stoff ab. "Das stört mich nicht - im Gegenteil. Ich mag deinen Humor, auch wenn er so manches Mal recht eigenwillig ist." Mit diesen Worten ging sie zum Tisch zurück. Ranas legte die Arme auf den Sichtschutz auf. "Besser als gar keinen Humor?", fragte er nocheinmal nach - den unsicherem Blick zur Tür gewandt. "Ganz genau", gab sie als Antwort zurück. Wieder sah er unruhig zur Tür. "Findest du mich eigentlich hübsch?" Valerie senkte den erröteten Kopf und wand sich vom Drachenmenschen ab, um sich auf ihre Arbeit konzentrieren zu können. Eine Antwort gab sie ihn allerdings nicht. Hatte er also erneut eine seiner unnötigen und völlig unangepassten Fragen gestellt. Valerie schwieg nach seinen Worten. Sie hängte Ranas den neuen Stoff über die Absperrung und verschwand, ohne ihn anzusehen. Er wagte es nicht, ihr zu folgen. Stattdessen schlug er sich einmal derb mit der Faust in den Magen. Wenn er es bei der Prinzessin nicht doch noch verscherzen wollte, sollte er ganz dringend damit aufhören. Auch wenn sie seinen Humor, wie sie es nannte, mochte, durfte er auf keinem Fall weitere dieser Anspielungen von sich geben. Erst, als bereits einige Zeit vergangen war, verließ auch er das Nähzimmer. Valerie war bereits außer Sichtweite. Ausgenommen zweier Angestellten, kam ihm niemand entgegen. Ranas fühlte sich in diesem roten Stoff nicht im geringsten Wohl. Den alten Fetzen hielt er dennoch nur in der Hand. Er würde ihn erst einmal in sein Zimmer legen. Die beiden Jungs hatten die Halle bereits betreten, als auch Ranas dort endlich wieder eintraf. "Wo warst du denn so lange?", begann einer von ihnen ungeduldig. Der Drachenmensch hatte für seine Bemerkung nur ein Lächeln übrig. Er folgte den beiden mit langsamen Schritten und sie verzogen sich wieder nach draußen. Kapitel 15: ------------ Abermals trat Valerie nach geraumer Zeit nach draußen und gesellte sich zu den drein. Sie setzte sich etwas abseits und winkelte die Beine an. Dabei rupfte sie hin und wieder einige der wenigen kleinen Blüten ab, welche auf diesem Teil des Rasens wuchsen. "Und auch dieses Mal bleibt mir nichts anderes Übrig, als mich bei dir zumindest zu entschuldigen für meine Taktlosigkeit." Jetzt jedoch, schien sie von seinem Versuch, sich zu rechtfertigen, ungerührt. Sie sah ihn nicht einmal an. Stattdessen wand sie den Blick vollends ab. Ranas hockte sich vor ihr auf den Rasen und schaute sie flehend an. "Ich werde mich zusammenreisen. Ich verspreche es!" Endlich sah sie ihm doch in die Augen, jedoch mit der selben unveränderten Ernste. Ravel hatte zudem jetzt nicht besseres zu tun, wie dem Drachenmenschen genau in den Nacken zu springen. Ranas musste ihm sofort entgegenwirken, um nicht auch noch auf die Prinzessin zu fallen. Streng sah sie ihr Brüderchen an. Sogleich hatte sie Ranas Gegenwirken auf diesen Sprung bemerkt. "Du kannst die beiden gerne haben." Mit diesen Worten wand sie sich an Ranas. Erschrocken sahen die Jungs zu ihrer Schwester auf. Als sich die beiden daraufhin verängstigte Blicke zuwarfen, zwinkerte die Prinzessin dem Drachenmenschen zu. "Ach nein", lehnte dieser jedoch ab. "Ich denke ich würde ihnen nur zu viel Blödsinn beibringen." Mit nahezu weinerlichen Gesichtern sahen die Knirpse abwechselnd die beiden Großen an. "Das war doch nur ein Scherz." Valerie konnte die kleinen einfach nicht länger im Dunkeln stehen lassen. "Ich habe euch doch lieb. Ich gebe euch schon nicht her." Sie stand auf und drückte die beiden an sich. Es dauerte auch nicht sonderlich lange, und sie hatten sich wieder beruhigt. Ravel und Serys hatten den Drachenmensch schnell wieder eingekeilt und klammerten sich an seinen Armen fest, welche dieser ohne große Mühe nach beiden Seiten in die Luft hob. "Du bist viel lustiger wie Daron", plapperte Serys. "Mir dir zu spielen macht viel mehr Spaß", schwatzte Ravel sofort weiter. Diese Worte trafen Valerie hart, dennoch ließ sie sich nichts anmerken. War sie doch der Meinung gewesen, sie würden ihn wenigstens ein bisschen gern haben, doch diesen Anschein hatte sie nicht, wenn sie die Knirpse auf diese Art mit dem Drachenmenschen herumtollen sah. Daron hatte nie mit den beiden gespielt. Ihm war dieses herumtollen einfach zu kindisch. Wie von der Tarantel gestochen, jagten beide plötzlich davon. Ranas erhob sich ebenfalls um zu sehen, was die beiden jetzt wieder hatten. Davon abgelenkt, wand er sich derartig unvorsichtig um, dass er von Valerie nur noch einen schwaches aufstöhnen hörte. Seine Angst, sie verletzt zu haben, bestätigte sich im selben Moment, als er sich zu ihr umwandt. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie sich auf den Unterarm, aus dessen Handbreiten Schnitt zusehends mehr Blut sickerte. Er hatte sie mit dem Drachenschwanz getroffen. Hatte er nicht versprochen, dass er sie niemals verletzen würde? Und doch war es jetzt passiert. "Es tut mir so leid", brachte er es mit weinerlicher Stimme schwer verständlich über die Lippen. Mit behutsamer Festigkeit fasste er nach ihrem Arm, um die Blutung durch Druck zu stoppen. "Ich wollte nicht, dass das passiert..." Valerie riss unerwartend schnell ihren Arm los und schaute ihn mit den gleichen leeren Augen an, die er bis jetzt nur von Daron kannte. Dann stürzte sie eiligen Schrittes ins Schloss zurück. Schweigend und mit ansteigend feuchter werdenden Augen sah der Drachenmensch ihr nach. Seine Tollpatschigkeit hatte also zur ersten Verletzung geführt. Nur mit Gräuel sah er sich seine, mit Valeries Blut, getränkte Hand an. Wie sollte er sich jetzt bei ihr Entschuldigen? Die Angst, sie würde ihn nun überhaupt nicht mehr anschauen, zerfraß ihn schier. Wieder sah er ihr Blut an seinen grauen Fingern kleben. Ranas musste sich davon befreien und das schnellstens. Am nahegelegensten war der Springbrunnen, auf dem Weg zur großen Treppe. Die blonde Fee hatte mit schnellen Schritten die Halle bereits durchquert, als Debora ihr entgegen kam. Sofort merkte diese jedoch, dass etwas nicht stimmte. Sie hielt Valerie an und starrte ihr entsetzt auf den Arm. "War das etwa dieser Drachenmensch?" Ihr Worte klangen ungemein strafend. "Es war keine Absicht", rechtfertigte sie Ranas jedoch und befreite sich auch von ihren Griff. "Habe ich nicht gesagt, dass er gefährlich ist?" Valerie konnte sich diese Worte nicht länger anhören. Mit großen Schritten ging sie achtlos an der dunkelhaarigen Fee vorbei. "Ich verbiete dir, dass du in Zukunft dieser Kreatur zu nahe kommst. Den beiden Jungen, werde ich das ebenfalls untersagen!" Auf Deboras Gesicht war ein Lächeln der Genugtuung zu sehen, welches Valerie jedoch nicht mehr sah. Mit einem flauem Gefühl im Magen starrte er auf das sich stetig bewegende Spiegelbild im Wasser. Warum tat er anderen nur dauernd weh? War das vielleicht seine Natur? Ranas ließ sich am Rand des Brunnen nieder und lehnte sich an diesen an. Dabei legte er die Schwingen um sich herum und zog den Kopf tief ein. Noch nie hatte er sich derartig klein gefühlt. Von seinem Kummer übermannt, bemerkte er erst sehr spät, dass bereits wieder jemand neben ihm stand. Zaghaft sah er auf. Es war Valerie. Sie hatte sich mit erheblichen Abstand zu ihm gestellt und bewegte sich nicht weiter. Die blonde Fee hatte einen weißen Verband am Arm und hielt sich diesen. Gewiss tat er ihr weh. Ranas schwieg. Er schloss die Augen und senkte den Blick. "Debora will nicht, dass ich mich weiterhin mit dir abgebe", sagte sie streng. Ranas trafen diese Worte wie ein Schlag einer steinernen Faust direkt in den Magen. "Sie will auch nicht, dass die Jungs weiterhin mit dir spielen. Sie hält dich für gefährlich." Sein schluchzen ging in ein hörbares Wimmern über. Wie hatte er diese Worte befürchtet. Nachdem sie ihm das gesagt hatte, trat sie endlich näher heran. "Nur weiß sie nicht was sie sagt. Debora irrt sich!" Valerie kniete sich vor den Drachenmensch und fasste behutsam nach seinem Kinn, dass er gezwungen war, sie anzusehen, auch wenn es ihm ungemein schwer fiel. "Sie kennt dich doch gar nicht! Wie sie nur so über dich urteilen kann, verstehe ich nicht. Ich weiß doch, dass es nur ein Unfall war." Valerie schaute ihn durchdringend mit ihren blauen Augen an und wischte ihm eine herunterkullernde Träne aus dem Gesicht. "Und denke ja nicht, dass sich die Jungs daran halten werden!" Bei diesen Worten wirkte ihr Lächeln nahezu bedrohlich. Wie es schien, hatte der Drachenmensch diese Worte jedoch keineswegs bereits verkraftet. Valerie fuhr ihm liebevoll über die Stirn und durch sein ziegelrotes Haar. "Ach komm schon. Die Sache war doch halb so schlimm. Es ist doch nichts passiert." Erst jetzt konnte er sich zu einem weiteren, flüchtigen Blickkontakt durchringen. "Du bist mir nicht böse?" Seine weinerliche Stimme schien ihr kein Wort zu glauben. "Durchaus nicht. Ich war nur erschrocken, nicht mehr." Am liebsten hätte er sie umarmt, weil sie durchaus das Gute in ihm sah, doch das konnte er keineswegs tun. Kapitel 16: ------------ Beide vernahmen Stimmen und sahen auf. Es waren Debora und der König, welche gerade das Schloss betraten. Magnus hielt sich mit zwei Gehilfen gerade, da ihm das Fliegen mit dem geschienten Bein einfach nicht möglich war und Debora hielt einen großen Strauß Blumen, während sie die freie Hand auf die Schulter des Monarchen legte. Da Valerie und Ranas hinter dem Brunnen hockten, wurden sie nicht entdeckt. "Ich will dir gewiss nicht schon wieder zu nahe treten, aber ist es möglich, dass dein Vater mit dieser Person ein Verhältnis hat?" Valerie wand ihm den Blick zu und zog die Stirn in Falten. Sie reagierte auf seine Worte überraschend weniger empört, wie er jetzt befürchtet hatte. "Unsinn! Nur weil es meiner Mutter nicht sonderlich gut geht? Das kann ich mir nicht vorstellen!" "Ich meine ja auch nur...", versuchte er seine Feststellung zu rechtfertigen. "Aber ist dir vielleicht einmal aufgefallen, in welchem Ton sie hin und wieder mit dem König vor aller Augen spricht?" Was es Das betraf, musste sie dem Drachenmenschen Recht geben. "Diese Frau ist manchmal derartig aufbrausend. Daron hingegen scheint das vollkommene Gegenteil zu sein. Ist er wirklich ihr Sohn?" Valerie sah ihn abermals strafend an. "Hackst du schon wieder auf ihm herum?!" Sie wand beleidigt den Kopf ab. "Aber nein. Ich frage doch nicht, um dich zu reizen. Ich bin nur neugierig." Ranas sah vorsichtig zu ihr hinüber. "Ich war so lange allein, dass ich wohl ein großes Interesse daran entwickelt habe, wie sich einzelne Personen untereinander verhalten. Aus deinem Daron werde ich jedoch nicht so ganz schlau. Ich schätze, ich werde ihn wohl noch eine Weile beobachten müssen - wenn er mir über den Weg läuft versteht sich." Ranas erhob sich, auf jede seiner Bewegungen genau achtend, legte sich wenige Schritte von Valerie auf dem Rasen nieder und schloss die Augen. Wortlos setzte sich die Prinzessin neben ihn. Während sie sich ihren noch schmerzenden Arm rieb, sah sie verlegen zum Drachenmenschen hinüber. "Und du bist wirklich der letzte?" So recht wollte das Valerie nicht in den Kopf. Ranas blinzelte mit einem Auge zu ihr herüber, bevor er sich auf die Seite in ihre Richtung drehte. "Soll ich ehrlich sein? Ich weiß es nicht. Möglicherweise haben sich bei dem Wirrwarr, das die Menschen hinterlassen haben, einige in Sicherheit bringen können und mich dort einfach vergessen. So lange Zeit bin ich umhergeflogen um wenigstens einen von ihnen zu finden. Leider war die ganze Suche vergebens. Ich war so müde davon, dass ich mich in diese Höhle zurückzog. Alsbald hatte ich mich mit diesem Schicksal abgefunden..." Ranas brach seine Erzählung ab und schniefte laut. "Aber hat es denn keine Verletzten gegeben?" Valerie sah unsicher zu ihrem Gast hinüber. "Nein. Diese Bastarde waren sehr gründlich! Sobald sie einen meiner Leute im Nachteil sahen, wurde er schnellstmöglich vernichtet." "Waren es so viele dieser Menschen?" Ranas zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht. Ich kam gerade vom Wasser holen, als dieser Kampf schon eine ganze Weile zu gehen schien. Nur wenige Drachenmenschen waren geübt im Umgang mit Waffen. Alle anderen haben sich mit bloßen Händen verteidigt, was natürlich keineswegs ausgereicht hat. Ich erinnere mich noch genau." "Ich ließ sofort alles fallen und habe ebenfalls versucht, zu helfen. Da ich zu dieser Zeit noch viel zu jung für ein Waffentraining war, habe ich mich auch nur mit Händen und Zähnen zur Wehr gesetzt. Als ich jedoch einige Schläge abbekommen hatte, ließ ich mich getroffen zu Boden fallen und stellte mich tot. Ich sah in einer derart chancenlosen Gegenwehr keinen Sinn. So gelang es wenigstens mir, zu überleben. Damit war ich jedoch, wie es schien, der einzige..." Seine Augen wurden glasig und er begann vor sich hinzustarren. "Ich überlebte, um als die Luft endlich wieder rein war, nur zu sehen, dass meine Mutter, nicht weit von mir, längst verblutet war..." Ranas setzte sich ruckartig auf und schlug die Hände vor sein Gesicht um seinen Tränen, von Valerie ungesehen, freien Lauf zu lassen. "Wie furchtbar", flüsterte sie und sah mitleidig zu dem grauen Kerl hinüber. Das Bedürfnis, ihn jetzt in den Arm zu nehmen, konnte sie nicht länger zurückhalten. Liebevoll zog sie Ranas an sich heran und hielt seinen Kopf, steht's darauf bedacht, sich mit seinen Hörnern nicht selbst aufzuspießen. Am ganzen Leib zitternd klammerte er sich an ihr fest. "Bevor ich mich auf die Suche nach den anderen begeben habe, habe ich alle verstorbenen meinesgleichen beerdigt. Die wenigen verstorbenen Menschen habe ich den Lavaströmen überlassen. Das war meine Abrechnung." Ranas befreite sich von ihrem herzlichen Griff und fasste nach seiner Halskette. "Bei einem dieser Scheusale habe ich schließlich diese Kette gefunden, welche mir jetzt deine Gegenwart erlaubt..." Mit einem Räuspern stand plötzlich Daron neben ihnen. Keiner von beiden hatte ihn herankommen gehört. Der Feenmann nahm die Hände hinter den Rücken und sah auf sie herab. Ranas fasste nach seinem Arm und riss ihn unabsichtlich stark auf die Wiese herunter. "Setz dich doch ein wenig zu uns", bestimmte der Drachenmensch ungewöhnlich streng und rieb sich erneut kurz das Gesicht. Daron hatte jedoch nicht vor, hier sitzen zubleiben und war bereits im Begriff sich wieder zu erheben, als sich Valerie an seinem Arm festklammerte. "Bleib doch." Sie schmiegte sich bei ihm an. Daron schniefte resigniert und klappte seine Flügel zusammen. Immer wieder sah er sich jedoch unsicher um. Eine Sache die Ranas recht bald auffiel. "Hast du Angst, hier vor dem Schloss auf der Wiese zu sitzen?", meinte er nahezu belustigt und schaute Valerie schelmisch an. "Hast du Angst, du wirst beobachtet und bekommst Ärger?" Valerie stieß ihm für diese Worte unsanft in die Seite und Darons starrer Blick traf ebenfalls sofort den Drachenmensch. "Du bist also wirklich der letzte deiner Art, wenn ich das richtig mitbekommen habe", lenkte Daron jedoch sofort von sich ab. "So wie du dich hier aufführst, wundert mich das jedoch nicht im geringsten." Sein starrer Blick durchbohrte Ranas weiterhin. Dieser hielt seinem Blick allerdings stand. Valerie sah ihren Verlobten traurig an, woraufhin er endlich den Blick senkte. "Ich kämpfe nur mit den gleichen Mitteln wie er", rechtfertigte sich Daron und strich Valerie kurz über den Arm. "Ich will nicht, dass ihr streitet, verstanden?" Sie sah beide abwechselnd an. In Ranas Gesicht machte sich jedoch wieder ein Grinsen breit. "Soll mir nur recht sein." Er reichte Daron die Hand zur Versöhnung, doch dieser hatte bereits wieder mit den schweren Augenlidern zu kämpfen. "Ich werde wieder ins Schloss gehen", gab er stattdessen nur zurück und rieb sich eine ganze Weile die Augen, bis er sie wieder halbwegs offen hatte. "Schlafen kannst du doch auch hier." Ranas hielt seinen Arm fest, bevor er überhaupt die Chance hatte wieder aufzustehen. Valerie nickte zudem ebenfalls zustimmend. Der Feenmann ließ sich erweichen, auch wenn es ihm nicht im geringsten zusagte. Liebevoll hielt sie seinen Kopf und legte sich diesen auf den Bauch, während sie sich selbst ebenfalls auf der Wiese zurücklegte. Ohne Gegenwehr lies sich Daron alles gefallen. Es dauerte auch nicht sonderlich lange und seine Atmung war recht flach und regelmäßig. "Er ist eingeschlafen", flüsterte sie amüsiert und sah dabei Ranas in die Augen. Dieser wand ihr sofort den Blick zu. "Er kann sich wirklich glücklich schätzen, vor dir auf diese Art gestreichelt zu werden..." Auch wenn sie mit der einen Hand die ganze Zeit Darons Kopf kraulte, hing ihr Blick fest an den ungewöhnlichen Augen des Drachenmenschen. Auch seinen Blick ließen nicht von der Fee ab. "Nur weil ich die Augen geschlossen habe, heißt es noch lange nicht, dass ich schlafe!", brachte sich Daron wieder in das Gespräch ein. "Bereust du es denn, hier geblieben zu sein?" Ranas stützte sich ein Stück auf, um besser in seine Richtung sehen zu können. "Nein..." Kapitel 17: ------------ Ranas hatte sich auf dem Bett vorsichtig zurückgelehnt. Dabei stütze er sich jedoch mit den Armen ab, um die Laken nicht zu ruinieren. Gedankenverloren schaute er aus dem offenen Fenster zu seiner rechten und wippte dabei mit der Drachenschwanzspitze. Draußen wurde es allmählich dunkel. Seine Tür öffnete sich ganz langsam und sofort war seine Aufmerksamkeit dieser zugewandt. Valerie trat mit einem süßen Lächeln ein, mit dem sie ihn auch jetzt wieder ungeheuer kribbelig machte. Sie kam näher und lies sich am Bettende nieder. Ranas wusste nicht, was er jetzt sagen sollte. Wie gerne hätte er ihr irgendetwas nettes gesagt, doch ihm fiel einfach nichts ein. Während sie näher an ihn heranrückte, sah sie ihm tief in die Augen. Er wollte den Blick abwenden, doch Valerie lies das nicht zu. Liebevoll begann sie ihm das Kinn zu streicheln. Unruhig wanderte sein Blick über ihr Gesicht. Dieses Lächeln... er konnte es einfach nicht einordnen. Mit einem tiefen Seufzer schloss er die Augen, um ihrem Blick somit doch aus dem Weg zu gehen, aber die Fee ließ sich auf seinem Bauch nieder. Mehr erschrocken als überrascht krallte sich Ranas am Bettlaken fest. Was tat sie da nur? Unruhig ließ er sich weitere Streicheleinheiten gefallen. Er konnte jetzt nicht hier weg. War er ihr also ausgeliefert? Valeries Hände fuhren im über die Brust und so langsam kam sie ihm auch mit den Lippen näher. Ranas Herz raste. Wie sehr hatte er sich danach gesehnt. Die Tür wurde derart energisch aufgerissen, dass sie gegen die Wand schlug. Daron trat mit geballten Fäusten ein. Sein Kopf war so rot, wie das Haar des Drachenmenschen. Das erste Mal glaubte Ranas sogar Hass in seinem Gesicht zu sehen. Valerie floh sofort aus dem offenen Fenster und überließ ihn dem aufgebrachten Feenmann. "Was fällt dir eigentlich ein?!" Verdutzt sah er zu seinem Gegenüber auf. War er nicht der letzte, der Schuld hatte an seiner jetzigen Situation, doch das schien den Wildgewordenen nicht zu interessieren. Mit keinem Blick hatte er Valerie hinterhergesehen. "Aber ich..." Ranas wollte sich rechtfertigen, doch der Feenmann gab ihm keine Chance dazu. Noch bevor er von Bett aufspringen konnte, hatte ihm Daron den Fuß zwischen die Beine gestellt und erhob drohend den Finger, während er die andere Hand zur Faust ballte. "Das werde ich dir heimzahlen, DRACHENMENSCH!" Kapitel 18: ------------ Bei diesem Wort wurde er aus dem Schlaf gerissen. Erschrocken wand Ranas sofort den Kopf. Erleichtert stellte er fest, dass er es nur geträumt hatte, wo es doch so schön begonnen hatte… Auch jetzt lag er wieder unter dem Fenster. Kurz sah er hinauf. Es stand offen. Sein Herz raste wie wild. Dieser Traum… Wie zu erwarten kreisten seine Gedanken jetzt erst recht wieder um das eine Thema – Valerie. Vielleicht sollte er doch von hier weggehen. Ranas brauchte unbedingt Schlaf. Weitere Gedanken an sie, würden ihn noch verrückt machen. Er raufte sich die roten Haare und starrte gegen die Wand, als er abermals das leise öffnen seiner Tür vernahm. Schnell kniff er die Augen zusammen und stellte sich schlafend. Egal wer es war, er würde nicht reagieren. Die hereingetretene Person kniete sich neben ihn auf den Boden. „Ranas?“, fragte die ihm nur zu gut bekannte Frauenstimme. „Bist du wach?“ Natürlich war es Valerie. Ranas hatte Probleme, seine Atmung wenigstens halbwegs regelmäßig zu halten, um nicht aufzufallen, dass er doch eigentlich gar nicht schlief. Er würde sie ignorieren. Er musste sie einfach ignorieren! Sie machte ihm seine Anwesenheit hier so unglaublich schwer. Er spürte, wie sich die Fee hinter ihn legte. Auch dieses mal kam sie seinen Stacheln sehr nahe. Was sollte er nur tun? Valerie fuhr dem Drachenmensch, während sie neben im lag, mit der Hand über den Bauch. Warum tat sie das? Hatte sie denn keine Angst, sich erneut an ihm zu verletzen? Unmöglich konnte er sich länger schlafend stellen. Ranas winkelte die Beine an und rollte sich zusammen. „Ich kann nicht schlafen“, gestand sie ihm leise. „Warum kommst du dann gerade zu mir?“ Anstatt ihm zu antworten, beugte sie sich über ihn, um sein Gesicht zu sehen. Ranas wand den Kopf ihn ihre Richtung. Ihre Augen waren feucht. „Solltest du nicht lieber zu Daron gehen?“ Der Drachenmensch drehte sich jetzt doch vollends ihn ihre Richtung. Dabei musste er jedoch aufpassen, dass er sie mit den Schwingen nicht unsanft wegschob. „Geh wieder zu Bett.“ Valerie sah unruhig zu ihm hinüber und biss sich dabei auf die Oberlippe. Als sie jedoch versuchte, näher an ihn heranzurücken, brachte er sie recht unsanft wieder auf Abstand. „Das geht nicht.“ Mit Schrecken dachte er an seinen Traum zurück. „Das ist nicht Recht und du solltest das auch wissen.“ Wie unangenehm war es ihm, diese Frau abzuweisen. Die Prinzessin schluchzte und schloss die Augen. „Ich hätte dich nicht küssen dürfen. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Es tut mir leid.“ Ranas Stimme wurde zusehends bekümmerter. „Es tut dir leid?“ Sie schaute ihn unglücklich an. „Du bereust es also, mich überhaupt geküsst zu haben?“ Jetzt hatte sie ihn also dort, wo sie ihn haben wollte. Natürlich bereute er es nicht – niemals! Ihr das weismachen zu wollen, war die größte Lüge, die er jemals ausgesprochen hatte. Er liebte sich doch. Ganz bestimmt wusste sie das längst. „Ich darf das nicht, Valerie“. Er strich ihr kurz über das Kinn, während er den Kopf mit dem anderen Arm aufstützte. „Geh wieder in dein Zimmer…“ „Einen?“ Ihre Stimme klang, als würde sie jeden Moment losweinen. Valerie lag auf dem kargen Holzfußboden und sah ihn erwartungsvoll an. Das sie in Tränen ausbrach, war das letzte, was er wollte. „Na schön, einen.“ Er hatte nicht vor, mit Daron doch noch aneinanderzugeraten. „Einen allerletzten!“ Ganz langsam beugte er sich zu ihr hinüber. Die Angst in ihren Augen bei ihrem ersten Kuss war gänzlich verschwunden. Kaum berührten sich ihre Lippen, durchfuhr es ihn jedoch wie ein Blitz. Was hatte er gesagt? Er würde sie nie wieder küssen? Das war unmöglich! Dann würde er zu Grunde gehen! Fest zog er sie an sich. Valerie klammerte sich in sein Haar. Die Prinzessin so nah bei sich liegen zu haben, ließen seine Küsse nur loch leidenschaftlicher werden. Liebevoll strich er ihr über den Rücken. Die Angst, Daron würde tatsächlich hier hereinplatzen, war für wenige Augenblicke verschwunden, bis er sich mit einer schnellen Bewegung von ihr losriss und zum anderen Fenster stürzte. Es war ihm nicht möglich, seine Erregung länger zu unterdrücken. Valerie sah ihm überrascht nach. „Geh jetzt!“, sagte er streng, sah sie dabei jedoch nicht an. Ranas presste sich eng gegen die Wand und nahm die Hände hinter den Kopf. Was sollten diese Worte jetzt? Hatte sie ihn vielleicht verärgert? Valerie ging auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Du sollst verschwinden!“ Er funkelte sie böse an. Erschrocken nahm Valerie ihre Hand wieder zurück. War es notwendig, das er sie jetzt derart anherrschte? Nocheinmal schaute sie ihn fragend an, dann verschwand sie schnellen Schrittes. Ranas sah verhasst an sich herab. Warum war er jetzt nur so ausgerastet? Es war doch nicht ihre Schuld, dass… Vielleicht war es ja auch besser, dass sie jetzt sauer auf ihn war. Das würde ihm die Sache einfacher machen. Ranas brauchte jetzt ganz dringend eine Abkühlung. Er riss das zweite Fenster ebenfalls auf und beugte sich weit hinaus. Vielleicht sollte er noch ein paar Runden in der kalten Abendluft fliegen, bis er sich wieder beruhigt hatte. Kapitel 19: ------------ Ranas war so einige Runden um das Schloss geflogen, bis er sich wieder unter Kontrolle hatte. Völlig flügellahm war er mit dem Gesicht auf das Bett gefallen und genauso lag er auch jetzt noch dort. Das er Valerie auf diese Weise beschimpft hatte, hatte ihm zwar sofort Leid getan, doch sicherlich war es das Beste so. Die Arme kraftlos nach beiden Seiten hängend und das Gesicht nach wie vor in den Kissen, merkte er schwach wie seine Tür aufsprang. Es war nicht das leise öffnen, was erkannte und doch war es auch nicht das von Daron, welches ihm im Traum erschreckt hatte. Ein surren kam näher. Es verharrte an beiden Seiten seines Kopfes. Nur kurz hörte er ein seltsames Kichern und anschließend brüllten die beiden Knirpse auf ihn ein. "AUFSTEHEN!", plärrten sie wie aus einem Mund. Das ihn Valerie nicht wecken würde, so wie er sie am gestrigen Abend angefahren hatte, hätte er wissen müssen. War das also seine zusätzliche Strafe dafür? Ranas wollte sich die Ohren zuhalten, doch bei beiden hatten ungemein schnell nach seinen Armen gegriffen und zogen ihn jetzt abwechselnd hin und her. Dem Drachenmenschen fehlte allerdings noch jegliche Kraft für eine Gegenwehr. Also lies er sich dieses unfreiwillige hin und her eine ganze Weile gefallen. Irgendwann würden sie schon aufhören. "AUFSTEHEN!", drang erneut dieser unangenehme Klang an seine Ohren. Endlich hatte er die Kraft, seine Arme von den kleinen Händen zu befreien. Schnellstens hielt er sich die Ohren zu. Dieses gequäkte war nicht auszuhalten, denn es erklang bereits erneut. Einer der Jungs lies sich auf dem Bett über seinem Kopf nieder und begann ihm mit dem Finger an den Kopf zu tippen. Ganz sicher würde Ranas das nicht allzu lange aushalten, also hob er langsam den Kopf. Möglicherweise saß der Knirps im Bereich seiner Hörner, was jedoch nicht der Fall war. Die Augen hatte er bis dahin allerdings noch nicht aufbekommen. Erst jetzt riss er diese mit einer ruckartigen Bewegung auf. Auch dieses mal wusste Ranas nicht, um welchen der beiden es sich handelte. Der Kleine schaute ihn irgendwie erschrocken an. Mit einem "Buh!" und einem breiten Grinsen brachte er den Knirps wieder zu kichern. "Na? Hat euch Valerie heute geschickt, um mich zu wecken?" Er nickte eifrig. "Sie hatte keine Lust dich zu wecken." Im selben Moment sprang er bereits wieder auf und stellte sich vor ihn. Sie hatte also keine Lust. Ranas wunderte sich darüber jedoch nicht im geringsten. Schließlich hatte er das ja selbst verschuldet. "Steh endlich auf!", zischte die kleine Fee und verschränkte die Arme, dabei sah er über Ranas hinweg. Ganz sicher heckte sein Bruder gerade wieder Dummheiten aus, welche auch nicht sonderlich lange auf sich warten ließen. Ein unangenehmes Kitzeln an beiden Füßen drang in ihn ein. Ranas biss tapfer die Zähne zusammen. Unmöglich konnte er nach dem Jungen treten um ihn davon abzuhalten. Wie sollte er sich dann befreien? Er überlegte nur kurz, dann breitete er seine Schwingen aus und brachte sich mit deren Hilfe auf dem Bett zum stehen. "Schon gut. Ich bin wach! Ihr habt gewonnen!" Ranas stieg vom Bett und streckte sich erst einmal ausgiebig. Dabei sprang ihm der Kleine vom Bett auf die Schulter. Mit einem schnellen Griff hielt er ihn fest. "Trag mich!", bestimmte der Junge. "Kein Problem." Wie zu erwarten, wollte sein Bruder natürlich auch nicht laufen. Mit den Beiden Feen auf dem Arm betrat er den Speiseraum. Trotz dass es ein eher ungewöhnliches Bild war, schien Valerie daran nicht im geringsten interessiert. Im Gegenteil. Sie hatte zudem noch den Platz mit Daron getauscht, neben dem sich Ranas jetzt niederlassen durfte. Nach dem üblichen "Guten Morgen", bei dem er nur von den wenigsten eine Antwort bekam, setzte er sich an die Tafel. Die beiden Jungs waren ihm in der Tür von der Schulter gesprungen und hauten bereits tüchtig rein. Ranas verspürte heute keinen so rechten Appetit. War er doch zu beginn der Meinung gewesen, dass es besser wäre, wenn Valerie böse auf ihn war, tat es ihm jetzt ungeheuer leid. Irgendwann lief er ihr heute schon einmal allein über den Weg und dann würde er sich sofort bei ihr entschuldigen. Bereits nach wenigen Bissen verspürte Ranas bereits keinen Appetit mehr. Mit einer spärlich bestückten Entschuldigung verließ er sogar schon den Raum, als die beiden kleinen noch am essen waren. Das ihn Valeries Gleichgültigkeit jetzt bereits so schmerzte, hätte er nicht erwartet. Ranas setzte sich in der Halle auf den Absatz der breiten Treppe, welche zu den Schlafgemächern führte und stützte den Kopf auf. Wie sollte er sich nur dieses Mal entschuldigen? Sollte er ihr wirklich den wahren Grund für sein Verhalten nennen? Das er seine tierischen Triebe nicht länger unter Kontrolle halten konnte und er ihr diesen Anblick nur zu ersparen versucht hatte? Ausgeschlossen! Damit würde er sie garantiert noch weiter von sich wegbringen. Ranas rieb sich die Augen, als das klappern von Geschirr an sein Ohr drang. Es war einer der Bediensten. Er war damit auf dem Weg zur Königin und musste jetzt am Drachenmenschen vorbei. Schnell sprang er auf und streckte die Hände nach dem Tablett aus. "Lass mich ihr heute das Essen bringen", sagte er mit einem zuversichtlichen Lächeln im Gesicht. Der Angestellte sah ihn skeptisch an. "Ach komm schon. Was kann ich dabei denn schon falsch machen und außerdem hast du bestimmt noch andere Sachen zu erledigen." Erneut sah er sein Gegenüber erwartungsvoll an. "Na schön." Kapitel 20: ------------ "Guten Morgen, Euere Majestät", begrüßte Ranas sie mit einem Lächeln und trat mit dem Serviertischchen näher. Verschlafen und gleichermaßen verwundert drehte sie den Kopf in ihre Richtung. "Wie geht es Euch heute?" Ranas stellte das Tischchen neben ihr Bett. "Wie es mir jeden Tag geht", gab Amalia schwach zurück. "Du bringst mir heute das Essen?" Sie richtete sich schwerfällig auf. "Ich habe den jungen Mann, der es eben hereinbringen wollte, gerade so dazu überreden können es mir zu überlassen. Eine kleine Entschädigung, dass ich gestern nicht ein einziges mal hier gewesen bin." Der Drachenmensch setzte sich auf den Boden neben ihr und reichte ihr eine Schale mit Früchten entgegen. "Das ist wirklich lieb gemeint von dir...", wehrte sie mit der flachen Hand ab "...aber ich habe überhaupt keinen Appetit." "Und dennoch solltet Ihr unbedingt etwas Essen!" Er hielt ihr die Schale so lange entgegen, bis sie sich doch etwas aus dieser heraus genommen hatte. Ranas wartete, bis sie die Beeren auch wirklich aß, erst dann erhob er sich wieder vom Boden. "Wie ich sehe, haben sie dich neu eingekleidet." Mit einem süßen Lächeln sah er auf die Königin herab. "Ja. Valerie hat diesen roten Stoff ausgesucht. Sie ist der Meinung, er würde mir stehen." "Und damit hat sie auch recht", gab ihm Amalia ebenfalls lächelnd zurück. Ranas wand sich dem großen Runden Fenster zu. "Sicherlich würde Euch frische Luft ebenfalls gut tun." Ohne ein weiteres Wort ließ er die breiten Flügel eines der Fenster in ihrem Zimmer aufspringen. Der Drachenmensch lehnte sich weit hinaus und zog die Luft tief in die Lunge, dann ließ er den Blick schweifen. "Ich bitte dich, dieses Fenster wieder zu schließen!", hatte die Königin allerdings einzuwenden. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass kalte Zugluft so ungemein gut sein kann..." Verdutzt wand er sich zu ihr um. "Aber Euere Majestät", sagte er fast schon bekümmert. "Seht Ihr nicht, dass der Himmel wunderschön blau ist? Die Luft ist nicht im geringsten kalt. Wir sollten unbedingt nach draußen gehen", schlug er stattdessen vor. Die Königin schnaubte leicht verärgert. "Langsam gehst du wirklich zu weit!" Der Drachenmensch ließ sich jedoch nicht länger von seinem Vorhaben abhalten. Als er erneut auf Amalia zulief, spiegelte sich Angst in ihren Augen. "Du wirst mich nicht anfassen!", bestimmte sie mit zusammengekniffenen Augen. Ruckartig hielt er an. "Vertraut Ihr mir nicht?" Er schaute sie unschuldig an. Der Blick der Königin ging an Ranas vorbei nach draußen. Währenddessen bewegte er sich nicht von der Stelle. Unruhig suchte sie Blickkontakt. "Vielleicht hast du Recht. Schlechter wie jetzt kann es mir unmöglich gehen..." Ranas schritt lächelnd näher an die Monarchin heran. "Deiner Mutter habe ich doch auch vertrauen können..." Amalia deutete mit zitternder Hand in die Richtung des Stuhles, auf dem ihr Morgenmantel hing. Bereitwillig ließ sie sich in diesen hineinhelfen. Ihre Flügel hingen kraftlos an ihr herab und waren durch das ständige liegen an einigen Stellen sehr zerknickt. Behutsam streifte er ihr den Mantel über die Flügel hinweg. Da Amalia ohnehin kaum Kraft hatte, würde sie diese jetzt sowieso nicht nutzen. Unruhig rutschte sie auf den Bettkante hin und her. "Ein entscheidendes Problem haben wir jedoch nicht beachtet." Die Königin sah ihn einfallslos an. "Nie werden mich die Wachen in diesem Zustand aus dem Schloss lassen." Ranas warf erneut einen Blick aus dem Fenster. "Dann werden wir eben die Abkürzung nehmen..." Der Drachenmensch war noch einen sich versichernden Blick hinaus, dass auch wirklich niemand in der Nähe war, bevor er mit der Königin auf den Armen dahin zurückkam. "Lass mich bloß nicht fallen", schluckte sie verängstigt. Warum hatte sie sich dazu nur überreden lassen. Amalia klammerte sich an seinem Arm fest. "Niemals! Das würde ich mir nie verzeihen..." Die Fenster waren so breit, dass es für Ranas kein Problem war, die Schwingen schon im Zimmer zu öffnen. Mit einer langsamen Bewegung stieg er auf den Fenstersims. Amalia kniff die Augen zu, nachdem sie einen kurzen Blick in die Tiefe geworfen hatte. Die warme Luft, während des Fluges, streichelte ihr angenehm über die Haut. Sie kam nicht umhin doch ihren Blick über das schöne Fleckchen Erde unter sich und um sie herum zu werfen. Erleichtert atmete sie auf, als sie den Boden fast erreicht hatten. Ranas war mit der Königin ein ganzes Stück hinter das Schloss geflogen. Er hatte nicht vor, den Ärger bereits nach wenigen Augenblicken zu bekommen, den er sich jetzt mit diesem Verhalten ganz bestimmt eingehandelt hatte. Behutsam setzte er die Monarchin auf der Wiese ab. Sogleich krallte sie sich am Rasen fest. "Wie lange habe ich schon keinen Rasen mehr gefühlt", kam sie ins schwärmen. Sie schloss die Augen und drehte das Gesicht in die Sonne. "Du hattest Recht damit, als du sagtest, dass es nicht im geringsten kalt wäre." Glücklich schaute sie Ranas in die Augen, der jetzt ebenfalls auf der Wiese im Schneidersitz neben ihr platzgenommen hatte. "Das war eine gute Idee von dir." Amalia legte dem Drachenmenschen die Hand aufs Knie und dieser senkte verlegen den Blick. "Schon viel eher hätte man darauf kommen können, das mich dieses Zimmer allein unmöglich wieder gesund werden lassen würde." "Wie lange leidet Ihr eigentlich bereits an dieser Schwäche wenn ich fragen darf?" Amalia überlegte eine Weile. "Das dürfte in etwa nach der Geburt von Ravel und Serys angefangen haben. Zu dieser Zeit war glücklicherweise Debora bereits da, um Magnus etwas zu unterstützen." Amalia legte sich auf der Wiese zurück und schloss abermals die Augen. "Für eine Frau meines Standes ziemt es sich zwar nicht im geringsten, dass ich mich nur im Nachtgewand hinter dem Schloss auf der Wiese niederlege, aber ich denke ich mache da einfach eine Ausnahme." Die Monarchin lugte mit einem Auge zu Ranas hinüber, da ihr die Sonne ungemein in den Augen brannte, doch sie lächelte. Der Drachenmensch lehnte sich ebenfalls zurück. Er konnte ihr Schmunzeln nur erwidern. Die so schwach wirkende Königin so glücklich zu sehen gab ihm ein ungemein gutes Gefühl. Er wand jedoch plötzlich ruckartig den Kopf. "War Debora nach oder bereits vor Euerer Erkrankung hier im Schloss?" Amalia zog die frische Luft tief ein und streckte dabei die Arme nach oben der Sonne entgegen. "Ich weiß es nicht", bekam er jedoch als Antwort. "Ich kann mich nicht erinnern." Kapitel 21: ------------ Ranas hob den Kopf und schaute sich unruhig um. Wurde das Verschwinden Der Königin womöglich bereits entdeckt? Er setzte sich auf und nahm die Hände über die Augen, um besser in Richtung Schloss sehen zu können und tatsächlich. Eine Gruppe Soldaten verließen den Palast. Schnell strömten sie in alle Möglichen Richtungen aus. Auch Amalia konnte jetzt bereits ihre Stimmen hören. Sie schaute den Drachenmensch erschrocken an. "Sie suchen mich." Ranas nickte nur. "Da drüben", rief einer der Wachen lautstark. Sogleich strömten alle auf die zwei zu. Allen voran Debora. Sie hatte das verschwinden sicherlich als erste bemerkt. Mit geballten Fäusten schwebte sie knapp über den Grashalmen. "Das kann ich einfach nicht glauben!", fuhr sie ihn erbost an. "Die Königin zu entführen, ist doch das allerletzte!" "Ich habe sie nicht entführt", versuchte er sich zu rechtfertigen. "Ich wollte lediglich, dass sie frische Luft..." Abrupt wurde er von Debora unterbrochen. "Halt den Mund, Drachenmensch!", schalt sie ihn wiederholt. "Beruhige dich doch Debora", erhob Amalia endlich das Wort. Mit einer flüchtigen Handbewegung brachte sie auch die Königin zum schweigen. Daron war der Gruppe ebenfalls gefolgt und der Blick seiner Mutter traf jetzt ihn. "Bring die Königin ins Schloss zurück", befahl sie streng, wand jedoch den Blick von Ranas nicht ab. Daron tat wie ihm geheißen und half Amalia auf. Er hakte sich bei der Königin ein und beide verschwanden wieder in Richtung Schloss. Ranas sah ihr unruhig nach. Einige der Wachen folgte Amalia sofort. "Ihr könnt euch ebenfalls wieder zurückziehen", befahl Debora den restlichen Wachen, welche immer noch um sie herum standen. "Mit ihm werde ich schon alleine fertig." Ungeduldig wartete sie, bis alle außer Hör und Sichtweite waren, dann verschränkte sie die Arme vor der Brust und starrte ihn verhasst an. "Und nun zu dir!" Ranas schluckte erschrocken. Wo war nur Valerie, wenn er sie ganz dringend brauchte. "Das war ein sehr großer Fehler von dir, die Königin aus dem Schloss zu schaffen." Obwohl er ein knappes Stück größer war wie Debora sah sie auf ihn herab. "Wo hast du den Rubin von Saan Darea her?" Unmissverständlich deutete sie auf seine Kette. Ranas nahm das Anhängsel sofort in die Hand und drückte in an sich. "Ich habe dich etwas gefragt. Antworte mir gefälligst! Wie kommst du zu diesem Schmuckstück?" "Ich... ich habe sie gefunden", stammelte er verlegen. Debora versuchte danach zu fassen, doch er wich einige Schritte zurück. "Gib sie mir! Sie gehört nicht in die Hände eines Drachenmenschen!" Ranas schüttelte wiederwillig den Kopf. Er war sich dem, was passieren würde, wenn er sie ablegte, durchaus bewusst. "Ich habe sie gefunden, also gehört sie jetzt mir!" Debora begann allmählich vor Wut zu kochen. "Du sollst sie mir geben, verdammt noch mal! Du missratene Kreatur!" Was sagte sie da schon wieder? Ranas nahm die Hände hinter den Rücken und senkte verbittert den Kopf. Diese Chance nutzte die dunkelhaarige Fee sofort, um sie ihm unsanft über den Kopf und die Hörner zu reißen. Es dauerte nicht lange und Ranas hatte seine wahre Größe zurück. Debora legte sich die Kette selbst um den Hals und flog ihm genau vor die Augen. "Und jetzt mach, dass du wegkommst, bevor du hier noch irgendetwas zerstörst!" Kapitel 22: ------------ Ranas war Hals über Kopf davongestürzt. Erst flog er ein ganzes Stück, doch als ihm die Schwingen den Dienst versagten, rannte er einfach nur noch. Er wollte allein sein, obgleich er so viele Jahre allein gewesen war. Vor ihm tat sich jetzt ein Wald auf. Es waren große, alte Bäume und dennoch strahlte dieser Wald alles andere als Unbehaglichkeit und Kälte aus. Vögel waren von überall her zu hören. Unaufhaltsam stürmte er hinein. Warum er einer derart harte Strafe bekommen hatte, wollte ihm perdu nicht in den Kopf. Schließlich hatte er doch niemanden verletzt. Er hatte dieser Frau einen Gefallen getan und das war also der Dank? Unter einem der dicken Bäume lies er sich wimmernd nieder. Mit dem Gesicht dem Stamm zugewandt und immer wieder mit den Hörnern gegen die Rinde schlagend. Valerie kam gerade aus den Ställen hatte dem wild davon Stürmenden nur noch nachsehen können. So derart aufbrausend wie der Drachenmensch jetzt jedoch gewesen war, wagte sie es nicht, ihm zu folgen. Stattdessen flog sie ins Schloss zurück. Vielleicht würde sie hier eine Antwort, für sein derart erzürntes Verhalten bekommen. Schon in der Halle vernahm sie aufgebrachtes diskutieren. Schnell trat sie ebenfalls in den Thronsaal ein und ließ den Blick erwartungsvoll schweifen. Debora lief mit schnellen Schritten und verschränken Armen auf und ab. Valerie sah sofort, dass die Kette ihren Besitzer gewechselt hatte. Der König hatte sich wieder mit seinem geschienten Bein auf den Thron gequält und Amalia saß an der Tafel nahe der Tür und hinter ihr stand Daron. "Ich hatte befürchtet, dass etwas derartiges früher oder später passieren würde." Debora war außer sich. "Ranas hatte doch nichts böses im Sinne", gab die Königin jedoch zurück. "Darf ich auch endlich erfahren, was hier eben los war?" Valerie stemmte die Arme in die Hüfte und sah alle nacheinander prüfend an. Als ihr Blick den von Debora streifte, wand sich diese ihr zu. "Dieser Drachenmensch hat doch eben versucht, die Königin zu entführen", fuhr sie erbost auf und lief weiterhin auf und ab. Valerie bekam große Augen. "Er hat was?" "Er hat mich nicht entführt", nahm ihn die Königin auch jetzt wieder in Schutz. "Er wollte lediglich..." Doch sie wurde unterbrochen "So ein Blödsinn!" Debora war mit wenigen schnellen Schritten an den Tisch herangetreten und schlug die Hände auf die, sie spiegelnde, Platte. "Du saßt nur mit Nachthemd und Morgenmantel auf der Wiese. Eine unerhörte Frechheit ist das! Er hat sehr wohl eine Ahnung davon, wie schwach du bist und dennoch hat er..." Jetzt wurde sie jedoch barsch unterbrochen. Amalia kniff die Augen zusammen. "Ich werde es nicht dulden, dass du derartig mit mir sprichst! Du wirst dafür sogen, dass er wieder zurückkommt. Das bin ich seiner Mutter schuldig." "So ein Nonsens. Du weißt nicht, was du da redet!" Debora warf Daron einen strengen Blick zu. "Bringe sie zurück in ihr Zimmer!" Daron hakte die Königin abermals bei sich ein. Ohne Widerstand lies sich diese jedoch hinausgeleiten und beide verließen den Thronsaal. "Ist das war, Vater?" Valerie wand sich jetzt an den König. "Ich weiß es nicht Liebes. Ich war nicht dabei, als das angeblich Gesehene passiert sein sollte." "Angeblich?" Deboras Stimme brauste erneut sehr laut auf. "Ich weiß sehr wohl, was ich gesehen habe. Ich bin nicht verrückt, wie deine Frau", musste sich der König anhören, bevor auch die Schwarzhaarige Fee den Saal verließ. Valerie sah ratlos zu ihrem Vater hinüber. Dieser senkte jedoch den Blick und klammere sich an den Armlehnen seines Sitzes fest. Die Prinzessin schniefte ratlos. Sie war jetzt nicht schlauer wie zuvor. Wem sollte sie jetzt glauben? Einer Frau, die sich so manches Mal unangebracht im Ton vergriff oder einer Frau, deren Handlungsfähigkeit seit so langer Zeit beträchtlich eingeschränkt war und ihr klares Denken manches Mal sehr stark getrübt zu sein schien. Sie verließ ebenfalls den Saal und auch das Schloss. Vielleicht sollte sie Ranas jetzt doch aufsuchen und ihn fragen, wie ihm das geschehene vorgekommen war. Eine weitere Meinung dazu, wäre ganz sicher nicht verkehrt. "Was hast du dir dabei gedacht, meine Mutter zu entführen?" Valerie hatte ihn endlich erreicht und schwebte jetzt in seiner Augenhöhe. "Ich habe sie nicht entführt", versuchte sich Ranas allerdings herauszureden. "Auch nein?" Die kleine Fee flog ungeheuer weit an seine Augen heran. "Und warum hat man sie nur mit Nachtgewand und Morgenmantel bekleidet mit dir zusammen auf der Wiese hinter dem Schloss gefunden?" Die zierliche Fee stemmte die Arme in die Hüfte und wartete ungeduldig auf eine Antwort. "Sie wollte nicht hinaus das gebe ich zu aber hast du nicht gemerkt, dass es ihr danach besser ging?" "Was redest du nur für einen Stumpfsinn?!" Valerie flog empört hin und her, bis Ranas sie mit beiden Händen aus der Luft schnappte. Erschrocken schrie sie auf. "Lass mich los, verdammt!" Er stellte sie auf seinem Knie ab. "Hör dir an, was ich dir zu sagen habe", sprach er mit erhobenem Finger. "Dann kannst du gerne wieder gehen." Valerie verschränkte trotzig die Arme. "Als ich sie aus dem Zimmer brachte, habe ich sie auf beiden Armen getragen, weil sie sich nicht halten konnte. Sie war zu schwach. Sowie Daron sie allerdings wieder ins Schloss zurück führte, hatte er sie lediglich auf einer Seite eingehakt ansonsten lief deine Mutter allein." Valerie stockte der Atem. Der Drachenmensch hatte recht. Auch im Schloss wurde sie nur auf einer Seite eingehakt. "Aber wie kann das sein?" Sie schaute Hilfesuchend zu ihm auf. "Irgend etwas in ihrem Zimmer stimmt nicht. Ich weiß es!" "In ihrem Zimmer?" Sie setzte sich auf sein Knie. "Irgend etwas muss es dort geben, was ihr die Kräfte raubt. Warum sonst schläft sie denn allein und nicht im gemeinsamen Bett deiner Eltern?" "Sie schläft allein, weil sie Ruhe braucht", hatte Valerie jedoch auszusetzen." "Wer im Schloss hat das denn eigentlich festgelegt?", hakte Ranas nach. Valerie überlegte eine Weile. "Ich denke, dass war Debora." "Na also". Ranas lehnte sich am Baum zurück. "Da kommen wir der Sache doch bereits näher." Diese Frau hatte von Anfang an Gräuel gegen ihn gehegt. Warum sollte er da der einzige sein? Er hatte gleich gemerkt, dass sie mehr zu wissen schien, wie sie zugab. Warum sonst, hatte sie ihm die Halskette so schnell abgenommen. "Hör mir zu", sprach er weiter auf die liebreizende Fee ein. "Du musst dich im Zimmer deiner Mutter umsehen - Unbemerkt versteht sich." "Warum sollte ich das tun?" Valerie erhob sich von seinem Knie um etwas größer zu wirken. "Suche dort etwas, was dir ungewöhnlich scheint. Einen Stein - einen der leuchtet. Ich bin mir sicher, dass dir so etwas auffallen sollte." "Einen Stein? Wie kann ein Stein eine derartige Macht haben, jemanden so zu schwächen?" "Du hast doch den Rubin gesehen, den mir Debora abgenommen hat. Glaube mir doch bitte Valerie. Ich kenne mich mit farbigen Steinen aus. Ich bin mir ganz sicher, dass etwas in dieser Art in ihrem Zimmer versteckt ist." "Aber wie soll ich dort unbemerkt hineinkommen? Du weist doch genau, dass meine Mutter ständig in diesem Zimmer ist." "Dann solltest du das in der Nacht machen. Vielleicht ist es dann sogar einfacher, etwas Leuchtendes zu finden." Kapitel 23: ------------ Noch in dieser Nacht schlich sich Valerie in das Zimmer ihrer Mutter. Ihr war überhaupt nicht wohl dabei. Sie hatte so fürchterliche Angst, dabei erwischt zu werden. Vorsichtig schlich sie durch die Gänge. Wenn sie geflogen wäre, hätte ihr surren sicherlich einige auf sie aufmerksam gemacht, deshalb lief sie den gesamten Weg. Ganz leise öffnete sie die Tür der Königin und genau so leise schloss sie diese auch wieder hinter sich. Valerie atmete tief durch. Bis jetzt war sie noch nicht bemerkt worden. Sie schaute zaghaft zu ihrer Mutter hinüber. Auch sie schien recht fest zu schlafen. Dann erst schaute sie sich flüchtig um. Hier in diesem Zimmer sollte also irgendwo ein leuchtender Stein versteckt sein. Aber wo sollte sie suchen? Der große Schrank in der Ecke bot in ihren Augen gute Versteckmöglichkeiten. Also sollte sie am besten hier beginnen. Wenn sie nur wüsste, wie groß dieser besagte Stein in etwa sein sollte. Sie öffnete vorsichtig die beiden Türen und suchte alles ab. Zwischen jedem Stoff, in jedem Fach, doch die Suche blieb ergebnislos. Valerie hoffte so sehr, dass sich Ranas täuschte - dass die Schwäche ihrer Mutter einen anderen Grund haben könnte. Ohne erfolgreiches Ergebnis schloss sie die Türen des Schrankes wieder. Wo sollte sie noch nachschauen? Uhrplötzlich fiel ihr das Bett ein. Darunter konnte man jede Menge Zeug verstecken. Valerie kniete sich auf den Boden und suche alles ab - jedoch auch hier vergebens. Was hatte Ranas gesagt? Dieser Stein würde leuchten? Unter dem Bett leuchtete weit und breit nichts. Sie setzte sich resignierend auf den Boden. Valerie war sich sicher, dass sie hier nichts finden würde, was einem leuchtenden Stein auch nur nahe kam. Die Prinzessin schloss die Augen und hielt kurz inne. Sie würde jetzt wieder zurück in ihr Zimmer gehen und diese Sache vergessen. Gleich morgen würde sie Ranas aufsuchen und ihm sagen das sie nichts gefunden hatte und er sich einfach nur geirrt haben konnte. In den wenigen Augenblicken totaler Finsternis überkam sie ein seltsames Gefühl. Auch ihr kam es so vor, dass ihre Kräfte sie so langsam verlassen wollten. Valerie riss die Augen auf und schaute sich nocheinmal suchend um. Dabei blieb ihr Blick an einem Tischchen hängen, auf dem eine recht große Topfpflanze stand. Vielleicht war der Stein in diesem Blumentopf eingegraben? Schnell stand sie vom Boden auf. Sie hob den Blumentopf an, um von unten zu prüfen, ob vielleicht irgendetwas leuchtendes aus den Löchern herausschaute, doch auch hier wurde sie nicht fündig. Resigniert wollte sie die Pflanze wieder an ihren Platz stellen, da hielt sie in der Bewegung inne. Dieses Tischchen war aus allerlei dünnem Holz geflohen und die Oberseite davon war mit lauter glatten Steinen verziert. Einer davon war ziemlich groß und genau in der Mitte des Tisches eingearbeitet. Und dieser war auch der einzige, welcher einen schwachen, violetten Lichtschein abgab. Valerie hatte ihn also gefunden. Was sollte sie jetzt tun? Ihn dort herausreisen? Auch wenn sie sich dabei Mühe geben würde, würde das nicht ohne weiteres gehen. Den Tisch vielleicht mitnehmen? Das war auch nicht möglich. Ganz sicher würde ihn jemand vermissen und wenn sie diesen in ihr Zimmer stellen würde, würde sie diese Entkräftung treffen. Valerie entschied sich daher, erst einmal nichts dergleichen zu tun. Sie würde morgen erst einmal Ranas das Gefundene erzählen. Er solle dann entscheiden ,was er für das beste hielt. Am liebsten wäre Valerie bereits nach dem Aufstehen zu Ranas geflogen. Sie war sich jedoch ganz sicher, das dieses Verhalten in größtem Maße auffällig gewesen wäre Also aß sie mit der Familie zu Frühstück, wie sich das gehörte, auch wenn ihr am heutigen Morgen nichts so recht schmecken wollte. Als sie am Waldrand ankam, stand die Sonne bereits sehr hoch am Himmel. An dem Platz, an dem Ranas am Tag zuvor gesessen hatte, war er jetzt nicht auszumachen. Ihn in den Wald hinein zu rufen, würde jedoch in ihrer Größe nicht sonderlich viel bringen, also flog sie ein Stück herum. Es dauerte auch nicht sonderlich lange, da wurde die Fee auf ein schnarchen aufmerksam. Nach einigem umschauen, konnte sie feststellen, das dieses von einem der Bäume nicht weit von ihr kam. Kichernd flog sie näher. So wie dieser Drachenmensch hier auf diesem Baum hing, hätte sie unmöglich schlafen können. Valerie flog ganz nah an sein Ohr heran. "Guten Tag Ranas", flüsterte sie, mit ihrer ohnehin leisen Stimme. Nur sehr langsam bewegten sich seine Augenlider. Doch als er den ersten verschwommenen Blick auf die blonde Fee geworfen hatte, waren diese mit einem Ruck auf. "Ich dachte schon, du würdest meine Idee für Unsinn halten und gar nicht kommen", äußerte er ihr erleichtert und hielt die Hand flach nach vorne, das Valerie darauf landen konnte. "Du hattest Recht", gestand ihm die Fee verlegen. "Der Stein, den ich gefunden habe ist..." "Sag nichts. Er ist violett?" Valerie blieb der Mund offen stehen. "Woher...?", doch sie sprach nicht weiter. Auch Ranas antwortete nur mit einem Lächeln. Er schien sich wahrhaftig auszukennen. "Hast du ihn aus dem Zimmer genommen?", wollte er sogleich wissen. "Das ging leider nicht", gab Valerie zurück. "Ich wollte erst nicht so recht fündig werden, doch dann entdeckte ich ein Tischchen, auf dem eine große Topfpflanze stand. In die Oberseite dieses Tisches sind zahlreiche flache Steine eingewebt. Einer von ihnen war dieser besagte violette Stein. Er ist in etwa so groß wie mein Kopf." Ranas sah überlegend in die Ferne. "Wenn du den Tisch einfach verschwinden läst?" "Ich befürchte, wenn ich ihn da wegschaffe, wird das der Person, die ihn dort platziert hat, als aller erstes auffallen." "Kannst du ihn nicht durch einen anderen ersetzen?" Valerie sah verzerrt zu ihm auf. "Dieser Tisch ist derartig aufwändig gearbeitet, dass ich mir sicher bin, keinen ähnlichen zu finden." Ranas warf die kleine Fee dezent in die Luft, so das sie von selbst wieder mit fliegen begann. Er sprang vom Baum und dehnte sich erst einmal ausgiebig. Sicherlich hatte er jetzt auch mitbekommen, dass dieser Schlafplatz dem Rücken nicht im geringsten gut tat. "Dann sollten wir uns vielleicht heute Nacht an deinem Fenster treffen", schlug er vor. "Du zeigst mir diesen Tisch und ich sehe, was ich tun kann." Valerie flog erneut sehr nah an ihn heran. "Und schon wieder hilfst du mir", sagte sie traurig. "Obwohl dich Debora aus dem Schloss geworfen hat." Ranas hielt erneut die Hand auf und Valerie landete abermals darauf. "Das tue ich einzig und allein nur für dich und niemand anderen." Die Prinzessin gab dem großen Kerl einen Kuss auf die Nasenspitze. Worte waren jetzt unnötig. Kapitel 24: ------------ Ranas erschrak plötzlich so fürchterlich, dass er ruckartig die Hand wegzog und Valerie dabei fast herunterstürzte. Darons Kopf war knallrot, als er auf die beiden zuflog. Valerie hatte erst sehr spät gemerkt warum der Drachenmensch so zusammengefahren war. Ganz sicher hatte der Feenmann die kleine Nettigkeit von eben mitbekommen. Beide hofften so sehr, dass er wenigstens keines ihrer Worte verstanden hatte. Daron schwieg. Er griff schroff nach Valeries Handgelenk und zog sie wieder ins Schloss zurück. Ihr unglücklicher Blick hing noch so lange an Ranas, bis ihre Augen ihn nicht länger genau erkennen konnten. „Lass mich endlich los!“, fauchte sie nach einer ganzen Weile gereizt und schüttelte ihr Handgelenk von ihm frei. „Was ist denn in dich gefahren?“ „Er hat deine Mutter entführt und du hältst dich dennoch bei ihm auf? Nicht auszudenken, wenn er dich dort festgehalten hätte!“ „Was erzählst du nur für einen Unsinn?! Das kannst du nur von Debora haben. Er hat sie nicht entführt!“ Auf keinen Fall konnte sie ihn in ihren Plan mit Ranas einweihen, auch wenn ihr das ungemein schwer fiel. Ganz bestimmt würde er diese Nacht besonders gut aufpassen, wo sie sich aufhielt. Sicher wäre es das Beste, diese Angelegenheit noch eine Nacht zu verschieben – vielleicht auch noch einige Tage mehr. Valerie musste den Drachenmenschen unbedingt nocheinmal treffen, bevor sie ihr Vorhaben in die Tat umsetzten. Wie sie bereits befürchtet hatte, lief hin und wieder irgendwer über den Gang. Valerie wälzte sich auf dem Bett unruhig hin und her. Ranas wusste, wo sich ihr Zimmer befand, doch aufgetaucht war er nicht. Sie war sich sicher, dass er heute auch nicht mehr kommen würde. Ranas hatte ganz sicher Darons stinksaueren Blick gesehen und hielt es von sich aus bereits für das beste, heute diese Unternehmung nicht zu riskieren. Würde sie also Morgen ebenfalls Wachbleiben und auf ihn warten. Kapitel 25: ------------ Schon die halbe Nacht war Valerie jetzt in ihrem Zimmer auf und ab gelaufen. Der heutige Tag war unerträglich gewesen. Ständig der Gedanke an den Drachenmensch und die Frage, ob es ihnen tatsächlich gelang, die Königin von ihrem Leiden zu befreien. Die beiden Jungs hatten ebenfalls wieder nach Ranas gefragt. Mehr als, dass er eben nicht mehr da sei, konnte sie ihnen jedoch auch heute wieder nicht sagen. Ihnen zu erzählen, dass er sich nicht weit von hier im Wald aufhielt, musste sie unbedingt für sich behalten. Wie schnell würden die beiden dorthin verschwinden und das war für die Knirpse viel zu gefährlich. Nicht auszudenken, wie sich ihre Mutter sorgen würde, wenn sie das erfahren würde. Wo steckte er nur. Würde er womöglich noch einen Tag länger warten wollen? Endlich leuchtete doch ein gelbes Auge zum Fenster herein. Valerie ließ einen der Flügel aufspringen und beugte sich ein Stück zu ihm hinaus. „Da bist du ja endlich.“ Sie klang furchtbar besorgt. Ranas nickte nur mit einem Lächeln. Er hatte nicht vor, hier zu sprechen. Seine Stimme würde man auch im Flüsterton noch ungemein weit hören. Erst recht, in der Nacht. Valerie öffnete leise die Tür ihres Zimmers und lauschte in den Gang hinaus. Da sie kein Geräusch vernahm, verschwand sie schnellen Schrittes und ließ ihre Tür nur sehr leise zuspringen. Ranas wartete noch. Er konnte es nicht riskieren, ihr jetzt bereits übereilt zu folgen. Der Drachenmensch lauschte. Außer den Geräuschen hin und wieder aus dem Drachenstall war nichts zu hören. In keinem Zimmer brannte noch eine Kerze. Selbst der Mond versteckte sich hinter dicken Wolken. Alles war mucksmäuschenstill. Auf leisen Sohlen betrat Valerie das Zimmer ihrer Mutter. Ihr war klar, dass sich Ranas Zeit lassen würde, um das Schloss erneut zu umlaufen. Jetzt aufzufliegen, war viel zu gefährlich, erst Recht, wo Debora bereits etwas zu wittern schien. Valerie hatte gerade eines der Fenster geöffnet, als sie eine zitternde Stimme vernahm. „Was machst du hier?“ Sie fuhr erschrocken zusammen. War ihre Mutter also doch noch wach. Warum hatte sie sich nicht vergewissert, dass sie auch wirklich schlief. Schnell kehrte sie zu Amalias Bett um und kniete sich vor sie. „Warum bist du nicht in deinem Bett?“ Valerie strich ihr liebevoll über die Hand. „Ranas hat den Grund gefunden, warum es dir so lange schon schlecht geht“, gestand sie flüsternd und sah unruhig zum Fenster. „Er hat was?“ Valerie versuchte ihre Mutter mit dem Finger an den Lippen zum schweigen zu bewegen. „Es ist keine Krankheit, woran du leidest.“ Wieder schaute sie zum Fenster. „Ist Ranas auch hier?“ Die Prinzessin nickte. „Wenn es keine Krankheit ist, was soll es denn dann sein?“ Amalia wusste nicht so recht, was sie von den Worten ihrer Tochter halten sollte. „Ein magischer Stein ist es, der dir die Kraft entzieht.“ Die Königin schüttelte den Kopf. „Ach Unsinn.“ Auch sie glaubte kein Wort. „Wie kann ein Stein derart mächtig sein?“ „Du hast doch den roten gesehen, welchen Ranas um den Hals trug?“ Amalias Augen wurden groß. „Nur mit seiner Hilfe konnte er unsere Größe einnehmen. Debora hat ihm diesen weggenommen, um ihn loszuwerden. Vielleicht stellt ihr Ranas eine Gefahr dar.“ Etwas Großes verdunkelte zusätzlich das Zimmer. Der Drachenmensch war endlich herangetreten. „Ich erkläre dir alles später, versprochen?!“ Die Königin nickte abermals und Valerie erhob sich wieder. Sie verharrte kurz in der Bewegung und lauschte. Dann erst, wand sie sich dem Blumentopf zu. Gerade, als sie ihn anheben wollte, wurde die Tür leise geöffnet. Valerie geriet in Panik. Wenn man sie jetzt erwischen würde, wäre alles vorbei. Innerhalb eines kurzen Augenblickes war sie mehr unter das Bett gerutscht, als gekrochen. Von ihrer Position aus konnte sie genau sehen, dass es sich um Frauenfüße handeln musste, welche gerade eingetreten waren. Der Leuchter, den sie in der Hand hatte, machte das unverkennbar deutlich. Ranas hatte vor dem Fenster stehend sofort die Augen geschlossen und die Luft angehalten. Mittlerweile war es so dunkel, dass er auf diese Weise nicht auffallen würde. Auch Amalia hatte sich sofort wieder schlafendgestellt. Debora stellte den Kerzenhalter auf dem Boden ab und schloss das Fenster, ohne dass ihr Ranas auf irgend eine Weise auffiel. Valerie zitterte am ganzen Leib. Wie froh war sie, als Debora das Zimmer endlich wieder verließ und das Licht und ihre Schritte auf dem Gang wieder schwächer wurden bis sie ganz verschwanden. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis sich die Prinzessin wieder beruhigt hatte. Erst dann kroch Valerie, noch immer zitternd, wieder unter dem Bett hervor. „Geht es dir gut Liebes?“, fragte Amalia besorgt und ihr Blick folgte ihrer Tochter, die sich erneut dem Tischchen näherte. Ohne ein Geräusch stellte sie die Pflanze auf dem Boden ab. Mit dem Tisch in der Hand eilte sie nun zum Fenster. Nur ungern wollte sie erneut unterbrochen werden. Da dieser Tisch nicht sonderlich schwer war, war es für sie kein Problem, mit der anderen Hand bereits das Fenster erneut zu öffnen. Erst als Ranas das wiederholte Aufspringen hörte, schien er sich wieder, atmen zu getrauen. Valerie reichte ihm das Möbelstück hinaus. Seine Augen wanderten schnell über den kunstvoll gearbeiteten Hocker. Die gedrehten Beine und die liebevoll gearbeitete Oberseite gefielen ihm ebenfalls sehr. Auch Ranas war sich sicher, dass es sich bei diesem Schemel nur um ein Einzelstück handeln konnte. Selbst wenn die Sicht dieser bewölkten Nacht nicht die beste war, konnte er den leuchtenden Stein unmöglich übersehen. Valeries Blick hing abwechselnd an der Zimmertür und am Drachenmensch vor dem Fenster. Sie beugte sich ein Stück aus dem Fenster und sah unruhig zu ihm auf. „Beeil dich doch bitte.“ Auch für Ranas war es nicht möglich, den leuchtenden Stein einfach nach oben herauszureißen, ohne das Tischchen gleich vollständig zu ruinieren. Das biegen der Weidenruten an der Unterseite der Platte, brachte einige von ihnen zum brechen. Dabei vielen mehrere der Steine heraus. Darunter war auch der violette Stein. Mit einer schnellen Bewegung fing Ranas ihn auf und verstaute ihn sicher in seiner Hand. Dank seiner Größe konnte dieser magische Stein ihm jetzt nicht das geringste anhaben. Seine Kraft war einfach nicht stark genug. Mit großer Vorsicht bog er einige der gebrochenen Ruten wieder etwas zurecht, um ein herausfallen weiterer Steine zu verhindern. Erst dann gab er der blonden Fee den Hocker zurück. Das an diesem Tischchen etwas nicht stimmte, würde man jetzt jedoch erst sehen, wenn man den schweren Topf herunterheben würde. Das Gewicht dieses, sollte er dennoch Problemlos aushalten. Valerie stellte alles an seinen alten Platz zurück erst dann wand sie sich wieder ihrer Mutter zu. Amalia hatte die ganze Zeit über kein Wort gesagt, jedoch alle Geschehnisse genau beobachtet. „Und ihr denkt, dass funktioniert wirklich?“ Ranas nickte wortlos. Valerie strich der Königin abermals über die Hand. „Wir werden sehen und das beste hoffen.“ Ihr Blick fiel unruhig zur Tür. „Fühlst du dich im Stande, das Fenster hinter mir zu schließen? Ich halte es für sicherer, jetzt nicht durch die Flure in mein Zimmer zurückzukehren.“ Bevor Amalia jedoch antworten konnte, hatte die Prinzessin bereits Bedenken. „Ich hoffe nur, Debora war nicht in meinem Zimmer und hat dort bereits das Fenster wieder geschlossen…“ „Ich schlafe ohnehin nur sehr schlecht. Solltest du nicht hineingelangen, komm zurück an dieses Fenster und ich lasse dich herein.“ Sie küsste Valerie auf die Stirn. „Ich hoffe nur, dass ihr diese Eskapade nicht umsonst durchstehen musstet.“ Valerie verließ mit einem Lächeln das Zimmer und zog das Fenster so weit heran, wie ihr es von außen möglich war. Amalia würde noch einige Zeit brauchen, bis sie es endlich aus dem Bett herausgeschafft hatte. Eine Veränderung konnte sie jetzt noch nicht spüren und sie zweifelte auch jetzt noch stark daran, dass diese überhaupt eintreffen würde. „Warte bitte noch“, flüsterte Valerie dem Drachenmensch ins Ohr, während sie kurz um seinen Kopf herumgeflogen war. „Ich will mich nur kurz vergewissern, dass mein Fenster auch ja noch offen ist. Sonst bin ich gezwungen doch durch das Schloss zu laufen. Womöglich laufe ich dann Debora doch noch über den Weg. Ich bin gleich wieder zurück.“ Ranas nickte, entfernte sich jedoch trotzdem einige große Schritte vom Schloss. Wie er nun so in der Einsamkeit der wolkenverhangenen Nacht stand, fiel sein Blick erneut auf den violetten Stein. Warum hatte ihn Debora dort nur versteckt? Er war sich jetzt bereits ganz sicher, dass niemand anderes dafür in Frage kam. War sie vielleicht gierig auf den Thron? Er hatte ja mitbekommen, wie sie sich ihm gegenüber verhalten hatte. Warum sollte sie also nicht auch so eine Absicht haben. Ein surren an seinem Kopf brachte seine Gedanken zurück. „Da bin ich wieder.“ Valerie flog ganz nah an seine Augen heran. Der bedeckte Himmel machte ihr die Sicht sehr schwer. „Ich weiß gar nicht, wie ich mich bei dir jetzt bedanken soll.“ Ranas strich ihr mit dem Finger liebevoll über den kleinen Kopf. Sie vor sich zu sehen, war ihm schon Freude genug. „Treffen wir uns Morgen?“, flüsterte er angespannt, nachdem er noch einen kurzen Blick zum Schloss geworfen hatte, um auch weit genug davon weg zu sein. „Aber ja“, gab Valerie ihm Prompt zur Antwort. Der Drachemensch kratzte sich verlegen am Ohr. Sollte er es wirklich wagen? Er entschloss sich dafür. Ohne das die Prinzessin jetzt damit gerechnet hatte, gab er ihr einen Kuss auf die Stirn, welcher jedoch mehr ein Kuss auf ihr ganzes Gesicht war. Erblasst davon wich er mit dem Kopf ein Stück zurück. „Entschuldige bitte…“ Valerie jedoch lächelte. Sie flog erneut auf den großen Kerl zu und gab ihm ebenfalls einen Kuss auf die Nase. „Ich sollte jetzt langsam zurück.“ Ranas strich ihr nocheinmal vorsichtig über den Kopf. Dann setzte er seinen Weg, in den Wald zurück, fort. Weil man das schlagen seiner Schwingen ganz bestimmt noch weiter hören würde, wie seine Schritte, lief er lieber die Strecke. Er hatte ja Zeit. Im Wald erwartete ihn jetzt niemand. Also setzte er behutsam einen Fuß vor den anderen. Den Stein würde er im Wald irgendwo vergraben, dass auch niemand auf die Idee kam, irgendwem damit erneut Sorgen zu bereiten. Valerie hatte den Rest der Nacht kaum geschlafen. Ständig musste wie wieder an Ranas denken. Auch jetzt wieder, beim gemeinsamen Frühstück mit der Familie. Erst recht nach ihrem Erlebnis von gestern Abend. Traurig starrte sie auf den leeren Hocker neben sich. Was würde er jetzt wohl gerade tun? Ihr unglücklicher Blick fiel auf Ravel und Serys. Auch sie machten heute Morgen einen eher gelangweilten Eindruck auf sie. Die Beiden sahen sich zwar hin und wieder an und zu ihrem Vater auf, doch zu fragen, ob der Drachenmensch wiederkommen würde, wagte sie sich schon längst nicht mehr. Selbst Daron machte heut einen noch ruhigeren Eindruck wie sonst. Nicht ein einziges Mal, sah er zu seiner Verlobten hinüber. Unmöglich konnte er immer noch böse auf sie sein. Urplötzlich fiel Valerie ihre Mutter wieder ein. Hatte das gestrige Unternehmen etwas bewirkt? So schnell wie möglich musste sie die Königin sprechen. Wie sehr hoffte sie, dass dieses Erlebnis, wenigstens mit etwas Erfolg gekrönt war. Sofort nach dem Frühstück, sah sie nach Amalia. Einer der Bediensteten brachte ihr soeben das Essen, doch auch wie am Tag zuvor, wirkte die Königin sehr müde und schwach. Mit halboffenen Augen schaute sie dem Angestellten nach, bis er das Zimmer verlassen hatte, dann wanderte ihr Blick mutlos zu Valerie. „Würdest du bitte die Tür schließen, mein Kind.“ Kraftlos gelang es ihr, die Stimme zu erheben. Valerie tat, wie ihr geheißen, doch als sie sich erneut ihrer Mutter zuwandte, saß diese aufrecht in ihrem Bett und hatte ein überglückliches Lächeln im Gesicht. „Ranas hatte recht“, sagte sie sofort, ohne ihre Tochter unnötig lange auf die Folter zu spannen. „Bereits am gestrigen Abend hatte ich gespürt, wie die Kräfte langsam zurückkehrten.“ Valerie lief sofort auf sie zu und drückte ihre Mutter fest an sich. „Ohne ihn würde ich jetzt noch hier herumsiechen. Wo ist er jetzt?“ Die Prinzessin sah Amalia traurig an. „Debora hat ihm die Kette abgenommen und ihn davongejagt. Er hat sich in den Wald, nicht weit hinter dem Schloss, zurückgezogen. Ohne diese Kette ist es ihm nicht möglich, sich auf unsere Größe zu verkleinern.“ Sie schniefte traurig. Amalia gab ihr einen dicken Kuss auf die Stirn. „Wann wirst du deine Genesung offenbaren?“ So schnell wie möglich wollte Valerie ihre Mutter wieder an ihrer Seite haben. „Ich denke, ich werde noch auf den richtigen Augenblick warten“, gab diese jedoch zurück. „Ich will die Person, welche mich so lange Zeit leiden lies, auf frischer Tat ertappen.“ Sie strich ihrer Tochter liebevoll über das blonde Haar. „Du darfst niemanden verraten, dass es mir besser geht, auch nicht deinem Vater – außer Ranas natürlich. Ich denke doch, dass du ihn dennoch triffst. So gut kenne ich dich.“ Die beiden Frauen warfen sich lächelnde Blicke zu. „Nimm am besten das Tablett gleich wieder mit, bevor ich doch noch Appetit bekomme. Wenn ich jetzt alles wegputze, falle ich ganz sicher auf.“ Valerie drückte ihre Mutter noch einmal an sich. „Ich werde dir bei Gelegenheit etwas zustecken“ Sie zwinkerte der Königin zu und verschwand mit dem Tablett wieder aus dem Zimmer. Amalia legte die Hände hinter den Kopf. Jetzt hatte sie erst einmal genug Zeit, um über eine gerechte Strafe für diese Person nachzudenken. Seit Ranas nicht mehr im Schloss weilte, setzte sich auch Daron nicht mehr auf der Wiese zu Valerie. Wie gerne würde sie jetzt sofort in den Wald fliegen, doch sie konnte nicht schon wieder wegbleiben. Damit würde sie ihren Verlobten nur noch mehr erzürnen. Und dennoch sah sie ihn noch weniger als sonst. Leise weinend erhob sich die Prinzessin wieder. Sie ließ die Blumen fallen, die sie ihn ihrer Wut achtlos von der Wiese gerissen hatte und flog auf die Ställe zu. Valerie würde sich jetzt erst einmal mit ihrem Drachen beschäftigen. Vielleicht gelang es Wölkchen, sie etwas aufzumuntern. Kapitel 26: ------------ „Musstest du ihm diese Kette unbedingt abnehmen und ihn wegschicken? Seinetwegen ist sie andauernd im Wald. Hier konnte ich die zwei wenigstens beobachten.“ Debora sah weiterhin aus dem Fenster ohne auf ihren Sohn zu reagieren. Eine ganze Weile standen sie schweigend, bis Daron ihr die Hände auf die Schulter legte. „Sie gehörte nicht ihm…“ „Sagte er nicht, er habe sie gefunden?“ Endlich wand sie sich doch zu ihm um. „Sie gehörte mir. In den Händen eines Drachenmenschen hat sie nichts verloren.“ Die Beraterin lief zum Spiegel, um sich ihr Haar zu bürsten. „Wie kann sie denn dir gehören, wenn er sie doch in seinem Zuhause gefunden hat?“ Ungeachtet dieser Frage bürstete sie weiter. „Warst du vielleicht auch dort?“ Das ihm seine Mutter mit den Antworten aus dem Weg ging, sagte ihm überhaupt nicht zu. „Was ist? Bekomme ich noch eine Erklärung?“ Debora ließ die Bürste energisch auf die Kommode fallen. „Ja, ich war dort!“ „Und was hattest du dort zu suchen?“ Auf eine Antwort lies sie auch jetzt wieder warten. Stattdessen schlug sie mit der Faust auf die Kommode. „Diese Drachenmenschen waren eine Plage!“ Daron kratzte sich unwissend am Kopf. „Wie kommt es dann, dass ich noch nie zuvor einen gesehen habe?“ Debora starrte in den Spiegel und von dort aus in Darons Augen. „Erinnerst du dich an den Kampf, den es dort gegeben hat?“ Er wurde hellhörig. „Warst du etwa dabei?“ „Ich habe ihn angeführt! Diese verdammten Drachenmenschen waren mir schon immer ein Dorn im Auge!“ Daron trat näher an den Spiegel heran und begutachtete sich genauer. „Das kaufe ich dir nicht ab. Wie kann eine Fee wie du eine ganze Horde Menschen anführen?“ Sein trüber Blick wanderte über das Gesicht seiner Mutter. „Wenn das die Wahrheit sein soll, dann sage mir, wie du das fertigbekommen haben willst.“ Schweigend sah sie ihrem Sohn jedoch in die Augen. „Was hast du diesen Männern geboten, dass sie einen derartigen Kampf riskiert haben?“ Sein Blick durchbohrte Debora mittlerweile schier. „Jetzt sag mir endlich, was du diesen Bastarden zum tausch angeboten hast!“ Er fasste unsanft nach ihrer Schulter, doch Debora riss sich sogleich wieder davon los und stürzte auf die Frisierkommode zu. „Du willst wissen, was ich ihnen geboten habe? Na schön! Mich habe ich ihnen geboten. Dieses Angebot war zu verlockend. Wann hat ein Mensch schon einmal die Gelegenheit, eine Fee zu …“ „Das reicht!“, unterbrach er sie endlich abrupt. „Was erzählst du da?“ Mit schnellen Schritten war er hinter ihr und schüttelte sie unsanft an den Schultern durch. Debora befreite sich auch jetzt wieder von seinem Griff und sah ihn mit einem seltsamen Lächeln an. „Du warst es, der die Wahrheit wissen wollte. Jetzt musst du damit leben!“ Abermals stierte sie aus dem Fenster. „Du hast mit diesen Soldaten herumgehurt, nur um diesen Kampf zu bestreiten? Heißt das etwa ich bin das Kind eines Bastardes und einer Hure? Verdanke ich also dir, meine verfluchte Behinderung?“ Wiederum lief er auf sie zu. „Wie viele waren es?! Wie vielen Männern hast du deinen Leib angeboten?“ Er schüttelte sie noch grober wie zuvor. „Ich will endlich eine Antwort haben!“ Nur schwer gelang es ihr jetzt, sich aus den Händen ihres Sohnes zu befreien. „Ich erinnere mich nicht. Mir ist klar, das ich mein Verhalten mit nichts wieder gut machen kann, dennoch Liebe ich dich. Als du endlich geboren warst, war mir klar, dass du auf einen Thron gehörst. Du allein solltest dort herrschen, auch wenn zu Beginn ich es war, die sich dafür berufen gefühlt hat.“ Beruhigend strich sie ihm über die Schultern. „Ich will dieses Wort nie wieder aus deinem Munde hören.“ „Aber genau das ist es, was du bist! Eine verdammte Hure! Ich hasse dich Mutter!“ Schnellen Schrittes war er bei der Tür. Davor angekommen wand er sich noch einmal zu ihr um. „Ich werde Valerie nicht heiraten! Hast du verstanden! Niemals!“ Keinen Augenblick später war das zuknallen ihrer Tür nahezu im ganzen Schloss zu hören. Daron stürzte durch die Flure. Was ihm Debora jetzt offenbart hatte, war eindeutig zu viel für einen einzigen Tag. Noch halb auf der breiten Treppe breitete er schon in der Halle die Flügel aus. Er brauchte jetzt unbedingt frische Luft. Durch seine derartig starke innere Anspannung gelang es ihm nicht, seine Flugrichtung gerade zu halten. Auf der Terrasse angekommen, landete er sofort wieder. So fest er nur konnte, schlug er mit den Fäusten gegen das steinerne Geländer. Wie konnte seine eigene Mutter nur ein derart falsches Spiel mit ihm treiben? Gerade sie, der er so lange Zeit sein Leid geklagt hatte und ihr stets vertraute. Der bloße Gedanke daran ließ ihn erneut kochen. Er würde diese Verlobung schnellstmöglich lösen. Nur zu lange hatte er es bis jetzt herausgezögert. Seine Unsicherheit, diese Sache betreffend, war seit sich Ranas hier aufhielt nur noch deutlicher geworden. Suchend sah er sich um. Da er schon vor einigen Tagen begonnen hatte Valerie aus dem Weg zu gehen, hatte er auch jetzt keine Ahnung, wo sie sich gerade aufhalten könnte. Sowie er die Treppe hinabsteigen wollte, vernahm er hinter sich ein lautstarkes Lachen. Die beiden Jungen flogen mit rasendem Tempo aus der Tür, so dass Daron nichts anderes übrig blieb, wie schnellstmöglich den Kopf einzuziehen, wenn er nicht umgeflogen werden wollte. „Jungs!?“, rief er ihnen mit strengem Ton hinterher. Die Beiden hielten sofort an und kamen mit gesenkten Köpfen auf ihn zu. Mit Sicherheit hatten sie jetzt wieder Ärger zu erwarten. Auch wenn ihn dieses wilde herumjagen nach wie vor störte, versuchte er ruhig zu bleiben. Er wollte die beiden nicht erschrecken. „Habt ihr eine Ahnung, wo Valerie ist?“ Er sah die Beiden abwechselnd an und wartete auf eine Antwort. Verängstigt warfen sich diese jedoch nur Blicke zu. Daron hockte sich vor die beiden und legte ihnen die Hand auf die Schulter. „Es tut mir wirklich leid, dass ich es mit meiner Strenge hin und wieder übertrieben habe, aber das ist jetzt kein Spiel.“ Wieder sah er sie abwechselnd an. „Ich muss es unbedingt wissen.“ Ravel zuckte daraufhin mit den Schultern. „Ich habe sie das letzte Mal bei Wölkchen gesehen“, gestand Serys endlich. Er warf seinem Bruder einen ängstlichen Blick zu und ging hinter ihm nahezu in Deckung. Im Drachenstall also. Dort würde er als erstes nach ihr suchen. „Ich danke euch, Jungs.“ Daron strich den beiden Haudegen über die blonden Köpfe, erhob sich und schwirrte davon. Unschlüssig sahen sie ihm nach. „Was ist denn mit dem los?“ Ravel zuckte mit den Schultern und legte sich die Hand auf den Kopf. „Ich habe keine Ahnung. Der hat uns doch noch nie gestreichelt.“ „Vielleicht ist er ja krank?“ Serys begann zu kichern, doch so recht konnten sie sich sein Verhalten nicht erklären. Leicht außer Atem kam Daron am Drachenstall an. Das breite Tor war auf einer Seite nur angelehnt. Er trat ein und sah sich suchend um. „Ist jemand hier?“, fragte er sofort, ohne erst unnötig viel Zeit verstreichen zu lassen. Eine Antwort bekam er nicht. Daron lief weiter hinein. An der zweiten Box blieb er jedoch wieder stehen. Wölkchen war hier, genau wie es sich gehörte. War sie also nicht ausgeritten. Ihm kam sofort ein Verdacht. Wenn er sie jetzt im Schloss nirgends finden würde, konnte er sich ganz sicher sein, dass sie wieder bei Ranas war. In diesem Fall würde er die Suche für heute abbrechen. Wenn sie in seiner Gegenwart war, brauchte er sich nicht um sie sorgen. Würde er eben morgen mit ihr über die Verlobung sprechen. Bis dahin war auch noch Zeit. Daron verließ den Stall und sah sich um. Wenn er jetzt im Schloss noch weiter nach ihr suchen würde, durfte er das keineswegs zu auffällig tun. Seine Mutter sollte nicht unbedingt dahinterkommen, dass sie nicht hier war. Ganz bestimmt würde sie wieder Wachen aussenden. Kapitel 27: ------------ Schon eine ganze Weile hatte Ranas wieder mit den Tränen zu kämpfen. Einsamkeit und Traurigkeit trieben sie ihm immer und immer wieder in die Augen. Verschwommen starrte er vor sich hin. Es wollte dem Drachenmenschen perdu nicht gelingen, ihnen endlich Einhalt zu gebieten. Nun war er schon in dieser grünen Idylle und doch hatte ihn die Verlassenheit wieder. Dennoch war er lieber hier als zwischen den spitzen Steinen und den Lavaströmen. Valerie war so nah und doch so weit von ihm weg. Wieder musste er die Augen trockenreiben, um seinen Blick wenigstens halbwegs klar zu halten, als etwas kleines, verschwommenes auf ihn zugeflogen kam. Schnellstens rieb er sie abermals trocken, um zu sehen, dass es sich bei dem unklaren Etwas um Valerie handelte. „Was machst du denn hier um diese Zeit?“, fragte er überrascht, jedoch gleichermaßen erfreut, sie zu sehen. Ohne ein Wort flog sie ganz nah an ihn heran. Ihre Augen waren ebenfalls rot, als hätte auch sie bis vor kurzem noch geweint. „Was hast du denn Kleines?“, drängte sich ihm die Frage auf. Er hielt seine Hand auf, dass sie darauf landen konnte, doch Valerie flog ihm direkt auf die Schulter. „Seit du nicht mehr im Schloss bist, ist Daron so anders“, schniefte sie ihm schwerverständlich ins Ohr. Ranas wand nur sehr zaghaft den Kopf. „Schreit er dich etwa meinetwegen an?“ „Im Gegenteil.“ Sie rutschte näher an seinen Hals heran und klammerte sich am roten Haar fest. „Er ignoriert mich…“ „Wie bitte? Sollte er sich nicht freuen, mich endlich los zu sein? Ich verstehe diesen Kerl einfach nicht…“ Ein Schweigen beiderseits ließ einen aufkommenden Windhauch kraftvoller scheinen wie er in Wirklichkeit war. „Wie konnte ich nur derart dein Leben ruinieren. Es tut mir so unendlich leid, Valerie…“ Die blonde Fee begann ihn zaghaft am Ohr zu streicheln, was seinerseits jedoch eher ein kitzeln war. „Du hast mein Leben nicht ruiniert. Im Gegenteil. Ich bin so froh, dass ich dir begegnet bin.“ Ranas kniff die Augen zu. „Wie geht es deiner Mutter?“, fragte er schnellstens, um abzulenken. Valerie sprang von seiner Schulter und flog ihn wieder ungemein nah vor die Augen. „Sie wird mit der Offenbarung ihrer Genesung noch warten. Sie will Debora unbedingt auf frischer Tat ertappen. Mutter ist dir sehr dankbar…“ Valerie senkte den Blick „Wie gerne würde ich dich jetzt umarmen…“ Der Drachenmensch legte sich auf dem Moos zurück. Nur zu gerne hätte er ihr das gleiche gesagt, doch immer wieder geisterte Darons Gesicht in seinem Kopf herum. Valerie landete auf seiner Brust und schaute ihn traurig an. Hatte sie vielleicht eine Antwort erwartet? Er hob den Kopf an um sie besser sehen zu können. „Solltest du nicht wieder ins Schloss zurückgehen?“ Die Prinzessin schüttelte den Kopf. „Ich gehe nicht zurück.“ Ranas riss die Augen überrascht auf. „Meinst du nicht, dass sie dich suchen werden?“ „Das ist mir egal. Ich gehe heute nicht wieder zurück.“ Sie setzte sich auf seinen Bauch. „Ich will bei dir bleiben.“ „Sei doch nicht albern. Die Nächte können unangenehm kalt werden. Du würdest dir nur einen Schnupfen holen.“ Valerie legte sich nach seinen Worten jedoch vollends auf ihn und hielt sich die Ohren zu. Was sollte er jetzt nur tun? Wegschicken kam nicht in Frage, nur zu gerne hatte er sie in seiner Nähe. Ranas legte ganz behutsam seine Hände über ihren zierlichen Körper. Würde er sie eben auf diese Weise warm halten. Daron würde ihm ganz sicher einen Dolch ins Herz stoßen, wenn er seine Verlobte hier so bei ihm liegen sah. Mit einem glücklichen Lächeln sah sie jedoch zu ihm auf. Sie wusste, dass er sie nicht wegschicken würde. „Warum hattest du mich an dem einen Abend überhaupt mit derart harten Worten aus deinem Zimmer vertrieben?“ Diese Frage hatte er so befürchtet. Ranas atmete noch einmal tief durch und ließ die zierliche Fee mit dieser Bewegung auf und ab wippen, bevor er sich an einer Erklärung versuchte. „Die Sache war die…“, begann er zögernd. „Dein Anblick… er hatte mich in diesem Augenblick derartig… vielleicht kennst du das ja von Daron noch nicht, aber ich… dich so nah bei mir zu haben hat mich nicht im geringsten kalt gelassen…“ Sie errötete und unterbrach sein hilfloses Gestammel mit den Worten „Ich verstehe“. Erleichtert atmete Ranas auf. Er war so froh darüber, nicht noch länger um den heißen Brei herum reden zu müssen. „Und ja du hast Recht damit, dass ich dieses Verhalten von Daron nicht kenne.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)